In Reaktion auf die grünen Vorschläge zur Steuerreform setzte ein lautes Geheule ein. Jürgen Trittin hat hier den schönen Begriff der „Wutreichen“ gefunden, die jetzt lautstark auf sich aufmerksam machen. Gleichzeitig halten 72 Prozent der Bevölkerung zu Steuererhöhungen für sinnvoll (laut Deutschlandtrend Mai 2013) – ich vermute ja, dass damit vor allem gemeint ist, dass die Steuern der anderen erhöht werden sollen.
Ein Problem in der Debatte ist die Unklarheit, ob Einkünfte, Bruttoeinkommen oder das zu versteuernde Jahreseinkommen (Brutto mit diversen Abzügen wie Kinderfreibeträgen, Verlustvorträgen etc.) gemeint ist. Und was dann tatsächlich im Geldbeutel ankommt, ist noch einmal eine ganz andere Frage. Dazu kommt die Differenz zwischen mittlerem, tatsächlich gezahlten Steuersatz und dem Spitzensteuersatz, der erst oberhalb von 80.000 € zur Anwendung kommt. Alles nicht so einfach, also.
Trotzdem scheint mir ein Blick in die Statistik (hier 2007, neuere Zahlen liegen noch nicht vor) hilfreich. So lag die Summe der Einkünfte pro Steuerpflichtigem/r bei gut 40.000 Euro (Median: 29.198 Euro), das tatsächlich zu versteuernde Einkommen aber nur bei etwa 34.000 Euro (Median: 24.204 Euro pro Jahr). Anders gesagt: bei der Hälfte aller Steuerpflichtigen (Einzelpersonen, etwa 2/3 aller Fälle, genauso wie gemeinsam veranlagte Ehepartner nach Splittingtabelle, etwa 1/3 aller Fälle) lag das zu versteuernde Jahreseinkommen 2007 bei weniger als 24.204 Euro.
Damit wird deutlich, dass hier das Phänomen zutrifft, dass viele Menschen sich subjektiv sozial höherlagig einschätzen, als dies real der Fall ist. Wer sieht sich nicht zur oberen Mittelschicht gehörend? Faktisch sah die Einkommensverteilung (wiederum nach dem zu versteuernden Einkommen) unter den 38,4 Mio. Steuerpflichtigen im Jahr 2007 so aus: 86,9 Prozent liegen unterhalb von 50.000 Euro, werden nach grünen Plänen also entlastet!, weitere 8,4 Prozent der Steuerpflichtigen zwischen 50.000 und 75.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen. Oberhalb von 75.000 Euro liegen nur 4,6 Prozent der Steuerpflichtigen. Die, oder die, die sich dafür halten, sind jetzt lautstark zu hören. Selbst wenn nicht das zu versteuernde Jahreseinkommen, sondern das Bruttoeinkommen herangezogen wird, dürfte die Verteilung ganz ähnlich aussehen.
Kurz: Steuerpflichtige und Wutreiche http://t.co/l498h8PRgz
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Ach so. Nur 4,6% die nicht mehr Grün wählen. Dann ist ja alles in Ordnung.
Ob die alle grün gewählt haben? Und ob vielleicht doch ein paar dabei sind, die eine monatliche Zusatzbelastung von z.B. 80 Euro bei einem Monatsbruttoeinkommen von 8000 Euro akzeptierbar finden, wenn die zusätzlichen 4,6 Mrd Euro staatliche Einnahmen sinnvoll verwendet werden?
Eigentlich müsste man die Abgeltungssteuer auch erhöhen, die bei lediglich 25% liegt, oder habe ich da etwas übersehen ?
Moralisch könnte man sogar argumentieren, dass die Abgeltungssteuer – auf Einkommen welches im allgemeinen nicht durch Arbeit erzielt wird (ausser bei Berufs-Spekulanten) – höher als die Steuer auf Arbeit sein müsste.
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Guter Text von @_tillwe_ mit Daten zur Verteilung des zu versteuernden Einkommens.
86,9% liegen unterhalb von… http://t.co/AhCsYR7nj4
@Blumentopf: Das sind die 4,6%, die FDP wählen ;-)
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Man könnte auch ganz einfach wütend darauf sein, dass es sich in Deutschland immer weniger lohnen soll sich zu bilden, was zu leisten und dem entsprechend mehr zu verdienen. Hauptsache, die, die wenig haben (und teilweise – aber nicht immer) wenig dafür tun (wollen) bekommen mehr. Toll. Deutschland schafft sich gerade ab. Leistungsträger raus, alle anderen rein.
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Genau da gebe ich Manuel Recht. Deutschland gibt total falsche Anreize!! Die Reichen müssen zahlen und die Leute, die nicht arbeiten gehen WOLLEN, bekommen immer mehr. Lohnt es sich dann noch zu arbeiten? Am besten alle Reichen stellen ihre Arbeit ein und beziehen Sozialhilfe. Wie wäre das?? Aber wählt ruhig die Grünen…solange es nur die Reichen trifft…Reiche haben keine Rechte nur die Armen…
Manuel und Alina,
Erstens, haben wir jahrelang diese hohen Einkommen mit Leistung verwchselt. Es sind die Leistungen Anderer die in die hohen Einkommen fließen. Früher hat man dafür die Verantwortung eingetauscht. Heute sind alle Angestellten auf Mitveratwortung und Selbststeuerung eingeschworen. Und lieben das.
Zweitens, warum nennen sich wohl die arbeitenden Reichen: Global Players? Arbeiten und kreativ sein macht Spaß und auch das motiviert.
Drittens, hat der Historiker Prof. Dr. Werner Abelshauser ganz richtig erkannt, daß wachsende Ungleichheit demotiviert und kleinbürgerliche Rachegefühle schürt.:
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2013/05/12/dlf_20130512_0737_9eaa54a6.mp3
Stell dir vor, Jeder junge Mensch weiß, mit ein wenig gutem Willen wird man für die Mehrung des Gemeinwohls gebraucht und kann eine zufriedene Familie gründen.…
Soviel, sokurz.
Was die Superreichen betrifft gebe ich dir sogar recht (Millionengehälter) aber nicht, was Einkommen von vielleicht 50 – 60.000 im Jahr betrifft. Die werden üblicherweise durch den Leistenden selbst erwirtschaftet und nicht durch andere. Eine höhere Steuer für Millioneneinkommen könnte ich mir auch vorstellen.
@TW: Im übrigen finde ich es ziemlich daneben, dass man hier als Kommentierender zwar seine Webseite in das Feld eintragen darf, dann plötzlich der Kommentar mit Hinweis auf Löschung der „Werbe-URL“ gekürzt veröffentlicht wird. Wofür bitte ist das Feld dann da?
Zur URL- Streichung: Ich behalte mir schlicht und einfach vor, URLs werblicher Art zu löschen. Persönliche Seiten etc. gerne, Werbelinks nicht – macht es auch schwer, legitime Kommentare und Spam auseinanderzuhalten.
Na ja, es bleibt ja nicht bei den 80€ / Monat. Auch diese Einkommensgruppe zahlt Mehrwertsteuer, die ihr in Teilbereichen erhöhen wollt. Und vor allem ist das die Einkommensgruppe, die ihr über die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der GKV mit nochmal bis zu 124€ belasten wollt.… Und wenn beide Partner in einer Ehe arbeiten und (ja, auch sowas kommt vor) beide gut verdienen sind aus den so flapsig hingeworfenen 80€ mal eben ~350€ geworden. Wohlgemerkt für Einkommen, die sich in den tariflichen Entgelttabellen ab der Stufe für Meister / Techniker finden lassen (also z.b. mit einem Facharbeiter verheiratete Ingenieurin)
Richtig ist, dass wir die Gesamtwirkung verschiedener Maßnahmen berücksichtigen müssen – auf der anderen Seite stehen Verbesserungen bei Kinderfreibetrag etc.
Zu dem konkreten Beispiel hätte ich gerne Zahlen – welche Einstufung im IG-Metall-Tarif http://www.igmetall-bayern.de/metall-elektro/ wäre das, und wie viele bekommen diese?