Kurz: Redezeitdemokratie

Da hat sich ein Par­la­ment kon­sti­tu­iert, die Frak­tio­nen haben sich gebil­det, und dann geht es um die Rede­zei­ten. Ich war ziem­lich irri­tiert davon, dass der Bun­des­tag hier strikt pro­por­tio­nal vor­geht: 10 Pro­zent der Man­da­te = 10 Pro­zent der Rede­zeit. Bei einer Stun­de also sechs Minu­ten. Das führt bei einer 80%-GroKo zu eher lang­wei­li­gen Debat­ten: Red­ne­rIn­nen der Regie­rung wie­der­ho­len und wie­der­ho­len sich, für die Oppo­si­ti­on blei­ben ein paar Gedan­ken­hap­pen. Und selbst, wenn es ein oder zwei Minu­ten dazu­gibt – eine sol­che Ver­tei­lung von Rede­zei­ten mag zwar streng mathe­ma­tisch kor­rekt, erscheint mir aber eher unpar­la­men­ta­risch, wenn denn im Par­la­ment das Prin­zip von Rede und Gegen­re­de herr­schen soll.

Muss das so sein? Muss es nicht – jeden­falls habe ich im baden-würt­tem­ber­gi­schen Land­tag ein ganz ande­res Sys­tem ken­nen­ge­lernt. Übli­cher­wei­se hat hier jede Frak­ti­on die glei­che Rede­zeit – egal, ob es um die win­zi­ge FDP oder die größ­te Frak­ti­on, CDU, geht. Das ist nicht pro­por­tio­nal, aber es führt dazu, dass tat­säch­lich Argu­men­te aus­ge­tauscht wer­den. Fak­tisch haben Regie­rungs­frak­tio­nen und Oppo­si­ti­on jeweils die glei­che Rede­zeit, dazu kommt die Regie­rung selbst, die mehr oder weni­ger unbe­grenzt reden darf*. Abwei­chun­gen gibt es bei eini­gen zen­tra­len Anträ­gen – da gilt dann „gestaf­fel­te Rede­zeit“, d.h. auf z.B. fünf Min­un­ten Basis­re­de­zeit kriegt die CDU noch zwei oder drei Minu­ten dazu, Grü­ne und SPD noch eine, und die FDP bleibt bei fünf Minuten.

Rhe­to­risch sind die Debat­ten im baden-würt­tem­ber­gi­schen Land­tag nicht unbe­dingt und in jedem Fall Glanz­lich­ter. Leb­haft sind sie jedoch meist. Und dazu trägt, glau­be ich, auch die hier eta­blier­te Rede­zeit­ord­nung zu, die statt auf mathe­ma­ti­sche Kor­rekt­heit auf Reprä­sen­ta­ti­on der ver­schie­de­nen in den Land­tag gewähl­ten Inter­es­sen setzt.

* Wenn die Ver­tre­te­rIn­nen der Regie­rung aller­dings zu lan­ge reden, lösen sie eine Geschäfts­ord­nungs­re­ge­lung aus, die eine neue Debat­ten­run­de im Par­la­ment öff­net – mit den Frak­ti­ons­chefs der Oppo­si­ti­on als ers­ten Red­nern. Wer’s nach­le­sen will, kann in die Land­tags-GO schauen.

5 Antworten auf „Kurz: Redezeitdemokratie“

  1. Wir haben in Ber­lin eben­falls eine Rege­lung, die glei­che Rede­zei­ten für alle Frak­tio­nen vor­sieht. Die dar­über hin­aus gehen­de Rege­lung zu den zen­tra­len Anträ­gen fin­de ich span­nend, muss ich mir mal angucken.
    Was bei uns (fast) jede Debat­ten­kul­tur tötet ist die Tat­sa­che, dass die Regie­rung nur dann in die Bütt geht, wenn sie muss: Bei der Aktu­el­len Stun­de, und bei Gro­ßen Anfra­gen. Wenn die Regie­rung nicht reden will, hast du als Oppo­si­ti­on nur die stell­ver­tre­ten­de Aus­ein­an­der­set­zung mit den Regie­rungs­frak­tio­nen, die brav ihre Minister_innen ver­tei­digt. Aber du kannst dich nie direkt mit den Minister_innen aus­ein­an­der­set­zen. Da hilft lei­der auch kei­ne GO…

    1. Stimmt, auch bei uns (§ 82 ff in der GO) ist zwar die Rede­zeit­re­ge­lung halb­wegs fest­ge­legt, aber die Tat­sa­che, dass die Regie­rung selbst­ver­ständ­lich zu jedem TOP redet, scheint eher Gewohnheit/Kultur als Ver­ein­ba­rung zu sein.

      1. (Ach so, die Zusatz­re­de­zeit ist in § 83 (2) zu fin­den, falls du sie suchst. Und Nach­teil der BaWü-Kul­tur mit Rede­be­tei­li­gung der Regie­rung ist, dass Red­ne­rIn­nen der Par­tei der ent­spre­chen­den Minis­te­rIn nie in der Pres­se erschei­nen, weil immer nur die Minis­te­rIn selbst zitiert wird …)

  2. Im Frei­bur­ger Stadt­rat ist es gestaf­felt nach Fraktionsgröße: 

    Die Rede­zeit für eine Frak­ti­on bzw. Frak­ti­ons­ge­mein­schaft mit 12 und mehr Mit- glie­dern beträgt in der ers­ten Run­de einer Sach­de­bat­te längs­tens 12 Minu­ten; für eine Frak­ti­on bzw. Frak­ti­ons­ge­mein­schaft mit 7 und mehr Mit­glie­dern längs- tens 8 Minu­ten und für die übri­gen Frak­tio­nen, Frak­ti­ons­ge­mein­schaf­ten und Grup­pie­run­gen längs­tens 5 Minuten

    Wird meis­tens nicht ausgeschöpft.

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