Zwischen Tür und Angel: Verwunderung darüber, dass der mit deutlicher Mehrheit gefasste Beschluss des Freiburger Gemeinderats, in Grundschulen und Kitas ab dem nächsten Schuljahr nur noch ein Menü anzubieten – das dann sinnvollerweise vegetarisch ist – bundesweit hohe Wellen schlägt. Der Landeslandwirtschaftsminister (CDU) grummelt, dass Fleisch zu einer ausgewogenen Ernährung dazugehöre, die Blätter und Rundfunkanstalten Schlagzeilen etwas von „Fleischverbot“ – und letztlich geht’s in der Stadt doch vor allem um Effizienz und den Versuch, die steigenden Kosten fürs Schulessen nicht in vollem Umfang an Eltern weiterzugeben. Und nebenbei ein bisschen um den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit. Hier ist’s jedenfalls längst nicht das Aufregerthema, dass es außerhalb der Grenzen der Stadt zu sein scheint. Oder: Freiburg, grün-linke Oase.
Kommunalwahl Freiburg: Geschlechterverhältnisse (Update)
Aufschlussreich für die Verortung der einzelnen Listen, die für den Stadtrat Freiburg antreten, ist die Geschlechterstruktur. Dazu habe ich den Frauenanteil angeschaut. Dieser ist in den Daten der Stadt nicht direkt enthalten. Durch einen Blick auf Berufe und Vornamen lässt sich aber recht klar erkennen, wer sich als Frau präsentiert und wer nicht.
Wie bereits beim Blick auf die Altersstruktur habe ich dabei nach allen Listenplätzen einerseits und den „aussichtsreichen“ Plätzen – definiert durch die Zahl der bisherigen Sitze plus vier – andererseits unterschieden. (Achtung: In einer ersten Version dieses Blogeintrags gab es aufgrund eines Fehlers in meinen Excel-Formeln hier falsche Werte – jetzt stimmen sie aber).
Erfreulich ist, dass über alle Listen hinweg – beim Blick auf alle Listenplätze – fast Parität erreicht wird. Wenn ich mich nicht verzählt habe, sind 372 der 806 Kandidierenden Frauen, das entspricht einem Anteil von 46 Prozent. Anteil daran haben nicht zuletzt die Unabhängigen Frauen, die mit einer reinen Frauenliste antreten.
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Ja-Sagen, Nein-Sagen, oder: am 24. Februar über Visionen für Freiburgs Zukunft abstimmen
In knapp zwei Wochen wird abgestimmt. Und die Seltsamkeit dieses Bürgerentscheids fängt ja schon damit an, dass die Fragestellung verkorkst ist – wer für den Bau des neuen Stadtteils Dietenbach ist, muss mit „Nein“ stimmen, wer die Äcker nördlich des Rieselfelds unbebaut lassen will, muss mit „Ja“ stimmen.
Vor ein paar Tagen hat die Badische Zeitung eine repräsentative Umfrage veröffentlicht – demnach sind 58 Prozent der Freiburger*innen für den neuen Stadtteil, sagen also Nein. Wobei das ja fast schon wieder an das „Nai hämmer gsait“ der 1970er anschließt.
Ob dieser repräsentativen Umfrage glauben geschenkt werden kann, ist umstritten. Wie fast alles, was mit Dietenbach zu tun hat. Quer durch Freundeskreise wieder heftig darum gerungen, soziale Medien und Leserbriefspalten sind voll, ebenso die Veranstaltungshallen.
Dass es dieses Ringen gibt, zeigt aber auch, dass es richtig war, Bürgerentscheide für die Bauleitplanung zuzulassen. Repräsentative Demokratie, klar – aber es ist definitiv etwas, das alle in Freiburg angeht: soll nach Vauban und Rieselfeld in den 1990ern und nach vielen Nachverdichtungen und innerstädtischen Entwicklungsmaßnahmen ein weiterer großer Stadtteil – noch größer als das Rieselfeld – dazu kommen? Soll Freiburg im Südwesten weiter wachsen.
Kommunalwahl 2014: Freiwilligkeit hilft Geschlechtergerechtigkeit nicht
Baden-Württemberg ist, was den Frauenanteil in den politischen Gremien betrifft, ein klares Rote-Laterne-Land. Bei der Kommunalwahl 2014 gab es – nachdem weitergehende Parité-Ideen nicht mehrheitsfähig waren – zum ersten Mal eine Soll-Vorschrift, dass die Parteien und Listen gleich viele Frauen wie Männer aufstellen sollen. Bei Verstößen dagegen waren allerdings keinerlei Sanktionen zu befürchten; nachdem das rheinland-pfälzische Verfassungsgericht eine Dokumentation der Frauenanteile auf den Stimmzetteln verboten hat, wurde auch dieses Mittel nicht herangezogen.
Diese Soll-Vorschrift hat, wie das Statistische Landesamt in einer ausführlichen Pressemitteilung darstellt, nicht so richtig funktioniert. Bereits der erste Schritt – die Aufstellung von gleich vielen Frauen wie Männern – fand nicht statt. Nur 30,5 Prozent der BewerberInnen für die Gemeinderatswahlen waren Frauen (+1,8 Prozentpunkte ggü. 2009). Dabei ist noch nicht berücksichtigt, wo auf den Stimmzetteln Frauen platziert waren. Bei den Kreistagswahlen waren 30,2 Prozent der BewerberInnen Frauen (+3,4 Prozentpunkte ggü. 2009).
Die Umsetzung der Soll-Vorschrift wurde in den einzelnen Parteien sehr unterschiedlich ernst genommen, wie das Statistische Landesamt schreibt. Dies betrifft sowohl die Kreistage als auch die Gemeinderäte.
Partei/Liste | Gemeinderäte Frauenanteil (vgl. 2009) |
Kreistage Frauenanteil (vgl. 2009) |
||
Kand. | Gewählte | Kand. | Gewählte | |
GRÜNE | 46,6 % | 44,8 % (+1,0) | 43,9 % | 43,3 % (+2,4) |
SPD | 35,7 % | 33,3 % (+1,2) | 34,8 % | 24,1 % (+1,7) |
FDP | 30,1 % | 17,7 % (+1,5) | 22,8 % | 15,0 % (+3,4) |
Wählerverein. | 29,6 % | 22,7 % (+1,0) | 26,3 % | 14,6 % (+3,0) |
Gem. Wahlv. | 28,7 % | 21,7 % (+2,3) | 32,6 % | 22,0 % (+11,4) |
and. Parteien | 28,6 % | 27,1 % (+6,2) | 28,5 % | 10,4 % (+3,3) |
CDU | ca. 25 % | 18,9 % (+2,2) | 25,1 % | 12,0 % (+1,3) |
Dabei ist zu berücksichtigen, dass unter den Wählervereinigungen auch grün-nahe Listen und Frauenlisten zu finden sind.
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Listenaufstellung der Freiburger Grünen
Ich war nicht dabei, weil ich in Hannover weilte, weilen musste. Gerne hätte ich mitgestimmt. Ob meine Stimme aber was geändert hätte?
Jedenfalls liegt jetzt das Ergebnis der Listenaufstellung der Freiburger Grünen vom Wochenende vor. Große Überraschungen gab es dabei keine, das einzige „ungeplante“ Gesicht unter den aussichtsreichen Plätzen ist der von mir durchaus geschätze Kulturpolitiker Timothy Simms.
Eine ausführliche und ziemlich offene Bewertung der Listenaufstellung gibt es bei GrünesFreiburg (von Thomas Koderisch). Es stellt sich im Anklang an diesen Artikel schon die Frage, ob eine Versammlung, bei der eine Minderheit von etwa einem Drittel sich nachher schlecht vertreten fühlt, die beste Ausgangslage für eine erfolgreiche Kommunalwahl 2009 ist. Und wer da aktiv Wahlkampf machen wird.
Konstantin Görlich nimmt das Ergebnis gleich zum Anlass, auf die (Grün-)Alternative (GALFR) hinzuweisen. Die haben inzwischen nicht nur das schickere Logo, sondern, wenn es GALFR gelingt, eine über die üblichen Verdächtigen hinausreichende KandidatInnen-Liste aufzustellen, ernsthafte Chancen, eine ganze Reihe „grüner“ Stimmen einzuheimsen. Nicht zuletzt deswegen, weil das baden-württembergische Kommunalwahlsystem es ja erlaubt, Stimmen über mehrere Listen zu verteilen. Wenn ich GALFR wäre, würde ich jetzt versuchen, Leute aus Bürgerinitiativen, Elterngruppen, der „Szene“ usw. einzubinden. Ich bin gespannt, ob das gelingt.
Der grüne Kreisverband Freiburg hatte, wenn ich das als Freiburger Bürger so sagen darf, die Chance, mit der Listenaufstellung zu zeigen, dass Grüne auch in Freiburg immer noch und immer wieder für „change“ stehen, und dass Vielfalt auch nach diversen Aus- und Übertritten weiterhin wichtig ist. Das Ergebnis der Listenaufstellung weist nicht in diese Richtung. Damit will ich jetzt gar nicht die Arbeit der vielen FachpolitikerInnen herabwürdigen. Aber ein über die Summe der Tellerränder hinausweisendes zukunftsfähiges Personaltableau, das wirklich neue Akzente setzt, sieht nun leider einmal anders aus.
Lichtblick an der ganzen Sache: das offene Ausfechten der – so meine Aussenwahrnehmung – auch innerhalb des KV Freiburg schon länger schwellenden Konflikte, die signifikante Minderheit für einen Politikwechsel, und das wohl doch vorhandene Gespür dafür, welche Mitglieder der Fraktionsführung für einige der „Kommunikationsprobleme“ der letzten Zeit hauptverantwortlich sind.
Warum blogge ich das? Weil ich die ganze Vorgeschichte der Listenaufstellung recht genau beobachtet habe, mir – vor einiger Zeit – auch schon überlegt habe, ob ich selbst versuchen soll, mich stärker in die Freiburger Kommunalpolitik einzubringen, und mich dann angesichts der politischen Rahmenbedingungen (und meiner Zeitressourcen) dagegen entschieden habe, den Versuch zu wagen. Umso mehr gilt mein Respekt all denen, die es auch ohne „Zusage“ sicherer Plätze versucht haben.