Ende Oktober sah es in den Weinbergen oberhalb von Esslingen bzw. Stuttgart noch so aus. Inzwischen ist der Herbst weiter fortgeschritten, Nebel und graue Wolken haben sich über das Land gelegt. Bleibt nur der Blick auf die Fotos.
Neustart gelungen
Die 50. Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen – gezählt seit dem Zusammenschluss beider Parteien 1993 – tagte an diesem Wochenende im schmucken Rhein Main Congress Centrum in Wiesbaden. Ich war als Delegierter für meinen Kreisverband dabei; als ich mich delegieren ließ, war die Welt noch eine andere. Bei der Aufstellung hatte ich ambivalente Gefühle – Freitag bin ich dann schon mit sehr viel mehr Zuversicht zum Parteitag gefahren.
Ausführlich lässt sich in Mastodon unter dem Hashtag #bdk24 nachlesen, wie dieser Parteitag gelaufen ist. Die Zuversicht hat sich als berechtigt erwiesen; der grüne Neustart ist gelungen.
Im Kern sind es vier Dinge, die wir auf dieser BDK gemacht haben:
- Dank und Wertschätzung
- Neuwahl des Bundesvorstands
- Start in den Wahlkampf mit dem #TeamRobert
- Beschlüsse zu aus der Parteibasis heraus gesetzten, inhaltlichen Themen
Ampel schaltet auf Notbetrieb
Was für eine Woche, oder eigentlich: was für ein Tag! Am Morgen des 6. November 2024 wird klar, dass Donald Trump nicht nur die Präsidentschaftswahl klar gewinnt, sondern auch durchregieren kann und eine Mehrheit der popular vote haben wird. Am Abend des selben Tages dann die Entlassung des Finanzministers und eine der wenigen in Erinnerung bleibenden Reden des Bundeskanzlers (warum erst da?).
Die Ampel schaltet nun tatsächlich in den Notbetrieb. Das war zwar immer mal wieder vermutet worden – dass es am Mittwochabend dazu kam, war trotzdem unerwartet. Christian Lindner hatte wohl einen etwas anderen Zeitplan im Kopf. Trotz Fehdehandschuh Wirtschaftspapier wirkte er überrascht, dass der Kanzler ihn tatsächlich vor die Tür setzte. Und ebenso überraschend folgten nur zwei der drei FDP-Minister*innen ihrem Parteichef.
Umgehend wurde nachbesetzt – für eine rot-grüne Minderheitsregierung mit unklarem Ablaufdatum. Das Gezerre über den Termin der Vertrauensfrage wirkt unwürdig und so, als seien alle Seiten nur auf ihren jeweiligen Vorteil bedacht. Am absurdesten die Union, die einerseits möglichst sofort wählen lassen möchte, aber andererseits noch weit hinten dran ist mit Listenparteitagen und Nominierungen. Mit Blick auf das Innenleben von Parteien und Wahlbehörden und mit den ja durchaus begründeten Fristen ist die von Olaf Scholz vorgeschlagene Wahl Ende März sinnvoll.
Photo of the week: Roßkopf wind power – I
Die Roßkopf-Windräder stehen seit 2003 da und müssten eigentlich längst in den Titelkopf der Gundelfinger Nachrichten aufgenommen werden, so sehr gehören sie mit zum Ortsbild. Auch wenn nur eines davon auf Gundelfinger Gemarkung steht. Das Bild wird sich demnächst ändern: im Rahmen eines Repowerings werden die vier Windräder durch zwei neue, leistungsstärkere ersetzt, die doppelt so viel Strom produzieren sollen wie die bisherigen. Schon erstaunlich, was für Fortschritte diese Technologie in den letzten 20 Jahren gemacht hat!
🙁
Noch läuft die Auszählung. Aber wenn ich den Prognosen der New York Times vertrauen kann – und die dahinter liegenden Zahlen, der massive Umschwung nach rechts sehen so aus – dann müsste ein Wunder geschehen, damit Kamala Harris diese Wahl noch gewinnt. Ich glaube nicht an Wunder.
Ich gehe davon aus, dass der nächste Präsident der Vereinigten Staaten Donald Trump sein wird – mit einer Mehrheit im Supreme Court und im Senat, wahrscheinlich auch im Repräsentantenhaus. Gleichzeitig hat dieser Trump einen Plan, egal, wie sehr er sich davon rhetorisch distanziert. Insofern ist Trump 2024 nicht Trump 2016, sondern etwas schlimmeres. Und sein Vizepräsident steht nicht für die klassische republikanische Partei, sondern für einen neuen Faschismus. Das alles in Zeiten, in denen die USA als verlässlicher Partner eigentlich gebraucht würden – im Klimaschutz, in der Verteidigung der Ukraine, im weltweiten Kampf um Demokratie. Diese Leerstelle werden wir bitter zu spüren bekommen.
2016 war ein Schock, ein böses und unerwartetes Erwachen. 2024 fühlt sich anders an. Ich hatte daran geglaubt, dass Harris eine Chance hat, dass der Schwung ihrer Kandidatur bis hierher reicht. Statt dessen hat die Polarisierung zugenommen, die zwischen Stadt und Land, zwischen Küsten und dem Landesinneren – und fast überall haben mehr Leute, bei höherer Wahlbeteiligung, Trump gewählt als vor vier bzw. sogar vor acht Jahren. Objektiv betrachtet war Biden ein guter Präsident. Gewürdigt wurde das nicht. Und ich sehe schon die Legenden, die gestrickt werden – dass die Demokraten vielleicht doch lieber einen weißen Mann hätten aufstellen sollen, dass es besser gewesen wäre, sich noch stärker auf das eine oder andere rechte Narrativ einzulassen. Und auch davor habe ich Angst.
2024 ist tiefe Frustration. Egal, ob es X war oder die Russen, oder schlimmer noch, ehrliche Begeisterung bei einer großen Zahl Wähler*innen für ein zutiefst reaktionäres Projekt – das sind alles keine guten Voraussetzungen für die kommenden Jahrzehnte. Nicht nur in den USA. Wir spüren das ja auch hier. Die Wahlen im Osten, die Wahlen in Italien und den Niederlanden, in Österreich, in Frankreich. 2025 dann eine Bundestagswahl, bei der, jede Wette, die Merz-Union voll auf Populismus-Kurs gehen wird. Muss das sein?