Auch wenn dieses Blog weniger und weniger gelesen wird – und der eine oder andere Tweet weit mehr an Reaktionen auslöst – halte ich daran fest. Ab und zu etwas ins Blog zu schreiben und regelmäßig meine Fotos hier reinzupacken, gehört für mich schlicht dazu. Wir haben das schon immer so gemacht …
Jedenfalls: wenn ich nochmal Revue passieren lasse, was 2021 so Anlass gab für Blogeinträge, dann waren das jenseits der Fotos vor allem drei Dinge: 1. Corona, 2. die Wahlen (und die Klimakrise) und 3. mein SF-Lesetagebuch. Na gut, und 4. der eine oder andere digitalpolitische Text.
Das passt ganz gut zu diesem Jahr, in dem zwar zwei wichtige Wahlen stattfanden – in Baden-Württemberg im März mit phänomenalem grünen Ergebnis, im September im Bund mit gemischten Gefühlen, aber doch einer grünen Regierungsbeteiligung – in dem aber eigentlich alles unter dem Schleier des zweiten Pandemiejahres lag. Nicht nur die Infektionen, sondern auch die Corona-Stimmung verlief wellenförmig – der Impfstoff machte Hoffnung, der Spätsommer wirkte fast schon so, als sei die Pandemie bald vorbei, dann kam Delta, und dann kam Omikron. Und so richtig schnell ist weiter kein Ende in Sicht. Ich habe den vagen Plan, meine Corona-Texte (Zeit des Virus VIII, IX, X, XI, XII, XIII sowie dieser Rant zur pandemischen Lage) irgendwann mal zusammenzufassen. Vielleicht lässt sich was daraus lernen.
Wahlen gab es wie gesagt zwei. Zur Landtagswahl habe ich das SWR-Duell kommentiert und kurz vor der Wahl einen Blick in die Glaskugel geworfen – die Prognosen passten so halbwegs – und einige Zeit nach der Wahl die Koalitionsverhandlungen kommentiert (und einen Ausblick auf die Bundestagsliste geworfen).
Auf die anfängliche Euphorie hinsichtlich des Bundestagswahlkampfs folgte Zweckoptimismus im Mai, ein gewisser Wahlkampfblues im Juni sowie nochmal Zweckoptimismus im August. Das hat nichts daran geändert, dass das Bundestagswahlergebnis letztlich deutlich schlechter ausgefallen ist als erhofft.
Inhaltlich lag mein Fokus auf der Klimapolitik (auch hier), zudem habe ich etwas zu den Triellen der Kanzlerkandidat*innen geschrieben. Die letzte Woche vor der Bundestagswahl führte bei mir zu einem Text über mein Missfallen Wahlkämpfen gegenüber. Nicht im Blog niedergeschlagen hat sich meine Mitarbeit am baden-württembergischen Landtagswahlprogramm (die fand allerdings auch schon 2020 statt) und an unseren Koalitionsverhandlungen.
Das Wahlergebnis habe ich vorsichtig als Ende der Ära Merkel beschrieben und den Koalitionsvertrag als Aufbruch ins 21. Jahrhundert wahrgenommen. Kommentiert habe ich auch den Kanzler*innenwechsel. Es bleiben große Erwartungen, der Corona-Schleier, der diese eintrübt, und die weiterhin nicht so ganz klare Frage, wie weit unsere grünen Minister*innen unter Kanzler Scholz tatsächlich progressive Gesellschaftspolitik und den Umbau zu einer der Klimakrisen angemessenen sozial-ökologischen Marktwirtschaft vorantreiben können.
Digitalpolitisch im weiteren Sinne sind drei sechs Blogbeiträge aus diesem Jahr:
- Zwei digitale Parteitage (Grüne und CDU) im Vergleich
- Die Karte als Ort über Geburtstagsfeiern in gather.town
- Twitter: die gute alte Zeitlinie
- 25 Jahre Neuland (ein Blick zurück auf die Anfänge der Digitalpolitik anhand einer Broschüre der Bundesregierung aus dem Jahr 1996)
- Tücken des Hybriden über die Probleme „gemischter“ Veranstaltungen
- Eintauchen in den Kaninchenbau – eine Auseinandersetzung mit NFTs, der Blockchain, Ethereum etc.
Und dann habe ich fünf Mal etwas dazu geschrieben, was ich in diesem Jahr an Science Fiction und Fantasy gelesen (und teilweise auch angeschaut) habe. Das findet sich in der Kategorie: Lesenswert dieses Blogs.
Ebenfalls wenig explizit im Blog niedergeschlagen haben sich private Veränderungen (das eine oder andere Foto gibt jedoch Hinweise).
Wir sind im „Nestmodell“ ins Haus meiner Eltern nach Gundelfingen gezogen. Umzug, Wände neu streichen etc. hat einiges an Zeit eingenommen, ebenso die Gartenarbeiten. Nestmodell heißt hier: unsere Teenager-Kinder (und neuerdings auch zwei Kätzchen) wohnen permanent in Gundelfingen, wir Eltern wechseln uns mehr oder weniger ab. Das passt ganz gut zu dem von uns gewählten Familienmodell. Eigentlich war mein Plan, meinen „anderen“ Wohnsitz von Freiburg nach Stuttgart, also an meinen Arbeitsort, zu verlegen – pandemiebedingt arbeite ich allerdings fast ausschließlich im Home-Office, so dass sich das bisher nicht realisiert hat. Statt mit der Bahn nach Stuttgart zu pendeln (auch in dieser Hinsicht gab es in diesem Jahr eine Fehlinvestition) habe ich mehr Zeit als je zuvor auf dem Rad verbracht, um die neun Kilometer zwischen Gundelfingen und dem Rieselfeld zurückzulegen.
Politisch war der Umzug für mich auch Anstoß, mich bei den Gundelfinger Grünen zu engagieren, sprich: mich im November in den Ortsvorstand wählen zu lassen. Wir haben im Ortsvorstand eine ganze Reihe von Ideen entwickelt, was 2022 so alles stattfinden könnte – Themen gibt es in einem 11.800-Einwohner*innen-Ort genug. Mal sehen, ob die Pandemie mitspielt.
Die bleibt überhaupt die große Unbekannte für das kommende Jahr. Ich befürchte, dass auch 2022 die Bekämpfung der Corona-Pandemie die absolute Priorität der politischen Debatten einnehmen wird, und vieles andere verunmöglichen wird. Neben der Klimakrise (hey, Twaithes!) gerät da auch vieles anderes in den Hintergrund, was Politik bisher ausgemacht hat. Das fängt bei der Bildungspolitik an, deren zentrale Frage eigentlich nicht Schulen auf/Schulen zu (bzw. Präsenz- oder Distanzunterricht) sein sollte und reicht bis zu den großen Reformvorhaben der Ampel, die jetzt bitte nicht auf die lange Bank gelegt werden.
Aber vielleicht kommt 2022 auch alles anders – wenn ich daran zurückdenke, dass Corona zum Jahreswechsel 2019/2020 nur eine Randnotiz in den Zeitungen war, dann scheint mir ein gewisses Maß an Demut angebracht zu sein im Hinblick darauf, was im Jahr 2022 so alles passieren wird. Zwischenwahlen in den USA, geopolitische Spannungen, ein ins Stottern geratenes Just-in-time-Regime im Welthandel – Krisen, die „plötzlich“ und „unvorhersehbar“ ausbrechen können, gibt es genug.
Um mit einer positiven Note zu enden: 2022 wird, wenn alles klappt, auch das Jahr, in dem die ersten Bilder des James-Webb-Teleskop uns erreichen werden. Da bin ich als astronomischer Laie gespannt drauf. Und vielleicht heißt ein Jahr ohne Wahlen in Baden-Württemberg und im Bund auch, dass genügend politische Aufmerksamkeit für die Umsetzung ambitionierter Reformvorhaben bleibt. Schließlich will ein Land erneuert werden!