Experimenteller Technikoptimismus – Update 2017

Man with dog III

Judith Hor­chert, Mat­thi­as Kremp und Chris Stö­cker schrie­ben vor zwei Jah­ren über fünf Tech­no­lo­gien, die unse­ren All­tag rasant ver­än­dern wer­den. Ich war skep­tisch, ob Robo­tik, auto­no­me Fahr­zeu­ge, künst­li­che Intel­li­genz, VR und auto­ma­ti­sche Über­set­zun­gen „on the fly“ sich wirk­lich so schnell durch­set­zen wer­den, wie Hor­chert, Kremp und Stö­cker das damals vermuteten.

Vor einem Jahr habe ich mir den dama­li­gen Ent­wick­lungs­stand ange­schaut. Mein dama­li­ges Fazit:

Vor einem Jahr war ich noch sehr skep­tisch, dass es hier tat­säch­lich zu Durch­brü­chen kommt und ent­spre­chen­de Tech­no­lo­gien – von den Robo­tern bis zur all­ge­gen­wär­ti­gen KI – Ein­zug in den All­tag fin­den und sich auch tat­säch­lich durch­set­zen. Gera­de was die Sprach- und Bil­der­ken­nung angeht, und alles, was dar­auf auf­baut, ist in den letz­ten Mona­ten extrem viel passiert. 


Und das hat sich im Prin­zip so fort­ge­setzt, obwohl kei­ne der fünf Tech­no­lo­gien bis­her „so ganz“ im All­tag ange­kom­men ist. Trotz­dem gibt es in jedem der fünf genann­ten Berei­che deut­lich sicht­ba­re Fort­schrit­te und beein­dru­cken­de Pro­to­ty­pen. Dabei ent­puppt sich die aktu­el­le Inkar­na­ti­on der Künst­li­che Intel­li­genz – also Deep Tech, selbst­stän­dig ler­nen­de neu­r­a­le Netz­wer­ke und die dazu gehö­ri­gen Soft­ware­tech­no­lo­gien und Rechen­leis­tung – immer mehr als Basis­tech­no­lo­gie der nächs­ten Wel­le des Fort­schritts. Nach dem lan­gen Win­ter der KI, bei dem der nächs­te Durch­bruch jah­re­lang gera­de noch nicht zu fas­sen war, könn­te jetzt von einem regel­rech­ten (zwei­ten oder drit­ten) Früh­ling der Künst­li­chen Intel­li­genz gespro­chen wer­den. Mit Smart­phones, ubi­qui­tä­ren Sen­so­ren, ver­netz­ten Din­gen und maxi­mier­ten Rechen­leis­tun­gen wird KI plötz­lich zur Grund­la­ge von Anwen­dun­gen. Dabei geht es nicht mehr um Exper­ten­sys­te­me oder die Simu­la­ti­on von Bewusst­sein, son­dern um maschi­nel­les Ler­nen als Mecha­nis­mus, damit Com­pu­ter mit ver­wa­sche­nen Kon­zep­ten wie natür­li­cher Spra­che, Seman­tik, Bil­der­fas­sung, Bewe­gung im Raum oder künst­le­ri­schen Sti­len klar kommen. 

Baden-Würt­tem­berg hat übri­gens vor weni­gen Wochen „Cyber­val­ley“ ins Leben geru­fen – eine Koope­ra­ti­on zwi­schen Max-Planck-Insti­tut, den Uni­ver­si­tä­ten Tübin­gen und Stutt­gart und diver­sen Fir­men, um anwen­dungs­ori­en­tier­te Grund­la­gen­for­schung in genau die­sem Feld zu för­dern. Reicht das an poli­ti­scher Steue­rung oder braucht’s eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Roadmap?

Sprach­er­ken­nung und ‑über­set­zung, auto­no­mes Fah­ren und Robo­tik sind alles drei Gebie­te, die auch von die­sen Ent­wick­lun­gen pro­fi­tie­ren. Wäh­rend die All­tags­ro­bo­tik nach wie vor nach dem „use case“ sucht, ist auto­no­mes Fah­ren – und die mit der Kom­bi­na­ti­on aus E‑Mobilität und Auto­no­mie ver­bun­de­ne Trans­for­ma­ti­on der Auto­mo­bil­in­dus­trie – in aller Mun­de, und sei es bei der Debat­te um mög­li­che ethi­sche Kon­flik­te und die Suche nach Ver­ant­wor­tungs­trä­gern im auto­no­men Fahr­zeug. Eben­so wie Debat­ten dar­um, ob es klug ist, auto­nom agie­ren­de Robo­ter mit Waf­fen aus­zu­stat­ten, in den letz­ten Mona­ten in den öffent­li­chen Dis­kurs ein­wan­dert. Bei den auto­no­men Fahr­zeu­gen geht es der­zeit vor allem noch um Assis­tenz­sys­te­me (und deren Feh­ler), etwa bei Tes­la, die zumin­dest theo­re­tisch einen akti­ven Fah­rer oder eine akti­ve Fah­re­rin vor­aus­set­zen. Es gibt Test­stre­cken für auto­no­me Fahr­zeu­ge, Ver­su­che mit selbst­steu­ern­den LKW und sogar mit auto­no­men Mini­bus­sen, die auf Test­stre­cken (bei nied­ri­gem Tem­po) ein­ge­setzt wer­den. Hier bewegt sich also tat­säch­lich etwas. Nicht aus tech­ni­schen, son­dern eher aus recht­lich-ethi­schen Grün­den gehe ich aller­dings davon aus, dass es noch ein paar Jah­re dau­ern wird, bis fah­rer­lo­se Fahr­zeu­ge tat­säch­lich außer­halb von Nischen (U‑Bahnen kön­nen das theo­re­tisch seit Jahr­zehn­ten …) auf den Stra­ßen auf­tau­chen. Im Fall des Fal­les soll jemand mit Lizenz zum Ein­grei­fen im Fahr­zeug sit­zen, sonst wird’s – so neh­me ich den Dis­kurs wahr – unheimlich.

Ein wenig anders sieht die Sache mit der Vir­tu­el­len Rea­li­tät aus. „Schon in weni­gen Jah­ren wird man im Zug oder im Flug­zeug Men­schen mit VR-Gerät am Kopf statt mit Lap­top oder Tablet als Film­ab­spie­ler antref­fen“, hieß es in dem ursprüng­li­chen Arti­kel. Zwar gibt es VR-Sys­te­me inzwi­schen als Unter­hal­tungs­elek­tro­nik zu kau­fen – in der auf Smart­phones basie­ren­den Bil­lig­va­ri­an­te oder als Ocu­lus Rift etc. für ein paar hun­dert Euro im regu­lä­ren Han­del (Über­blick bei hei­se). Die gibt es, es gibt Spie­le, die in VR statt­fin­den, es gibt die ers­ten Ver­su­che, Fil­me in VR zu erzäh­len – aber so rich­tig, rich­tig durch­ge­setzt hat sich VR noch nicht, Aug­men­ted Rea­li­ty, also das Ein­blen­den „vir­tu­el­ler Gegen­stän­de“ in rea­le Kon­tex­te erst recht nicht. Dass es Anwen­dun­gen gibt, bei denen VR-Bril­len sinn­voll nutz­bar ist, sehe ich durch­aus – etwa als Ersatz für „caves“, wenn es um Design oder Simu­la­ti­on geht, oder auch im Spie­le­markt. Das Man­ko scheint mir aller­dings hier nach wie vor zu sein, dass VR nur im Zusam­men­spiel mit „ech­ter“ Bewe­gung sinn­voll funk­tio­niert. Still auf dem Sitz­platz im Zug, als Film­ab­spie­ler – das klingt eher nach See­krank­heit als nach Unterhaltung.

Fazit: Bei künst­li­cher Intel­li­genz und allem, was damit ver­bun­den ist, tut sich eini­ges. Wie schnell und wie weit­ge­hend auto­no­mes Fah­ren kommt, wird ins­be­son­de­re auch von recht­li­chen Fra­gen abhän­gen. Und bei der VR und Robo­tik sehe ich nach wie vor eher Nischen als die brei­te Durch­set­zung im Alltag.

War­um blog­ge ich das? Weil ich mit­ver­fol­gen will, wie Tech­nik sich Jahr für Jahr weiterentwickelt.

P.S.: EU-Par­la­ment for­dert recht­li­chen Rah­men für Robo­tik und KI.

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