Vor ein paar Tagen stellte ich fest, dass diverse Vogel- und Herbstlandschaftsfotos aus dem November noch unbearbeitet auf meiner Festplatte lagen. Zumindest eines davon möchte ich gerne zeigen – ein Krähenschwarm in Aktion. Oder, wenn die Augen zugekniffen werden: vielleicht sind es auch Striche eines Tuschepinsels.
Science Fiction und Fantasy im Frühling 2022, Teil I
Allmählich wird es Zeit, die ganzen Bücher und Filme/Serien, die ich im Frühjahr angeschaut habe, Revue passieren zu lassen. Und aus Gründen teile ich das in zwei Beiträge – heute die Filme und Serien, die Bücher und Kurzgeschichten folgen später. Angeguckt habe ich nämlich – neben einem Rewatch der »Umbrella Academy« mit meinen Kindern – ziemlich viel. Also, eigentlich nur einen Film – The Green Knight – und gleich viereinhalb Serien.
The Green Knight (2021), eine Adaption der Arthus-Sage, ist verdichtet, hübsch anzuschauen, seltsam, teilweise poetisch, und das Ende ist unbefriedigend düster. Letztlich steckt hier in etwas über zwei Stunden ähnlich viel Stoff wie in einer ganzen Staffel einer Fantasy-Serie, aber im verdichteten Fokus auf den jungen Sir Gawain (der nicht der titelgebende Green Knight ist). Also durchaus interessant und ansehenswert. Und manches erschließt sich erst im Nachlesen der Wikipedia-Beschreibung. (Machen das andere Menschen auch so, nach dem Filmgucken erst mal nachzugucken, was sie da gesehen haben?)
Bleiben wir bei Fantasy: The Wheel of Time (2022) ist eine von Amazon Prime groß beworbene Verfilmung der Bücher (ab 1990 erschienen) von Robert Jordan, die ich allerdings nicht gelesen habe. In gewisser Weise das übliche: Auserwählte, Traumatisierung, ein Quest, der Kampf Hell gegen Dunkel, ein Magiesystem und eine untergegangene Welt. Mir haben sowohl das Casting der Hauptpersonen als auch die Ausstattung, die Kostüme und der Weltenbau (bei allen Plausibilitätsfragen) gut gefallen. Was wahrscheinlich auf die Vorlage zurückzuführen ist, ist der die Serie durchziehende Dualismus: es gibt eine helle und eine dunkle Seite, und es gibt eine Welt der Frauen und eine Welt der Männer, die sich durch den Zugang/Nicht-Zugang zu Magie unterscheidet. Positiv betrachtet führt das in der ersten Staffel zu starken weiblichen Hauptpersonen, allerdings schwingt für mich da immer auch mehr als ein Hauch Essentialismus mit. Der zweite Punkt, bei dem ich mir nicht so sicher bin, was ich davon halten soll (und wie viel davon aus Jordans Büchern kommt) ist der Umgang mit den fantasy-typischen sekundarisierten ethnischen Zuschreibungen. Das führt einerseits zu einer im positiven Sinne sehr divers ausgestalteten Welt, in der unterschiedliche Kulturen, Hautfarben, Herkünfte vorkommen, andererseits sind das teilweise nur sehr dünn übertünchte Klischees real existierender Kulturen, von travellers über pseudo-arabische bis hin zu irgendwie asiatischen Traditionen. Richtig seltsam wird das, wenn einem auffällt, dass die wichtigsten Antagonisten der ersten Staffel dunkelhäutig sind – und der Hauptgegner, The Dark One, bzw. sein Avatar Ishamael, an antisemitische Karikaturen erinnert. Soll das so sein?
Die zweite Verfilmung einer Buchreihe mit Klassikerstatus, die ich mir angeschaut habe, ist die erste Staffel von Foundation (2021) nach den Büchern von Isaac Asimov. Nominell Science Fiction, in der Jahrtausende umspannenden, teilweise mythisch aufgeladenen Fassung von Science Fiction taucht dann aber doch das eine oder andere Fantasy-Element auf. Es ist eine Weile her, dass ich Asimovs Foundation gelesen habe, und ich war mir nicht so sicher, wie die dem Buch zugrundeliegende Psychohistorik als mathematisch-stochastisch basierter Blick in die Zukunft in Bilder umsetzbar ist. Das ist der Verfilmung gut gelungen, wie überhaupt einiges an Wow-Effekten und spannenden ästhetischen Entscheidungen in der ersten Staffel steckt. Und die Modernisierungen, die Apple TV bei der Verfilmung vorgenommen hat – etwa die Einfügung der einen oder anderen weiblichen Hauptperson in das weitgehend rein männliche Personal der 1951er Buchfassung – finde ich zielführend und sinnvoll. Anschaubar.
Und noch eine Buchverfilmung – The Expanse ist mit sechsten Staffel (2021/22) zu Ende gegangen, und es ist klar, dass trotz des einen oder anderen offenen Handlungsfadens und Vorahnung wohl – zunächst – keine Fortsetzung geplant ist. Was schade ist, aber immerhin kommt die Serie in der sechsten Staffel in gelungener Weise zu einem Ende. Über alle sechs Staffel hinweg überzeugte mich die Mischung aus großer solarer Geopolitik zwischen Erde, Mars und dem »Belt«, dem Asteroidengürtel – und jetzt der Welt hinter dem Ring -, überwiegend realistischer Science-Fiction (mit einem zum Glück nur in kleinen Mengen beigemischtem Anteil Horror) und den persönlichen Entwicklungen und Spannungen in der Besatzung der Rocinante. Vielleicht geht’s ja doch noch weiter.
Dann nochmal Science Fiction – die zweite Staffel von Picard (2022) spielt zwar nominell im Star-Trek-Universum, ist aber eigentlich eine ganz andere Geschichte – über den inner space von Picard und die Traumata, die er in seiner Kindheit erlebt hat, über die Einsamkeit der Borg – und über die 2020er Jahre auf der Erde. Dass dafür ein ganz großer Zeitreise-Bogen gespannt werden muss, und nicht immer alles logisch aufeinander aufbaut: geschenkt.
Und last but not least: Netflix hat seiner Horror/Science-Fiction-Anthologie Love, Death & Robots (2022) eine dritte Staffel gegönnt. Ich habe noch nicht alle Folgen angeschaut, finde aber das Konzept, Kurzgeschichten knapp (10–20 Minuten je Folge) zu verfilmen, zumeist als 3D-Animation, durchaus überzeugend. »The Swarm« basierend auf einer schon etliche Jahre alten Kurzgeschichte von Bruce Sterling ist nah am Text, wirkte mir optisch aber zu sehr nach Computerspiel (und außerdem habe ich mir den Schwarm ganz anders vorgestellt). John Scalzis drei Roboter sind dagegen ein extrem passender Kommentar zur aktuellen Lage in den USA. Besonders empfehlenswert finde ich die Verfilmung von Michael Swanwicks »The Very Pulse of the Machine«, allein schon wegen der an Moebius erinnernden grafischen Umsetzung.
Fahren ohne Führerschein …
… geht mit Bus und Bahn genauso wie auf dem Fahrrad. Dazu habe ich meinen Twitter-Followern eine Frage gestellt, und finde – auch wenn’s nicht repräsentativ ist – das Ergebnis doch ganz interessant.
Mitgemacht haben 188 Personen, das Ergebnis ist über die Zeit erstaunlich stabil geblieben: Etwa ein Sechstel hat keinen Führerschein, der überwiegende Teil davon ist damit zufrieden. Fünf Sechstel der Befragten (83 %) haben den Führerschein gemacht. Spannend finde ich den relativ großen Teil derjenigen, die zwar einen Führerschein haben, diesen aber nicht (oder selten … so genau lässt sich das in einer Twitter-Umfrage nicht differenzieren) nutzen. Das ist immerhin ein Drittel aller, die sich an der Umfrage beteiligt haben. Oder anders gesagt: nur die Hälfte derjenigen, die an der Umfrage teilgenommen haben, sind aktiv mit dem Auto unterwegs. Die andere Hälfte scheint ohne (selbst gefahrenes) Auto mobil zu sein.
Ich finde das spannend, weil ich – bewusst ohne Führerschein – einerseits immer das Gefühl habe, zu einer kleinen Minderheit zu gehören. Das stimmt mit Blick auf die Umfrage auch. Andererseits ist diese Minderheit gar nicht so klein, wenn darauf geschaut wird, wer aktiv Auto fährt – und wer nicht.
Eine kursorische Suche im Web bestätigt die oben genannten Zahlen übrigens in etwa: Demnach haben etwa 17 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren keinen Führerschein. Nach dieser Quelle sind es 12,4 Prozent der Deutschen ab 18 Jahre. Die amtliche Statistik beim Kraftfahrzeugbundesamt hilft leider nicht weiter, da erst ab 1999 zentral erfasst, wer eine »Fahrerlaubnis« besitzt. Und Destatis hat zwar eine schöne Broschüre mit verschiedenen Statistiken rund um den Verkehr, aber auch keine Aussage zum Führerschein.
Spannend finde ich diese Zahlen auch mit Blick auf das Neun-Euro-Ticket, das ja ab 1. Juni genutzt werden kann. Die Entstehungsgeschichte – als Kompensationsgeschäft zum Tankrabatt – ist vielleicht keine Jubelgeschichte, die Frage, ob es ausfinanziert ist, ist zwischen Bund und Ländern nach wie vor umstritten. Und ob die Ferienmonate und ein öffentlicher Diskurs, der vor allem die touristische Nutzung hervorhebt, ideal sind, sei auch dahingestellt. Trotzdem ist das Neun-Euro-Ticket sowas wie ein Großversuch, ob ticketfreier (»kostenloser«) Nahverkehr funktioniert.
Das Ticket hat ja mehrere Aspekte: für Menschen, die jetzt schon eine Abo-Karte im Nahverkehr nutzen, ist es schlicht eine deutliche Kostenreduzierung, zumindest in Freiburg, hier kann die Differenz zum Abopreis erstattet werden; ob alle Verkehrsbetriebe das so handhaben, weiß ich nicht. Ebenso dürfte es bei denen aussehen, die bisher mit Einzelkarten im ÖPNV unterwegs waren. Auch da lohnt sich ab wenigen Fahrten dann das Neun-Euro-Ticket, und auch hier ist es eher eine Kostenreduzierung und damit in gewisser Weise eine soziale Leistung, verbunden mit dem Vorteil, nicht bei jeder Fahrt auf den Preis schauen zu müssen, sondern beliebig oft und über Verbundgrenzen hinweg fahren zu können.
Dann stellt sich die Frage, ob das Ticket – ähnlich wie beim Schönen-Wochenend-Ticket der 1990er Jahre – zusätzlichen Verkehr produziert. Bei den Regionalzügen der Bahn bin ich mir ziemlich sicher, dass das der Fall sein wird. Für den Alltagsverkehr in den Städten wäre meine Vermutung, dass das eher nicht in großem Umfang der Fall sein wird. Ich hoffe, dass irgendwer das gut beobachtet und auswertet – und dass ab September dann die richtigen Schlüsse für einen zukunftsfähigen Nahverkehr daraus gezogen werden.
Das 365-Euro-Ticket für Jugendliche, das Baden-Württemberg ab März 2023 einführt, und das dann im ganzen Land genutzt werden kann, ist ein Beispiel dafür, in welche Richtung es gehen kann.
Klar ist aber auch: ohne ein besseres Angebot, dichtere Takte (ich will nicht gucken müssen, wann der nächste Bus, die nächste Straßenbahn fährt) und eine Kopplung zum Beispiel mit Leihfahrrädern (Frelo läuft hier wunderbar) wird es nichts mit einer dauerhaften Vergrößerung des Teils der Menschen, die ihren Alltagsverkehr ohne Auto zurücklegen.
Photo of the week: Garden in May
Wie das mit dem Garten im Mai so ist, habe ich ja vor kurzem hier aufgeschrieben. Das Bild zeigt die ersten reifen Walderdbeeren, die jetzt überall im Garten rot aufleuchten.
Kurz: Landtagswahl in NRW
In Schleswig-Holstein ist immer noch nicht klarer, wie es weitergeht – dort scheint Daniel Günther auf eine »übergroße« Fortführung von Jamaika beharren zu wollen. Heute dann Wahl in NRW – mit einem großartigen grünen Ergebnis, etwa eine Verdreifachung zum letzten Stand mit jetzt rund 18 Prozent; es wird noch gezählt. Anders als im Vorfeld erwartet kein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD, vielmehr liegt Wüst mit rund 36 Prozent deutlich vor der SPD mit rund 27 Prozent. Dem Landtag gehören nach aktuellem Stand weiterhin FDP und AfD an, jeweils rund 5,5 Prozent nach dem aktuellen Stand der Hochrechnungen. In Sitzen umgerechnet heißt das: Schwarz-Grün hätte eine Mehrheit, Schwarz-Rot theoretisch auch, und eine Ampel wäre ebenfalls möglich. An aktuell zwei Sitzen scheitert dagegen Rot-Grün. Anders würde es aussehen, wenn eine der beiden kleinen Parteien doch rausfliegt. Wer definitiv mit katastrophalen zwei Prozent – und verdient – nicht drin ist: die LINKE.
Ich lege mich fest: FDP und AfD werden im Landtag bleiben, eine Mehrheit für Rot-Grün wird es nicht geben. Damit stehen sich als mögliche Regierungsmodelle Schwarz-Grün und eine Ampel gegenüber. Auch wenn’s legitim und mit Blick auf den Bund irgendwie naheliegend wäre, glaube ich nicht so recht daran, dass die knapp nochmal in den Landtag gekommene FDP da mitmachen wird. Insofern halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass jetzt zunächst versucht wird, über Schwarz-Grün zu verhandeln. Die CDU-Statements dazu klangen fast schon anbiedernd, die grünen Statements etwa der Spitzenkandidatin Mona Neubaur machten klar, dass es wie im Wahlkampf versprochen um Inhalte gehen wird, d.h. insbesondere um die Frage, wie das Industrieland NRW klimaneutral werden kann. Ich bin gespannt – und gratuliere den nordrhein-westfälischen Grünen schon mal zur mit 39 oder 40 Personen bisher größten grünen Fraktion im NRW-Landtag!
Bleibt am Schluss noch der Hinweis des Politikwissenschaftlers Rainer Faus, dass die Vorstellung falsch ist, aus vielen Einzelabstimmungen in der Wahlkabine entstünde so was wie ein »Wählerwille« oder ein »Regierungsauftrag«. Das ist nicht der Fall, sondern das Ergebnis von Verhandlungen – egal, wer immer wieder die gleichen Behauptungen aufstellt. (Und ebenso ließe sich hier nochmal darauf hinweisen, dass der »Wahlgewinner« am Schluss die Partei ist, die die Regierung stellt.)