Ein klares Nein zur Deutschen Netzinfrastrukturanstalt

Traditionsschiff Frieden IX

I. State of the Web 2013

Letzt­lich läuft es auf die Fra­ge hin­aus, wem wir ver­trau­en, wenn es um unse­re Daten geht. Der Hype der Sai­son heißt Cloud, die Daten­wol­ke – und da will jeder mit­spie­len: ehe­ma­li­ge Start-ups wie Drop­box (kei­ne Ahnung, wem das inzwi­schen gehört), Hos­tin­g­an­bie­ter wie 1&1, Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­gi­gan­ten wie die Tele­kom, Inter­net­mo­no­po­lis­ten wie Goog­le und Ama­zon und nicht zuletzt Hard­ware­her­stel­ler wie Apple und Sam­sung. Jedes die­ser Unter­neh­men bie­tet – mehr oder weni­ger kos­ten­frei, mehr oder weni­ger wer­be­fi­nan­ziert, mehr oder weni­ger inklu­si­ve in bestehen­den Ver­trä­gen – die Dienst­leis­tung an, Daten in der Cloud zu spei­chern und von über­all her dar­auf zuzugreifen.

Wor­um geht es? Als Ant­wort auf eine durch­aus lesens- und beden­kens­wer­te Ana­ly­se zum Sta­te of the Web 2013 von John­ny Häus­ler (in der es weni­ger um die Cloud als um den eher kom­mer­zi­el­len als öffent­li­chen Raum geht, den Face­book bis Pin­te­rest schaf­fen, und der – ja, rich­tig! – ein Pro­blem dar­stellt) kommt Mathi­as Richel (D64) auf eine, wenn ich das so sagen darf, typisch sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Lösung.

Er fasst John­nys Text wie folgt zusammen:

Unse­re Inhal­te gehö­ren in ers­ter Linie in eine eige­ne, dezen­tra­le Publi­ka­ti­ons­in­fra­struk­tur und nicht in pri­mär auf zen­tra­le Platt­for­men ein­zel­ner Unternehmen. 

So weit wür­de ich das noch unter­schrei­ben. Auch des­we­gen betrei­be ich nach wie vor und seit Jah­ren ein eige­nes Blog. Letzt­lich liegt das bei Stra­to, also einem der gro­ßen Inter­net­kon­zer­ne – aber ein Back­up liegt auf mei­ner eige­nen Fest­plat­te. Das gan­ze könn­te zur Not rela­tiv ein­fach anders­wo neu auf­ge­setzt wer­den. Anders als mit den Inhal­ten, die ich bei Face­book oder Twit­ter pos­te. Und auch die Drop­box und Goog­le Docs, die ich als Cloud­ser­vice nut­ze, ent­hal­ten Dupli­ka­te bzw. nicht wirk­lich wich­ti­ge Tex­te und Tabel­len. Für mich sind das sekun­dä­re Spei­cher­me­di­en oder Tools, um gemein­sam an etwas zu arbei­ten – mein per­sön­li­ches Archiv liegt woanders.

Mathi­as will nun 2013 eine inten­si­ve Debat­te über Netz­neu­tra­li­tät, über Platt­form­neu­tra­li­tät und über öffent­li­che Räu­me im Netz. Auch das hal­te ich noch für sinn­voll. Eher absurd erscheint mir dage­gen die Lösung, die er vorschlägt:

Ganz kon­kret: Wir brau­chen Public Space Server! 

Damit meint er das Ange­bot von über das Inter­net zugreif­ba­rem Spei­cher­platz – für Web und Cloud – durch die öffent­li­che Hand und ver­weist hier auf das Bei­spiel der Stadt Linz, die für ihre Bür­ge­rIn­nen ein Giga­byte vorhält.

Traditionsschiff Frieden X

II. Netze in Bürgerhand – gab es das nicht schon einmal?

Für mich klingt das ehr­li­cher­wei­se nicht nach 2013, son­dern eher nach 1998. Das mag etwas mit mei­ner Netz­so­zia­li­sa­ti­on zu tun haben. Ein Teil davon fand Anfang der 1990er Jah­re in Mail­box­sys­te­men statt. Damals gab es das „CL-Netz“ (und die Asso­cia­ti­on for Pro­gres­si­ve Com­mu­ni­ca­ti­on (APC), sie­he auch Wiki­pe­dia), die ver­sucht hat, so eine Art frei­es Radio des Inter­net zu wer­den – irgend­wann auch mit dem non-pro­fit Ange­bot von Web­s­pei­cher­platz (damals ganz neu und heiß) für enga­gier­te Initia­ti­ven und Ein­zel­per­so­nen, die sich glo­bal ver­net­zen wollten. 

Noch­mal zum Mit­schrei­ben: Um das neue Netz nicht kom­mer­zi­el­len Inter­es­sen zu über­las­sen, ent­stand seit Ende der 1980er Jah­re ein glo­ba­ler Zusam­men­schluss von Infra­struk­tur­anbie­tern für bür­ger­schaft­li­ches Engagement. 

Mit dem ankom­mer­zia­li­sier­ten World Wide Web, mit Domain­son­der­an­ge­bo­ten ab 2000, und – aber das müss­ten His­to­ri­ke­rIn­nen eru­ie­ren – end­gül­tig mit dem Auf­kom­men von Social Media ende­te die­ser Ver­such. Die APC gibt es wei­ter­hin, eini­ge Hos­ter mit Atti­tu­de eben­so – aber letzt­lich ist von dem Ver­such, die Net­ze in Bür­ger­hand zu legen, nicht viel übriggeblieben.

Das ist der eine Teil mei­ner per­sön­li­chen Netz­so­zia­li­sa­ti­on, der mich skep­tisch wer­den lässt bezüg­lich der Idee einer öffent­lich-recht­li­chen Publi­ka­ti­ons­in­fra­struk­tur für BürgerInnen.

Der ande­re Teil hat etwas damit zu tun, dass ich 1995 mein Stu­di­um begon­nen habe. Das war unge­fähr der Zeit­punkt, als die Uni Frei­burg ihren Stu­die­ren­den nicht nur Mail­adres­sen zur Ver­fü­gung stell­te (irgend­wann hat­te ich dann eine für jedes mei­ner drei Stu­di­en­fä­cher und noch eine für die Uni ins­ge­amt), son­dern eben auch Web­space. „/~westermt“ war der von der öffent­li­chen Ein­rich­tung Uni­ver­si­tät ihren Bür­ge­rIn­nenMit­glie­dern zur Ver­fü­gung gestell­te Spei­cher­platz. Die „Home­page“ gibt es längst nicht mehr – bei irgend­ei­nem Update der Nut­zungs­be­din­gun­gen oder der Infra­struk­tur wur­de sie gelöscht. Nicht, dass das ein gro­ßes Dra­ma ist – das waren eher Spie­le­rei­en. Aber ganz so dau­er­haft ist auch die öffent­li­che Hand nicht.

Was es – zu mei­nem Erstau­nen – noch gibt, ist der Omni­bus-Ser­ver des Rechen­zen­trums der Uni Frei­burg. (Einen Cloud-Dienst mit 2 GB gibt es auch).

Ich bezweif­le aller­dings, dass der Omni­bus-Ser­ver noch groß­ar­tig genutzt wird (auch auf­grund der restrik­ti­ven robots.txt fin­det sich bei Goog­le fast nichts) und ver­mu­te eher, dass es bei die­sem Ange­bot dar­um geht, eini­ge weni­ge noch exis­tie­ren­den Sei­ten wei­ter­lau­fen zu las­sen. Ach ja:

Verwendungsrichtlinie

Ihre Home­page muss einen erkenn­ba­ren Bezug zu Ihrer Tätig­keit an der Uni­ver­si­tät Frei­burg, zu Ihrem Stu­di­um oder zum sozia­len Leben an die­ser Uni­ver­si­tät auf­wei­sen. Für die Inhal­te sind Sie als Urhe­ber per­sön­lich ver­ant­wort­lich. Eine gewerb­li­che Nut­zung ist untersagt. 

Soviel zum zwei­ten Teil mei­ner Netz­so­zia­li­sa­ti­on. Als Stu­dent und Mit­ar­bei­ter der Uni Frei­burg hät­te ich dort öffent­li­chen Platz im Netz haben kön­nen, und habe die­sen nicht genutzt, son­dern bin auf eine eige­ne Domain bei einem kom­mer­zi­el­len Anbie­ter gegan­gen. Auch wegen der oben zitier­ten Ver­wen­dungs­richt­li­nie. Ange­spro­chen ist hier die Fra­ge der gewerb­li­chen Nut­zung (Flattr, anyo­ne), aber eben auch der enge Bezug zur Hoch­schu­le. Das ist auch rich­tig so. 

Ich habe es nicht recher­chiert, ver­mu­te aber, dass die­ser Bezug zur Hoch­schu­le und der Aus­schluss gewerb­li­cher Nut­zung auch etwas damit zu tun hat, dass die staat­lich finan­zier­te Uni­ver­si­tät (und ihr eben­falls staat­lich finan­zier­ter und gema­nag­ter Netz­back­bone bel­wue) im libe­ra­li­sier­ten EU-Markt für Netz­dienst­leis­tun­gen nicht als Kon­kur­rent zu pri­va­ten Anbie­tern auf­tre­ten darf. Stich­wor­te wie die EU-Bei­hil­fe­ver­ord­nung wären jeden­falls inter­es­san­te, zu prü­fen­de Punk­te, wenn es um eine öffent­lich-recht­li­che Alter­na­ti­ve sowohl im Bereich der Clouds als auch im Bereich Web­ser­ver geht. (Das ist jeden­falls, etwa beim Breit­band­aus­bau, ein gro­ßes Hin­der­nis für z.B. eine inno­va­ti­ve Landespolitik). 

Traditionsschiff Frieden XII

III. Die Nische: der Public Space Server Linz

Wie macht das die von Mathi­as als Bei­spiel genann­te Stadt Linz? Auf der Start­sei­te klingt das Ange­bot in der Tat zunächst ein­mal großartig:

Die Stadt Linz stellt Web­space kos­ten­los für Lin­ze­rIn­nen zur Ver­fü­gung und schafft damit den „Public Space Ser­ver Linz“, den kos­ten­lo­sen vir­tu­ell-öffent­li­chen Raum.

Mit der Anmel­dung eines Haupt­wohn­sit­zes in Linz und voll­ende­tem 14. Lebens­jahr ist das Anrecht auf 1 GB Web­space auf dem öffent­li­chen „Public Space Ser­ver Linz“ ver­bun­den. So kann jede Lin­ze­rin, jeder Lin­zer auch in der vir­tu­el­len Welt ein Stück öffent­li­chen Raum nut­zen und eige­ne Home­pages, Wikis, Blogs etc. dort platzieren. 

Die Nut­zungs­be­stim­mun­gen legen u.a. fest, dass das Pilot­pro­jekt 2011 endet – es scheint wei­ter zu lau­fen. Mit den Erfah­run­gen an der Uni Frei­burg wür­de ich mich jetzt aber fra­gen, für wie lan­ge. Was pas­siert mit den dort gehos­te­ten Daten und Web­sites, wenn Linz irgend­wann beschließt, den Betrieb des Public Space Ser­ver ein­zu­stel­len? (Was ist eigent­lich aus der Digi­ta­len Stadt Ams­ter­dam geworden?) 

((Dass der Public Space Ser­ver – Ent­schei­dung des Gemein­de­rats aus dem Novem­ber 2012 – unbe­fris­tet wei­ter­be­trie­ben wird, steht übri­gens pro­mi­nent … auf Face­book – und weder auf der offi­zi­el­len Sei­te der Stadt Linz noch auf der Sei­te der Ser­vers selbst.))

Dann gibt es ein paar wei­te­re inter­es­san­te Bestim­mun­gen. Wer aus Linz weg­zieht, dem wird der Zugang gesperrt (Nr. 2 der Nut­zungs­be­stim­mun­gen). Sind wir so immobil?

Einen Rechts­an­spruch auf den Public Space Ser­ver gibt es nicht (Nr. 4). Und auch die Ein­hal­tung der tech­ni­schen und juris­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen ist rei­ne Pflicht der Nut­ze­rIn (Nr. 6 und 7), bei gro­ber Fahr­läs­sig­keit kann die Stadt Linz Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gegen Nut­ze­rIn­nen anmel­den (Nr. 11). Schließ­lich wird eine kom­mer­zi­el­le Nut­zung aus­ge­schlos­sen (Nr. 6).

Ich will damit nicht sagen, dass das kein sinn­vol­les Ange­bot ist. Aber auch bei die­sen – durch­aus freund­lich for­mu­lier­ten – Nut­zungs­be­din­gun­gen wird klar, dass ein öffent­li­cher Anbie­ter für Spei­cher­platz nur in einer begrenz­ten Nische agie­ren kann. 

Wer nutzt den Public Space Ser­ver? Einen Kata­log aller Sei­ten und Nut­ze­rIn­nen gibt es nicht. Auch auf der Sei­te der Stadt habe ich kei­ne wei­te­ren Infos dazu gefun­den, wie das Ange­bot ange­nom­men wird (Kos­ten pro Jahr sind wohl 26.000 €). Eine Stich­pro­be bie­ten die neu­es­ten Sei­ten am Public Space Ser­ver. Dort sind aktu­ell zehn Sei­ten aufgeführt:

  • eine Sei­te über ÖBB-Loko­mo­ti­ven, die auf toten Web­space anders­wo verweist,
  • die Web­site einer Band, die inzwi­schen eine eige­ne Domain anders­wo betreibt,
  • ein loka­ler Sport­ver­ein, aktiv
  • eine loka­le kirch­li­che Initia­ti­ve, aktiv
  • eine loka­le Klein­kunst­grup­pe, die u.a. ihre neus­te CD bewirbt und ver­kauft (kom­mer­zi­el­le Nut­zung?), aktiv
  • die Open Com­mons Regi­on Linz als poli­ti­sche Fort­füh­rung des PSS, aktiv
  • ein Ange­bot eines Leh­rers, u.a. mit Unter­richts­oft­ware (Freeware/Shareware), aktiv
  • eine Prä­sen­ta­ti­ons­sei­te einer Künst­le­rin, mit Shop (kom­mer­zi­el­le Nutzung?)
  • ein gelösch­tes Blog eines frei­en Videojournalisten
  • das alte Blog eines loka­len Even­trau­mes, inzwi­schen auf eige­ner Domain (kom­mer­zi­el­le Nutzung?)

Wenn die­se Über­sicht eini­ger­ma­ßen reprä­sen­ta­tiv für den Public Space Ser­ver sein soll­te, dann scheint er mir – neben einer Web­hos­ting­platt­form für loka­le Ver­ei­ne, die sich aber sicher­lich auch weni­ger pom­pös orga­ni­sie­ren lie­ße – vor allem als eine Art Inku­ba­tor für Kunst- und Kul­tur­ak­ti­vis­tIn­nen zu eig­nen – die dann, wenn sie sich ein wenig eta­bliert haben, auf ihre eige­nen, kom­mer­zi­el­len Ser­ver­space umziehen.

Das groß­ar­ti­ge Gegen­mo­dell zu den kom­mer­zi­el­len Inter­net­an­bie­tern oder zur pri­va­ti­sier­ten Cloud sehe ich hier aller­dings nicht. Viel­leicht wird der PSS als EMail-Dienst­leis­ter oder als Web­fest­plat­te von den Lin­ze­rIn­nen ja rege genutzt. Daten dazu habe ich kei­ne gefun­den. Mein Ein­druck ist aber eher, dass hier mit rela­tiv gro­ßer Ver­mark­tung letzt­lich eher ein loka­les Mäus­lein auf den Weg gebracht wur­de, das für die eine oder ande­re Nische gut ist, aber nicht wirk­lich etwas verändert.

Tourist geometry

IV. Sozialdemokratische Infrastrukturpolitik – oder lieber doch Netzregeln?

Zurück zur grö­ße­ren For­de­rung von Mathi­as: Der Public Space Ser­ver soll Vor­bild sein für öffent­lich-recht­li­che Infra­struk­tur­anbie­ter im Netz. Oder, wie er es bei Mal­te Wel­ding kom­men­tiert:

Es geht nicht dar­um, das eine durch das ande­re zu erset­zen. Wir sind nicht im Kom­mu­nis­mus. Aber das Netz gesamt­ge­sell­schaft­lich zu begrei­fen, bedeu­tet eben auch, dass es einen öffent­lich-recht­li­chen Sek­tor braucht. So regu­liert sich zum Teil unse­re Markt­wirt­schaft. Die­ser Sek­tor beginnt bei Open­Da­ta, geht über den Staat als Tech­no­lo­gie­nach­fra­ger (Open­So­ur­ce) und endet beim Staat als Anbie­ter (Public Server). 

Mathi­as will die­sen öffent­lich-recht­li­chen Sek­tor in der Netz­wirt­schaft über eine Umla­ge über die Breit­band­an­schlüs­se finan­zie­ren und kommt bei einem Euro monat­lich auf etwa 600 Mio. Euro im Jahr. Eine beacht­li­che Sum­me (mal abge­se­hen davon, dass Grü­ne z.B. genau die­se Umla­ge in eine Kul­tur­flat­rate flie­ßen las­sen wol­len, und mal abge­se­hen davon, dass öffent­lich-recht­li­che Sek­to­ren in Wirt­schafts­zwei­gen so üblich nun auch wie­der nicht sind, bzw. ganz beson­de­re Begrün­dun­gen bedürfen …). 

Mit die­sen 600 Mio. Euro soll nun eine neue öffent­lich-recht­li­che Anstalt auf­ge­baut wer­den, wenn ich es rich­tig ver­ste­he, die – wir sind in einer Markt­wirt­schaft – in Kon­kur­renz zu den kom­mer­zi­el­len Anbie­tern und zu halb­staat­li­chen Unter­neh­men wie der Deut­schen Tele­kom allen Bür­ge­rIn­nen kos­ten­frei Ser­ver­space bereit­stellt – ver­mut­lich für Inter­net­an­ge­bo­te, für EMail, als Clouddienstleistung.

Mal abge­se­hen von der Fra­ge, ob eine sol­che neue Behör­de (was in einer Stadt wie Linz funk­tio­niert, ska­liert nicht unbe­dingt rei­bungs­los auf 80 Mio. Ein­woh­ne­rIn­nen eines Lan­des wie Deutsch­land – da wird defi­ni­tiv eine Behör­de ent­ste­hen) recht­lich mach­bar wäre (Stich­wort: EU und die libe­ra­li­sier­ten Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­märk­te), stellt sich mir die Fra­ge, ob wir das wol­len und brauchen.

Bei­des hat letzt­lich eng mit dem Staats­ver­ständ­nis zu tun. Dass der Staat sei­ne Daten bereit­stel­len soll, weil es unse­re Daten sind – d’accord! Dass der Staat (aber auch da wird es EU-recht­lich schon kniff­lig!) wirt­schafts­po­li­tisch Impul­se set­zen kann, um Open Source zu för­dern – eben­falls d’accord! Aber wol­len wir, dass der Staat die Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­net­ze und Ser­ver betreibt? Und wenn ja, wieso?

Wie­so Staats­ver­ständ­nis? Die Cloud ist, ich hat­te das ein­gangs erwähnt, letzt­lich eine Fra­ge, wem wir unse­re – mög­li­cher­wei­se inti­men und beson­ders schüt­zens­wer­ten – Daten anver­trau­en. Bei Unter­neh­men wie Goog­le oder selbst der Tele­kom weiß ich so unge­fähr, auf was ich mich ein­las­se. Es sind gro­ße Kon­zer­ne, die vor allem eines im Sinn haben: Pro­fit. Viel­leicht wer­ten sie Daten dazu auto­ma­tisch aus und erstel­len Pro­fi­le. Solan­ge die Daten­hal­tung im Netz pro­fi­ta­bel ist oder wer­den könn­te, wer­den sie sie anbie­ten. Abge­se­hen davon ist es die­sen Unter­neh­men rela­tiv egal, was das für Daten sind.

Wie ist das bei einer staat­li­chen Ein­rich­tung? Viel­leicht sind es die letz­ten Res­te der Anti­volks­zäh­lungs-DNA in mei­ner Par­tei, viel­leicht ist es ein laten­ter Anar­chis­mus – aber eigent­lich möch­te ich mei­ne pri­va­ten Daten nicht auf einem staat­li­chen Ser­ver sicher ver­wahrt wis­sen. Erst recht nicht auf einem, der von einer deut­schen Behör­de ver­wal­tet wird.

Das von John­ny ange­spro­che­ne Pro­blem des pri­va­ti­sier­ten semi­öf­fent­li­chen Raums im Netz wird sich nicht dadurch lösen las­sen, dass die Deut­sche Netz­in­fra­struk­tur­an­stalt mir http://tillwestermayer1975.deu-nifa.de anbie­tet. War­um soll­te ich das nut­zen wol­len? Was wäre der Anreiz für mich, wenn der Markt es bes­ser kann? (Hal­lo De-Mail, hal­lo euro­päi­sche Such­ma­schi­ne, hallo …)

In die­ser Per­spek­ti­ve ist die „Deut­sche Netz­in­fra­struk­tur­an­stalt (Anstalt öffent­li­chen Rechts)“ eine sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Arbeits­be­schaf­fungs­maß­nah­me, die wenig form­schön, aber mit eini­gem Auf­wand und Wer­be­bud­get vor sich hin­düm­peln wird. Solan­ge die markt­ge­trie­be­ne Alter­na­ti­ve bes­ser – und das ist ein ober­fläch­li­ches bes­ser, aber das ist letzt­lich lei­der ent­schei­dend – funk­tio­niert, wird kaum jemand deu-nifa.de und die dazu­ge­hö­ri­gen Apps und Mail­adres­sen nut­zen wol­len. Viel­leicht das eine oder ande­re Kunst­pro­jekt, Vereine …

Das zwei­te Sze­na­rio wären ein dys­funk­tio­na­ler Markt und die Kon­se­quen­zen. Auch das ist vor­stell­bar. Wäh­rungs­kri­se oder was auch immer, und Goog­le zieht sich aus dem Euro­pa­ge­schäft zurück, die Hard­ware­her­stel­ler schlie­ßen ihre Netz­fest­plat­ten, und die Prei­se für Ser­ver­space bei Stra­to etc. ver­viel­fa­chen sich. Die Netz­in­fra­struk­tur wird ver­staat­lich, die Deut­sche Netz­in­fra­struk­tur­an­stalt und ihr euro­päi­sches Pen­dant, EUNIFOR, wer­den zu staat­li­chen Mono­po­lis­ten. Netz­in­fra­struk­tur ist ein Bür­ger­recht, aber der Antrag auf Deuni­fa-Web­space umfasst 30 Sei­ten und die aus­drück­li­che Erklä­rung, nur staats­kon­for­me Inhal­te abzu­spei­chern. Klingt nicht so ganz plau­si­bel, und nach einem erwünsch­ten Sze­na­rio erst recht nicht.

Und die Alter­na­ti­ve? Zunächst lässt sich fest­hal­ten, dass die Netz­werk­in­fra­struk­tur mit all ihren Feh­lern auch 2013 im Gro­ßen und Gan­zen wei­ter funk­tio­nie­ren wird. 

Wenn wir der Mei­nung sind, dass es hier Regu­lie­rungs­be­darf gibt – aus Grün­den des Daten­schut­zes, aus Grün­den der Zugangs­ge­rech­tig­keit, aus Grün­den der Daseins­vor­sor­ge – dann spricht eini­ges dafür, Geset­ze zu ändern. Eine Inter­ope­ra­bi­li­täts­pflicht für kom­mer­zi­el­le Social-Media-Anbie­ter, bei­spiels­wei­se. Kla­re Regeln zur Netz­neu­tra­li­tät. Ver­pflich­tun­gen der Breit­band­an­bie­ter, auch ent­le­ge­ne Orte anzu­schlie­ßen. Schär­fe­re Instru­men­te in der Hand der Netzagentur.

Das sind alles gesetz­li­che Mach­bar­kei­ten, wenn der poli­ti­sche Wil­le und die poli­ti­schen Mehr­hei­ten da sind. Ein neu­er, teu­rer staat­li­cher Appa­rat erscheint mir dage­gen als kla­res Gegen­stück zu Net­zen in Bürgerhand. 

Und ja: Wer Bür­ge­rIn­nen tat­säch­lich an Infra­struk­tur betei­li­gen will, soll­te über Genos­sen­schaf­ten nach­den­ken. Nicht als staat­li­che Mono­li­then, son­dern als ein Orga­ni­sa­ti­ons­mo­dell, das mög­li­cher­wei­se hel­fen kann, loka­le Pro­ble­me selbst zu lösen. 

Abschlie­ßend der Hin­weis, dass wir nicht den Feh­ler machen soll­ten, Infra­struk­tur und Inhalt zu ver­wech­seln. Wo es not­wen­dig ist, kön­nen Geset­ze den Zugang und die Nut­zungs­mög­lich­keit von Infra­struk­tur regeln und regu­lie­ren und damit Grund­rech­te auf Mei­nungs­frei­heit umset­zen. Über einen staat­li­chen Infra­struk­tur­anbie­ter den neu­en alten kom­mer­zi­el­len Medi­en­an­bie­tern etwas ent­ge­gen­set­zen zu wol­len, ver­wech­selt Jour­na­lis­mus und Dru­cker­pres­sen. Bei­des ist not­wen­dig, und bei­des funk­tio­niert staats­fern besser.

War­um blog­ge ich das? Als lin­ker grü­ner Netz­po­li­ti­ker soll­te der Gedan­ke einer öffent­lich-recht­li­chen Netz­in­fra­struk­tur für mich sym­pa­thisch klingen. 

Der Blick auf bestehen­de öffent­lich-recht­li­che Behör­den, auf die Tele­kom als ehe­ma­li­gen Staats­kon­zern, aber auch auf z.B. die „Neue Hei­mat“ macht mich da aller­dings skep­tisch. Zudem haben wir kein Vaku­um vor uns, son­dern einen exis­tie­ren­den Markt. Der lässt sich intel­li­gent mit­ge­stal­ten – aber nicht mit dem unfle­xi­blen Werk­zeug einer neu­en behör­den­ar­ti­gen Struk­tur, die in die­sen Markt hin­ein­ge­setzt wird und nun ein biss­chen mit­spie­len soll. Das ist Beton 2.0, nichts weiter.

Inso­fern plä­die­re ich für Regu­la­ti­on statt für staat­li­che Son­der­an­ge­bo­te – und dafür, von unten in und neben dem Markt Nischen und „Publi­ka­ti­ons­an­ge­bo­te“ zu schaf­fen, statt hier auf den Staat zu set­zen. Und natür­lich auch dafür, sei­ne eige­nen Inhal­te nicht allei­ne der wie auch immer gear­te­ten Cloud anzu­ver­trau­en, son­dern die­se auch wei­ter selbst in der Hand zu halten.

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