Piraten als Bewegung: die 1970er im Remake?

Seventh sky horse III

Die ehe­ma­li­ge Geschäfts­füh­re­rin der Pira­ten, Mari­na Weis­band, gab vor kur­zem dem ZEIT-Maga­zin ein Inter­view, in dem sie sich über ihre Außen­sei­ter-Schul­erfah­run­gen aus­ge­las­sen hat. Mei­ne ers­te Reak­ti­on auf die­ses Inter­view war sowas wie „Mutig, da sagt mal eine, wie das für vie­le in der Schu­le ist“ (und mei­ne heim­li­che Ver­mu­tung wäre die, dass eine Mei­nungs­um­fra­ge unter Nerds, ja viel­leicht auch eine unter eher links-alter­na­tiv poli­ti­schen Akti­ven, eine über­durch­schnitt­li­che Men­ge ähn­li­cher Erfah­run­gen zu Tage för­dern wür­de. Aber das mag ein Effekt mei­ner pri­va­ten Fil­ter-Bubble sein).

Julia See­li­ger hat dar­auf anders reagiert, und inzwi­schen hat sie ihre Kri­tik am Inter­view (und einer dahin­ter ver­mu­te­ten Hal­tung) auch aus­for­mu­liert. Sie pickt einen digi­ta­len Kri­tik­ka­nal der Pira­ten („Solid­Feed­back“) her­aus und schreibt:

„Also, abge­se­hen von der wahr­schein­li­chen Sinn­lo­sig­keit eines sol­chen Diens­tes – nen­nen wir das Kind beim Namen: Mich erin­nert die Kon­zep­ti­on doch sehr an Prak­ti­ken in K‑Gruppen – oder eben gleich, Kul­tur­re­vo­lu­ti­on. Kri­tik & Selbst­kri­tik. War­um nicht gleich ein Schau­pro­zess im Inter­net­stream, mit der Mög­lich­kei­ten, Selbst­kri­tik zu liken? Digi­ta­les Arbeits­la­ger, Per­sön­lich­keits­op­ti­mie­rungs­übun­gen. Ist das unse­re Gegenwart?“ 

Ich fin­de das, was Julia schreibt, gar nicht so unplau­si­bel. Und zwar in dop­pel­ter Hinsicht. 

Das eine, ein­fa­che­re, sind gewis­se viel­leicht eher ober­fläch­li­che Par­al­le­len zu den poli­ti­schen Prak­ti­ken der 1970er Jah­ren. Wer für einen Moment eine Hand so vor das Auge hält, dass das Inter­net aus­ge­blen­det wird, sieht die Pira­ten (und die Netz­be­we­gung) als Remake der neu­en sozia­len Bewe­gun­gen der 1970er Jah­re. In der gan­zen Moti­va­ti­on, in der Nähe zu bestimm­ten Sub­kul­tu­ren, in der Her­aus­bil­dung eines eige­nen Jar­gons – Par­al­le­len gibt es viele. 

Um das plau­si­bel zu machen, reicht es aus, mehr oder weni­ger zufäl­lig in das bei mir ganz gut bestück­te Regal zu den alter­na­ti­ven Milieus der „1970er“ zu grei­fen, und zum Bei­spiel fol­gen­des Zitat aus sei­nem Kon­text her­aus zu rei­ßen (Bahr 1977, S. 12):

„Das Bedürf­nis, aktiv betei­ligt zu sein, selb­stän­dig par­ti­zi­pie­ren zu kön­nen, an öffent­lich poli­ti­schen Ent­schei­dungs­pro­zes­sen eben­so wie an pri­va­ter Eman­zi­pa­ti­on, führt gegen­wär­tig, wenn es nicht erfüllt wird, zu kli­nisch kaum mehr faß­ba­ren psycho-soma­ti­schen Grund­stö­run­gen. Rück­zug und Selbst­auf­ga­be sind häu­fig die Folge. […]

Im Enga­ge­ment vie­ler Bür­ger für eine bes­se­re Lebens­welt kommt nun ein ele­men­ta­res Inters­se an einem neu­en qua­li­ta­ti­ven Wachs­tum der Gesell­schaft zum Aus­druck. Eine zen­tra­le Erfah­rung der christ­li­chen und der huma­nis­ti­schen Tra­di­ti­on bestä­tigt sich über Nacht für vie­le Men­schen neu: Wir füh­len uns immer dann am meis­ten als wir selbst, wenn wir ande­ren Ent­schei­den­des bedeu­ten. Im Glück, kom­mu­ni­ka­tiv nütz­lich zu sein, gewin­nen wir Iden­ti­tät, Uner­setz­bar­keit vielleicht.“

Bahr, Hans-Ecke­hard (1977): „Alter­na­ti­ve Lebens­for­men in der Ers­ten Welt“, in H.-E. Bahr, R. Gro­ne­mey­er (Hrsg.): Anders leben – über­le­ben, Frank­furt am Main: Fischer, S. 9–16.

Ich bin ziem­lich sicher, dass sich auch aus ande­ren zeit­ge­nös­si­schen Ana­ly­sen der 1970er Jah­re ähn­li­che Text­bruch­stü­cke her­aus­zie­hen las­sen könn­ten, die – solan­ge kon­kre­te Inhal­te aus­ge­blen­det wer­den – auch gut auf Pira­ten (oder all­ge­mei­ner: die Netz­be­we­gung) pas­sen könnten.

Das mag dar­an lie­gen, dass die­se Beob­ach­tun­gen wei­ter­hin gül­tig sind, dass die vier Deka­den seit den 1970er Jah­ren an eini­gen grund­le­gen­den Pro­blem­la­gen der spät­ka­pi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft gar nicht so viel geän­dert haben, und dass die visio­nä­ren Lösungs­vor­schlä­ge von damals heu­te eben teil­wei­se gera­de neu ent­deckt und wie­der erfun­den wer­den (das bedin­gungs­lo­se Grund­ein­kom­men, Genos­sen­schafts­be­we­gun­gen, urban gar­dening … all das passt in die­se Linie). Auch die indi­vi­du­el­le Pro­blem­la­ge, die Suche nach Gemein­schaft in der Gesell­schaft, scheint trotz völ­lig ver­än­der­ter tech­ni­scher Rah­men­be­din­gun­gen heu­te wei­ter­hin auf eine ähn­li­che Reso­nanz zu sto­ßen, wie es damals wohl war – „wohl“, weil ich als 1975 Gebo­re­ner die 1970er, in denen glo­ba­li­sier­te IT-Indus­trie wie die For­ma­ti­on der neu­en lin­ken sozia­len Bewe­gung ihren Aus­gangs­punkt neh­men, natur­ge­mäß nur aus zwei­ter Hand kenne.

Also: In den Pro­ble­men, auf die z.B. die Pira­ten reagie­ren, und in denen sich dar­aus erge­ben­den Visio­nen, Prak­ti­ken und Selbst­re­flek­tio­nen las­sen sich eine gan­ze Rei­he von Par­al­le­len zu den 1970er Jah­ren finden. 

Julia geht es jetzt aller­dings nicht dar­um, son­dern um bestimm­te Prak­ti­ken, wie sie wohl in den K‑Gruppen der 1970er gang und gäbe waren. Öffent­li­che Selbst­kri­tik und ver­gleich­ba­re Prak­ti­ken der insze­nier­ten Gehirn­wä­sche – die Kehr­sei­te von „das Pri­va­te ist poli­tisch“ – haben ja einen Hin­ter­grund, waren wohl ein ein Ver­such, ein­ge­fah­re­ne Ver­hal­tens­wei­sen auf­zu­bre­chen, um zu neu­en Men­schen zu wer­den. Und sie waren defi­ni­tiv ein Macht­ele­ment, dien­ten, wäre jeden­falls mei­ne Ver­mu­tung, über die Kol­lek­ti­vie­rung des Selbst dazu, infor­mel­le Hier­ar­chien durchzusetzen. 

Und bei den Pira­ten? Die „Gril­len“ ihre Kan­di­da­tIn­nen (statt schlicht mit ihnen zu reden), haben For­men der öffent­li­chen Selbst­kri­tik insze­niert und schla­gen sich trotz­dem damit rum, dass eine gan­ze Rei­he Pira­tIn­nen im Ein­zel­fall poli­tisch dane­ben stehen. 

Das gan­ze geschieht in einem – im Ver­gleich zu den 1970ern – kom­plett ande­ren sozio­tech­ni­schen Kon­text, einem Kon­text, in dem inter­net­ba­sier­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik dazu bei­trägt, die Gren­zen zwi­schen Pri­vat­le­ben und öffent­li­chen Per­so­nen zu verwischen. 

Wenn bei­des zusam­men­kommt – gewürzt mit einer Pri­se neo­li­be­ra­ler Selbst-Opti­mie­rung – taucht dann schnell die Fra­ge auf, was für ein Men­schen­bild die Pira­ten eigent­lich haben. Auf der einen Sei­te steht – mei­ne 1970er-Asso­zia­ti­on – ein gewis­ser Mut zur öffent­li­chen Inner­lich­keit. Das Weis­band-Inter­view passt das wun­der­bar dazu, aber auch die Prak­tik des „flausch„en auf Twit­ter oder die Aneig­nung von „My Litt­le Pony“. Pira­tIn­nen stel­len sich als Wesen dar, für die es kei­ne schar­fe Trenn­li­nie zwi­schen Gefühls­welt und Poli­tik gibt (bis hin zur Über­iden­ti­fi­ka­ti­on mit der jun­gen Par­tei – all­ge­gen­wär­ti­ge Par­tei­sym­bo­le in Twit­ter­ac­counts nur als ein Bei­spiel dafür).

Gleich­zei­tig gibt es eini­ges, was auf einen eher instru­men­tel­len Umgang mit Per­so­nen hin­deu­tet. Der, wie berich­tet wird, häu­fig schwie­ri­ge Umgangs­ton auf den Mai­ling­lis­ten der Par­tei. Die Tat­sa­che, dass Vor­stel­lungs­re­den auf eine Minu­te redu­ziert sind – das reicht, um Fak­ten rüber­zu­brin­gen, aber nicht, um sich als Per­son vor­zu­stel­len. Die schnel­le Fluk­tua­ti­on beim poli­ti­schen Per­so­nal. Und auch das „Klemm­brett 2.0“ – also die Inter­pre­ta­ti­on des Muts zur öffent­li­chen Inner­lich­keit als Teil einer instru­men­tel­len Insze­nie­rung – passt hierzu. 

(Neben­bei bemerkt: Daten­schutz und Trans­pa­rent, pri­va­cy oder gna­den­lo­se Öffent­lich­keit – auch die­se Debat­te passt hierher!)

Inter­es­sant ist nun, dass sich zu bei­dem – der eman­zi­pa­to­ri­schen wie der instru­men­tel­len Poli­ti­sie­rung des Pri­va­ten – Par­al­le­len in den 1970er Jah­ren fin­den las­sen – und ver­mut­lich, in vor­her­ge­hen­den Bewe­gungs­zy­klen auch in Jugend­be­we­gun­gen der 1920er Jah­ren und bei der Eta­blie­rung der Arbei­ter­be­we­gung noch ein­mal eini­ge Jahr­zehn­te zuvor. Viel­leicht ist auch das eine eine Reak­ti­on auf das ande­re, oder bei­des zu ver­ste­hen als Such­be­we­gung, deren Ergeb­nis noch offen ist. Geschich­te wie­der­holt sich nicht, und wie das Remake der 1970er letzt­lich aus­fal­len wird, wer­den wir sehen.

War­um blog­ge ich das? Als Teil mei­nes fort­lau­fen­den Blicks auf die Pira­ten und die Netzbewegung.

P.S.: Eine sozi­al­wis­sen­schaft­li­che Anek­do­te zur Ent­ste­hungs­ge­schich­te der SINUS-Milieu­ty­po­lo­gie 1977 passt hier auch noch rein:

„Dabei war uns auf­ge­fal­len, daß es auf der Lin­ken nicht nur zwei sehr unter­schied­li­che poli­ti­sche Grund­ori­en­tie­run­gen gab: die mar­xis­ti­sche Ortho­do­xie der K‑Gruppen und die anti-insti­tu­tio­nel­le, radi­kal-eman­zi­pa­ti­ve Phi­lo­so­phie der Spon­tis, son­dern auch zwei ent­spre­chen­de, all­tags­äs­the­tisch mani­fes­te Stil­ty­pen. Ange­hö­ri­ge der K‑Gruppen voll­zo­gen auto­ri­tät-hier­ar­chisch gepräg­te Ord­nungs­ri­tua­le (z.B. die eisern ein­ge­for­der­te Grup­pen­dis­zi­plin in der poli­ti­schen All­tags­ar­beit), klei­de­ten sich ein­fach und lust­ab­wei­send und pfleg­ten auch sonst einen eher aske­ti­schen Lebens­stil. Sie insze­nier­ten einen anäs­the­ti­schen Stil­ty­pus, den wir als klein­bür­ger­lich-links­in­tel­lek­tu­el­le Über­set­zung einer ver­meint­lich pro­le­ta­ri­schen Lebens­wei­se interpretierten […]. 

Der von den Spon­tis gepfleg­te Lebens- und Poli­tik­stil wirk­te im Ver­gleich als ästhe­ti­sche Gegen­fo­lie zum Aske­tis­mus der K‑Gruppen – und wur­de von ihnen selbst auch so ver­stan­den: Psy­cho­lo­gi­sie­rung des poli­ti­schen Dis­kur­ses (bun­te Flug­blatt­ly­rik als Akt per­sön­li­cher Selbst­ent­fal­tung), Ableh­nung des als spie­ßig und repres­siv emp­fun­de­nen Ord­nungs- und Pflicht-Ethos der Ortho­do­xen, nar­zis­tisch-lust­vol­le Insze­nie­rung von Out­fit (Klei­dung, Fri­sur) und Woh­nungs­ein­rich­tung, das ‚krea­ti­ve Cha­os‘ als lebens­stil-prä­gen­des ästhe­ti­sches Prinzip.“ 

Flaig, Bert­hold Bodo / Mey­er, Tho­mas / Ueltzhöf­fer, Jörg (1993): All­tags­äs­the­tik und poli­ti­sche Kul­tur. Zur ästhe­ti­schen Dimen­si­on poli­ti­scher Bil­dung und poli­ti­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on. Bonn: Dietz, hier S. 53.

8 Antworten auf „Piraten als Bewegung: die 1970er im Remake?“

  1. Wie (fast) immer: ein schö­ner Beitrag.

    Geht es Dir auch wie mir, lang­wei­len Dich die Pira­ten immer mehr? Immer wie­der die glei­chen Sprü­che („Wir sind anders“, „Ihr da oben“), die glei­chen Ideen wie in den 70er Jah­ren, unbe­grün­de­te Arro­ganz; noch immer haben die Pira­ten kein Wer­te­sys­tem ent­wi­ckelt, son­dern wol­len ein­fach nur mit­re­den. Die Man­dats­trä­ger ver­fol­gen kom­plett unter­schied­li­che Zie­le, eine rote Linie ist nicht zu erkennen.

    1. Nö, fin­de ich nicht lang­wei­lig – da kommt bei mir der sozio­lo­gisch inter­es­sier­te Beob­ach­ter durch, der neu­gie­rig ist, wie sich das alles wei­ter­ent­wi­ckelt, wo es endet, und ob’s zwi­schen­drin doch noch ech­te Inno­va­tio­nen gibt.

  2. Wie du schreibst, es sind ober­fläch­lich Par­al­le­len zu den 1970ern für die­je­ni­gen, die sozia­le Bewe­gun­gen mit den deut­schen „neu­en“ sozia­len Bewe­gun­gen (NSB) der 1970er gleich­set­zen. Das „neue“ an den NSB war ja in ers­ter Linie, dass sie nicht die Arbei­ter­be­we­gung waren. Die­se hat­te bis dahin die For­schung über sozia­le Bewe­gun­gen zumin­dest in Euro­pa domi­niert, weil sich mit dem The­ma eher lin­ke Forscher_innen beschäf­ti­gen und die eben den Wider­spruch zwi­schen Kapi­tal und Arbeit zum Aus­gangs­punkt genom­men haben. In den USA sah das zum Bei­spiel anders aus; dort domi­nier­ten seit den 1950er Jah­ren auch in der Bewe­gungs­for­schung Beha­vio­ris­mus und Ratio­nal Choice. Nimmt man gän­gi­ge Defi­ni­tio­nen aus der neue­ren For­schung über „social move­ments“ passt die Netz­be­we­gung da sehr gut rein (dazu habe ich mal was geblogg: http://www.iheartdigitallife.de/acta-und-die-netzbewegung/)

    Inwie­fern sich jetzt die Netz­be­we­gung und die NSB der 70er inhalt­lich auf­grund kon­stan­ter „grund­le­gen­den Pro­blem­la­gen der spät­ka­pi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft“ … das ist eine gute Fra­ge. Ich den­ke, es gibt Par­al­le­len, aber es wäre auch falsch, nicht auf die Eigen­hei­ten des 21. Jahr­hun­derts zu schau­en. Und damit mei­ne ich aus­nahms­wei­se nicht, dass die Netz­be­we­gung über das Inter­net ver­fügt, son­dern den­ke eher in Rich­tung des Auf­ge­wach­sen­seins in einer neo­li­be­ra­len, post­for­dis­ti­schen Formation.

    Das The­ma Feed­back sehe ich ent­spre­chend auch in einem grö­ße­ren Kon­text. Mir scheint es sich bei „solid feed­back“ und ande­ren sozia­len Pra­xen um eine wei­te­re Insti­tu­tio­na­li­sie­rung (dies­mal im Kon­text Par­tei) von Feed­back­kul­tur zu han­deln. Das kommt nicht aus den K‑Gruppen der 70er Jah­re, son­dern aus den kyper­ne­ti­schen Dis­kur­sen der 1940er (wenn mir die­se Ursprungs­er­zäh­lung erlaubt sei) und fin­det sich heu­te in vie­len gesell­schaft­li­chen Berei­chen: In Unis­e­mi­na­ren, im Human-Res­sour­ce-Manage­ment, in der Art, wie wir unse­re zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen gestal­ten. In einem Text mit dem schö­nen Titel „Und… wie war ich?“ schreibt Ulrich Bröck­ling über dama­li­ge For­schun­gen mit grup­pen­dy­na­mi­schen Seminaren: 

    „Das Sche­ma zeigt die dem grup­pen­dy­na­mi­schen Pro­gramm ein- geschrie­be­ne Norm der Trans­pa­renz. Das Fens­ter wech­sel­sei­ti­ger Sicht­bar­keit kann gar nicht groß genug sein. Erken­ne Dich selbst, lau­tet die Maxi­me, offen­ba­re Dich den ande­ren und sor­ge dafür, daß Du auch von ihnen mög­lichst viel über Dich erfährst.“ (Text online unter: https://www.soziologie.uni-freiburg.de/personen/broeckling/dokumente/6‑und-wie-war-ich-mittelweg36.pdf)

    Ich fin­de es höchst inter­es­sant, dass es hier auch um die gera­de so belieb­te Trans­pa­renz geht. Auch Anschlüs­se an den Post-Pri­va­cy-Dis­kurs las­sen sich fin­den. Die Dyna­mik der K‑Gruppen basier­te ja eher auf dem bestän­di­gen Ver­weis auf „objek­ti­ve Inter­es­sen“, die der_die Kri­ti­sier­te zu erken­nen habe, um ihr Ver­hal­ten dar­auf aus­zu­rich­ten. Die Feed­back­kul­tur der Pira­ten dage­gen ist dis­tri­bu­ted: Irgend­je­mand wird etwas auf­fal­len, was es noch zu ver­bes­sern gilt. Die Basis ent­schei­det, denn die Basis kennt sich aus. For­men der Macht sind übri­gens beide.

    1. Dan­ke für den aus­führ­li­chen Kommentar!

      Die von dir ange­deu­te­ten Bezü­ge zu den neo­li­be­ra­len Zei­ten, in denen wir leben, sehe ich auch; eine Klam­mer im Text war aber alles, was mir dazu an die­ser Stel­le ein­ge­fal­len ist.

      Die Linie von der Kyber­ne­tik der 1940er über die Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung der 1980er bis heu­te fin­de ich span­nend, bin mir aber nicht sicher, ob die so trägt. Bzw. genau­er, wo die Abzwei­gung die­ser Tra­di­ti­ons­li­nie liegt, auf der die Pira­ten an die­se Linie einbiegen.

      Damit mei­ne ich vor allem, dass die kyber­ne­ti­sche Ursprungs­er­zäh­lung ja mehr­fach auf­ge­nom­men wur­de in – sagen wir mal – kon­struk­ti­vis­ti­schen Welt­er­zäh­lun­gen, als Radi­kal­kon­struk­ti­vis­mus und Sys­tem­theo­rie, und den dar­auf auf­bau­en­den Sozi­al­in­ge­nieur- und Manage­ment­tech­ni­ken (aus dem Bauch raus: auch NLP). Aber eben auch in der Coun­ter­cul­tu­re-Bewusst­seins­er­wei­te­rungs­li­nie zwi­schen LSD, Apple und dem kali­for­ni­schen Hip­pie­tum. (Oder, um bei der hie­si­gen Alter­na­tiv­kul­tur und den 1970ern zu blei­ben: was steckt eigent­lich hin­ter Zukunfts­werk­stät­ten, Mode­ra­ti­ons­tech­ni­ken und Gruppenarbeitsdidaktik?)

      Wäre span­nend, den Spu­ren hier näher nach­zu­ge­hen und zu schau­en, wel­che nar­ra­ti­ven Anschlüs­se sich in Selbst­aus­sa­gen von z.B. Pira­tIn­nen wiederfinden.

  3. Sehr inter­es­san­ter Bei­trag! Ich den­ke, dass die Par­al­le­len auch eher im For­ma­len als im Inhalt­li­chen zu suchen sind. M.E. könn­te man auch den Begriff des Pro­test­mi­lieus gut auf die Pira­ten- und Nerd­kul­tur anwen­den. Zur Lek­tü­re emp­feh­le ich auch fol­gen­den Bei­trag zur Debat­te, der den Bogen von 68 über die Grü­nen zu den Pira­ten spannt:
    http://www.security-informatics.de/blog/?p=849

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