Wie ich verlernte, Zeitung zu lesen, und warum die Wochenend-taz das nicht änderte

The newspaper

Seit mei­ner Schul­zeit – viel­leicht mit zwölf oder mit fünf­zehn, so genau weiß ich das nicht mehr – habe ich regel­mä­ßig Zei­tung gele­sen, bis auf den Sport­teil täg­lich ziem­lich kom­plett, teil­wei­se fast mit einer gewis­sen Manie. Ich habe Din­ge aus Zei­tun­gen aus­ge­schnit­ten und Zei­tungs­aus­schnit­te gesam­melt. Auf die Wochen­end­aus­ga­ben habe ich mich immer beson­ders gefreut. Ich habe mir inten­siv eine Mei­nung gebil­det und Leser­brie­fe geschrieben. 

Das ist heu­te anders. Oder geht es nur mir so?

In mei­nem Eltern­haus gab es immer die Badi­sche Zei­tung, spä­ter meist auch die taz. Die taz war die Zei­tung mei­ner Wahl, sie war die Zei­tung, die ich nach dem Aus­zug aus dem Eltern­haus als Stu­dent las und an der ich einen Genos­sen­schafts­an­teil kauf­te. Sie war die Zei­tung, die mei­ne Part­ne­rin und ich gemein­sam abon­niert hat­ten. Nach der Tren­nung stand ich ohne Zei­tung da, die nahm mei­ne jet­zi­ge Ex-Part­ne­rin mit – und blieb zunächst ein­mal (mal abge­se­hen von der wöchent­lich erschei­nen­den Jungle World) in die­sem Zustand.

I. Die virtuelle Patchworkzeitung

Das hat – neben anfangs auch finan­zi­el­len Fra­gen – vor allem mit zwei Din­gen zu tun. Das eine ist die Online-Ver­füg­bar­keit. Pay­wall­de­bat­ten hin oder her: Ein gro­ßer Teil wich­ti­ger (gedruck­ter) Zei­tungs­ar­ti­kel ist heu­te eben online frei – also wer­be­fi­nan­ziert – ver­füg­bar. Dazu kom­men die Online-Tex­te, die das Ange­bot ergän­zen. Ich lese regel­mä­ßig die Online-Aus­ga­be der Badi­schen Zei­tung, um über loka­le Ereig­nis­se infor­miert zu sein. Zumeist aber sto­ße ich via Twit­ter oder Face­book auf inter­es­san­te Tex­te und lese die­se auf dem Smart­phone, auf dem Tablet und manch­mal auch auf dem PC. Die Süd­deut­sche und die FAZ bei­spiels­wei­se gera­ten – eben­so wie ZEIT online – so regel­mä­ßig in mei­nen Brow­ser, und auch Spie­gel online exis­tiert. Oder die gro­ßen inter­na­tio­na­len, auch die lese ich häpp­chen­wei­se ger­ne – von der NZZ bis zu Guar­di­an und New York Times.

Was online bedeu­tet, ist bekannt: schnel­le Ver­füg­bar­keit, ent­spre­chend aktu­ell sind die Nach­rich­ten. Und letzt­lich ein per­so­na­li­sier­ter Zuschnitt „mei­ner“ Tages­zei­tung – auf Nut­ze­rIn­nen-Sei­te, nicht auf der Sei­te der Ver­la­ge; das ist anders, als man­che sich das mal gedacht haben! Und ich gebe es zu: Das gan­ze geschieht weit­ge­hend im Modus der Kos­ten­lo­s­kul­tur. Statt einer Tages­zei­tung lese ich also auf mei­nen Zug­fahr­ten, auch mal im Büro oder bei allen mög­li­chen War­te­ge­le­gen­hei­ten auf dem Mobil­te­le­fon eine Patch­work­zei­tung, bestehend aus den für mich inter­es­san­tes­ten Arti­keln aus ganz unter­schied­li­chen Quel­len, zumeist von den etwa 800 Men­schen aus­ge­wählt und emp­foh­len, denen ich auf Twit­ter fol­ge. Das gan­ze geschieht nicht auf ein­mal, als täg­li­ches, rou­ti­ni­sier­tes Zei­tungs­le­sen, son­dern als osmo­ti­sches Nach­rich­ten- und Hin­ter­grund­bad, den gan­zen Tag über. Ich füh­le mich informiert. 

Neben­bei bemerkt: Die­se Tex­te sind mir um eini­ges wich­ti­ger als die 15-Minu­ten-Wahr­heit am Abend. Die Tages­schau habe ich erst schät­zen gelernt, seit sie als Text­nach­rich­ten­an­ge­bot ins Netz und in ihre App gegan­gen ist. Dabei behan­de­le ich sie wie ande­re Zei­tun­gen auch. Wenn es inter­es­sant ist, lese ich ger­ne den einen oder ande­ren Kom­men­tar und Bericht auf tagesschau.de (oder lokal dann bei SWR.de).

Wie über­haupt aus mei­ner per­sön­li­chen Sicht die Gren­zen zwi­schen Tages­zei­tun­gen, Blogs, Wochen­zei­tun­gen und ande­ren Text­quel­len begon­nen haben, zu ver­schwim­men. Klar macht es für mich einen Unter­schied, ob ein Text aus dem Feuil­le­ton der FAZ, aus deren Blogs, aus einem mei­ner Lieb­lings­blogs, aus einer lin­ken Wochen­zei­tung oder von unsäg­li­chen Quel­len wie den „Mit­tel­stands­nach­rich­ten“ stammt. Aber die­ses Bewusst­sein dafür, aus wel­chem Kon­text der Text kommt, ändert nichts an mei­nen Lesegewohnheiten. 

Und all die­se Tex­te sind flüch­tig. Manch­mal kommt es vor, dass ich mich ein paar Tage spä­ter an ein „da war doch was“ erin­ne­re, und den einen Tweet mit dem Link noch ein­mal suche. Aber zumeist lese ich und lege den Text dann bei­sei­te – oder schi­cke selbst eine Emp­feh­lung, einen Ret­weet oder ähn­li­ches. Nur in sel­te­nen Fäl­len – meist dann, wenn es direkt beruf­lich etwas mit mir zu tun hat – mai­le ich mir online gele­se­ne Arti­kel, um sie aufzubewahren.

Viel­leicht wäre es anders, wenn ich noch ein Abo lau­fen hät­te. Aber wenn ich mir anschaue, wie schnell sich unge­le­se­ne Zei­tun­gen sta­peln – auch die Jungle World lese ich sel­te­ner, als ich es eigent­lich ger­ne möch­te – glau­be ich nicht, dass es so einen groß­ar­ti­gen Unter­schied machen wür­de. Ich wür­de die abon­nier­te Zei­tung beim Früh­stück oder beim Pen­deln über­flie­gen, aber ich wür­de auch – dazu sage ich in Teil III. noch etwas – einen gro­ßen Teil der Arti­kel als bekannt oder unin­ter­es­sant unge­le­sen bei­sei­te legen, um dann nach viel­leicht 20 Minu­ten die Zei­tung aus­ge­le­sen zu haben.

Merry lettuce snails VII

II. Berufsrisiko Pressespiegel

Der zwei­te Grund dafür, war­um ich ver­lernt habe, Zei­tung zu lesen, ist ein beruf­li­ches Risi­ko. Als Par­la­men­ta­ri­scher Bera­ter habe ich das Pri­vi­leg, den Pres­se­spie­gel des Land­tags lesen zu kön­nen. Zudem hat die Frak­ti­on nahe­zu alle baden-würt­tem­ber­gi­schen Zei­tun­gen abon­niert, und unse­re Pres­se­stel­le ver­sorgt uns mit Tickermeldungen. 

Ein Pres­se­spie­gel ist eine prak­ti­sche Sache: Irgend­wer sucht aus den gro­ßen Zei­tun­gen die wich­tigs­ten Mel­dun­gen und Kom­men­ta­re zur Lan­des­po­li­tik aus, und jeden mor­gen um 9 Uhr weiß der gan­ze Land­tag, was das Land denkt. So jeden­falls in der Theo­rie. Zumin­dest wird klar, wie die wich­tigs­ten Zei­tun­gen was kom­men­tiert haben, wie Land­tags­de­bat­ten wahr­ge­nom­men wor­den sind, und wo Unge­mach droht. Und es wird deut­lich, wel­che The­men als domi­nant auf­tre­ten, und wel­che wenn über­haupt eine gewis­se Rand­stän­dig­keit mit sich brin­gen. Im Schnitt sind von den 50–60 Sei­ten Land­tags­pres­se­spie­gel viel­leicht drei oder vier Arti­kel an jedem Tag direkt rele­vant für mich. Die­se lese ich inten­siv. Die meis­ten ande­ren über­flie­ge ich, um einen Ein­druck davon zu bekom­men, wie das Land „tickt“.

Pres­se­spie­gel und der dpa-Ticker für Baden-Würt­tem­berg sor­gen – zusam­men mit Twit­ter – dafür, dass die gro­ßen Nach­rich­ten mir sehr schnell bekannt wer­den. Immer, wenn ich mei­ne Mail­box auf­ma­che, fin­de ich dort min­des­tens eine Hand­voll Hin­wei­se auf den dpa-Ticker – das meis­te davon hat wie­der­um mehr mit Syn­chro­ni­sa­ti­on und einer all­ge­mei­nen Ein­schät­zung der poli­ti­schen Stim­mung zu tun als mit Hoch­schul­po­li­tik oder Medi­en- und Netzpolitik. 

Damit füh­le ich mich extrem gut mit Infor­ma­tio­nen ver­sorgt. Man­ches Mal sogar eher über­ver­sorgt. Ich habe gelernt, anhand der Über­schrif­ten und der ers­ten Sät­ze zu ent­schei­den, ob ich Arti­kel oder Ticker­tex­te lese oder als für mich irrele­vant ignoriere. 

Fach­lich kommt dann noch der eine oder ande­re Ver­tei­ler dazu – etwa eini­ge Ver­tei­ler des idw-Diens­tes für Wis­sen­schafts­mel­dun­gen – und damit ist die infor­ma­tio­nel­le Grund­ver­sor­gung dann mehr als gesichert.

III. Zeitungen neu erfinden?

Mit die­sem Hin­ter­grund ist die aktu­el­le Zei­tung oft voll mit Schnee von ges­tern. Was inter­es­sant ist – aber das krie­ge ich online mit – sind bun­des­wei­te Ent­schei­dun­gen, und ins­be­son­de­re die Kom­men­tie­run­gen und Bewer­tun­gen. Die ste­hen dann aber auch im Pres­se­spie­gel. Oder eben das Loka­le, sofern es noch einen tat­kräf­ti­gen und recher­chie­ren­den Lokal­jour­na­lis­mus gibt.

Ein ande­rer Weg aus der Zei­tungs­kri­se scheint die Neu­erfin­dung als Wochen­end­zei­tung zu sein. Die taz behaup­tet seit eini­gen Aus­ga­ben, sich neu erfun­den zu haben, und hat auch ein Pro­be-Wochen­end­abo ange­bo­ten. Ange­sichts nost­al­gisch ver­klär­ter Vor­stel­lun­gen des Sonn­tags­früh­stücks mit gemüt­li­cher Zei­tungs­lek­tü­re (neben der taz ist auch die Gra­tis-Zei­tung Der Sonn­tag bei uns ganz les­bar) habe ich die­ses Pro­be­abo abge­schlos­sen. Fak­tisch sieht mein All­tag am Wochen­en­de aber anders aus – mit Kin­der­gar­ten- und Schul­kind ist das mit dem gemüt­li­chen lan­gen Sonn­tags­früh­stück als Ein­zel­el­tern­teil nicht so rich­tig opti­mal orga­ni­sier­bar. Und dann ist da ja noch die Kon­kur­renz zum gemüt­li­chen Tablet, das eben­falls vie­le span­nen­de Tex­te bereithält.

Inso­fern ist mei­ne ers­te Zwi­schen­bi­lanz des Wochen­end­pro­be­a­bos die, dass mich die Wochen­end-taz (offi­zi­ell „taz.am wochen­en­de“) noch nicht wirk­lich wie­der auf den Pfad des Zei­tungs­kon­nois­seur geführt hat. Und ich befürch­te, dass das auch nicht so schnell gesche­hen wird. Einen Teil der Schuld tra­gen die oben dar­ge­stell­ten Ent­wick­lun­gen. Dann gibt es das The­ma „Geschich­te wie­der­holt sich“ – was vor zehn oder zwan­zig Jah­ren noch auf­re­gen­de Neu­ig­kei­ten waren, lässt sich heu­te schnell als mehr vom immer­glei­chen schul­ter­zu­ckend über­le­sen. Viel­leicht hat sich auch die Mei­nungs­macht der taz ver­än­dert – es gibt eini­ge Autoren, die ich defi­ni­tiv nicht lesen kann.

Und schließ­lich bin ich auch noch nicht wirk­lich über­zeugt vom Kon­zept der taz.am wochen­en­de.

Dazu habe ich mir die letz­te Aus­ga­be mal genau­er ange­schaut und zum – in letz­ter Zeit in die­sem Blog belieb­ten – Instru­ment des Dia­gramms gegriffen.

Das ers­te Dia­gramm zeigt grob die Ver­tei­lung der Inhal­te auf die 40 Sei­ten taz vom letz­ten Wochen­en­de (ohne die Bei­la­ge Kon­text: Wochen­zei­tung). Was als Hin­ter­grund zu bewer­ten ist, mag dabei vari­ie­ren – etwa bei der Bespre­chung poli­ti­scher Bücher, die ich anders als die Bespre­chung von Fil­men die­ser Kate­go­rie zuge­ord­net habe. 

Sicht­bar wird, das ein gutes Vier­tel des ver­füg­ba­ren Plat­zes für die Bebil­de­rung genutzt wird. Das ist zum Teil hübsch anzu­se­hen, zum Teil wirkt es fast schon ver­schwen­de­risch. Wer­bung, Klein­an­zei­gen und Eigen­wer­bung (plus Impres­sums­kas­ten etc.) machen nur etwa ein Sechs­tel der Zei­tungs­flä­che aus – das ist rela­tiv wenig. Der größ­te inhalt­li­che Anteil ent­fällt tat­säch­lich auf Hin­ter­grund­be­rich­te und Kom­men­ta­re, zusam­men etwa ein Drit­tel der Aus­ga­be. Der Rest ist „Geplau­der“ und Ser­vice, Sport, die Wahr­heits-Sei­te – und ein klei­nes biss­chen Nach­richt, die aller­dings in der taz.am wochen­en­de tat­säch­lich sehr knapp ausfällt.

Inso­fern passt die Ver­tei­lung der Tex­te schon zum Kon­zept, am Wochen­en­de eher län­ge­re Stü­cke anzu­bie­ten. Das „Geplau­der“ (man­ches davon lese ich auch ger­ne, man­che Pro­dukt­tests etc. sind grenz­wer­tig unnö­tig) macht weni­ger Anteil an der Zei­tung aus, als ich das gefühlt ver­mu­tet hätte.

Der Blick auf die ver­schie­de­nen Kate­go­rien ist das eine. Dem­nach müss­te mir die taz gut gefal­len und ich sie regel­mä­ßig (am Wochen­en­de) lesen. Wie sieht es mit der Rele­vanz aus? Dazu bin ich die Zei­tung noch­mal durch­ge­gan­gen und habe für jede Sei­te einen Wert zwi­schen 0 (kann­te ich schon, inter­es­siert mich nicht) und 1 (super­span­nend, super­wich­tig, super­schön) ver­ge­ben. Extrem sub­jek­tiv, aber viel­leicht weiterführend. 

Dabei kommt im Mit­tel dann ein Wert von 0,28 her­aus. Eini­ge Sei­ten (Sport, lee­re Titel­sei­ten, Fern­seh­pro­gramm, Klein­an­zei­gen) lan­den bei 0,0. Inter­es­sant für mich sind letzt­lich vor allem zwei lan­ge Tex­te: ein Por­trait über den Umwelt­mi­nis­ter Peter Alt­mai­er (wobei ich da das Gefühl hat­te, dass das auch min­des­tens das fünf­te Por­trait ist, das die taz über ihn schreibt – oder viel­leicht stand der Text schon online, und ich kann­te ihn von daher) und ein län­ge­res Inter­view mit dem Zeit­for­scher Karl­heinz Geiß­ler. Bei­de hat­te ich mit 0,7 bewer­tet. Nice, aber nicht must have. Ande­res (v.a. die hin­ter­grün­di­gen Aus­lands­tex­te, aber auch das Stück über Alters­hei­me und der Kom­men­tar zur SPD) erscheint mir wich­tig, inter­es­siert mich aber ehr­lich gesagt nicht. Und vie­les ist ent­we­der (für mich) belang­los (wenn auch, wie die Rei­he der Por­traits von Lese­rIn­nen, nett) oder (mir) bekannt (etwa der Text zu Nano­tech­no­lo­gie – für mich nichts Neues). 

Die Kon­text-Bei­la­ge hat­te ich aus der Bewer­tung her­aus­ge­nom­men, die hät­te aber gute Wer­te bekom­men – natur­ge­mäß allein schon des­halb, weil es Kon­text um einen kri­ti­schen Blick auf die baden-würt­tem­ber­gi­sche bzw. Stutt­gar­ter Lan­des­po­li­tik geht. Und der immer sinn­voll ist.

Viel­leicht ver­lan­ge ich ein biss­chen viel von Zei­tun­gen: Auch mich, den lang­jäh­ri­gen Leser, sol­len sie noch über­ra­schen. Und zwar nicht nur da, wo es tat­säch­lich Neu­es gibt (und wo die Nach­richt mich schon über Twit­ter und Ticker erreicht hat, und wo der schnell recher­chier­te Hin­ter­grund oft­mals doch ober­fläch­lich blei­ben muss), son­dern sie sol­len auch dem, was längst bekannt und immer wie­der in den Zyklen der Mode krei­send zu fin­den ist, neue Aspek­te und inter­es­san­te Per­spek­ti­ven abge­win­nen. Dass das nicht ein­fach ist, kann ich gut nachvollziehen.

(Ähn­lich ging es mir im Übri­gen mit der brand eins – nach eini­gen Jah­ren hat­te ich den Ein­druck, nur noch die Wie­der­ho­lung zu lesen und ließ es dann.)

IV. Persönliches Fazit

Bis zum Inter­view mit dem Zeit­for­scher wäre ich nicht vor­ge­drun­gen, wenn ich nicht sys­te­ma­tisch die gan­ze taz durch­ge­blät­tet hät­te. Auch wenn vor­ne groß das The­ma „Zeit“ anmo­de­riert wird. Die gemüt­li­che, lang­sa­me Wochen­end­aus­ga­be schnei­det ver­mut­lich nach „mei­nen“ Kri­te­ri­en bes­ser als, als es eine Wochen­tags­aus­ga­be täte. Aber da wie dort sind es eigent­lich nur weni­ge Tex­te, die mich wirk­lich inter­es­sie­ren: ein paar Kom­men­ta­re, ein paar Repor­ta­gen und Hin­ter­grund-Stü­cke, die Arti­kel, die einen ganz kon­kre­ten Bezug zu mei­nem poli­ti­schen All­tag haben – und das eine oder ande­re zufäl­lig gefun­de­ne Juwel. 

Mein sozia­les Netz­werk ist ein guter Fil­ter, um genau die­se Tex­te wahr­zu­neh­men. Den Sport­teil brau­che ich nicht, das Fern­seh­pro­gramm nicht, und auch die Akti­en­kur­se und Motor­bei­la­gen ande­rer Zei­tun­gen wür­den mich nicht inter­es­sie­ren. Viel­leicht ste­hen die Tex­te, die mich anspre­chen, irri­tie­ren, hin­ter­grün­dig infor­mie­ren dann nicht alle in der taz (der ich durch­aus auch auf Twit­ter fol­ge), son­dern auch in ande­ren Zei­tun­gen. Oder eben in Blogs. 

Sie fal­len mir zu. Oder, wenn ich wirk­lich auf der Suche nach Infor­ma­tio­nen bin, kann ich anfan­gen, zu recher­chie­ren und muss nicht war­ten, bis die Zei­tung dar­über schreibt. Ein gro­ßer Teil der Quel­len ist demo­kra­ti­siert wor­den und steht allen offen – von Par­la­ments­pro­to­kol­len über wis­sen­schaft­li­che Biblio­the­ken und die in der Wiki­pe­dia kris­tal­li­sier­te Exper­ti­se bis hin zu den Archi­ven der Zei­tun­gen selbst. 

Das heißt auch: die alte Visi­on der „als Gan­zes“ per­so­na­li­sier­ten Zei­tung (1998!), die tat­säch­li­che Instan­zie­rung mei­ner Patch­work-Zei­tung – das ist nicht mei­nes. Auch die ent­spre­chen­den Goog­le-News-Diens­te pas­sen mir nicht, wenn schon, ist es eher der Goog­le Rea­der, den es aber nun ja nicht mehr lan­ge geben wird. Flip.it über­zeugt mich bis­her eben­falls nicht.

Wie ist mein Lese­ver­hal­ten nun zu bewer­ten? Aus indi­vi­du­el­ler Sicht wäre der ein­zi­ge Grund, viel­leicht doch wie­der eine Tages­zei­tung zu abon­nie­ren, ein erzie­he­ri­scher, mei­nen Kin­dern gegen­über. Aber dafür gibt es genug beschrie­be­nes Papier in ihren Haus­hal­ten. Abge­se­hen davon brau­che ich der­zeit kei­ne Zei­tung auf Papier.

Medi­en­po­li­tisch ist mein Zei­tungs­le­se­ver­hal­ten dage­gen skan­da­lös. Aber, was soll ich machen? Aus Soli­da­ri­tät täg­lich gro­ße Men­gen Papier (oder diver­se Mega­byte) kau­fen, die so oder so her­um­lie­gen, ent­sorgt wer­den müs­sen – und mich nur auf viel­leicht zehn Pro­zent der Sei­ten wirk­lich inter­es­sie­ren? Ein­ze­le Arti­kel ein­zeln bezah­len (Flattr für taz-Tex­te scheint mir noch nicht wirk­lich mehr als eine Spie­le­rei zu sein)? Eine Art Rund­funk­ge­bühr, die dann an Print­me­di­en ver­teilt wird? (Mal abge­se­hen von allen prak­ti­schen und ver­fas­sungs­recht­li­chen Pro­ble­men, die die­ser Weg mit sich brächte?)

Ich hät­te ger­ne eine Zei­tung, die ich täg­lich oder wöchent­lich tat­säch­lich lesen will. Bei der ich den Ein­druck habe, dass sie zu einem gro­ßen Teil für mich rele­vant ist. Die Sta­chel ent­hält, aber auch Per­len. In Kon­kur­renz zum „best of“ aus allen Blogs, Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten kann der­zeit kei­ne bestehen. Ohne gibt es aber kein „best of“ – das ist das Dilemma.

War­um blog­ge ich das? Weil ich über­le­ge, ob ich zumin­dest das taz-Wochen­ends­abo wei­ter­lau­fen las­sen soll. Aus indi­vi­du­el­ler Sicht bringt es mir der­zeit nicht viel, über­ge­ord­ne­te Moti­ve spre­chen dafür, es trotz­dem zu tun. Wie geht ihr damit um?

6 Antworten auf „Wie ich verlernte, Zeitung zu lesen, und warum die Wochenend-taz das nicht änderte“

  1. Hat­te ab 2000 das Schwä­bi­sche Tag­blatt im Abo, habe es ab 2009 dau­er­haft pau­sie­ren las­sen wegen Zeit­man­gel und weil die dümm­lich-kon­ser­va­ti­ve Bericht­erstat­tung des Ulmer Man­tel­teils (Süd­west-Pres­se) ins­be­son­de­re zu Wirt­schafts­the­men ein­fach nur noch genervt hat. Ich hat­te seit Beginn der Finanz­kri­se Mit­te 2007 begon­nen, inten­siv Blogs zum The­ma zu lesen um zu ver­ste­hen was da vor sich geht. Wenn man merkt, dass in den Blogs Ent­wick­lun­gen Mona­te im vor­aus dis­ku­tiert wer­den, die in der Zei­tung dann erst im Nach­hin­ein ste­hen, wird die Zei­tung über­flüs­sig. Der Ein­zi­ge der das damals geschnallt hat war der Schirr­ma­cher, der sich sofort den Blog­ger Tho­mas Strobl (weissgarnix.de, mitt­ler­wei­le ein­ge­stellt) ins Feuil­le­ton geholt hat.

    Ende April habe ich das Abo dann schwe­ren Her­zens ganz been­det. Just am glei­chen Tag erschien ein Ham­mer-Arti­kel in der Kon­text Wochen­zei­tung. Hät­te das gar nicht erfah­ren wenn Boris Pal­mer den Link nicht auf Face­book gepos­tet hät­te. Das hat mir bestä­tigt, dass mein Ent­schluss rich­tig war. Aus rein idea­lis­ti­schen Grün­den ein Abo zu haben macht zumin­dest in die­sem Fall kei­nen Sinn, weil das Geld nicht den Autoren zugu­te kommt son­dern nur den Ver­le­gern. Man wür­de ein Sys­tem unter­stüt­zen, das ohne­hin kaputt ist.

  2. „Aber, was soll ich machen?“

    Aus medi­en­po­li­ti­schen Grün­den über­flüs­si­ges Papier kau­fen kann’s ja nicht sein. Eine „Rund­funk­ge­bühr“ ist auch nichts, was man indi­vi­du­ell machen kann. Bleibt Flattr. (Wobei das, wenn ich rich­tig infor­miert bin, das Rund­funk­ge­bühr-Fea­ture hat, dass man einen Monats-Betrag fest­legt und der dann auf die Geflat­ter­ten ver­teilt wird?) Das ist auch die bes­te Opti­on, um die Durch­set­zung des „best-of“-Modells tat­kräf­tig zu unterstützen.

    Falls das schlech­te Gewis­sen der dann gekün­dig­ten taz gegen­über Dir kei­ne Ruhe lässt, kannst Du auch wei­te­re Antei­le von denen kau­fen und/oder das gespar­te Geld regel­mä­ßig im taz­shop aus­ge­ben. Das müss­te man mal erfra­gen, ob der taz­shop-Han­del eben­so (un)rentabel ist wie das taz-„Kerngeschäft“ Zeitungen.

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