„Zu viel großstädtische Leere“

Am Frei­tag gab es eine Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung zum wei­te­ren Vor­ge­hen der Stadt bei der Umge­stal­tung der „erwei­ter­ten Innen­stadt“ zwi­schen Thea­ter und KG II (Platz der Alten Syn­ago­ge). Ich konn­te auf­grund fami­liä­rer Ver­pflich­tun­gen lei­der nicht hin­ge­hen, konn­te aber dafür im heu­ti­gen Sonn­tag einem umfang­rei­chen Bericht von Jens Kitz­ler – der den Titel „Zu viel groß­städ­ti­sche Lee­re“ trägt, den ich mir für die­sen Ein­trag aus­ge­lie­hen habe – ent­neh­men, dass ich mit mei­nen Beden­ken bei wei­tem nicht allei­ne da stehe.

KG II, I
Im Som­mer wird die Grün­flä­che vor dem KG II viel­fach (und viel­fäl­tig) genutzt

Im Okto­ber 2007 wur­de die Jury­ent­schei­dung für die Umge­stal­tung des Platz bekannt­ge­ben. Lei­der sind im ver­link­ten Bei­trag nur die Fotos vom Ist-Zustand ent­hal­ten (sie­he auch oben). Hier kön­nen die Wett­be­werbs­er­geb­nis­se ein­ge­se­hen wer­den. Den ers­ten Prei­sen gemein­sam ist, dass die bis­her viel­fach geglie­der­te Raum­si­tua­ti­on – erhöh­te Grün­flä­che vor dem KG II, Fahr­rad­ab­stell­plät­ze, Gedenk­plat­te für die Alte Syn­ago­ge mit Baum­be­stand, Rotteckring/Platz der Uni­ver­si­tät als mehr­spu­ri­ge Stra­ße, Thea­ter­vor­platz mit wie­der­um Rasen­flä­chen – durch eine gro­ße Stein­plat­te ersetzt wer­den soll. Das kommt nicht von unge­fähr, weil es mehr oder weni­ger der Wett­be­werbs­aus­schrei­bung entspricht.

Viel­leicht kurz zum Hin­ter­grund: der Rott­eck­ring zwi­schen Uni und Thea­ter soll für den all­ge­mei­nen Ver­kehr gesperrt wer­den, dafür soll hier eine Stra­ßen­bahn­li­nie fah­ren. Der städ­te­bau­li­che Wett­be­werb hat­te jetzt das Ziel, die bis­he­ri­ge Tren­nung zwi­schen eigent­li­cher Innen­stadt und „Kul­tur­mei­le“ mit Thea­ter und Cine­ma­xx zu über­win­den und zu einer Ent­zer­rung der inner­städ­ti­schen Dich­te durch einen groß­städ­ti­schen Platz beizutragen.

Die Wett­be­werbs­er­geb­nis­se – und der ers­te Platz ganz beson­ders – set­zen das jetzt so um, dass alles, was bis­her da war, ent­fernt wird, und statt des­sen eine gro­ße lee­re Flä­che ent­steht. Jeden­falls auf den ers­ten Blick. Das soll angeb­lich Urba­ni­tät pro­du­zie­ren – auf den Foto­mon­ta­gen fla­nie­ren dann dem­entspre­chend Pas­san­tIn­nen durchs Bild. Was kaum sicht­bar ist – der oben erwähn­te Arti­kel von Jens Kitz­ler weißt da auch noch ein­mal drauf hin – sind die Stra­ßen­bahn­li­ni­en mit Ober­lei­tun­gen und allen paar Minu­ten einer Stra­ßen­bahn. Die­se ver­lau­fen quer über den Platz (letzt­lich auch nicht ganz unge­fähr­lich, wenn’s denn wirk­lich ein Fla­nier­platz sein soll). Hier scheint mir ein Kern­pro­blem des Wett­be­werbs zu lie­gen: die Umge­stal­tung wird erst durch die Stra­ßen­bahn­li­nie mög­lich, aber mit Stra­ßen­bahn­li­nie blei­ben es de fac­to meh­re­re klei­ne Plät­ze (was ja eigent­lich auch kein Pro­blem dar­stellt – nur soll’s das halt aus irgend­wel­chen Ambi­tio­nen her­aus nicht sein).

Im Arti­kel über die Info­ver­an­stal­tung im Sonn­tag wer­den noch ein paar mehr Kri­tik­punk­te genannt, denen ich mich anschlie­ßen kann: 

  • Scha­de um die Grün­flä­chen und alten Baum­be­stän­de – aus ästhe­ti­schen Grün­den, als Sym­bol für die „Green City“, aber auch aus mikro­kli­ma­ti­schen Über­le­gun­gen her­aus (Fein­staub z.B.).
  • Im Frei­bur­ger Kli­ma wird ein gro­ßer lee­rer Platz im Som­mer zur Hit­ze­pro­jek­ti­ons­an­la­ge. Da geht nie­mand frei­wil­lig drüber!
  • Es bleibt unklar, wie der neue gro­ße Platz genutzt wer­den soll: für eine Ent­zer­rung der Innen­stadt­en­ge fehlt es an Geschäf­ten (nie­mand geht über Plät­ze, um über Plät­ze zu gehen); der ange­dach­te Cafe-Betrieb auf dem Platz kol­li­diert mit dem angeb­li­chen Ruhe­be­dürf­nis der Jura-Stu­den­tIn­nen im KG II und damit, dass es in Frei­burg schon eine gan­ze Rei­he Stra­ßen­caf­eplät­ze gibt, zuletzt der Rathausplatz.
  • Kin­der – so sie nicht vor die Bah­nen ren­nen – wer­den kaum Gele­gen­heit haben, sich den Platz anzu­eig­nen; die ein­zi­ge Stel­le, wo das noch mög­lich ist, ist die Ecke, wo der alten Syn­ago­ge gedacht wer­den soll: und da kol­li­die­ren dann mög­li­cher­wei­se der Wunsch nach Stil­le und das Kinderspiel.
  • Die bis­he­ri­gen Nut­zun­gen vor der Uni – Punks, aber auch sich son­nen­de Stu­dis, ball- oder fris­bee­spie­len­de Grup­pen – entfallen.
  • Die Fahr­rad­ab­stell­si­tua­ti­on ist kaum zufrie­den­stel­lend gelöst.

Selected company VI
Städ­ti­sche Wunsch­vor­stel­lung für den lee­ren Platz?

Kurz gesagt: aus mei­ner Sicht ist der Wett­be­werb einer, bei dem sowas raus­kom­men muss­te – und letzt­lich wird Frei­burg, wenn das wirk­lich umge­setzt wird, einen gro­ßen lee­ren Platz für die Stra­ßen­bahn haben, der nur an den Rän­dern genutzt wer­den kann; statt sich von vor­ne­her­ein anzu­schau­en, was für Nut­zun­gen tat­säch­lich jetzt schon an die­sem Ort pas­sie­ren und das städ­te­bau­lich nach­zu­zeich­nen – in dem eine klei­ne­re Glie­de­rung mit vie­len Nut­zungs­op­tio­nen vor­ge­se­hen wird, und indem akti­ve Flä­chen wie die Grün­flä­che vor dem KG II erhal­ten wer­den. Je wei­ter hin­ten im Wett­be­werb die Bei­trä­ge plat­ziert wur­den, des­to eher schei­nen sie mir die­sen Punk­ten zu ent­spre­chen. Eine ziem­li­che Fehl­ent­schei­dung im Sin­ne einer Ober­flä­chen­äs­the­tik droht da, befürch­te ich. Und viel­leicht auch ein neu­er sozia­ler Brenn­punkt in der Stadt.

Laut Arti­kel im Sonn­tag wol­len CDU und SPD die „weit­läu­fig-lee­re Stein­flä­che“, die Grü­nen sind sich zumin­dest nicht einig (auch von ande­ren als dem im Arti­kel zitier­ten Eck­art Frie­bis habe ich da schon kri­ti­sche Stim­men gehört). Ich sehe schon den nächs­ten Bür­ger­ent­scheid am Horizont …

4 Antworten auf „„Zu viel großstädtische Leere““

  1. Tei­le dei­ne Kri­tik voll­kom­men. Das ist voll­kom­me­ne Main­stream-Stadt­pla­nung, wie man sie in fast jeder Stadt zwi­schen Kon­stanz und Flens­burg sehen kann. Bei mir zu Hau­se wur­de die­ser Stil bei gleich 4 Plät­zen ange­wandt. Der JU-Kreis­vor­sit­zen­de mein­te dar­auf­hin, dass Nord­hau­sen jetzt Gar­ni­sons­stadt wird, wegen den vie­len schö­nen Exer­zier­plät­zen… Die Räte haben sich dann auch noch gewun­dert, wo denn auf ein­mal die gan­zen Ska­ter herkommen.

  2. till&greg unit!-)

    anbei auch noch mein leser­brief an die BZ:

    Für die Kon­zep­ti­on von Max Mei­er-Böke zur Umge­stal­tung des Platz der Alten Syn­ago­ge kann man nur ein ganz gro­ßes Dan­ke loswerden.

    Ein Platz in die­ser Form ermög­licht eine viel­fäl­ti­ge Nut­zung, für Ver­an­stal­tun­gen, viel­leicht Floh­märk­te und einen gemüt­li­chen Nach­mit­tag oder Abend mit Freun­den in der Stadt. Er bewahrt das his­to­ri­sche Geden­ken und ver­bin­det es mit dem bun­ten Trei­ben einer offe­nen und lebens­be­ja­hen­den Gesell­schaft. Er erhält den bestehen­den Baum­be­stand und eröff­net Mög­lich­kei­ten vor­han­de­nes Bau­ma­te­ri­al zu inte­grie­ren, so viel­leicht auch die Sand­stei­ne der Grün­flä­chen­ein­fas­sung. Mit einer fest instal­lier­ten Büh­ne erwach­sen kos­ten­güns­ti­ge Mög­lich­kei­ten für öffent­li­che Ver­an­stal­tun­gen aller Art UND viel­leicht trägt die­ser Platz auch zu einer Ent­las­tung des Plat­zes vor der Herz-Jesu-Kir­che bei.

    Kurz­um, der neue Ent­wurf und Max Mei­er-Böke hat alles rich­tig gemacht. Man kann nur hof­fen, dass es ihm die Stadt­ver­ant­wort­li­chen und der Gemein­de­rat ihm gleich­tun wer­den. Dan­ke Max! Öde Beton­flä­chen gibt es genug!

    Gre­gor Mohlberg
    Freiburg


    http://www.mohlberg.net

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