Aufschlussreich für die Verortung der einzelnen Listen, die für den Stadtrat Freiburg antreten, ist die Geschlechterstruktur. Dazu habe ich den Frauenanteil angeschaut. Dieser ist in den Daten der Stadt nicht direkt enthalten. Durch einen Blick auf Berufe und Vornamen lässt sich aber recht klar erkennen, wer sich als Frau präsentiert und wer nicht.
Wie bereits beim Blick auf die Altersstruktur habe ich dabei nach allen Listenplätzen einerseits und den „aussichtsreichen“ Plätzen – definiert durch die Zahl der bisherigen Sitze plus vier – andererseits unterschieden. (Achtung: In einer ersten Version dieses Blogeintrags gab es aufgrund eines Fehlers in meinen Excel-Formeln hier falsche Werte – jetzt stimmen sie aber).
Erfreulich ist, dass über alle Listen hinweg – beim Blick auf alle Listenplätze – fast Parität erreicht wird. Wenn ich mich nicht verzählt habe, sind 372 der 806 Kandidierenden Frauen, das entspricht einem Anteil von 46 Prozent. Anteil daran haben nicht zuletzt die Unabhängigen Frauen, die mit einer reinen Frauenliste antreten.
Allerdings hilft auch bei diesem auf den ersten Blick erfreulichen Ergebnis die oben genannte Unterscheidung. Werden nur die vorderen, aussichtsreichen Plätze betrachtet, sinkt der Frauenanteil leicht auf 43 Prozent, und damit noch etwas deutlicher unter die Parität und unter den Bevölkerungsanteil. Zum Vergleich: der amtierende Gemeinderat hatte 2014 wie auch schon 1999 genau ein Drittel weibliche Mitglieder. Es gibt also eine gewisse Hoffnung, dass sich das dieses Mal verbessert.
Ursächlich dafür sind vor allem die rechts der Mitte positionierten Listen. Während beim Blick auf die Liste insgesamt auch FDP und Freie Wähler inzwischen über 40 Prozent Frauenanteil haben, sind es bei der CDU – trotz Spitzenkandidatin – nur 29 Prozent, bei den neuen Bürgern für Freiburg nur 27 Prozent und bei der AfD sogar nur acht Prozent (das sind zwei Frauen). Grüne, SPD, Linke Liste, aber auch die Kulturliste, die Liste Teilhabe und Integration und auch die Liste Urbanes Freiburg liegen beim Blick auf die Gesamtliste dagegen bei oder sogar über der Hälfte Frauenanteil. Ausschlaggebend dafür dürften insbesondere selbst gegebene Quotierungsregeln sein.
Noch deutlicher wird die Links-Rechts-Aufteilung, wenn nur die aussichtsreichen Plätze betrachtet werden. Links der Mitte bleibt es bei der Parität, Grüne, GAF und die PARTEI erreichen sogar einen Frauenanteil von 60 Prozent unter den „Aussichtsreichen“. Die CDU bleibt bei etwa einem Drittel Frauenanteil – bezogen auf die Gesamtliste wie auf die aussichtsreichen Plätze. Bei den Freien Wählern, bei „Freiburg Lebenswert“ und auch „Für Freiburg“ rutscht der Frauenanteil dagegen massiv ab, wenn nur auf die vorderen Plätze geschaut wird. Ähnlich sieht es bei der FDP und beim „Jungen Freiburg“ aus. Bei den Bürgern für Freiburg und erst recht bei der AfD ist sogar keine einzige Frau unter den (vier) aussichtsreichsten Kandidaten.
Liste | Alle Listenplätze | Aussichtsreiche Kandidat*innen |
UFF – Unabhängige Frauen Freiburg | 100% | 100% |
GRÜNE – Bündnis 90/Die Grünen | 52% | 60% |
GAF – Grüne Alternative Freiburg | 52% | 60% |
PARTEI | 35% | 60% |
SPD | 52% | 50% |
LiST – Linke Liste – Solidarische Stadt | 50% | 50% |
Kult – Kulturliste | 48% | 50% |
NICHT | 56% | 50% |
LTI – Liste Teilhabe und Inklusion | 48% | 50% |
Urbanes Freiburg | 50% | 50% |
FDP | 42% | 33% |
JF – Junges Freiburg | 48% | 33% |
CDU | 29% | 31% |
FW – Freie Wähler | 44% | 29% |
FL – Freiburg lebenswert | 40% | 29% |
FF – Für Freiburg – Politik aus christlicher Verantwortung | 38% | 20% |
BfF – Bürger für Freiburg | 27% | 0% |
AfD | 8% | 0% |
Alle Listen | 46% | 38% |
Frauenanteil bei den Gemeinderatslisten bezogen auf alle Plätze sowie auf die aussichtsreichen Plätze (danach sortiert). Aussichtsreiche Plätze meint hier: bisherige Sitzzahl + 4
P.S.: Seit 2014 gibt es im baden-württembergischen Kommunalwahlrecht übrigens eine Soll-Vorschrift (§ 9 (6) Kommunalwahlgesetz), nach der Männer und Frauen gleichermaßen bei der Aufstellung eines Wahlvorschlags berücksichtigt werden sollen. Die SPD hatte die Ergebnisse dieser Vorschrift im Vergleich der Wahlen 2009 und 2014 abgefragt, über alle Gemeinderäte hinweg wurden demnach in Baden-Württemberg im Jahr 2009 auf 28,7 % aller Listenplätze Frauen aufgestellt, 2014 waren es 30,5 % der Kandidat*innen. Bei den Gewählten waren es 2009 demnach 22,0 % Frauen, und 2014 leicht gestiegene 23,9 %. So richtig viel gebracht hat diese Soll-Vorschrift also leider nicht.
P.P.S.: Auf den Beitrag aus dem P.S. bin ich gestoßen, weil ich mich dunkel erinnerte, dass ich mir auch bereits 2014 die Alters- und Geschlechterstruktur angeschaut hatte. CDU und FDP hatten damals über die Liste insgesamt einen deutlich besseren Frauenanteil als heute; die Spitzenkandidat*innen hatte ich mir 2014 nicht gesondert angeschaut.
Vor der Wahl klingt das ja toll: so viele Frauen waren noch nie auf den Listen, vor allem auch junge Frauen und viele an der Spitze! Aber nach der Wahl sieht’s meist anders aus: Frauen aufzustellen ist zwar trend, Frauen zu wählen noch lange nicht. Die wenigsten Männer wählen nur Frauen und die Wählerinnen machen’s genauso. Doch wer Frauen will, darf nur Frauen wählen! Am besten die Liste der Unabhängigen Frauen. Da kann kein Mann nach vorn rutschen, weil er bekannter ist, wie bei den andern Listen, schließlich sind nur Frauen drauf. Super wäre es, wenn wir in Freiburg 2019 den Rekord von 1994 (21 Rätinnen!) einstellten oder gar überholten: 25 Frauen im Gemeinderat! Das wäre eine Sensation!
Frage: Bei der Wahl stehen Personen zur Wahl, entscheidend sind zunächst aber die Gesamtvoten einer Liste. Insofern ist die These der ‚aussichtsreichen Plätze‘ zumindest sehr gewagt. Maximal ein Indikator. Aber wenn Ihr schon zahlenmäßig die vereinfachten Verhältnisse Mann/Frau aufmacht und kommentiert, warum erscheint dann das ‚beste‘ Verhältnis zum Thema außerhalb der Frauenliste, nämlich das bei der Liste ‚NICHT‘ nicht im Text?
Danke für den Hinweis. Möglicherweise habe ich NICHT im Text ignoriert, weil mir zum Zeitpunkt des Textschreibens absolut unklar war, was NICHT eigentlich ist. Inzwischen würde ich sagen „autonome Bürger*innenliste Sedanviertel“ – passt das?