Fudder hat einen Kommentar von Konstantin Görlich zum Ausstieg Freiburgs aus OpenOffice (SPD, CDU, FW, zwei Grüne und der OB haben das gegen Grüne, UL, GAF und FDP beschlossen – interessante Konstellationen, nebenbei). Konstantins Kommentar ignoriert etwas, das z.B. in diesem lesenswerten Interview mit Timothy Simns durchschimmert: Es geht nicht um Software, isoliert betrachtet.
Vielleicht übertreibe ich, aber mein Eindruck ist schon der, dass Teile der „Netzgemeinde“, der Open-Source-Community und insbesondere der Piraten genau diesem Irrglauben anhängen. Letztlich ist das doch das Heilsversprechen, mit dem gerne für OSS geworben wird: kostenfrei – also mit Einsparungen gegenüber proprietärer Software – und ohne Aufwand wird ein Produkt wie MS Office 1 zu 1 ersetzt.
Dem ist nicht so. Ich halte einen Umstieg auf OSS nach wie vor für richtig. Aber wer dafür wirbt, muss verstehen, und muss dies auch so kommunizieren, dass ein Wechsel des Betriebssystems und der Software nicht einfach ein Produkt durch ein Äquivalent ersetzt. Veränderungen der IT-Infrastruktur greifen in Arbeitsabläufe, Prozesse, Workflows ein. Sie setzen Schnittstellen voraus. IT-Wandel ist damit immer, gewollt oder ungewollt, Organisationswandel.
Der ruft in Organisationen Widerstand hervor, weil er mit Lernen, mit Veränderung, mit Anpassungsschwierigkeiten verbunden ist. Wer eine Kommune, eine Firma (oder ein Land) auf OSS umstellen will, muss diesen Organisationswandel einpreisen und organisieren. Das ist die Lehre, die ich aus dem Rückwärtsgang in Freiburg mitnehme – und die allzuoft ignoriert wird.
Du hast völlig Recht, auf den Aspekt hab ich mich nicht konzentriert, auch wenn er ja bei den Flexibilitätsengpässen durchschimmert und auch bei den Kosten, wo es nicht nur um Lizenzen sondern auch um weitere Kosten durch Schulungen für neue Abläufe geht.
Bitte, Open-Source war noch nie kostenfrei ! Lange angedacht wurde LiMux ausgerechnet in der Microsoft-Stadt München Realität. Damit geht es nicht mehr um eine Vision, sondern um praktische Erfahrung. Keine Verwaltung kommt ohne spezielle Verwaltungssoftware aus. Deren Schnittstellen werden standardmäßig für Microsoft-Produkte oder auch für SAP ausgelegt.
Wer freie Software will, muss diese fehlenden Schnittstellen entweder selber programmieren oder kaufen oder vom Hersteller der Spezialanwendungen explizit fordern. Auch bei Windows müssen Policies aufgestellt werden, auch wenn die im ersten Blick optional erscheinen. Theoretisch funktionieren Word-Dokumente auch unter OpenOffice. Praktisch müssen sie darauf vorbereitet werden. Unterlässt man diese Anpassung, ist Frust garantiert! OpenOffice setzt zudem Schulungen zwingend voraus, deren Kosten eingeplant werden müssen. Microsoft hat von München gelernt. Mit dem Ribbon Menüband und Windows 8 wendet man sich bewusst von der gewohnten Oberfläche ab. Bislang sahen Fenster unter Apple, Windows und Linux gleich aus. Zukünftig lässt sich das als Geschmacksmuster schützen.
Bei Firmen und Privatpersonen sind Kosten sicherlich eines der Hauptargumente zur Verwendung von OSS ist (ja das ist es, ja ich ignoriere damit OSS Enthusiasten, die es aus Überzeugung verwenden und Firmen mit dedizierten OSS Geschäftsmodellen, da beides nur einen kleinen Teil der OSS Benutzung ausmachen).
Bei öffentlichen Institutionen finde ich „Transparenz“ das viel spannendere Argument. Denn IT gestützte Verwaltungsprozesse können nur dann nachvollziehbar/transparent sein, wenn die IT nachvollziehbar/transparent ist.
Dein Einwand mit der „Organisationsentwicklung“ ist nicht spezifisch für OSS, sondern etwas ganz Allgemeines:
Jede Umstellung der IT ist auch eine Umstellung der zugehörigen (fachlichen) Prozesse. Vorhandene fachliche Prozesse eins zu eins auf eine neue IT Infrastruktur zu übertragen muss scheitern und bringt natürlich auch keinen Nutzen für die Organisation.
Bei einer großen Migration sollte immer auch eine Optimierung fachlichen Prozesse auf die neue IT Infrastruktur erfolgen, sonst hat man am Ende den Effekt, das die IT und die Prozesse nicht zusammenpassen.