Moorsiedlungen und Dörfer in Dörfern in Dörfern


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Ein inter­es­san­ter Aspekt beim Blick auf die Fami­li­en­ge­schich­te ist die Fest­stel­lung, dass Orts­an­ga­ben ver­än­der­lich sind. Müt­ter­li­cher­seits kom­men mei­ne Vor­fah­ren aus „OHZ“, Oster­holz-Scharm­beck. Der Dop­pel­na­me und die gebräuch­li­che Abkür­zung über das Auto­kenn­zei­chen deu­ten schon an, dass der Ort nicht immer so hieß. Und wenn ich etwas wei­ter zurück­ge­he, wird es noch komplizierter. 

Zunächst zur Oster­holz-Scharm­beck. Die­se Stadt im Land­kreis Oster­holz hat laut Wiki­pe­dia knapp 30.000 Einwohner*innen. Sie ist Kreis­stadt – und es gibt sie erst seit 1927, als die Gemein­den Oster­holz und Scharm­beck zusam­men­ge­legt wur­den. Aber nicht genug damit – neben der aus Oster­holz und Scharm­beck zusam­men­ge­wach­se­nen Kern­stadt gibt es neun wei­te­re Ort­schaf­ten (u.a. Pen­nig­büt­tel, Sand­hau­sen und Scharm­becksto­tel, größ­ten­teils erst 1974 zu „OHZ“ dazu gekom­men) und bei einer wei­te­ren „Ver­grö­ße­rungs­stu­fe“ dann noch topo­gra­fi­sche Namen wie Mus­kau oder Busch­hau­sen – die alle eben­falls in bio­gra­fi­schen Anga­ben auf­tau­chen kön­nen. Dabei stellt sich dann auch die Fra­ge nach der rich­ti­gen Benen­nung – wenn jemand im 17. Jahr­hun­dert in Pen­nig­büt­tel gebo­ren wur­de, dann ist das zwar heu­te „OHZ“, aber damals war es das nicht. 

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Photo of the week: Autumn forest, Gundelfingen – XII

Autumn forest, Gundelfingen - XII

 
Noch ist alles rot und gelb, wenn ich aus dem Fens­ter schaue, aber all­mäh­lich neigt sich der Herbst sei­nem Ende zu. Zeit, um noch ein­mal das Zusam­men­spiel von Son­ne und den sich ver­flüch­ti­gen­den Nebel­res­ten vor eini­gen Tagen ins Bild zu holen, die den Wald­spiel­platz in Gun­del­fin­gen unter ein Spot­light gerückt haben. 

Zombie-Debatten und formative Schnippsel

Ich bin schon seit gerau­mer Zeit dabei, die Ord­ner, die ich von Umzug zu Umzug mit­ge­schleppt habe, zu digi­ta­li­sie­ren. Ande­re Men­schen wür­den ver­mut­lich eher zu „kann doch weg“ ten­die­ren, ich habe, und wenn ich mir unse­ren Kel­ler anschaue: durch­aus fami­li­är beein­flusst – eher eine Ten­denz zum Auf­he­ben. Also: Ord­ner digi­ta­li­sie­ren, alles mög­li­che kommt in den Dop­pel­sei­ten­ein­zugs­scan­ner (lang lebe DIN A4), und viel Volu­men hat natür­lich die Stu­di­en­zeit eingenommen. 

In den letz­ten Wochen bin ich nun im Gang rück­wärts in der Zeit um 1993 ange­kom­men. 1994 habe ich Abi gemacht, danach Zivil­dienst und dann im Herbst 1995 ange­fan­gen zu stu­die­ren. Par­al­lel war ich zu die­ser Zeit auf Lan­des­ebe­ne in der dama­li­gen Grün-Alter­na­ti­ven Jugend (GAJ) aktiv, es gab auch eine Frei­bur­ger Orts­grup­pe (zusam­men mit den letz­ten Res­ten von JungdemokratInnen/Junge Lin­ke), und Schü­ler­zei­tung, SMV – mit lokal­po­li­ti­schen Bezü­gen, eine Mei­nungs­um­fra­ge zum Bür­ger­ent­scheid „Litz­fürst“ schaff­te es sogar in die Schul­kon­fe­renz – und 1994 grün­de­te sich das Grün-Alter­na­ti­ve Jugend­bünd­nis GAJB, der Vor­läu­fer der heu­ti­gen Grü­nen Jugend. Viel los in die­ser Zeit also. Und vie­les, was ich ver­ges­sen hatte …

1993 habe ich ange­fan­gen, sys­te­ma­tisch Zei­tungs­aus­schnit­te zu sam­meln (und das bis Ende 1995 fort­ge­führt, danach wur­de es dann in Bezug auf die Zei­tungs­aus­schnit­te unsys­te­ma­ti­scher und in Bezug auf alles, was sozio­lo­gisch oder digi­tal­po­li­tisch inter­es­sant war, sys­te­ma­ti­scher – schließ­lich fing dann mein Stu­di­um an, und ich kam mit Biblio­gra­fien und der Idee von Lite­ra­tur­ver­wal­tungs­soft­ware in Kon­takt). Und die­ser Ord­ner Pres­se von 1993 bis 1995 ist in mehr­fa­cher Hin­sicht interessant.

Bio­gra­fisch, weil er einen ganz guten Über­blick gibt, was mich damals, in einer sicher­lich sehr prä­gen­den Zeit, inter­es­siert hat. Und zum ande­ren auch mit Blick auf die Wie­der­gän­ger. Vie­le Debat­ten tau­chen heu­te, drei­ßig Jah­re spä­ter, wie­der auf. Ich will das an ein paar Bei­spie­len verdeutlichen:

1993, gleich der ers­te auf­ge­ho­be­ne Arti­kel, ist aus der Badi­schen Zei­tung und berich­tet über eine „Schü­ler-Demo gegen Frem­den­haß“ mit gut 1000 Teil­neh­men­den („Ent­täu­schung über die gerin­ge Teil­neh­mer­zahl“). Inter­es­sant in dem Zusam­men­hang auch ein Flug­blatt des Frei­bur­ger Kreis­ver­bands der Grü­nen, das ich als Kon­zept­pa­pier zum Auf­kle­ben der Pres­se­schnipp­sel ver­wen­det hat­te. Das dürf­te eben­falls aus dem Jahr 1993 oder 1994 stam­men und trägt den Titel: „Der Feind steht rechts!“ (ein Zitat des Reichs­kanz­lers Wirth, 1922). Sam­mel­un­ter­künf­te für Asyl­su­chen­de eben­so wie die poli­ti­sche Annä­he­rung der CDU an die dama­li­gen „Repu­bli­ka­ner“ wer­den the­ma­ti­siert. Klingt lei­der alles brandaktuell.

Dann beschäf­ti­gen sich 1993 eini­ge Arti­kel mit dem Jugend­um­welt­fes­ti­val Auf­takt in Mag­de­burg, an dem ich auch teil­ge­nom­men hat­te. Umwelt­the­men neh­men in der Samm­lung einen gro­ßen Raum ein – Pres­se­be­rich­te zu diver­sen Pro­tes­ten (Cas­tor­trans­por­te!) eben­so wie zum 1995 in Frei­burg statt­fin­den­den Jugend­um­welt­kon­gress Jukß mit 1200 Jugend­li­chen aus ganz Deutsch­land. Für eine auto­freie Rem­part­stra­ße wur­de eben­falls demons­triert … auch das ein The­ma, das sich trotz Ver­bes­se­run­gen in der Ver­kehrs­füh­rung noch nicht erle­digt hat. Oder wie hier zu sehen im Sep­tem­ber 1995 eine Demo zu den dama­li­gen Atom­tests Frank­reichs auf dem Muru­roa-Atoll. (Und ja, der jun­ge Mann mit den lan­gen Haa­ren links bin ich … da hat sich in den 30 Jah­ren seit­dem auch ein biss­chen was geändert …). 

Atom­tests ist so ein Wie­der­gän­ger-The­ma, denn gera­de jetzt hat Trump ankün­digt, die ame­ri­ka­ni­schen Atom­bom­ben-Tests wie­der auf­neh­men zu wol­len. Nicht nur in die­ser Hin­sicht gibt es gewis­se Par­al­le­len. Und auch wenn „Kli­ma“ Mit­te der 1990er Jah­re noch nicht das beherr­schen­de The­ma war, so kommt die Kli­ma­kri­se doch vor; 1997 wird es dann zum Kyo­to-Pro­to­koll kom­men, als ers­ter Schritt auf dem Weg hin zu glo­ba­len Redu­zie­rung der Treibhausgasemissionen. 

Dabei deu­tet sich in der Samm­lung der Pres­se­aus­schnit­te auch schon eine Hin­wen­dung zur Wis­sen­schaft an: sind es anfangs eher die akti­vis­ti­schen The­men, kommt – auch durch den Zivil­dienst im Öko-Insti­tut – nach und nach auch der eine oder ande­re Bericht zu Umwelt­bi­lan­zen, Öko­la­bels und ähn­li­chen Fra­gen in den Pressespiegel.

Jugend­po­li­ti­sche Akti­vi­tä­ten im enge­ren Sin­ne spie­len natür­lich eine gro­ße Rol­le. So geht es um die damals anste­hen­de Abschaf­fung des 13. Schul­jahrs (Baden-Würt­tem­berg führt es die­ses Jahr wie­der ein) – die „Regio­na­le Schü­le­rIn­nen-Ver­samm­lung“ mit Alex­an­der Bonde (dann Vor­sit­zen­der des Lan­des­schü­ler­bei­rats, spä­ter MdB und dann Land­wirt­schafts­mi­nis­ter in Baden-Würt­tem­berg, heu­te Gene­ral­se­kre­tär der Deut­schen Bun­des­stif­tung Umwelt) orga­ni­siert dazu eini­ge Aktio­nen. Und Fran­zis­ka Brant­ner (heu­te MdB und grü­ne Bun­des­vor­sit­zen­de) gibt ein ers­tes Inter­view als 15-jäh­ri­ge, in der sie erklärt, was die Jugend­kon­fe­renz der Stadt Frei­burg brin­gen soll, und war­um es wich­tig ist, Jugend­li­chen selbst Gehör zu schen­ken. Die Grün­dung des Grün-Alter­na­ti­ven Jugend­bünd­nis­ses nimmt Raum ein (die FAZ guckt genau, ob es eine Abgren­zung zur dama­li­gen „PDS“ gibt, oder ob hier links­ra­di­ka­le Umtrie­be zu befürch­ten sind), und eben­so fin­den sich Aus­ris­se zu Que­re­len bei den Jusos, einem Emp­fang der Lan­des­re­gie­rung unter Minis­ter­prä­si­dent Teu­fel für Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen und der­glei­chen mehr. 

Aber nicht alles ist Poli­tik. Zwi­schen Fotos von Demos und Rand­no­ti­zen zu Ver­bän­den kom­men zuneh­mend mehr Arti­kel, die sich mit Digi­ta­li­sie­rung beschäf­ti­gen (auch hier half der Zivil­dienst und der Zugang zu diver­sen Zeit­schrif­ten, der damit ver­bun­den war). Erör­te­run­gen über Unzu­läng­lich­keit der Meta­pher der Daten­au­to­bahn, Hacker-Por­träts und ein Inter­view mit Joseph Wei­zen­baum sind nur eini­ge der Fund­stü­cke. Und pas­send zur vor weni­gen Tagen erschie­ne­nen letz­ten Papier­aus­ga­be der wochen­täg­li­chen taz habe ich auch die dama­li­ge Ankün­di­gung der ers­ten „digi­Taz“ auf­ge­ho­ben – samt Erläu­te­rung, was die­ses Inter­net eigent­lich ist, und der ein­gän­gi­gen Adres­se http://www.prz.tu-berlin.de/taz zum Auf­ruf der digi­ta­len Zei­tung. Par­al­lel dazu wird in ande­ren Zei­tungs­aus­ris­sen dar­über spe­ku­liert, ob mit dem bal­di­gen Ende der Zei­tung auf Papier und dem papier­lo­sen Büro zu rech­nen sei. Hat etwas län­ger gedauert …

Ein oder zwei Arti­kel zum The­ma Sci­ence Fic­tion waren auch in der Gemenge­la­ge vor­han­den. Dass mir vie­le der Din­ge, die ich damals inter­es­sant fand, wei­ter­hin inter­es­sant erschei­nen, wür­de ich ja durch­aus posi­tiv wer­ten – dass vie­le der poli­ti­schen Pro­ble­me, die damals rele­vant waren, heu­te immer noch oder wie­der rele­vant sind, erscheint dann schon besorg­nis­er­re­gen­der. Hier habe ich zuneh­mend das Gefühl, dass der Fort­schritt, wenn es ihn den gibt, sich in Wel­len bewegt. Und allein für die­se Erkennt­nis lohnt es sich doch, das eine oder ande­re auf­zu­he­ben, und sei es platz­spa­rend digital.

Photo of the week: Spider web – I

Spider web - I

 
Foto­gra­fisch bin ich nicht ganz glück­lich mit die­sem Foto, weil Tei­le des Net­zes nicht in der Foku­se­be­ne lie­gen, trotz­dem ein schö­nes Bild aus dem sich ver­zie­hen­den Herbst­ne­bel, der die Spin­nen­net­ze mit hier groß erschei­nen­den Trop­fen sicht­bar gemacht. 

Sprachverwirrung

Die 1978 aus­ge­strahl­te BBC-Hör­spiel­se­rie The Hitch Hiker’s Gui­de to the Gala­xy von Dou­glas Adams hat uns nicht nur die Idee eines freund­li­chen, von über­all aus zugreif­ba­ren Lexi­kons in die Welt gesetzt – sehr viel bes­ser als die galak­ti­sche Enzy­klo­pä­die, das sicher­lich eines der Vor­bil­der für die Wiki­pe­dia wur­de, son­dern auch den Babel­fisch. Das ist ein klei­ner gel­ber Fisch, der ins Ohr gestopft wird und über­setzt. Oder, um aus dem Buch zu zitieren:

‚What’s this fish doing in my ear?‘
‚It’s trans­la­ting for you. It’s a Babel fish. Look it up in the book if you like.‘
He tos­sed over The Hitch Hiker’s Gui­de to the Gala­xy […]
‚The Babel fish,‘ said The Hitch Hiker’s Gui­de to the Gala­xy quiet­ly, ‚is small, yel­low and leach-like, and pro­ba­b­ly the oddest thing in the Uni­ver­se. It feeds on brain­wa­ve ener­gy recei­ved not from its own car­ri­er but from tho­se around it. It absorbs all uncon­scious men­tal fre­quen­ci­es from this brain­wa­ve ener­gy to nou­rish its­elf with. It the excre­tes into the mind of its car­ri­er a tele­pa­thic matrix […] The prac­ti­cal upshot of all this is that if you stick a Babel fish in your ear you can instant­ly under­stand any­thing said to you in any form of language. […]

Dank „AI“ sind wir jetzt unge­fähr da. Goog­le Trans­la­te und Goog­le Lens, DeepL etc. etc. machen es mög­lich: Tex­te und inzwi­schen auch gespro­che­ne Spra­che las­sen sich weit­ge­hend belie­big von einer Spra­che in eine ande­re über­set­zen, jeden­falls dann, wenn genü­gend Mate­ri­al zur Ver­fü­gung steht. Das Ergeb­nis ist nicht immer opti­mal, reicht aber für vie­le Zwe­cke aus. 

Dou­glas Adams setzt sei­ne Beschrei­bung des Babel­fischs nicht nur mit einem Beweis der Nicht-Exis­tenz Got­tes fort, son­dern kommt auch zum Schluss, dass der „arme Fisch“ dadurch, dass er alle Kom­mu­ni­ka­ti­ons­bar­rie­ren nie­der­ge­ris­sen hat, mehr Krie­ge ver­ur­sacht hat als jedes ande­re Wesen. (Wer sich das gan­ze in der BBC-Fern­seh­se­rie aus den 80ern mit wun­der­bar hand­ge­zeich­ne­ten Com­pu­ter­ani­ma­tio­nen anschau­en will, fin­det auf You­tube einen sehens­wer­ten Aus­schnitt).

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