Jetzt also doch: Elon Musk kauft – für 44 Mrd. Dollar – Twitter, der Widerstand dagegen wurde, wohl nicht ganz freiwillig, aufgegeben.
Gestern Abend, als sich diese Nachricht verbreitete, explodierte Twitter geradezu – von Spaces zum Ausdenken der besten Beleidigungen, um Musks Einladung auf die Probe zu stellen, dass auch seine härtesten Kritiker*innen doch bitte bleiben sollen, schließlich gehe es ihm um »free speech« bis hin zu Debatten darüber, ob es Zeit ist, das Medium zu wechseln, oder ob mehr Regulierung im Sinne des »Digital Services Act« der Europäischen Union helfen könnte. Dazwischen immer wieder Hinweise darauf, wer unter welcher Adresse nun – zunächst einmal, zusätzlich oder temporär – bei Mastodon zu finden ist. „Schock im öffentlichen Wohnzimmer“ weiterlesen
Bei meinen Archivwühlarbeiten ist mir anhand toter Links aufgefallen, dass der baden-württembergische Landesverband der Grünen von 2009 bis etwa 2013/14 ein Blog betrieben hat, das zumindest zeitweise auch rege genutzt und als Debattenforum verwendet wurde. Das hatte ich schon fast vergessen.
Ich selbst habe von 2009 bis 2012 dort mehr oder weniger jeden Mittwoch ein »Grünzeug am Mittwoch« geschrieben. Zu allen möglichen Themen, die Grüne – in Baden-Württemberg, und darüber hinaus – bewegen. Heute ist das Blog nur noch über das Internet Archive zu finden, zumindest größere Teile davon. Unten ein Link zu einem Google Doc, in dem ich »meine« Einträge, so weit sie noch im Internet Archive zu finden waren, einmal zusammengestellt habe. Nicht vollständig, und auch nicht hübsch formatiert, aber vielleicht doch ganz praktisch.
Generell: wenn ich mir die unglaublich große Menge nicht mehr funktionierender Links schon nach zehn oder fünfzehn Jahren anschaue, glaube ich, dass zukünftige Historiker*innen mal ihren Spaß haben werden, zu rekonstruieren, was in den 2010er Jahren so los war.
Feststellung eins: Früher war alles besser … die Zahl der Beiträge hat fast kontinuierlich abgenommen, und liegt aktuell nochmal deutlich niedriger, als ich das vermutetet hatte. Bis Ende 2021 sind insgesamt 2480 Blogbeiträge zusammengekommen. Über die gesamte Zeit betrachtet entfällt ein Drittel aller Beiträge auf das »Foto der Woche« als Grundkonstante meines Blogs – interessant dabei auch zu sehen, wie sich zum einen über zwanzig Jahre die Motive (und Texte dazu) wiederholen, und wie sich auch die Nutzung dieses Formats ändert – mal geht es nur um das Bild, mal wird es mit kürzeren oder längeren politischen Statements oder Tagebuch-Einträgen verbunden. Insofern täuscht der große Block »Foto der Woche« etwas, denn zum Teil verbergen sich darunter auch andere Formate und Themen.
Feststellung zwei: Es ist interessant, welche Streiche einem das eigene Erinnerungsvermögen spielt. Beispielsweise gab es Beiträge aus dem Jahr 2014, bei denen ich mir ziemlich sicher war, dass sie maximal zwei Jahre alt sind. Und dann bin ich auch alles andere als konsistent, Formate und Textformen verändern sich und variieren beträchtlich.
Feststellung drei: Wahlen aller Art (OB-Wahl, Kommunalwahl, Landtagswahl, Bundestagswahl) und die dazugehörigen Vorberichte, Wahlprogramme, Kandidaturen, Analysen usw. führen zu einem recht regelmäßigen Muster der Berichterstattung. Jenseits der Wahlen (und dem Grundthema »Grüne«) schwankt der thematische Fokus meines Blogs beträchtlich – Netzpolitik (diverse Großthemen, die Piraten!), Wissenschaft(spolitik) (im Blick insbesondere, solange ich selbst in der Wissenschaft tätig bin, also bis etwa 2011), Ökologie – 2019 mit Fridays for Future und der wieder im Fokus der Aufmerksamkeit stehenden Klimakrise gibt es einen ganzen Schwung Texte dazu – und gesellschaftspolitische Fragen (2012–2015) geraten mal in den Blick und dann auch wieder aus dem Blick.
Feststellung vier: Blog und Leben sind korrespondierende Röhren. Nicht nur mehr oder weniger starker privater Stress hat einen Einfluss darauf, was und wie viel ich blogge (regelmäßig gibt es dazu kurz vor Weihnachten Nörgeleinträge), sondern auch meine Arbeit. Was ja irgendwie logisch ist. Solange ich an der Uni war, spielt die Lokalpolitik rund um die Uni eine größere Rolle, ebenso wissenschaftspolitische Fragen und Wissenschaft selbst. Im Landtag habe ich als Parlamentarischer Berater für die grüne Fraktion zwar die Themen Hochschule, Kultur, Medien bearbeitet, dazu aber teilweise genau deswegen weniger geschrieben. Und seit ich als Grundsatzreferent übergeordnet zuständig bin, nimmt die Zahl meiner öffentlichen Meinungsäußerungen zur Lage der Partei eher ab.
Feststellung fünf: Corona hat in den letzten zwei Jahren dazu geführt, dass viele Events ausgefallen sind, über die ich sonst geschrieben habe – und dass ein beträchtlicher Teil meiner Blogartikel auf meine tagebuchartige Sammlung »Zeit des Virus« und auf Dinge wie Brotrezepte und Spaziergänge entfallen sind. Zusammen mit den Wechselwirkungen beruflicher Art führt auch das zu einem Rückgang der dezidiert auf Politik blickenden Beiträge – wobei natürlich auch darüber gestritten werden kann, wie weit so etwas wie mein Coronatagebuch politisch ist.
Feststellung sechs: Einen Teil der Funktionen, insbesondere kurzer Kommentierungen zur Lage der Dinge, die vorher das Blog hatte, landen zunehmend bei Twitter, erst recht, seit es dort Mode geworden ist, längere Tweet-Ketten zu schreiben.
Das mal als Bestandsaufnahme, die auch ein Stück weit erklärt, warum die Zahl der Zugriffe auf das Blog eher im Sinkflug begriffen ist. Ich könnte jetzt die große Frage »Was würdet ihr gerne lesen?« in die Runde werfen, aber ich glaube, dass das die falsche Haltung ist. Vielleicht macht es mehr Sinn, mich daran zu orientieren, was ich interessant und festhaltenswert genug finde, um es der Welt mitzuteilen. Wenn das auf Leser*innen stößt, gerne.
Mein Blog gibt es – inklusive mehrerer Plattformwechsel – seit dem 5. April 2002, es ist also vor kurzem zwanzig Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass habe ich mir mal angeschaut, wie sich mein Bloggen eigentlich verändert hat. Was auch deswegen spannend war, weil so ein Blog dann irgendwie doch auch eine persönliche Zeitreise ist. Gleichzeitig gibt es vieles, was sich gar nicht so leicht erfassen lässt.
Im Folgenden schaue ich mir die ersten zehn Jahre meines Blogs mal näher an, das heißt den Zeitraum bis Ende 2011. In diesem Zeitraum sind 1315 Blogeinträge entstanden, die sich allerdings nicht gleichmäßig über die Jahre verteilen.
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In den ersten drei Jahren (auf Xanga, später auf Livejournal) war mein Bloggen eher mal ein Ausprobieren, was ich überhaupt mit einer solchen Plattform machen kann. Dabei sind dann zwei bis drei Beiträge pro Monat entstanden, wobei die nicht so viel mit dem zu tun haben, was heute in diesem Blog passiert. Dazu gleich mehr.
Von 2005 bis 2008 nahm die Zahl der Beiträge dann zunächst einmal ständig zu, mit einer klaren Spitze in 2008. Ab 2009 ging die Zahl der Beiträge pro Jahr wieder etwas zurück und pendelte sich bei 160 bis 180 Beiträgen pro Jahr ein. Für die letzten Jahre habe ich das noch nicht gezählt, ich vermute aber, dass es noch einmal etwas weniger Beiträge geworden sind (um die 120 vielleicht – bei etwa 50 Fotos pro Woche).
Nein, ich rede nicht vom IPCC-Bericht und auch nicht von der Pandemie, sondern davon, dass Elon Musk heute angekündigt hat, die Mehrheit an Twitter übernehmen zu wollen. Es gibt unterschiedliche Einschätzungen dazu, ob das ernst gemeint ist oder ob es ihm darum geht, über in Reaktion auf seine Ankündigung erfolgende Aktienkäufe viel Geld zu machen.
Die Ankündigung macht auf jeden Fall eines deutlich: Twitter als für mich extrem wichtiger quasi-öffentlicher Diskussionsraum steht auf dünnem Eis. Das sind nicht nur die immer mal wieder vorkommenden Redesigns, Werbung, technischen Neuerungen usw. (nein, ich will keine Startseite, danke, meine chronologische Timeline ist mir lieb und teuer), sondern auch das schlichte Wissen darum, dass dieser kommunikative Raum eben ein privater Raum ist, der einer Aktiengesellschaft gehört, die durchaus das Interesse hat, damit einen Gewinn zu erzielen. Und die damit tun und lassen kann, was sie will.
Als Reaktion darauf habe ich deswegen zumindest mal @_tillwe_@mastodon.social registriert und eine App damit beauftragt, dort meine Twitter-Beiträge zu spiegeln. Ich plane aktuell nicht, wirklich aktiv auf Mastodon/im Fediverse zu werden, auch wenn ich das im Grundsatz sinnvoll finde. Noch ist meine gut kuratierte Timeline auf Twitter »mein Ort« im Netz. Sollte es notwendig sein, zu wechseln, weiß ich zumindest, wohin.