Am Wochenende steht die jährliche Landesdelegiertenkonferenz der baden-württembergischen Grünen an, diesmal im – so heißt es – reizvollen Esslingen. Ich bin für den Kreisverband Breisgau-Hochschwarzwald zu diesem Parteitag delegiert, und schaue dem Wochenende mit gemischten Gefühlen entgegen.
Eigentlich ist es ein Arbeitsparteitag – es geht um die kommunalpolitische Erklärung und es geht um die Wahlen zu den Parteigremien. Gleichzeitig ist es aber ein Parteitag, der ziemlich genau zur Halbzeit der ersten Legislaturperiode der grün-roten Landesregierung stattfindet. Damit wird er nolens volens auch zu einem Bilanzparteitag. Wie tritt Ministerpräsident Kretschmann auf? Wie werden wir reagieren? Wo wird Kritik geäußert, wo findet sich Zustimmung? Auf all diese Punkte wird die Landespresse mit Argusaugen achten – und das ganze auch als Grundlage für ein Urteil darüber heranziehen, ob Grün-Rot eine zweite Legislaturperiode zuzutrauen ist oder nicht.
Die Presse schreibt viel, wenn der Tag lang ist. Aber wir haben im Bundestagswahlkampf gesehen, wie Feedbackschleifen zwischen Medienberichten und Parteireaktionen dann plötzlich steil nach unten zeigten. Insofern wird der medialen Bewertung dieser Landesdelegiertenkonferenz wohl ein größeres Gewicht zukommen als in den Jahren davor.
Dass ich dem Parteitag mit gemischten Gefühlen entgegenschaue, hat allerdings für mich persönlich noch deutlich mehr mit zwei anderen Punkten zu tun.
Erstens trete ich ja selbst an – ich habe mich für den Parteirat, also den erweiterten Landesvorstand, beworben. Für die 17 Plätze gibt es aktuell schon 24 Bewerbungen. Ich würde sehr gerne eine reflektierte, eigenständige grüne Politik, die sich an emanzipatorischer Freiheit und umfassend verstandener Nachhaltigkeit ausrichtet, im Parteirat vertreten, und halte mich dafür auch durchaus geeignet – sonst würde ich nicht kandidieren. Aber die Konkurrenz ist groß, insbesondere für die offenen Plätze. Für sieben Plätze gibt es hier dreizehn Bewerbungen, viele davon mit „Tickets“ abgesichert. Das ist bei mir anders. Ich freue mich jedenfalls über jede Unterstützung!
Zweitens gibt es auf dem Parteitag nicht nur die gute kommunalpolitische Erklärung, sondern vermutlich – wenn sie als Initiativanträge zugelassen werden – auch zwei Anträge zum derzeit in Novellierung befindlichen Landeshochschulgesetz, einmal konkret bezogen auf die Gebührenfrage, einmal mit Blick auf das Landeshochschulgesetz insgesamt. Natürlich ist formal ein Parteitag genau der richtige Ort, um aus Sicht der Partei einen Kommentar zu einem Vorhaben der Regierung abzugeben. Tatsächlich tue ich mich schwer damit, dass hier ein zentrales Gesetzgebungsvorhaben in doch eher überkritischer Art und Weise angefasst wird. Wenn ich mir dann noch anschaue, wie die SPD mit diesem Problem partizipativer Parteiarbeit in Regierungszeiten umgeht (kleiner Hinweis: der SPD-Parteitag beschließt Dinge, die Fraktion ignoriert sie), frage ich mich schon, ob es nicht deutlich bessere Wege gibt und gäbe, die Regierungsarbeit zu kommentieren und zu bewerten als über Schauanträge auf dem Parteitag. Egal, wie diese Abstimmungen ausgehen – letztlich kann dabei die Gesamtpartei nur verlieren. Ich sehe vielmehr in den Landesarbeitsgemeinschaften einen wichtiger Ort der Kommunikation, könnte mir aber auch gut vorstellen, dass so etwas wie interne, parteiöffentliche Fachforen und Workshops helfen könnten.
Vielleicht liegt diese Einschätzung daran, dass ich hier die Innenseite der Debatte kenne; vielleicht liegt sie auch darin, dass ich – anders als die AntragstellerInnen dieser beiden Anträge – durchaus meine, dass die im Koalitionsvertrag gemachten hochschulpolitischen Versprechen durch die Landeshochschulgesetznovelle zu einem ganz großen Teil – wenn auch manchmal nicht so weitgehend, wie es möglich wäre – abgedeckt sind. Diese Debatte zu führen, durchaus mit „offenem Visier“, finde ich wichtig. Das Scheinwerferlicht eines Parteitags, mit einem Vorspiel über Pressemitteilungen, scheint mir aber die falsche Arena dafür zu sein. Auch wenn’s idealtypisch anders wäre.
Letztes Wort dazu: Ich sehe durchaus auch einen Unterschied zwischen Anträgen, die sagen, dass das laufende Gesetzgebungsverfahren X an den Punkten a, b und c falsch ist – die also direkt die Arbeit der Regierung in Frage stellen, und Anträgen, die im Vorfeld sagen, dass Gesetzgebungsverfahren zu den Punkten d und e erwartet werden. Auch davon gibt es auf dem Parteitag einige, aber die Semantik ist doch eine andere.
Gespannt bin ich schließlich darauf, ob die auch von mir unterstützten Anträge zur Kulturpolitik für den ländlichen Raum und zur Reform der antiquierten Feiertagsgesetzgebung* erfolgreich sein werden.
Warum blogge ich das? Weil ich eigentlich an meiner Bewerbungsrede arbeiten sollte.
* Wobei ich nichts gegen Laternenumzüge zu St. Martin habe – sondern nur etwas gegen die große Zahl „stiller Feiertage“, die für alle, die nicht dem dominierenden Glauben anhängen, mit Einschränkungen verbunden sind, die diese ganz und gar nicht als Geschenk empfinden.
Eine Antwort auf „Vor der Landesdelegiertenkonferenz 2013“