Das goldene Morgenlicht verzaubert dann auch eine ansonsten eher triste Straßenszene in der Esslinger Pliensauvorstadt.
Der Mann von gestern für gestern
FragDenStaat hat übersichtlich aufbereitet, was bisher an Zwischenständen aus den Verhandlungen zwischen Union und SPD bekannt ist. In den Dokumenten ist auch markiert – blau für die Union, rot für die SPD – was jeweils noch strittig ist. Auch im geeinten Text sind schon einige Hämmer enthalten – und Mehrausgaben in Höhe von 100ten Mrd. €, von denen niemand weiß, wie sie finanziert werden sollen.
Richtig krass wird es aber bei den Wünschen der CDU/CSU, die bisher seitens der SPD nicht akzeptiert worden sind. Okay, Merz hat das im Wahlkampf angekündigt, und ja – das, was auf rechtspopulistischer Seite geäußert wird, das sollte man ernst nehmen. Trotzdem in der Summe krass:
Im Innenbereich sollen Vorratsdatenspeicherung und Quellen-TKÜ kommen, auch die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wird seitens der CDU in Frage gestellt. Die Cannabislegalisierung soll rückabgewickelt werden. Im Wirtschaftsbereich (!) wird weiter auf den Verbrennungsmotor gesetzt. Im Verkehrsbereich kämpft die Union gegen das Tempolimit. Das Bürgergeld wird wieder rückabgewickelt, wenn es nach CDU/CSU geht („verbindliche Eingliederungsvereinbarungen“), aber auch im mit der SPD geeinten Text werden so gut wie alle Errungenschaften des Wechsels von Hartz-IV zum Bürgergeld wieder gestrichen. Der NPD-Spruch von der „Einwanderung in die Sozialsysteme“ findet sich jetzt als CDU-Textvorschlag. Asylbewerberleistungen will die Union „auf das Minimum absenken“. Im Bereich Familie, Frauen usw. will die Union das Selbstbestimmungsgesetz wieder rückabwickeln. Das Bürokratie-Kapitel liest sich 1:1 wie ein Text aus der Hochzeit des New Public Managements. Umweltverträglichkeitsprüfungen sollen rückabgewickelt werden, und wenn es nach der Union geht, wird das Umweltinformationsgesetz entkernt. Das Informationsfreiheitsgesetz soll abgeschafft werden. Zum Haushalt fällt der CDU/CSU vor allem „Steuern senken“ ein, Gegenfinanzierung unklar. Die Klimaziele sollen durch den Einkauf von Zertifikaten in Drittländern erreicht werden, das Flächenziel für Windkraft soll entfallen, der Wiedereinstieg in die Atomkraft steht ebenfalls im Kapitel Energie und Klima. Die Gasnetze sollen erhalten bleiben, die Gasförderung im Inland ausgebaut werden. Und zumindest in blau „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen“ (mal deklaratorisch in die Welt gebrüllt). Last but not least: Die Wehrpflicht wird wieder aktiviert.
Zusammengefasst: Merz will die Bundesrepublik auf den Stand vor Merkel zurücksetzen. Dem ganzen Text ist eine Sehnsucht nach den im Rückblick so golden wirkenden Kohl-Jahren anzumerken. Alles dazwischen – Merkel, und erst recht die wenigen Errungenschaften der Ampel – will Merz rückabwickeln. So viel Sehnsucht nach gestern war selten, so viel persönliche Kränkung als Ausgangspunkt für die Personalität eines Bundeskanzlers auch nicht.
Ich bin gespannt – naja, und habe durchaus Befürchtungen – was in den finalen Verhandlungen zwischen Merz und Klingbeil rauskommt, wie viel Blackrock nach in Black-Rot stecken wird.
Photo of the week: Nox in the sun
Kurz: Reisewarnung
Allein schon aus Klimagründen ist für mich klar, dass ich nicht zu Konferenzen in den USA oder in Australien reise. Deswegen war ich so froh, dass die Science-Fiction-Worldcon letztes Jahr im gut erreichbaren Glasgow stattfand. An der Worldcon dieses Jahr in Seattle werde ich dementsprechend nicht teilnehmen (jedenfalls nicht vor Ort, ob ich eine virtuelle Teilnahme sinnvoll finde, muss ich mal noch sehen).
Zu den Klimagründen ist mit dem Trump-Musk-Regime ein weiterer Grund dazu gekommen. Es häufen sich Berichte über verweigerte Einreisen (zuletzt: ein französischer Wissenschaftler, der in privaten Chats Kritik an Trump geübt hatte) und Abschiebehaft (u.a. Tourist*innen aus Deutschland, aus Kanada, aus Großbritannien, die wegen kleinster Fehler in Abschiebelagern landeten). Das Auswärtige Amt warnt in relativ harten Worten nicht nur vor Kriminalität und grassierenden Krankheiten wie der Vogelgrippe, sondern weist auch darauf hin, dass Geschlechtsidentitäten nicht anerkannt werden, Mobiltelefone durchsucht und die Einreise jederzeit verweigert werden kann.
Entsprechend stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch angemessen ist, in diesen Zeiten große Konferenzen in den USA stattfinden zu lassen. Die Vorsitzende der Seattle Worldcon hat jetzt ein Statement veröffentlicht, in dem zwar einerseits Verständnis dafür geäußert wird, dass die aktuellen Bedingungen dazu führen können, dass individuelle Reiseentscheidungen nach Seattle negativ ausfallen. „The situation ist frigthening.“ Anderseits soll die Worldcon aber weiter stattfinden – „because it is even more important than ever to gather with those who are able to do so to discuss our theme and celebrate the power of SFF to imagine different societies.“ Und zwischen den Zeilen scheint durch, wie machtlos es sich anfühlt, gut gemeint auf „safe spaces“ und Verpflichtung zu Diversity zu setzen, während außen herum die Welt zusammenbricht.
Ich kann das zwar nachvollziehen, schließlich ist eine Konferenz mit ein paar tausend Teilnehmenden nichts, was mal so eben abgesagt oder virtualisiert werden kann, auch aus finanzieller Perspektive. Ich bin aber gespannt, wie sich die Lage auf die Teilnahme von Menschen außerhalb der USA auswirkt. Und eigentlich wäre eine Absage – oder eine Verlagerung ins Ausland – das sehr viel stärkere Zeichen gewesen in einer Zeit, in der die reale Politik SF-Dystopien rechts überholt.
Leserbrief zu Schulcontainer statt Biotop
Bezogen auf einen Artikel in der heutigen Badischen Zeitung zur Situation in der Kandelstraße:
Interessant, wie unterschiedlich Dinge wahrgenommen werden können. Auch wenn ich es nachvollziehen kann, dass der Platz benötigt wird: Als Anwohner war ich sehr betrübt, als das auf dem jetzigen Containergrundstück entstandene Wäldchen eines Tages gerodet wurde – vorab informiert wurden wir nicht, weder durch die Schule, noch durch Gemeinde oder Kreis. Entfernt wurden nicht nur zwischenzeitlich hoch gewachsene, starke Bäume. Auch Eichhörnchen und Igel und viele Vogelarten hatte ich dort beobachtet: ein Biotop-Trittstein, der jetzt fehlt.
Zustimmung allerdings dann dazu, dass die Kandelstraße oft zugeparkt ist und der dicker und breiter gewordene Elterntaxi-Verkehr ein Problem darstellt. Hier bräuchte es dringend eine mutige Lösung. Eine Einbahnregelung für den Autoverkehr könnte eine solche sein.
Und über Architektur mag man streiten. Es stimmt jedoch, dass die beiden Erweiterungen der Schule und die Container eher nach Gewerbegebiet aussehen – die „Krönung“ wäre die angedachte Lärmschutzmauer der Bahn, die den letzten Blick auf Rebberg und Roßkopf versperren würde.