Judith Horchert, Matthias Kremp und Chris Stöcker schrieben vor zwei Jahren über fünf Technologien, die unseren Alltag rasant verändern werden. Ich war skeptisch, ob Robotik, autonome Fahrzeuge, künstliche Intelligenz, VR und automatische Übersetzungen „on the fly“ sich wirklich so schnell durchsetzen werden, wie Horchert, Kremp und Stöcker das damals vermuteten.
Vor einem Jahr habe ich mir den damaligen Entwicklungsstand angeschaut. Mein damaliges Fazit:
Vor einem Jahr war ich noch sehr skeptisch, dass es hier tatsächlich zu Durchbrüchen kommt und entsprechende Technologien – von den Robotern bis zur allgegenwärtigen KI – Einzug in den Alltag finden und sich auch tatsächlich durchsetzen. Gerade was die Sprach- und Bilderkennung angeht, und alles, was darauf aufbaut, ist in den letzten Monaten extrem viel passiert.
Und das hat sich im Prinzip so fortgesetzt, obwohl keine der fünf Technologien bisher „so ganz“ im Alltag angekommen ist. Trotzdem gibt es in jedem der fünf genannten Bereiche deutlich sichtbare Fortschritte und beeindruckende Prototypen. Dabei entpuppt sich die aktuelle Inkarnation der Künstliche Intelligenz – also Deep Tech, selbstständig lernende neurale Netzwerke und die dazu gehörigen Softwaretechnologien und Rechenleistung – immer mehr als Basistechnologie der nächsten Welle des Fortschritts. Nach dem langen Winter der KI, bei dem der nächste Durchbruch jahrelang gerade noch nicht zu fassen war, könnte jetzt von einem regelrechten (zweiten oder dritten) Frühling der Künstlichen Intelligenz gesprochen werden. Mit Smartphones, ubiquitären Sensoren, vernetzten Dingen und maximierten Rechenleistungen wird KI plötzlich zur Grundlage von Anwendungen. Dabei geht es nicht mehr um Expertensysteme oder die Simulation von Bewusstsein, sondern um maschinelles Lernen als Mechanismus, damit Computer mit verwaschenen Konzepten wie natürlicher Sprache, Semantik, Bilderfassung, Bewegung im Raum oder künstlerischen Stilen klar kommen.
Baden-Württemberg hat übrigens vor wenigen Wochen „Cybervalley“ ins Leben gerufen – eine Kooperation zwischen Max-Planck-Institut, den Universitäten Tübingen und Stuttgart und diversen Firmen, um anwendungsorientierte Grundlagenforschung in genau diesem Feld zu fördern. Reicht das an politischer Steuerung oder braucht’s eine gesamtgesellschaftliche Roadmap?
Spracherkennung und ‑übersetzung, autonomes Fahren und Robotik sind alles drei Gebiete, die auch von diesen Entwicklungen profitieren. Während die Alltagsrobotik nach wie vor nach dem „use case“ sucht, ist autonomes Fahren – und die mit der Kombination aus E‑Mobilität und Autonomie verbundene Transformation der Automobilindustrie – in aller Munde, und sei es bei der Debatte um mögliche ethische Konflikte und die Suche nach Verantwortungsträgern im autonomen Fahrzeug. Ebenso wie Debatten darum, ob es klug ist, autonom agierende Roboter mit Waffen auszustatten, in den letzten Monaten in den öffentlichen Diskurs einwandert. Bei den autonomen Fahrzeugen geht es derzeit vor allem noch um Assistenzsysteme (und deren Fehler), etwa bei Tesla, die zumindest theoretisch einen aktiven Fahrer oder eine aktive Fahrerin voraussetzen. Es gibt Teststrecken für autonome Fahrzeuge, Versuche mit selbststeuernden LKW und sogar mit autonomen Minibussen, die auf Teststrecken (bei niedrigem Tempo) eingesetzt werden. Hier bewegt sich also tatsächlich etwas. Nicht aus technischen, sondern eher aus rechtlich-ethischen Gründen gehe ich allerdings davon aus, dass es noch ein paar Jahre dauern wird, bis fahrerlose Fahrzeuge tatsächlich außerhalb von Nischen (U‑Bahnen können das theoretisch seit Jahrzehnten …) auf den Straßen auftauchen. Im Fall des Falles soll jemand mit Lizenz zum Eingreifen im Fahrzeug sitzen, sonst wird’s – so nehme ich den Diskurs wahr – unheimlich.
Ein wenig anders sieht die Sache mit der Virtuellen Realität aus. „Schon in wenigen Jahren wird man im Zug oder im Flugzeug Menschen mit VR-Gerät am Kopf statt mit Laptop oder Tablet als Filmabspieler antreffen“, hieß es in dem ursprünglichen Artikel. Zwar gibt es VR-Systeme inzwischen als Unterhaltungselektronik zu kaufen – in der auf Smartphones basierenden Billigvariante oder als Oculus Rift etc. für ein paar hundert Euro im regulären Handel (Überblick bei heise). Die gibt es, es gibt Spiele, die in VR stattfinden, es gibt die ersten Versuche, Filme in VR zu erzählen – aber so richtig, richtig durchgesetzt hat sich VR noch nicht, Augmented Reality, also das Einblenden „virtueller Gegenstände“ in reale Kontexte erst recht nicht. Dass es Anwendungen gibt, bei denen VR-Brillen sinnvoll nutzbar ist, sehe ich durchaus – etwa als Ersatz für „caves“, wenn es um Design oder Simulation geht, oder auch im Spielemarkt. Das Manko scheint mir allerdings hier nach wie vor zu sein, dass VR nur im Zusammenspiel mit „echter“ Bewegung sinnvoll funktioniert. Still auf dem Sitzplatz im Zug, als Filmabspieler – das klingt eher nach Seekrankheit als nach Unterhaltung.
Fazit: Bei künstlicher Intelligenz und allem, was damit verbunden ist, tut sich einiges. Wie schnell und wie weitgehend autonomes Fahren kommt, wird insbesondere auch von rechtlichen Fragen abhängen. Und bei der VR und Robotik sehe ich nach wie vor eher Nischen als die breite Durchsetzung im Alltag.
Warum blogge ich das? Weil ich mitverfolgen will, wie Technik sich Jahr für Jahr weiterentwickelt.
P.S.: EU-Parlament fordert rechtlichen Rahmen für Robotik und KI.