I. Deutungshoheit und die Wirkung von Texten
Das eine ist die unglaubliche Naivität, mit der manche Menschen an Positionspapiere, Satzungen und Gesetze herantreten. Vielleicht schlägt da bei mir der Soziologe durch, aber wer glaubt, dass ein Text, nur weil in diesem Text etwas steht, alleine Wirkung entfaltet, leidet aus meiner Sicht an einer Wahrnehmungsstörung. Eine Wahrnehmungsstörung, die sich vielleicht am treffendsten als „Machtblindheit“ bezeichnen lässt.
Machtblindheit meint hier nicht, blind vor Macht zu sein, sondern nicht zu sehen, dass jeder Text deutungs- und interpretationsoffen ist. Dass jeder zu einem Werkzeug in einem Akteursnetzwerk gemacht werden kann, um bestimmte Ziele zu erreichen und andere Ziele zu verhindern.
Die Deutungsmöglichkeiten sind dabei nicht beliebig, aber sie sind sehr viel größer, als viele sich das vorstellen. Wer sich letztlich mit seiner Deutung durchsetzt, hat etwas mit diskursiver Hegemonie zu tun, aber eben auch damit, wer am sprichwörtlichen längeren Hebel sitzt.
Oder anders gesagt: Wer einen Text nutzen möchte, um aus einer weniger mächtigen Position in einem asymmetrischen Machtverhältnis heraus etwas bewegen will, kann und darf sich nicht auf die Stärke des Textes verlassen. Der wird so weit wie möglich interpretiert werden, und welche Interpretation sich durchsetzt, hängt eben nicht alleine vom Wortlaut des Textes ab, sondern auch davon, wer welche Ressourcen hat, und wer sich auf welche Deutungstradition berufen kann und diese etabliert.
(Das selbe gilt übrigens auch für nicht geschriebene Texte, sprich: für soziale Situationen).
Das heißt jetzt nicht, das alles verloren ist und die Welt der Willkür der Mächtigen ausgesetzt ist. Es heißt nur, dass es notwendig ist, genau abzuschätzen, welche Deutung hegemonial ist oder hegemonial gemacht wird, und klug zu entscheiden, ob ein Kampf um die Deutungshoheit aussichtsreich ist oder nicht.
Um das am konkreten Beispiel festzumachen, über das ich mich gerade aufrege: Eine lose Gruppe grüner Kreisverbände möchte einen Sonderparteitag durchsetzen, um dort über den Fiskalpakt zu reden. Die Satzung sieht vor, dass ein Parteitag einberufen werden muss, wenn zehn Prozent der Kreisverbände dies fordern. Die Satzung führt nicht näher aus, was ein Beschluss eines Kreisverbandes ist.
Es soll jetzt nicht darum gehen, ob eine solche Sonder-BDK in der aktuellen Situation sinnvoll ist oder nicht. Ich bin da eher skeptisch.
Jedenfalls wird aus dieser Gruppe grüner Kreisverbände heraus behauptet, dass es 47 Beschlüsse von Kreisverbänden gibt. Eine Liste ist auf sonder-bdk.de abrufbar. Die Bundesgeschäftsstelle sagt, dass ihr weniger als zwanzig Beschlüsse vorliegen.
Ein Teil dieses Differenz beruht darauf, dass Beschlüsse nicht bei der Bundesgeschäftsstelle der Partei eingereicht wurden. Ein Teil beruht aber auch darauf, dass es Unterschiede in der Interpretation der satzung gibt.
Der Bundesvorstand und die Bundesgeschäftsstelle lesen die Satzung so, dass nur ein ordentlich protokollierter, von einer Mitgliederversammlung verabschiedeter, eindeutig auch nach der Bundestagsabstimmung über den Fiskalpakt eine Sonder-BDK einfordernder Beschluss ist.
Die Gruppe der Kreisverbände – oder zumindest deren selbsternannte Anführer – sehen das anders. Hier wird als Beschluss gezählt, wenn ein Vorstand eines Kreisverbandes erklärt hat, eine Sonder-BDK zu wollen. Polemisch zugespitzt: auch die vage Absichtserklärung über der Tasse Kaffee zählt noch.
Es gibt also eine Differenz in der Interpretation der Satzung, die gravierende Folgen hat. In der einen Interpretation sind die für einen Sonderparteitag notwendigen zehn Prozent noch längst nicht erreicht. Der Bundesvorstand kann abwarten. In der anderen Interpretation wurde das Quorum überschritten, der Bundesvorstand muss sofort tätig werden, Urlaubssperren verhängen, eine Halle buchen und so weiter. Das ist richtig teuer.
Hier kommt nun Machtblindheit ins Spiel. Einige aus der Gruppe der Kreisverbände stellen sich jetzt nämlich hin und sagen: Wir haben geliefert, der Bundesvorstand muss jetzt reagieren, es steht ja so in der Satzung. Klar steht es da – aber eben nicht in der Interpretation des Bundesvorstands. Das hat dieser – in Person der Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke – auch mehrfach deutlich gesagt.
Was ich nicht verstehe (und wie gesagt, ich halte eine Sonder-BDK jetzt nicht für sonderlich sinnvoll): Dass gerade von denen, die sonst sehr sensibel reagieren, wenn es um Machtdifferentiale geht, das jetzt nicht wahrgenommen wird. Sondern dass rumgemotzt wird, dass der Bundesvorstand sich nicht meldet, dass fest darauf beharrt wird, dass in der Satzung ja schon steht, was da steht – nämlich die eigene Interpretation – und dass das einfach aus den unterschiedlichen Rollen und Interessen heraus gut nachvollziehbare Zögern des Bundesvorstands, jetzt sofort eine Sonder-BDK einzuberufen, als kurzfristiger, vielleicht auf Stress bedingter Fehler wegerklärt wird. In der Satzung steht es ja, sagen sie. Und vertrauen darauf, dass die Satzung sich schon dafür einsetzen wird, dass das Interesse dieser Kreisverbände Gehör findet.
Macht die Satzung aber nicht. Die lässt sich deuten, und ist, ganz ihrer Papierform entsprechend, geduldig.
Um aus dieser machtbesetzten Deutungsdifferenz herauszukommen, sehe ich drei Wege. Solange die Gruppe der Kreisverbände keinen davon beschreitet, wird nichts passieren.
1. Das Schiedsgericht als für die Deutung der Satzung zuständige Instanz wird angerufen, um den Interpretationsspielraum zu reduzieren. Schrödingers Katzenkiste wird geöffnet. Dabei kann die eine oder die andere Deutung als richtige Deutung herauskommen. Ob sich das Schiedsgericht in das Netzwerk der Akteure einbinden lässt, wie schnell es entscheiden kann, all das bleibt abzuwarten. Sicher ist dieser Weg nicht, aber er führt voran. (Oder es wird ein Satzungsänderungsantrag an einen Parteitag gestellt).
2. Das Machtdifferential wird wahr- und zunächst einmal hingenommen. Die Gruppe der Kreisverbände liefert mehr als die notwendigen 45 Beschlüsse in formalistischer Buchstabentreue zur Interpretation des Bundesvorstands: mit ordentlichem Protokoll, als Beschluss einer Mitgliederversammlung, mit klarer Aussage darüber, dass bedingungslos eine Sonder-BDK gefordert wird. Dann – meine ich – wäre der Deutungsspielraum des Bundesvorstands ausgeschöpft und damit geleert, dieser müsste zähneknirschend mit der Einberufung einer Sonder-BDK beginnen. Dieser Weg ist sicher, funktioniert aber nur, wenn entsprechend viele Mitgliederversammlungen von Kreisverbänden entsprechendes beschließen.
3. Die Gruppe der Kreisverbände versucht, mit den ihr zur Verfügung stehenden Machtressourcen die Deutungshoheit über die Satzung zu erobern. Es wird mobilisiert, was sich mobilisieren und dem Netzwerk hinzufügen lässt: Wie war das bei bisherigen Sonderparteitagen – was wurde da akzeptiert? Finden sich allseits als vertrauensvoll eingeschätzte Personen, z.B. ehemalige Bundesgeschäftsführer der Partei, die öffentlich die Deutung der Gruppe der Kreisverbände für richtig erklären? Lässt sich eine Flut von Mails und Anrufen organisieren, in denen Mitglieder der Bundesgeschäftsstelle ihre Deutung nahelegen? All das sehe ich momentan nicht.
Was jedenfalls nicht funktioniert, ist in diesem Fall, abzuwarten, dass der Bundesvorstand sich bewegt. Der ist nicht im Zugzwang, und die Zeit spielt für seine Seite – je näher der nächste reguläre Parteitag heranrückt, je weiter Weg der Beschluss im Bundestag liegt, desto weniger offensichtlich wird die (angebliche) Notwendigkeit einer Sonder-BDK.
II. Law is code, oder: das Programm und seine Ausführung
Dann gibt es noch einen zweiten Gedanken, der zunächst einmal nichts mit all dem zu tun zu haben scheint, ja dem oben gesagten widerspricht.
Und zwar ist mir wiederholt aufgefallen, dass nicht nur, wie Lessig es sagt, code law ist – also der Programmiercode der uns umgebenden Software „rechtliche“ Entscheidungen vorwegnimmt, bestimmte Interpretationen und Deutungen stärkt und verfestigt, und andere unmöglich macht – sondern dass auch law code ist: Zwischen Gesetzestexten und Programmtexten gibt es eine erstaunliche Nähe. Das fällt mir auf, seitdem ich in meinem Job im Landtag häufiger mit Gesetzestexten zu tun habe.
Die Ähnlichkeiten: Es gibt einen bestimmten Formalismus, auch wenn es nicht im Wortsinn eine formale Sprache ist, in dem Gesetze verfasst sind. An vielen Stellen haben diese algorithmischen Charakter: Es werden bestimmte Verfahren und Prozesse vorgegeben und beschrieben. Gesetze verweisen auf andere Gesetze und Verwaltungsvorschriften bzw. auf einzelne Abschnitte und Paragraphen – Sprünge und Funktionsaufrufe.
Insofern ist die „Betriebssystem“-Metapher der Piraten gar nicht so falsch. Was wie funktionieren soll, ist rechtlich formalisiert und niedergeschrieben. Ein Artikelgesetz (also ein Gesetz, in dem andere Gesetze an einzelnen Stellen geändert werden) erinnert in der Tat an einen Patch oder ein Update des rechtlichen Codes. Nebeneffekte gibt es auch.
Interessant wird die Metapher des „law is code“, wenn es um die Ausführung dieser Programme geht. In den Operationen von Organisationen spielen kodifizierte Regeln natürlich eine große Rolle. Nehmen wir das Beispiel des gerade im Landtag behandelten Gesetzentwurfs zur Einführung der Verfassten Studierendenschaft. Dieser ändert das Landeshochschulgesetz so, dass an den Hochschulen eine neue Teilkörperschaft „Verfasste Studierendenschaft“ etabliert wird. Im Gesetz ist geregelt, nach was für einem Verfahrensablauf diese eingerichtet werden muss, wie Wahlen stattfinden, welche Aufgaben von der Verfassten Studierendenschaft ausgeführt werden können und welche nicht.
Hier endet die Metapher allerdings auch. So lässt der rechtliche Rahmen – anders als ein Programmtext – unausgeführte Freiräume, die erst einmal ausgefüllt werden müssen. Das ließe sich jetzt – als Nutzerinput oder als Raum für Plug-ins irgendwie noch metaphorisieren.
Jedenfalls ist es so, dass das Gesetz einen Rahmen dafür vorgibt, was eine Verfasste Studierendenschaft machen kann und was nicht. Was sie tatsächlich macht, ist nur zum Teil durch den Gesetzestext bestimmt. Anders gesagt: Der Gesetzestext ist eine Ressource, die der zukünftigen Organisation der Verfassten Studierendenschaft, aber auch den Hochschulen und sogar der Verfassten Studierendenschaft gegenüber feindlich eingestellten Gruppen zur Verfügung gestellt wird. Was diese mit dieser Ressource machen, welche Regeln sie zu welchen Zwecken aufrufen, hat eine gewisse Offenheit. Das wurde schon jetzt in den gesellschaftlichen Debatten um das Gesetz deutlich: Ist die Aufgabe der Studierendenschaft genau genug definiert? Ist sie zu weit oder zu eng – beides wurde vorgebracht.
Wie weit das tatsächliche Handeln – in diesem Fall der Akteure an der Hochschule – von diesem Gesetz bestimmt wird, ist nun ebenfalls offen. Da, wo es nicht um ganz konkrete Verfahren geht, etwa um Wahlverfahren oder Rechnungsprüfungsverfahren, ist der Interpretationsspielraum, den das Gesetz gibt, sehr groß. Aus der Organisationssoziologie ist bekannt, wie wichtig die Spielräume wie auch informellen Regeln dafür sind, dass Organisationen funktionieren. Nur ein lose gekoppeltes Gesetz ist demnach ein gut funktionierendes Gesetz. Dagegen würde ein lose gekoppeltes Programm schlicht nicht funktionieren, sondern sich aufhängen, abstürzen oder zu nicht erwarteten Ergebnissen führen.
Und anders als bei Software wird das Gesetz nicht linear von einer Instanz ausgeführt. Organisationen sind keine Von-Neumann-Rechner. Menschen sind keine logischen Schaltkreise. Die das Gesetz in ihrem Alltag auslegenden Akteure haben Deutungsspielräume, die sich in der Praxis in Praktiken und Narrativen verfestigen.
Um trotzdem eine einigermaßen stringente Ausführung von Gesetzen sicherzustellen, gibt es – durch spezielle Gesetze und in speziellen Verfahren – damit betraute Agenturen: RechtsanwältInnen, Gerichte, StaatsanwältInnen, aber auch beispielsweise den Rechnungshof. Nicht zuletzt: den Gesetzgeber. Diese alle begrenzen die möglichen Deutungen von Gesetzestexten. Sie reduzieren damit die Zahl der als legal geltenden Instantierungen von Gesetzesprogrammen, beschneiden Möglichkeiten und schaffen Strukturen. Aus langen Traditionen der Gesetzesdeutung entstehen klar präferierte Pfade.
Letztlich gewinnen Gesetze erst in ihrer alltäglichen Auslegung und ihrer möglicherweise strittigen Deutung Realität.
III. Das eine und das andere
Was haben jetzt diese beiden Gedanken miteinander zu tun? Eine Satzung einer Partei ist zwar einerseits so etwas wie das Betriebssystem der Partei. Andererseits ist sie ein schwaches Programm – nicht ohne Grund gibt es parteiinterne Schiedsgerichte und ist es relativ einfach, Parteisatzungen zu ändern. Mehr noch als für mit großen bürokratischen Organisationen und schlagkräftigen Regulationainstanzen verknüpfte Gesetzbücher unterliegt eine Parteisatzung der Auseinandersetzung um die Deutungshoheit.
Das hat auch Auswirkungen auf die „Hackbarkeit“ des Codes. Ein Computerprogramm, das Vorschriften enthält, die dem „Geist“ des Programms zuwiderlaufen, kann gehackt werden, und wird dann willfährig Dinge tun, die so eigentlich nicht vorgesehen waren – zum Beispiel Menschen Zugang zu Daten geben, die diese eigentlich nicht haben sollten.
Geschäftsordnungen und andere gesetzlich festgeschriebene Verfahren können zwar in gewisser Weise auch dazu genutzt werden, gehackt zu werden, indem Vorschriften anders als intendiert verwendet werden. Aber anders als bei Computerprogrammen kommt hier die Ausführung durch menschliche AkteurInnen mit ins Spiel. Diese haben die Fähigkeit, sich zu weigern, bei zu weiten Deutungen mitzugehen. (Das ist meiner Beobachtung nach etwas, was manche PiratInnen schwierig zu begreifen finden).
Sich auf Programmcode zu berufen, wird immer das dem Code inhärente Ergebnis haben, wenn dieser formal korrekt ist und ausgeführt wird. Computer sind dumm, Machtspiele sind ihnen egal.
Parteien operieren dagegen zunächst einmal mit Machtspielen. Ihre Satzungen, der gesetzliche Rahmen – das ist zwar nicht egal, aber es wird nicht automatisch wirkmächtig, und kann umgangen werden. Wer die Machtspiele einer Partei „hacken“ will – und sei es, indem das in der Satzung verbriefte Recht aufgerufen wird, einen Parteitag einzuberufen – darf sich nicht auf den Code verlassen. Sonst leidet er oder sie an Machtblindheit.
Warum blogge ich das? Gute Frage. Vielleicht als Teil einer andauernden sozialkonstruktivistischer Selbstvergewisserung darüber, was Politik eigentlich ist. Und weil ich es jenseits aller Vorwürfe und moralischen Frage hilfreich finde, sich darüber im Klaren zu sein, dass es sowas wie Rollen- und Interessenkonflikte auch in der eigenen Partei gibt, ohne dass das verwerflich ist. Entsprechend ist die Kraft der besseren Argumente immer begrenzt.
Also,
ich kann anhand der Liste nicht feststellen, ob und wer etwas beschlossen hat. Insofern verstehe ich Deine Aufregung über die Liste bzw. die Zuspitzung mit der absichtserklärung nicht. So iwe ich diese Liste verstehe, handelt es sich um ordentliche Beschlüsse, aber scheinbar tatsächlich unverifiziert. Wenn ich so eine Liste veröffentlichen würde, würde ich da bei jedem KV nochmal anrufen und fragen.
Allerdings ist es mir doch sehr unwohl bei dem Gedanken, den BuVo dahingehend kontrollieren zu müssen. Allerdings kann ich mir auch nicht vorstellen, dass irgendwer nicht weiß, dass man so einen Beschluss natürlich weiter melden muss.
In der Liste steht das nicht, ist aber, nach allem was ich weiß, der Fall.
Interessante Überlegungen zur Deutungshoheit über Satzungstexte im asymetrischen Verhältnis …
Allerdings sollte man diese ergänzen durch juristische, was ich am Samstag schon über den linken Verteiler getan hatte, aber offensichtlich in der Informationsflut untergegangen ist:
Also es geht um die Frage, ob Anträge eines Kreisverbandes auf Durchführung einer BDK oder auch für die BDK nur von der KMV beschlossen werden können oder auch vom Kreisvorstand.
Nun, in § 12 Abs. 5 der Bundessatzung heißt es:
„Eine außerordentliche Bundesversammlung ist einzuberufen … 4. auf Antrag … eines Zehntels der Kreisverbände“
Wie die Kreisverbände zu ihrer Entscheidung kommen, einen Antrag zu stellen, ist hier nicht definiert. Um solche offenen Rechtsformulierungen auszulegen, gibt es verschiedene Methoden. Eine ist zu schauen, ob der Gesetz- bzw. hier der Satzungsgeber ähnliche Fragen definiert hat.
Da stößt man dann auf § 12 Abs. 1, wo es heißt:
„Die Delegierten werden auf der Mitglieder- bzw. Delegiertenversammlung des Kreisverbandes gewählt.“
Wenn es die satzungsgebende Bundesversammlung gewollt hätte, dass nicht nur für die Wahl der Delegierten sondern auch für die Stellung von Anträgen durch KV’s deren Mitgliederversammlungen zuständig sind, hätte die Satzung ohne weiteres entsprechend ergänzt werden können. Da dies nicht der Fall ist, ist davon auszugehen, dass es der Autonomie der Kreisverbände überlassen bleiben sollte, wer bei ihnen solche Entscheidungen fällt.
Sollte die jeweilige Kreisverbandssatzung festlegen, welches Gremium solche Anträge stellen darf, wäre das danach zu beurteilen. Bleibt es offen wie z.B. in unserer Satzung im KV Görlitz, kann der Vorstand als vertretungsberechtigtes Organ des Kreisverbandes solche Entscheidungen treffen.
BuVo und BGeschSt sehen dies in langjährig geübter Praxis anders. Sie haben erstmal die Deutungshoheit. Diese verlieren sie nur dann, wenn die Vertreter der Gegenmeinung auf einer BDK durch eine Satzungsklarstellung ihre Auslegung durchsetzen oder wenn sie – wie Till zu recht benennt – die parteiinternen Schiedsgerichte anrufen, oder wenn diese nicht in ihrem Sinne entscheiden, die Zivilgerichte.
Dann ist aufgrund unserer rechtsstaatlichen Verfassung trotz eindeutiger Machtverhältnisse die Möglichkeit gegeben, dass der Einzelne oder die Minderheit durch Rechtsspruch die Deutungshoheit bekommt,
meint Jurist Horst Schiermeyer