Ja, es ist jetzt definitiv herbstlich. Nicht ganz unerwartet, aber irgendwie doch immer plötzlich – vielleicht auch deswegen, weil ich Anfang September meist damit beschäftigt bin, die letzten Vorbereitungen für die Herbst-Fraktionsklausur zu treffen, und deswegen zu wenig anderem komme. Die findet dieses Jahr in Heidelberg statt, am Dienstag mit Bürgerdialog, und bei hoffentlich schönem Herbstwetter.
Photo of the week: Copenhagen (part II)
Dass ich Kopenhagen als eine entspannte und freundliche Großstadt kennengelernt habe, lag möglicherweise auch daran, dass ich zufälligerweise genau in der Pride-Week da war. Mehr dazu, zu Christiania, zu Museen und zu ein paar Impressionen unten.
Copenhagen Pride
Der Zug der Pride-Parade begann in Frederiksberg – ein Teil Kopenhagens, der aus historischen Gründen eine eigene Gemeinde ist, etwas bürgerlicher wirkt und sich ansonsten nahtlos in die Stadt einfügt. Neben LSBTIQ*-Verbänden waren viele große Organisationen (große Firmen wie Microsoft, Parteien, die Stadtverwaltung, die Uni, die Lehrergewerkschaft, Diplomat*innen) mit eigenen Blöcken bei der Pride dabei. Auffällig: viele Kinder, viele Familien – und sehr viele Lastenräder, die sich ja auch hervorragend zum Transport von Musikanlagen etc. eignen. Neben Pride-Flaggen in allen Varianten gab es auch Solidarität mit der Ukraine – und mit Palästina. Dänische Besonderheit: Grönland tauchte mit einem eigenen Block auf. Wie überhaupt das Verhältnis zu den „dänischen Kolonien“ eine große ungelöste Frage ist, die mir sowohl in Christiania, wo es ein eigenes Grönland-Haus gibt, als auch im Nationalmuseum – mit Ausstellung zum Kolonialismus – begegnete. Oder eben auf der Pride. Apropos: Wem die zu kommerziell und angepasst war, der konnte auch zur „Alternative Pride“ in Vesterbro gehen.
Christiania
Angeblich ist der Freistaat/die Freistadt Christiania inzwischen die zweitstärkste Touristenattraktion Kopenhagens (nach dem Tivoli, den ich nicht besucht habe). Gleichzeitig: ein nach wie vor in Teilen besetztes, weitläufiges ehemaliges Militärgelände, und eine politisch trotz Deals und einer gewissen Annäherung seit 50 Jahren offene Frage. Ich habe Christiania zweimal besucht, einmal „so“ und einmal im Rahmen einer geführten Tour durch einen Bewohner – letzteres kann ich auf jeden Fall empfehlen. Das Bild, das ich aus diesen beiden besuchen (und dem dort gekauften Buch „Postcards from Christiania“) mitnehme, ist ein ambivalentes.
Christiania ist als Gemeinschaft/Dorf mit rund 1000 Bewohner*innen, in einem Dutzend „Stadtteilen“ selbst organisiert. Es leben dort viele Künstler*innen (und auch Lebenskünstler*innen), die Hippie-Ideen aus der Anfangszeit gibt es auch irgendwie weiterhin. Wer Bewohner*in werden möchte, muss sich bewerben und von der jeweiligen Nachbarschaft ausgewählt werden, in der ein Haus frei geworden ist. Der/die Auserwählte* zahlt dann eine niedrige Miete sowie eine Abgabe in die Gemeinschaftskasse, muss sich um alles weitere selbst kümmern (ein wichtiger zentraler Ort der Freistadt ist eine Art Baumarkt) und kann sich in die Selbstorganisation einbringen, die aus „meetings, meetings, meetings“ auf allen Ebenen besteht. Entschieden wird im Konsens. Allerdings gibt es wohl auch Spaltungen – in Verhandlungen mit dem dänischen Staat wurde der Kernteil von Christiania in eine Stiftung überführt, die weitreichenden Gebiete um diesen Kern herum – ich war überrascht, wie viel Natur (und Altlasten) es hier gibt – sind dagegen nach wie vor strittig, und aus Sicht einiger Akteure bestes Bauland. Darum wird weiter politisch gerungen, und dazu, ob der Deal mit dem Staat richtig war, gibt es wohl weiterhin sehr unterschiedliche Auffassungen. Gleichzeitig gibt es durchaus Abhängigkeiten, so gehen die Kinder auf Schulen außerhalb des Gebietes (im Gebiet sind dafür einige Kindergärten), und inzwischen werden wohl auch Steuern bezahlt und Bauvorschriften beachtet. Gleichzeitig ziehen sich Polizeiübergriffe wie ein roter Faden durch die Geschichte.
Der öffentlich und touristisch sichtbare Teil von Christiania ist vor allem der Eingangsbereich mit der berüchtigten Pusherstreet (und vielen Clubs, Bars und dem über Christiania hinaus bekannten Nemoland als Konzertveranstalter/Biergarten). Der Konsum (und Verkauf) von Cannabis wird weiterhin geduldet, Christiania versucht aber aktiv, Gangs und harte Drogen draußenzuhalten. Hier gab es wohl in der Vergangenheit sowohl seitens des Staates als auch seitens der organisierten Kriminalität äußerst unschöne Zuspitzungen. Oder auch: die Grenzen der Anarchie werden sichtbar.
Ein letzter, für mich spannender Fakt: ein großer Teil der Christianit*innen arbeitet außerhalb, oft in Selbstständigkeit. Dafür sind – wohl gerade im touristischen Teil des Gebiets – viele Menschen beschäftigt, die gar nicht in Christiania wohnen (und trotzdem nur den Einheitslohn der Christiania-Selbstverwaltung bekommen). Daneben gibt es dann noch eine Schattenökonomie – nicht nur Pusher, die Cannabis verkaufen, sondern auch Flaschensammler*innen.
* Nebenbemerkung: ich finde es immer wieder spannend zu sehen, wie sehr intentionale Gemeinschaften, Ökodörfer, Projekte etc. – bis hin zum z.B. Mietshäusersyndikat – über Selektion funktionieren und genau da m.E. eine Verallgemeinerbarkeit vermissen lassen. Bzw.: hier wird Gesellschaft vs. Gemeinschaft hart sichtbar.
Schlösser, Museen und Sehenswürdigkeiten
Von der Vielzahl der Museen, Schlösser und Sehenswürdigkeiten, die es in Kopenhagen und in der Umgebung gibt, konnte ich naturgemäß nur einen Bruchteil anschauen. Neben Schloss Kronborg in Helsingør und dem Kunstmuseum Louisiana in Humlebæk waren dies das dänische Architekturzentrum, eine Installation in den Cisternernen, das sehr sehenswerte Designmuseum, der Turm der Erlöserkirche mit Blick auf große Teile der Stadt (und langen Wartezeiten/gebuchten Slots), der botanische Garten samt Palmenhaus. Oben zu sehen sind zwei Artefakte aus dem Nationalmuseum, das sich für tagefüllende Besuche eignet. In dem Museum geht es um die dänische Geschichte von der Vorgeschichte (auf dem einen Foto: die Rekonstruktion eines Kleides aus der Bronzezeit) bis zur Gegenwart (auf dem anderen Foto: die musealisierten 70er Jahre). Besonders beeindruckt hat mich die theaterhaft inszenierte „Viking Sorceress“, die nahebringt, was sich aus Artefakten und den Eddas über das Denken der Menschen der Wikingerzeit rekonstruieren lässt, und das gut inszeniert. Auch den Abschnitt zur Vorgeschichte fand ich gut aufgebaut; der große Bogen über die Staatenbildung bis zum Ende des Absolutismus und der Sozialdemokratie war dagegen etwas viel. Wie schon erwähnt, gab es im Nationalmuseum auch eine Auseinandersetzung mit der dänischen Kolonialgeschichte, zu der neben Grönland auch (kleinere) Kolonien in Indien und Afrika gehörten. Stichwort Sozialdemokratie: dazu kann ich das Arbeitermuseum empfehlen, das im ehemaligen Versammlungshaus der dänischen Arbeiterbewegung untergebracht ist. Neben der Geschichte von Gewerkschaften und sozialdemokratischer Partei geht es hier auch um die Arbeit und die Lebensumstände der Arbeiter*innen in gut gemachten (teilweise allerdings nur dänisch beschrifteten) Installationen.
Typisch Kopenhagen?
Science Fiction und Fantasy im August 2025
Ich fange mit einem Buch an, das eigentlich eher ein Sachbuch ist – Mark McCaughreans „Reiseführer“ 111 places in space that you must not miss (2023). Der Titel beschreibt eigentlich auch schon ganz gut, was es mit diesem Buch auf sich hat, das wohl tatsächlich in einer Reihe erschienen ist, die auch jeweils 111 „bereisbare“ Ziele anderswo zusammenbringt. Die 111 Orte im Weltraum sind in drei Abteilungen unterteilt, die sich mit dem Sonnensystem, der Milchstrasse und dem Rest des Universums befassen. Etwas irritiert hatte mich zuerst, dass die Objekte, die jeweils mit einer Seite Text und einem Foto vorgestellt werden, innerhalb dieser drei Abteilungen alphabetisch sortiert sind. Ich hätte eine Sortierung nach Entfernung zur Erde erwartet. McCaughrean beschreibt mit einer leicht ironischen Note die unterschiedlichen Objekte, die von Mond und ISS bis zu Deep-Field-Aufnahmen und der kosmischen Hintergrundstrahlung reichen. Interessanterweise hat dieser Reiseführer auf mich eher den Effekt, noch einmal deutlich zu machen, wie groß und lebensfeindlich das Weltall ist … das wird nicht nur in den Reisezeiten sichtbar, die bei den weiter entfernten Objekten gerne mal bei „Millionen Jahre mit Lichtgeschwindigkeit“ liegen, aber selbst im Sonnensystem wird deutlich, dass neben dem Mond, Hubble und ISS (und bei einer Reisezeit von mindetens 9 Monaten: dem Mars) selbst z.B. die Jupitermonde wohl für entsprechend lange fliegende Sonden, aber eben nicht für mit Menschen besetzte Raumschiffe erreichbar sind. Und dass es, dort einmal angekommen, ganz schnell zu Problemen mit Strahlung kommen würde. Und auch zum Mars schreibt der Autor „will kill you“. Insofern: ein gutes Sachbuch über den Stand unseres Wissens über das Sonnensystem, die Milchstraße und unsere lokalen Superstrukturen, aber auch ein Buch, das komische Dimensionen verdeutlich und klar macht, dass die Prämissen selbst „harter“ SF-Serien wie The Expanse weit jenseits der Realität liegen. Von Warp-irgendwas gar nicht zu sprechen.
Und wo ich gerade bei Sachbüchern bin: als Ergänzung zu meiner Reise nach Kopenhagen habe ich das Buch The Story of Scandinavia (2023) des Politikwissenschaftlers Stein Ringen gelesen. Ringen fängt bei den Wikinger*innen an und endet – nach intensiver Auseinandersetzung mit der Entstehung der Königreiche und später einer lutherianisch eingefärbten Sozialdemokratie – in den 2020er Jahren. Ich fand das Buch aufschlussreich für ein Verständnis, wie Dänemark, Norwegen und Schweden sich entwickelt haben, und wie die drei Ländern in wechselnden Konstellationen zusammen und gegeneinander gewirkt haben. Im Kontext SF und Fantasy relevant: Ringen macht u.a. deutlich, dass wir uns die Wikinger*innen wohl am ehestens als Warlords vorstellen müssen, die Brutalität zu einem Markenzeichen machten, dass dann europaweit bekannt und gefürchtet wurde (und die nicht zuletzt Sklavenhandel betrieben). Aus den Warlords wurden dann ab etwa dem 10. Jahrhundert, Könige (u.a. Harald Blauzahn und Knud der Große), die aber – so Ringen – nichts bleibendes hinterließen. Und die Beschreibungen der Intrigen der unterschiedlichen hochmittelalterlichen Herrscher*innen erinnerte doch stark an „Game of Thrones“ – bis hin Brudermorden und zu Einladungen aller Wichtigen zu Festmählern, die im Blutbad enden. (Eigentlicher Kern des Buchs ist die Frage, wie aus diesem Chaos Demokratien und nach dem 2. Weltkrieg der skandinavische Wohlfahrtsstaat entstehen konnten – auch das durchaus interessant; interessant auch der Blick auf das Handeln Dänemarks (weitgehend akzeptierte Besetzung, Kollaboration), des als Nationalstaat jungen Norwegens (Besetzung mit Widerstand und einer fliehenden Exilregierung) und Schwedens (Neutralität und Waffenverkäufe) in der Nazizeit.)
An SF gelesen habe ich die ersten beiden Bände der „Kindom Trilogy“ von Bethany Jacobs, These Burning Stars (2023) und On Vicious Worlds (2024); der dritte Band wird noch in diesem Jahr erscheinen. Die Bücher verbinden Aspekte aus beiden Sachbüchern: sie spielen in einem sich über mehrere Sonnensysteme erstreckenden Imperium („The Treble“); und stellenweise wird es sehr blutig und brutal mit Blick auf Nachfolgekämpfe und Racheakte. Insbesondere innerhalb und zwischen den „First Families“ und den drei Säulen des „Kindom“ (Priester*innen der polytheistischen Religion; Verwaltung und Justiz; und die „brutal hand“ mit ihren Killer*innnen). Zusammengehalten wird „The Treble“ von einem energiereichen Mineral (Jevite bzw. in der synthetischen Form Sevite), das u.a. Sprünge durch „Gates“ erlaubt. Interessanter als die diversen Kämpfe (sagte ich schon, dass es sehr blutig und brutal wird?) sind die von Jacobs skizzierten Interessenlagen und organisatorischen Verkrustungen – beispielweise hat die Familie einer der Hauptpersonen das Monopol auf diesen Mineral; die in der Verarbeitung von Sevite beschäftigten Überlebenden eines Genozids – die Jeveni – sind mit ihrer Lage nicht zufrieden usw. Und ziemlich viel ist anders, als es am Anfang scheint. Gut gefallen hat mir an dieser Space Opera auch, dass einige der Traumata und sozialen Ängste einiger Hauptpersonen klar thematisiert werden. Egal, wie sehr sie die Held*innen dieser Geschichte sind. Ich bin auf den dritten Band gespannt – der zweite endete ziemlich abrupt mit einer fiesen Enthüllung.
Auch Space Opera, aber komplett anders, ist die online veröffentlichte Novelle The Epiphany of Gliese 581 von Fernando Borretti (2022), die ein bisschen an Greg Egan erinnert. Viel spielt hier in diamantbasierten Computersubtraten, und Menschen/transhumane Wesen, die sich selbst downloaden und per Materiedruck reproduzieren können, tun sich ein bisschen einfacher damit, fernste Sonnensysteme zu erforschen – oder wie hier: aufzuklären, wie eine vollendes transhumane „Gottheit“, die den namensgebenden Stern Gliese 581 nach eigenem Bild gestaltet hat, zu Tode kam.
Gelesen habe ich und sehr empfehlen kann ich dann noch das gerade erschienene Automatic Noodle (2025) von Annalee Newitz. Während ich mit ihren Terraformern nicht so viel anfangen konnte, hat mir diese eher cozy Geschichte gut gefallen: im Kern geht es um vier sehr unterschiedliche Roboter (und einen Menschen), die übrig bleiben, als eine Möchtegern-Fastfood-Kette ihr Geschäft aufgibt. Das ganze spielt in San Francisco, in einem Kalifornien, das sich gerade in einem blutigen Krieg von Amerika abgespaltet hat, und das – anders als die Rest-USA – unter bestimmten Bedingungen menschenähnliche Roboter mit Rechten ausstattet – was andere nicht davon abhält, Vorurteile zu äußern. Mit viel Liebe zum Detail erzählt Neewitz, wie aus dem Fastfood-Shop ein auf Biang-Biang-Nudeln spezialisiertes Restaurant wird (da erinnerte mich das eine oder andere an Sourdough) – und wie dabei die ganz unterschiedlichen Roboter-Persönlichkeiten mit ihren Stärken (und Schwächen und Traumata) zusammenfinden. (Lesenswertes Interview mit Newitz dazu.)
In gewisser Weise gut dazu gepasst hat der Film Chappie (2015, lief auf Netflix), den ich eher zufällig ausgewählt habe. Hier geht es um autonome Polizeiroboter in Johannisburg und was passiert, als eine*r davon ein Bewusstsein bekommt und bei einer von „Die Antwoord“ gespielten Gangsterfamilie aufwächst. Regisseur Neill Blomkamp legt an manchen Stellen zu dick auf, der Film kann sich manchmal nicht entscheiden, ob er jetzt Thriller, Hip-Hop-Gangsterkomödie oder Roboter-Reflektion sein möchte – unterhaltsam war’s trotzdem. Insbesondere mit dem zum Zeitpunkt dieses Films noch nicht absehbaren AI-Hype im Hinterkopf.
Weitergeguckt habe ich außerdem Foundation und Star Trek: Strange New Worlds – wobei ich hier von Folge 6 („The Sehlat Who Ate Its Tail“) insgesamt eher begeistert war, und mit den Folgen 7 („What Is Starfleet?“) und 8 („Four-and-a-Half Vulcans“) nicht so viel anfangen konnte.
Begonnen und dann gleich bingegewatcht habe ich die erste Staffel von Silo (Apple TV, 2023), der Verfilmung der Bücher Wool, Shift und Dust von Hugh Howey. Die Serie spielt (zumindest in der ersten Staffel) fast ausschließlich in einer riesigen Untergrundstadt, dem titelgebenden Silo, das von seltsamen Regeln (Treppensteigen zwischen den 144 Stockwerken!, keine Mikroskope!) beherrscht wird. Draußen ist böse – jedenfalls ist das die mit großem Aufwand aufrecht erhaltene herrschende Meinung. Und Artefakte aus der Zeit davor sind ebenfalls verboten. Durch einen geschickten Kniff verbindet die Serie die Geschehnisse im untersten Level – hier kümmern sich Mechaniker*innen darum, dass alles läuft – der Mittelschicht und der Elite des Silos in den oberen Leveln. Die Hauptpersonen und deren Chemie untereinander ist dann auch Grund genug, über das eine oder andere Plothole hinweg zu sehen (wie kommt eine seit vielen Jahrzehnten von der Außenwelt abgeschnittene Stadt mit 10.000 Menschen an so Dinge wie Kaffee oder Lötzinn?).
Photo of the week: Copenhagen (part I)
Wie schon bei Florenz zu Ostern (und ja, wie eigentlich immer bei Reisen …) gibt es sehr viele Fotos, die ich aus Kopenhagen mitgebracht habe. Inzwischen habe ich sie sortiert und auf Flickr gestellt. Um meine Photo-of-the-Week-Rubrik nicht zu überfrachten, gibt es heute dann gleich mehrere Fotos – und ein bisschen Text dazu. Nächste Woche folgen dann noch Pride, Christiania und Museen.
Das MeerKopenhagen liegt am Meer (ich weiß gar nicht genau, ob das an dieser Stelle noch/schon Ostsee ist, oder ob der Öresund da ausgenommen ist), und das merkt man der Stadt an. Inzwischen kann auch im Hafengebiet an vielen Stellen gebadet werden. Das wurde auch eifrig getan. Ich selbst habe mir ein Fahrrad geschnappt und bin ins mondäne Klampenborg etwas nördlich der Stadt geradelt. Dort gab es Sonnenschein, weiß gestrichene Häuser, einen wunderbaren Sandstrand, blaues Meer – nur zum Schwimmen war’s etwas kalt. |
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Die FahrräderZugegebenermaßen war ich vor einigen Jahren in Holland beeindruckter von der Fahrradinfrastruktur, aber auch die in Kopenhagen ist erlebenswert. Es gibt viele breite Radwege, parkende Autos sind vielerorts in Nebenstraßen und Parkhäuser verbannt, und eine ganze Reihe von Brücken sind speziell für Radfahrende und Fußgänger*innen gedacht. Die gute Infrastruktur wird entsprechend gut genutzt – so viele Fahrradstaus habe ich bisher sonst nirgendwo erlebt. Positiv, vielleicht auch dem flachen Land geschuldet: keine aufgemotzten E‑Bikes, sondern zumeist gute alte Hollandräder. Genau das richtige für den entspannten Stadtverkehr. Kopenhagen ist nicht perfekt: die Ausschilderung der Hauptradrouten fand ich nicht so schlüssig, und an Kreuzungen war es manchmal etwas unübersichtlich. Auf dem Bild zu sehen: der sehr breite Radweg von Islands Brygge nach Vesterbro bei Sonnenuntergang. Das weiße Gebäude rechts ist übrigens eine neu gebaute Schule – samt Dachgarten und Rutsche von einem Stockwerk ins andere. |
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Die Architektur IKopenhagen ist eine Architekturmetropole. Es gibt ein sehr gut gemachtes Architekturmuseum (mit einer Sonderausstellung zu Recycling und Nachhaltigkeit im Bau, die ich sehenswert fand) und es gibt fast überall in der Stadt nicht nur die typischen klassizistischen Straßenzüge (und einige sehr spitz aufragende Türme), sondern auch sehr sehr viele neuere spannende Bauten. Auf dem Bild hier sind die Kaktustürme zu sehen, die ich besonders eindrucksvoll fand. Ich bin mir allerdings nicht sicher, wie funktional eigentlich die weit ausragenden Betonelemente sind, wenn ein Balkon als Balkon genutzt wird. Die Türme sind mit dem Dach des IKEA-Neubaus verbunden, das öffentlich zugänglich ist. |
Die Architektur IIGut gelungen erscheint mir die Verbindung von Neuem und Alten in dem neuen Stadtteil „Carlsberg“ auf dem ehemaligen Brauereigelände (von dem noch das berühmte Elefantentor steht). Weniger beeindruckend als oft dargestellt dagegen Superkilen in Nørrebro – der Stadtpark wirkte bei meinem Besuch eher wenig angenommen und etwas heruntergekommen. |
Die Architektur IIIWeniger gut gefallen hat mir Ørestad – ein groß angelegter neuer Stadtteil auf der Insel Amager, zwischen Kopenhagen und dem Flughafen (und der Brücke Richtung Malmö). Hauptachse des Stadtteils ist die autonom fahrende Metro, die hier überirdisch auf Stelzen unterwegs ist. Links und rechts davon reihen sich Klötze an Klötze; erst ein wenig im „Hinterland“ finden sich Wohnsiedlungen. Hier gibt es ein Einkaufs- und ein Kongresszentrum, insgesamt wirkte das auf mich aber sehr nach dem Computerspiel „Cities Skylines“ und nicht nach einer menschengerechten Stadt – die Plätze wirkten verlassen und es gab spürbar mehr Autoverkehr. |
Kurz: The Mad Twenties
„May you live in interesting times“ – der sprichwörtliche Fluch trifft voll und ganz zu. Nicht nur das: ich habe die vage Hoffnung, dass es im Jahr 2050 Historiker*innen geben wird, die ganze Symposien mit Diskussionen dazu füllen werden, wie es zu den „mad twenties“ kommen konnte, ob diese eigentlich bereits mit der Trump-Wahl 2016 begonnen haben, und ob die Pandemie, die Chatbots oder der unregulierte Gebrauch sozialer Medien hauptursächlich dafür war, dass sich die zornige Verkennung der Realität in jeglicher Hinsicht so ausbreiten konnte.
Warum Hoffnung? Weil dies impliziert, dass es im Jahr 2050, in 25 Jahren, noch Historiker*innen geben wird, ihre Zeit mit im besten Sinne akademischen Debatten zu verbringen. Und, wichtiger noch, weil der Rückblick auf diese verrückte Dekade nur dann möglich ist, wenn der kollektive Absturz in eine Fantasiewelt überwunden wurde.
Im besten Fall wird es in 25 Jahren hochstrittig sein, ob in den „Mad Twenties“ nicht bereits der Keim für eine bessere Weltordnung angelegt war: die geopolitischen Realitäten, die ein für alle mal klar gemacht haben, dass ein Verlassen auf andere nicht funktioniert; das beginnende exponentielle Wachstum von Green Tech und erneuerbarer Energie, noch einmal verstärkt durch die Abschottung der USA; das Platzen der KI-Blase und die ersten zaghaften Versuche, mit Mitteln der Monipolkontrolle gegen semantische Viren vorzugehen.
Im mittleren Fall wird es auch in 25 Jahren noch Aufräumarbeiten geben; die letzten Wehen zerstörter Institutionen und niederliegender Ökonomien. Dann werden Wahrheitskommissionen eingesetzt, die aufarbeiten, wer Widerstand geleistet hat und wer als Rädchen des großen amerikanischen Reichs an den Untaten mitgewirkt hat.
Der schlimmste Fall wäre jedoch, dass es eben auch 2050 keinen Rückblick auf die wahnhaften 2020er geben wird, weil deren Realitätsverlust sich festgesetzt hat und zur dauerhaften Methode geworden ist. Dann würde die Welt in das Genre des (Post-)apokalyptischen gerutscht sein. Keine schöne Vorstellung – und Anlass, trotz aller Verrücktheiten sich jetzt nicht ins Private zurück zu ziehen.