Die neuen Eurobasisdemokraten, oder: Zurück in die 1980er?

Moss macro

Eigent­lich gibt es zur Zeit wich­ti­ge­res als das Innen­le­ben der grü­nen Par­tei. Trotz­dem könn­te die 39. Ordent­li­che Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz, die Ende Novem­ber in Hal­le statt­fin­det, inter­es­sant wer­den, lie­gen doch inzwi­schen eini­ge Anträ­ge Unzu­frie­de­ner vor. Ich den­ke dabei ins­be­son­de­re an den Antrag „Die Par­tei stra­te­gisch neu auf­stel­len, Fens­ter und Türen öff­nen!“ von Robert Zion und an den Antrag „Für eine umfas­sen­de Rück­kehr zu basis­de­mo­kra­ti­schen Struk­tu­ren“ von Frank Bro­zow­ski und ande­ren. Ins­ge­samt ste­hen inzwi­schen 146 Per­so­nen unter den Anträ­gen. Wor­um geht es?

Bei­de Anträ­ge sind for­mell recht ähn­lich auf­ge­baut. Auf eine län­ge­re Ana­ly­se mit Emp­feh­lun­gen – bei Zion eher stra­te­gisch-inhalt­lich, bei Bro­zow­ski stär­ker an For­ma­li­en ori­en­tiert – folgt jeweils ein recht knapp gehal­te­ner Beschluss­teil. Bei Robert Zion heißt es hier:

Die Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz nimmt die hier dar­ge­stell­te Ana­ly­se und das stra­te­gi­sche Kon­zept „Euro­pa anders bau­en – ein neu­er Ver­trag für unse­re Gesell­schaf­ten“ zustim­mend zur Kennt­nis. Sie beauf­tragt den Bun­des­vor­stand ent­spre­chen­de orga­ni­sa­to­ri­sche und pro­gram­ma­ti­sche Schrit­te zur Umset­zung eines sol­chen oder ähn­li­chen Lang­zeit­kon­zepts mit kon­kre­ten Zeit­schie­nen ein­zu­lei­ten. Die sat­zungs­mä­ßi­gen Orga­ne und Arbeits­ge­mein­schaf­ten sowie die Par­tei­ba­sis sind in die Erar­bei­tung mit ein­zu­be­zie­hen. Poten­zi­el­le poli­ti­sche und gesell­schaft­li­che Ver­bün­de­te in ganz Euro­pa sind zu iden­ti­fi­zie­ren, um in einen Aus­tausch über gemein­sa­me Zie­le und Stra­te­gien einzutreten. 

Der Basi­de­mo­kra­tie-Antrag for­dert entsprechend:

Der Inhalt des vor­lie­gen­den Antrags wird zustim­mend zur Kennt­nis genom­men. Es wird eine in aus­ge­wo­ge­ner Wei­se mit Mit­glie­dern des BuVos, der LaVos, des Par­tei­rats und mit Basis­mit­glie­dern esetz­te Kom­mis­si­on ein­ge­setzt. […] Die oben genann­ten kon­kre­ten Zie­le sind als For­de­rung zu betrach­ten, die von der Kom­mis­si­on umge­setzt wer­den. Deut­lich vor Antrags­schluss vor der BDK 2016 legt die Kom­mis­si­on Ergeb­nis­se vor, die zei­gen sol­len, wie die genann­ten Pro­ble­me kon­kret gelöst und die genann­ten Zie­le erreicht wer­den kön­nen. Auf der BDK 2016 sol­len die ent­spre­chen­den Punk­te (Sat­zungs­än­de­run­gen etc.) beschlos­sen wer­den. Wir gehen davon aus, dass es sich hier­bei um einen län­ge­ren Pro­zess han­delt. Des­halb ist auch auf den nächs­ten BDKen (mind. 5 Jah­re) jeweils ein Tages­ord­nungs­punkt „Basis­de­mo­kra­tie“ anzusetzen. 

Bei­de Anträ­ge gemein­sam – es gibt durch­aus Über­lap­pun­gen zwi­schen den jewei­li­gen Antrag­stel­le­rIn­nen und Unter­stüt­ze­rIn­nen – gemein­sam wür­den ver­su­chen, für einen län­ge­ren Zeit­raum („Lang­zeit­kon­zept“, „län­ge­ren Pro­zess“) inhalt­lich wie orga­ni­sa­to­risch das Arbeits­pro­gramm des Bun­des­vor­stands fest­zu­le­gen. Der­ar­ti­ge Arbeits­auf­trä­ge sind nicht ganz unge­wöhn­lich, bei­spiels­wei­se hat eine der letz­ten Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­ren­zen eine Kom­mis­si­on ein­ge­setzt mit dem Auf­trag, die grü­ne Posi­ti­on zum Ver­hält­nis Kir­che und Staat zu klä­ren. Eben­so gibt es immer wie­der Beschlüs­se zu ein­zel­nen The­men, die aus der Basis der Par­tei her­aus initi­iert wor­den sind. Der Anspruch, über Anträ­ge zum Par­tei­tag in die­sem Aus­maß eine inhalt­lich-stra­te­gi­sche Neu­aus­rich­tung der Par­tei ein­zu­for­dern, ist dage­gen eine neue Qua­li­tät. Inso­fern lohnt sich eine inhalt­li­che Auseinandersetzung.

Revival der Bewegungspartei, nur diesmal europäisch

Der Antrag „Die Par­tei stra­te­gisch neu auf­stel­len, Fens­ter und Türen öff­nen!“ stellt in sei­ner Ana­ly­se zunächst ein­mal fest, dass es auf Bun­des­ebe­ne an rea­lis­ti­schen Regie­rungs­op­tio­nen fehlt, und dass es einen „poli­ti­schen Still­stand“ im Land gibt. Bereits hier fällt auf, dass das Beschrei­bun­gen sein mögen, die für die Bun­des­ebe­ne zutref­fen, aber völ­lig igno­rie­ren, dass Bünd­nis 90/Die Grü­nen der­zeit in neun Län­dern an der Regie­rung betei­ligt sind. Neben Bun­des­par­tei und Bun­des­tags­frak­ti­on haben damit stär­ker als frü­her neue Akteu­rIn­nen die poli­ti­sche Büh­ne betre­ten. Und auch aus den Lan­des­ver­bän­den ohne Regie­rungs­be­tei­li­gung gibt es ver­stärkt pro­gram­ma­ti­sche Impulse.

Zurück zur Bun­des­ebe­ne. Für Zion bil­den die The­men­kom­ple­xe „Flucht und Migra­ti­on, Kli­ma, euro­päi­sche Ein­heit, Frie­den und Sicher­heit, Rena­tio­na­li­sie­rung“ einen kri­sen­haf­ten Zusam­men­hang, der zusam­men „die schwer­wie­gends­te und gefähr­lichs­te Kri­se unse­res demo­kra­ti­schen Sys­tems seit dem Zwei­ten Welt­krieg“ dar­stellt. Ähn­li­che Ten­den­zen sieht er nicht nur in Deutsch­land, son­dern über­all in Euro­pa. Dem­entspre­chend hän­gen für ihn das euro­päi­sche Pro­jekt und der Weg aus die­sem Kri­sen­kon­nex eng zusam­men. Sein Fazit: 

[…] wir wen­den die gro­ße Gefahr nur ab, wenn sich der ein­ge­schla­ge­ne Weg in Euro­pa ändert, Euro­pa ändert sich nur, wenn Deutsch­land sei­nen Kurs ändert, Deutsch­land ändert sei­nen Kurs nur, wenn die Alter­na­tiv­lo­sig­keit des poli­ti­schen Sys­tems hier­zu­lan­de durch­bro­chen wird, und die­se wird nur durch­bro­chen, wenn wir Grü­nen für uns die­se stra­te­gi­sche Ent­schei­dung zur Ver­än­de­rung treffen. 

Die „stra­te­gi­sche Ent­schei­dung zur Ver­än­de­rung“ meint, Bünd­nis 90/Die Grü­nen als die pro­gres­siv-euro­päi­sche Kraft zu posi­tio­nie­ren, „mit dem Ziel­punkt der Schaf­fung einer tat­säch­li­chen euro­päi­schen sozia­len Demo­kra­tie, Ein­heit und eigen­stän­di­gen Frie­dens­ord­nung“. Die­ses Pro­jekt wird mit eini­gen Stich­punk­ten umris­sen, die vom „Green New Deal“ über die Schaf­fung einer euro­päi­schen Ver­fas­sung bis hin zu einer eigen­stän­di­gen, von der NATO unab­hän­gi­gen euro­päi­schen Sicher­heits­po­li­tik rei­chen. Öko­lo­gie und Kli­ma­po­li­tik spielt dabei zwar wei­ter­hin eine Rol­le, steht aber hin­ter dem gro­ßen euro­päi­schen Pro­jekt zurück. Das Ergeb­nis wäre ein neu­es grü­nes Allein­stel­lungs­merk­mal: die Par­tei, die den euro­päi­schen Pro­zess hin zu einem Bun­des­staat mit gemein­sa­men Wer­ten und einer gemein­sa­men Poli­tik klar vor­an­trei­ben will, und sich dabei – zwi­schen den Zei­len zu lesen – bei­spiels­wei­se klar gegen TTIP positioniert.

Die­ses Groß­pro­jekt wür­de aus Zions Sicht deut­li­che orga­ni­sa­to­ri­sche Ver­än­de­run­gen vor­aus­set­zen. Zen­tral ist dabei das, was er als „Expan­si­ons- und Bünd­nis­stra­te­gie, die den poli­ti­schen Nor­mal­voll­zug auf natio­na­ler Ebe­ne durch­bricht“ bezeich­net. Bünd­nis 90/Die Grü­nen auf Bun­des­ebe­ne, aber auch die Hein­rich-Böll-Stif­tung, sol­len zum orga­ni­sa­to­ri­schen – finan­zi­ell wie per­so­nell unter­füt­ter­ten – Kern eines euro­pa­wei­ten Bünd­nis­ses nahe­ste­hen­der Par­tei­en, Gewerk­schaf­ten und NGOs wer­den. Etwas böse zuge­spitzt: Unter Ber­li­ner Kam­pa­gnen­lei­tung, finan­ziert durch Spen­den, Mit­glieds­bei­trä­ge und Wahl­kampf­kos­ten­er­stat­tun­gen soll eine euro­pa­wei­te Alli­anz auf­ge­baut und kam­pa­gnen­fä­hig gemacht wer­den. Dabei soll die Par­tei auch „für ver­bün­de­te Akteu­re von Außen geöff­net“ wer­den – viel­leicht auch als Gegen­mit­tel gegen zuviel deut­schen Füh­rungs­an­spruch in einem sol­chen Bünd­nis gemeint. (Stimmt, eine Euro­päi­sche Grü­ne Par­tei exis­tiert. Wie das Ver­hält­nis die­ser Stra­te­gie zur EGP aus­se­hen soll, führt Zion lei­der nicht aus).

Ins­ge­samt erin­nert mich das Kon­zept an einen frü­he­ren Zeit­punkt – jeden­falls, so weit sich das nach­le­sen lässt. Mitte/Ende der 1980er Jah­re waren „DIE GRÜNEN“ als Bewe­gungs­par­tei mög­li­cher­wei­se genau die­ser Nexus, um die Bun­des­re­pu­blik auf einen pro­gessi­ven Weg zu set­zen, ähn­lich struk­tu­riert wie von Zion vor­ge­schla­gen, nur eben auf West­deutsch­land beschränkt. Auch die grü­ne Frak­ti­on im euro­päi­schen Par­la­ment hat bis in die 1990er Jah­re hin­ein ins­be­son­de­re auch eine Kno­ten­funk­ti­on für Kam­pa­gnen und Bünd­nis­se innegehabt. 

Ähn­lich sieht es mit der zwei­ten orga­ni­sa­to­ri­schen Kom­po­nen­te der post­na­tio­nal-pro­gres­si­ven Stra­te­gie aus:

Die Ent­wick­lung eines moder­nen Kon­zepts der Basis­de­mo­kra­tie auf der Höhe der der­zei­ti­gen tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten ist unab­ding­bar, ins­be­son­de­re was die Nut­zung oder Neu­schaf­fung alter­na­ti­ver Medi­en und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le und Platt­for­men im Hin­blick auf Bür­ger­be­tei­li­gungs­mög­lich­kei­ten betrifft. 

Die trans­na­tio­na­le Online-Kür der Spit­zen­kan­di­da­tIn­nen im letz­ten Euro­pa­wahl­kampf hat nur so halb funk­tio­niert. Und die Erfah­run­gen der Pira­ten mit ihrem Ver­such, auf der Höhe der „der­zei­ti­gen tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten“ Basis­de­mo­kra­tie zu digi­ta­li­sie­ren, sind nicht beson­ders auf­mun­ternd. Aber viel­leicht sind „alter­na­ti­ve Medi­en und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le“ für Zion auch eher sowas wie euro­päi­sche, in vie­le Spra­chen über­setz­te Par­tei­zei­tun­gen und Youtube-Streams? 

Im zuge­spitz­ten Fazit erscheint mir Zions Antrag als Ver­such, einen bestimm­ten his­to­ri­schen Zustand unter post­na­tio­na­len Bedin­gun­gen und mit neu­en tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten wie­der her­zu­stel­len. Ich mag ja die Musik der 1980er Jah­re, und manch­mal erscheint mir die­se Kind­heits­zeit als gol­de­nes Jahr­zehnt der öko­so­zia­len Bewe­gung. Aller­dings lie­ße sich jetzt doch län­ger dar­über strei­ten, wie erfolg­reich die dama­li­gen grü­nen Kon­zep­te – par­la­men­ta­ri­scher Arm der Bewe­gung, basis­de­mo­kra­ti­sches Expe­ri­men­tier­feld – letzt­lich wirk­lich waren, und auch dar­über, was ihre (ver­steck­ten) psy­cho­so­zia­len Kos­ten sind. Aber noch wich­ti­ger ist die Fra­ge, ob sich die­se Kon­zep­te nach der Erfah­rung einer grü­nen Regie­rungs­be­tei­li­gung auf Bun­des­ebe­ne und unter aktu­el­ler Betei­li­gung am pro­gres­si­ven Nor­mal­voll­zug in neun Län­dern so ein­fach über­tra­gen las­sen, oder ob hier­durch nicht eine irrepa­ra­ble Zustands­än­de­rung ein­ge­tre­ten ist, die die­ser Antrag erst ein­mal zur Kennt­nis neh­men müss­te. Und was macht eigent­lich die LINKE so?

(Um es plas­ti­scher zu machen: Syl­via Löhr­mann, Katha­ri­na Fege­bank, Robert Habeck, Tarek Al-Wazir, Win­fried Kret­sch­mann etc. wer­den sich nicht von einem Posi­ti­ons­pa­pier eines grün gefärb­ten EU-Attac-Bünd­nis­ses dazu brin­gen las­sen, ihre Län­der­po­li­tik ganz anders auf­zu­stel­len. Und die­ses Aus­ein­an­der­lau­fen wäre sehr schnell sicht­bar – spä­tes­tens dann, wenn im Bun­des­rat abge­stimmt wird.)

Negative pattern

Revival der Strukturdebatte

Das bereits gefal­le­ne Stich­wort Basis­de­mo­kra­tie ist es, an dem auch der Bro­zow­ski-Antrag ein­hakt. Hier wird die 1980er-Nost­al­gie noch deut­li­cher, wenn etwas ver­klärt aus Grün­dungs­do­ku­men­ten und frü­hen Beschlüs­sen zitiert wird. Kern der Ana­ly­se im Basis­de­mo­kra­tie-Antrag sind drei Aussagen:

  • „Unse­re Par­tei BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN hat grund­le­gen­de Pro­ble­me“, aber „[v]iele in unse­rer Par­tei neh­men die Pro­ble­me nicht wahr oder ver­drän­gen sie“
  • Nicht so die Wäh­le­rIn­nen: „Für einen gro­ßen Teil unse­res ehe­ma­li­gen Stamm­wäh­le­rIn­nen­pools sind wir genau aus den genann­ten Grün­den schon lan­ge nicht mehr wähl­bar.“ (und wäh­len statt des­sen Links­par­tei oder gar nicht mehr … sagt zumin­dest das Papier)
  • Fazit: „BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN sind inzwi­schen eine Par­tei wie alle ande­ren.“ (und das stört, und soll geän­dert werden)

Die­sem Grund­te­nor der Par­tei­ver­dros­sen­heit wird der Opti­mis­mus der Anfangs­jah­re gegen­über­ge­stellt – und der Hin­weis dar­auf, dass Oppo­si­ti­on doch eigent­lich ganz pri­ma sei:

Wir haben als Oppo­si­ti­on wich­ti­ge The­men vor­an­ge­bracht, indem wir die ande­ren vor uns her­ge­trie­ben haben. Regie­ren um des Regie­rens wil­len soll­te nicht Ziel von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN sein. Die­se Selbst­ver­ständ­lich­keit wird seit eini­ger Zeit ins­be­son­de­re durch die „Anbie­de­rung durch Schwei­gen“ an die Mer­kel-Poli­tik oder die Zustim­me­rei zu einer fal­scher Poli­tik im Bun­des­tag („kon­struk­ti­ve Oppo­si­ti­on“) kon­ter­ka­riert. Unse­re Par­tei nimmt seit der letz­ten Bun­des­tags­wahl ihre Oppo­si­ti­ons­rol­le nur sehr rudi­men­tär wahr. 

Was nicht ganz so deut­lich in der Ana­ly­se steht: Die Antrag­stel­le­rIn­nen wür­den ger­ne wie­der Oppo­si­ti­ons­par­tei, die gar nicht ernst­haft regie­ren woll­te, sein. Da konn­ten „wir“ kla­re Posi­tio­nen bezie­hen und das Maul weit auf­rei­ßen, da muss­ten wir uns nicht mit müh­sa­men Kom­pro­mis­sen rum­schla­gen und die Viel­schich­tig­keit der Wirk­lich­keit zur Kennt­nis neh­men, damals waren die Din­ge so schön ein­deu­tig. Und da soll es wie­der hingehen.

Hier kom­men die Län­der dann übri­gens vor, nament­lich heißt es „Unter­stützt wird die­se Ent­wick­lung dadurch, dass BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Teil zahl­rei­cher Lan­des­re­gie­run­gen ist und eini­ge der dor­ti­gen zen­tra­len Akteu­re in unan­ge­brach­ter Wei­se Ein­fluss auf die Bun­des­po­li­tik neh­men wol­len.“ – hier wird eine kla­re Posi­tio­nie­rung „unse­rer Par­tei­füh­rung“ erwartet. 

Über­haupt: Für ein basis­de­mo­kra­ti­sches Papier fin­det sich ein erstaun­lich lau­ter Ruf nach star­ker Füh­rung – die „Füh­rungs­schwä­che“ sei ein Pro­blem, und eigent­lich müss­te mal jemand die­sen Lan­des­chefs sagen, wo’s wirk­lich lang­geht. (Auch das stel­len wir uns jetzt ein­mal plas­tisch vor. Oder ver­su­chen es zumin­dest – ich habe erheb­li­che Schwie­rig­kei­ten damit, weil wir nun mal immer schon eine mul­ti­po­la­re Par­tei sind …).

Das Zurück in die guten alten Zei­ten wird hier in 13 Punk­te („ohne Anspruch auf Voll­stän­dig­keit“) gefasst. Etwas knap­per zusammengefasst:

  • Basis­de­mo­kra­tie 2.0: Mit einem Online-Tool sol­len Mit­glie­der­ab­stim­mun­gen durch­ge­führt wer­den, und zwar bei „wich­ti­gen inhalt­li­chen Fra­ge­stel­lun­gen“ und auch bei „Koali­ti­ons­fra­gen, und zwar recht­zei­tig VOR Wahlen“.
  • Mehr Par­tei­ta­ge, weni­ger Par­tei­tags­in­sze­nie­rung, mehr ‚ech­te‘ Debat­te, Dele­gier­te aus der ‚ech­ten‘ Basis
  • Öff­nung zu sozia­len Bewe­gun­gen hin
  • Urwahl und Amts­zeit­be­gren­zung der Par­tei­vor­sit­zen­den, Wie­der­ein­füh­rung der har­ten Tren­nung von Amt und Mandat
  • Rota­ti­on für Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te (maxi­mal zwei Legislaturperioden)
  • Impe­ra­ti­ves Man­dat für Amts- und Man­dats­trä­ge­rIn­nen und enge­re inhalt­li­che Anbin­dung der Hein­rich-Böll-Stif­tung an die Partei

Da sind bei Lich­te betrach­tet ein paar ziem­lich har­te Bro­cken dabei. Dass ein Online-Tool zum Ein­satz kom­men soll, darf nicht dar­über hin­weg­täu­schen: Letzt­lich soll der Zustand Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jah­re wie­der­her­ge­stellt wer­den – vor der ers­ten Regie­rungs­be­tei­li­gung auf Bun­des­ebe­ne. Das (wir flo­gen aus dem Par­la­ment, weil alle von Deutsch­land, wir aber vom Wet­ter rede­ten) schei­nen die gol­de­nen Zei­ten der Unter­stüt­ze­rIn­nen die­ses Antrags gewe­sen zu sein.

Inter­es­sant an die­sem Antrag fin­de ich ein unaus­ge­spro­che­nes Argu­ment, dass die Ana­ly­se (über die durch­aus dis­ku­tiert wer­den kann) und den vor­ge­schla­ge­nen Instru­men­te­ka­ta­log ver­knüpft. In der Ana­ly­se wird ja recht klar eine bestimm­te inhalt­li­che Aus­rich­tung als wün­schens­wert defi­niert. Frü­her hieß das mal Fun­da­men­tal­op­po­si­ti­on, etwas sanf­ter aus­ge­drückt: Par­tei sein, gestal­ten durch Regie­ren – dar­um geht es nicht, viel­mehr müs­sen in der Umwelt­po­li­tik (immer gegen die Wirt­schaft!), in der Frie­dens­po­li­tik (Inter­ven­tio­nen sind immer falsch!), in der Sozi­al­po­li­tik (Hartz IV war schon immer ein Feh­ler!) und in der Asyl­po­li­tik (wir sind immer auf Sei­ten der Flüch­ten­den!) kla­re Posi­tio­nen bezo­gen wer­den. Dann wäre das Pro­fil scharf, dann wür­den die Rich­ti­gen uns wäh­len, und dann wäre alles wie­der gut (und nie­mand müss­te sich frus­trie­ren­de Aus­tritts­ge­dan­ken machen).

Die Antrag­stel­le­rIn­nen um Bro­z­wo­ski neh­men wahr, dass die der­zei­ti­ge Par­tei­füh­rung die­sen Kurs nicht umsetzt. Noch dazu gibt es Lan­des­po­li­ti­ke­rIn­nen, die quer­schie­ßen. Und einen Hau­fen irre­ge­lei­te­ter Mit­glie­der. Um eine pro­gram­ma­ti­sche Ände­rung in die von ihnen gewünsch­te Rich­tung hin­zu­krie­gen, muss daher die Par­tei mit einem impe­ra­ti­ven Man­dat aus­ge­stat­tet wer­den, und um das zu errei­chen und mit Legi­ti­ma­ti­on zu fül­len, muss es Mit­glie­der­be­fra­gun­gen und Abstim­mun­gen geben. 

Ein Fehl­schluss liegt nun mei­nes Erach­tens dar­in, dass die Antrag­stel­le­rIn­nen davon aus­ge­hen, dass die Mit­glie­der (die, wie wir gelernt haben, durch ober­fläch­li­che Erfol­ge irre­ge­lei­tet sind), wenn sie nur gefragt wür­den, und auf Par­tei­ta­gen ‚echt‘ debat­tie­ren könn­ten, schon zu den Schlüs­sen kom­men wür­den, die Bro­zowk­si & Co. für rich­tig halten. 

Hier beißt sich die Basis­de­mo­kra­tie in den Schwanz: die vor­ge­schla­ge­nen struk­tu­rel­len Maß­nah­men könn­ten doch genau­so gut bedeu­ten, dass die Mehr­heit der Mit­glie­der sich für Cem und Kat­rin als Par­tei­spit­ze aus­spricht, in Mit­glie­der­be­fra­gun­gen für mili­tä­ri­sche Inter­ven­tio­nen votiert und ein Bünd­nis mit der Links­par­tei aus­schließt. Das gan­ze wür­de dann durch das ange­streb­te impe­ra­ti­ve Man­dat auch von der Bun­des­tags­frak­ti­on (und den bösen Lan­des­re­gie­run­gen) 1:1 umgesetzt. 

Wären die Antrag­stel­le­rIn­nen mit die­ser Form geleb­ter Basis­de­mo­kra­tie glück­lich? Ich fürch­te nein – letzt­lich hat die Basis doch nur dann recht, wenn sie den jeweils eige­nen Lieb­lings­kurs ver­tritt. Alles ande­re ist Manipulation.

(Wenn der Antrag jedoch nicht als das, was er zu sein vor­gibt – als Struk­tur­an­trag -, genom­men wird, son­dern als Antrag zur inhalt­li­chen Aus­rich­tung der Par­tei, dann wäre es aus mei­ner Sicht kata­stro­phal, wenn er umge­setzt wür­de. War­um ich das so sehe, steht hier)

Eine vorsichtige Bewertung

Ich ver­ste­he nicht, war­um Robert Zion bei­de Anträ­ge unter­stützt. Sein eige­ner geht von einer klu­gen Ana­ly­se aus, der ich in rela­tiv gro­ßen Tei­len zustim­men wür­de. Ich hal­te die von ihm vor­ge­schla­ge­ne stra­te­gi­sche Reform­idee (Kern eines euro­päi­schen Bünd­nis­ses + neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le) teil­wei­se für wenig ziel­füh­rend und teil­wei­se für nicht umsetz­bar. Des­we­gen wür­de ich davon abra­ten, die­sen Pfad in sei­ner Radi­ka­li­tät ein­zu­schla­gen. Trotz­dem kann ich mir gut vor­stel­len, dass sich Ele­men­te in der stra­te­gi­schen Wei­ter­ent­wick­lung der Par­tei wie­der­fin­den könn­ten. Das Sze­na­rio, das Robert Zion ent­wi­ckelt, ist nicht mei­nes, aber es ist eines, das ich mir durch­aus vor­stel­len kann. Wenn ich Wet­ten abge­ben müss­te, wür­de ich aller­dings eher die Nor­di­sche Grü­ne Lin­ke oder die süd­eu­ro­päi­schen links­po­pu­lis­ti­schen Bewe­gun­gen an der von ihm skiz­zier­ten Stel­le sehen als uns.

Dem­ge­gen­über lese ich den Antrag von Frank Bro­zow­ski als rei­nen Nost­al­gie­an­trag, der noch dazu Inhal­te und Struk­tur ver­wech­selt, bzw. der mit wahr­ge­nom­me­nen inhalt­li­chen Fehl­ent­wick­lun­gen für struk­tu­rel­le Ände­run­gen argu­men­tiert, ohne zu erklä­ren, war­um die struk­tu­rel­len Ände­run­gen die Inhal­te ver­bes­sern soll­ten. Eigent­lich ist es ein Antrag der­je­ni­gen, die fast schon gegan­gen sind, und die glau­ben, dass alle ande­ren eigent­lich genau so den­ken müss­ten wie sie. Das macht mich ziem­lich rat­los. Inhalt­lich hal­te ich eini­ge der Struk­tur­vor­schlä­ge für gar nicht so falsch – Debat­ten orga­ni­sie­ren, statt sie zu insze­nie­ren; und auch ein Mehr an Online-Betei­li­gung muss nicht scha­den. Ande­re dage­gen sind schlicht ein Miss­trau­ens­vo­tum gegen die Par­tei­spit­ze und die Bun­des­tags­frak­ti­on, und gegen alle, die die­se Men­schen gewählt haben. Das ist Quatsch. Ande­res an den Struk­tur­vor­schlä­gen erscheint mir struk­tu­rell unsin­nig – es gibt gute Grün­de dafür, dass es kei­ne impe­ra­ti­ven Man­da­te gibt, dass kein star­ker Mann an der Par­tei­spit­ze steht, auch nicht für eine begrenz­te Zeit, und auch dafür, dass die Böll-Stif­tung sehr par­tei­un­ab­hän­gig Debat­ten orga­ni­siert. Und über Amt und Man­dat haben wir uns oft genug die Köp­fe heiß­ge­re­det. Da sind mir inhalt­li­che Debat­ten deut­lich lieber. 

Wäh­rend ich das von Zion dar­ge­stell­te Gefühl einer bun­des­po­li­ti­schen Läh­mung nach­emp­fin­den kann, geht mir die Pro­blem­be­schrei­bung bei Bro­zow­ski deut­lich zu weit. Bei allen Schwä­chen – so schlecht sind wir nicht. (Und baden-würt­tem­ber­gi­sche Flücht­lings­po­li­tik in ihrer tat­säch­li­chen Umset­zung wäre auch noch ein­mal ein abend­fül­len­des The­ma, das dann anders aus­sieht als im schlich­ten Zwei­satz aus Kret­sch­mann und Ver­rat …). Die Wäh­le­rIn­nen lau­fen uns nicht in Schar­ren davon – es kom­men nur (auf Bun­des­ebe­ne) wenig neue hin­zu. Das muss sich ändern, um sicht­ba­rer zu wer­den (und, ich wage es zu sagen: um mit­ge­stal­ten zu können). 

Trotz­dem haben wir ein Pro­blem: Die Par­tei hat in den letz­ten Jah­ren Stück für Stück einen Stra­te­gie­wan­del umge­setzt, der jedoch nicht von allen mit­ge­tra­gen wird. Gleich­zei­tig – so wür­de ich das beschrei­ben – hat die­ser Stra­te­gie­wan­del zu einer Implo­si­on des lin­ken Flü­gels geführt, der im Moment des schein­ba­ren Erfolgs eine Iden­ti­täts­kri­se durch­lau­fen hat. Ein Stück weit betrifft die­se Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit nicht nur die­se Strö­mung, son­dern die Bun­des­par­tei ins­ge­samt. Wer hier kla­re Ver­hält­nis­se schaf­fen will, wird nicht dar­um kom­men, offen über die Stra­te­gie der Par­tei zu reden und sich auf einer Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz dar­über zu ver­stän­di­gen. Ich hal­te es für unwahr­schein­lich, dass ein „back to the roots“ dabei mehr­heits­fä­hig ist. (Und in einer Urab­stim­mung erst recht nicht – aber das ist nur mei­ne Ein­schät­zung der Zusam­men­set­zung unse­rer Mit­glie­der­schaft.) Wer sich mit der Geschich­te der Par­tei ein wenig aus­kennt, weiß, was die his­to­ri­schen Kon­se­quen­zen der­ar­ti­ger Stra­te­gie­be­stim­mun­gen waren. Auch das gehört zur gan­zen Wahr­heit dazu.

War­um blog­ge ich das? Aus Ver­wun­de­rung dar­über, wel­che Debat­ten immer und immer wie­der geführt wer­den müs­sen. Und wie vie­le Men­schen glau­ben, dass das Heil in der Sat­zung liegt.

5 Antworten auf „Die neuen Eurobasisdemokraten, oder: Zurück in die 1980er?“

  1. Die Pira­ten haben das mit den Ent­schei­dun­gen online eigent­lich auch nicht umge­setzt – es haben nur 3 LVs geschafft, ein sinn­vol­les Sys­tem zum Lau­fen zu brin­gen, ein LV hat­te ein eher schäd­li­ches. Ein LV hat ein Misch­sys­tem zwi­schen Online und Off­line genutzt, das die Nach­tei­le von bei­dem vereint.
    Liquid Feed­back im Bund wur­de ent­ge­gen anders lau­ten­der Gerüch­te nie zur Ent­schei­dungs­fin­dung, son­dern nur für Mei­nungs­bil­der genutzt – dem­entspre­chend wur­de es auch (nicht) genutzt.
    Es wur­de zwar ein Sys­tem auf Bun­des­ebe­ne beschlos­sen, das hät­te erst noch pro­gram­miert wer­den müs­sen – wur­de es nie. Es blieb beim „wünsch dir was“.
    Für mich ist der wich­ti­ge­re Teil als die Ent­schei­dungs­fin­dung online ist es, eine Debat­te über die zur Ent­schei­dung ste­hen­den Fra­gen zum Lau­fen zu brin­gen – ohne Debat­te wird die getrof­fe­ne Ent­schei­dung von den „Unter­le­ge­nen“ nicht akzep­tiert wer­den. Online­be­tei­li­gung ist also nicht so sehr eine Fra­ge des ein­ge­setz­ten Sys­tems, son­dern eine Fra­ge der Pro­zes­se vor der Entscheidungsfindung.
    Die­sen Aspekt über­se­hen vie­le, und ich glau­be, auch die Antrag­stel­ler. Denn es reicht nicht, nur ein Sys­tem zur Ent­schei­dungs­fin­dung der Basis auf­zu­set­zen. Die Auf­ga­be ist um eini­ges grö­ßer. Und selbst wenn das gelingt ist noch lan­ge nicht gesagt, dass die gewünsch­ten Effek­te auch ein­tre­ten und nicht voll­kom­men andere.

    1. Dei­nen Aus­sa­gen zur gro­ßen Bedeu­tung von Deli­be­ra­ti­on, die durch ein tech­ni­sches Sys­tem zur Ent­schei­dungs­fin­dung nicht ersetzt wird, kann ich nur zustimmen.

      Mein „Und die Erfah­run­gen der Pira­ten mit ihrem Ver­such, auf der Höhe der »der­zei­ti­gen tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten« Basis­de­mo­kra­tie zu digi­ta­li­sie­ren, sind nicht beson­ders auf­mun­ternd.“ bezog sich im übri­gen durch­aus dar­auf, dass es selbst die Pira­ten es nicht wirk­lich geschafft haben, hier über Modell­pro­jek­te etc. hin­aus­zu­kom­men. (Wir gut funk­tio­niert das in den drei Lan­des­ver­bän­den, in denen es ein lau­fen­des Sys­tem gibt?)

      1. Die ver­schie­de­nen Stän­di­gen Mit­glie­der­ver­samm­lun­gen wur­den wegen obsku­rer Daten­schutz­be­den­ken (ich habe kei­ne nach­voll­zieh­ba­re Argu­men­ta­ti­on zu Gesicht bekom­men) inzwi­schen wie­der vom Netz genom­men, soweit ich weiss, jeden­falls in Ber­lin und Sach­sen. In der Zeit davor lief es schlep­pend, was aber immer noch mehr Akti­vi­tät war als sonst an vie­len Stel­len in der Par­tei. Die lei­det ja schon län­ger unter inhalt­li­cher Läh­mung. Die Betei­li­gung war daher nie sehr hoch.
        Der ein­zi­ge LV, in dem Liquid Feed­back eine nen­nens­wer­te Zeit als Stän­di­ge Mit­glie­der­ver­samm­lung lief, war Meck­len­burg-Vor­pom­mern, aber der LV ist zu klein (maxi­mal 250 Mit­glie­der in der hoch-Zeit), um dar­aus sinn­vol­le Rück­schlüs­se zu ziehen.

        Hes­sen hat­te am längs­ten ein Abstim­mungs­sys­tem lau­fen, das war aber ein rei­nes ein­stu­fi­ges Abstim­mungs­tool, ein modi­fi­zier­tes Lime­Sur­vey, bei dem übli­cher­wei­se die Abstim­mung gelau­fen war, bevor die Dis­kus­si­on nen­nens­wert lief und führ­te daher eher dazu, dass momen­ta­ne Stim­mun­gen zu Beschlüs­sen gemacht wer­den soll­ten. Es war also eigent­lich für den Zweck untaug­lich. Das war aller­dings sat­zungs­tech­nisch so schlecht umge­setzt, dass man damit gar kei­ne Beschlüs­se fas­sen konnte.

  2. Wesent­li­ches steht bereits in dem Text von Till. Dabei bin ich noch ent­schie­de­ner für den Antrag von Robert Zion und gegen den von Frank Bro­zow­ski. Sicher hat auch der gute Ansät­ze, doch die Grund­aus­sa­ge kann fehlleiten. 

    Struk­tur oder Inhalt? Statt­des­sen wäre es rich­tig, Ross und Rei­ter zu nen­nen. Cem Özd­emir ist ein her­vor­ra­gen­der Poli­ti­ker, der gewin­nend in der Öffent­lich­keit steht. Doch die Fähig­kei­ten sind das eine, das woher, wohin das ande­re. In einem Fern­seh-Inter­view (lei­der weiß ich nicht mehr wann), hat er sich so geäu­ßert, dass er eine neue kon­ser­va­ti­ve Par­tei mit zen­tra­ler Struk­tur will mit einer öko­lo­gi­schen Aus­rich­tung. Damit unter­schei­det er sich von einem Kret­sch­mann, der prag­ma­tisch, lösungs­ori­en­tiert ist, was dann auch als kon­ser­va­tiv rüber­kommt. Statt also den BuVo neu zu orga­ni­sie­ren, gilt es einen Gegen­kan­di­da­ten auf­zu­bau­en. Bei dem Amt des Bun­des­vor­sit­zen­den kommt es mehr auf die Per­son als auf Par­tei­sta­tu­ten an. Der Mensch steht im Mit­tel­punkt (Irr­weg impe­ra­ti­ves Mandat).

    Was heißt „back to the roots“? Fischer war bei der Start­bahn West, Trit­tin bei Gro­nau gegen die Atom­kraft, Petra Kel­ly kommt von der Frie­dens­be­we­gung, Ant­je Voll­mer vom Kir­chen­tag und Ingrid Köp­pe von der DDR-Bür­ger­rechts­be­we­gung. Dar­aus wur­de eine neue sozia­le Bewe­gung und die Par­tei der Frau­en­rech­te. Basis­de­mo­kra­tie war zwar gewünscht, Kon­sens­de­mo­kra­tie klingt aller­dings noch besser.

    Haben sich die Grü­nen gewan­delt? Viel­leicht. Doch eben­so hat sich unse­re Welt gewan­delt. Nur Stich­wor­te: Mau­er­fall, Atom­aus­stieg, New World Order, Indus­trie 4.0, Isla­mis­mus. Die Kri­se der Grü­nen wird viel mehr durch sol­che gesell­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen ver­ur­sacht, als durch einen inne­ren Wer­te­ver­fall. Die Richt­li­ni­en der Poli­tik wer­den wei­ter von der Kanz­le­rin vor­ge­ge­ben. Als ihr Mot­to wird immer stär­ker die „wirt­schafts­kon­for­me Demo­kra­tie“ deut­lich, TTIP als kon­se­quen­te Fort­set­zung der Poli­tik ihres Men­tors (WTO, GATT und GATS). ACTA konn­te zum Ver­druss der Finanz­welt nicht rati­fi­ziert wer­den. Jetzt wer­den här­te­re Sai­ten aufgezogen.

    Die Grü­nen kön­nen dem nur mit visio­nä­ren Kon­zep­ten ent­ge­gen­ste­hen. Zu Koali­ti­ons­träu­men sage ich: schaut euch die CSU an! Bie­dert sie sich der Mehr­heit an? Nein, mit immer neu­en Zumu­tun­gen stellt sie jeden Kon­sens in Fra­ge. Das Erstaun­li­che, dafür lie­ben sie die Wäh­ler. Je absur­der ein Vor­schlag, des­to grö­ßer der Bei­fall. Wol­len die Grü­nen wirk­lich regie­ren, müs­sen sie ihr Pro­fil gegen den mög­li­chen Koali­ti­ons­part­ner abgren­zen. Je deut­li­cher, um so bes­ser. Nach der Wahl ist nach der Wahl. Vor der Wahl ist die Zeit der star­ken Wor­te. Poli­tisch kor­rekt heißt, poli­tisch (geis­tig) beschränkt. Für solch einen auf Kra­wall gebürs­te­ten Kurs braucht es das rich­ti­ge Per­so­nal. Ein Hof­rei­ter bräuch­te Rücken­de­ckung vom Platz vor dem Neu­en Tor. Ein Robert Habeck könn­te ein Kom­pro­miss sein.

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