Steffi Lemke machte es überhaupt nicht spannend – nach zwei Sätzen dazu, dass Transparenz und Demokratie die Gewinner dieser Urwahl seien, kam dann auch das Ergebnis: Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin sind unsere beiden SpitzenkandidatInnen. Nicht meine Wahl, aber unbestritten die Wahl der Partei. Und da ist mir ein von der Basis verordnetes Team aus @JTrittin und @_KGE_ allemal lieber als ein unter sich ausgeklüngelter Peer Steinbrück.
Schade nur, dass die Chance, dass Grüne den Kanzler oder die Kanzlerin nach der Bundestagswahl 2013 stellen werden, trotz wieder ein bisschen gestiegener Umfragewerte wohl nicht allzu groß ist.
Jürgen und Katrin stehen in der Tat für die Breite der Partei. Für eine Bundestagswahl ist das gut, denke ich. Was es für unsere Programmatik und die Weiterentwicklung unseres Selbstverständnisses bedeutet, werden wir sehen.
An dieser Stelle auf jeden Fall schon einmal einen herzlichen Glückwunsch an die beiden SpitzenkandidatInnen!
Aber war das ganze ein überraschendes Ergebnis?
Mich hat es nicht überrascht. Das lag zum einen daran, dass ich von noch seltsameren Ergebnissen geträumt habe, gestern abend – da waren es dann Bettina Wilhelm (die Kandidatin der SPD bei der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart) geworden, und eine mir unbekannte weitere Frau. Das geträumte Ergebnis wurde auf einer Pressekonferenz in Anwesenheit von Peer Steinbrück von einem stoisch lächelnden Jürgen Trittin verkündet, samt all der üblichen Floskeln. Dagegen ist das Duo KGE/Trittin schon eher erwartbar.
Dass der Wahlausgang möglich ist, hat mir vor allem aber mein Tippspiel gezeigt. Gefragt war da ja nicht nach Wunschergebnissen, sondern danach, was wahrscheinlich herauskommt. Und da hatten einige – insgesamt zehn Personen! – auf Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt gesetzt; Claudia Roth und Katrin Göring-Eckardt lagen von den erwarteten Prozentzahlen her mehr oder weniger gleichauf. Ähnliche Ergebnisse gab es bei Wolfgang Strengmann-Kuhn, der eine nicht repräsentative Nachwahlbefragung durchgeführt hatte.
Zu den tatsächlichen Ergebnissen im Einzelnen: Abgegebene gültige Wahlzettel gab es der Pressekonferenz zufolge 35149 Stück (verschickt worden waren 59266 Briefe mit Wahlunterlagen, zurück kamen 36533 Briefe). Davon waren weitere 84 ungültig (z.B. zwei Männer), so dass die gültigen Stimmzettel 35065 betrug.
Die von Steffi Lemke auf der Pressekonferenz verkündeten prozentualen Wahlergebnisse bezogen sich auf diese Zahle von 35065 WählerInnen. Demnach haben:
Rang | KandidatIn | Stimmen | Anteil an den WählerInnen |
1. | Jürgen Trittin | 25222 | 71,8 |
2. | Katrin Göring-Eckardt | 16589 | 47,2 |
3. | Renate Künast | 13522 | 38,5 |
4. | Claudia Roth | 9180 | 26,1 |
5. | Patrick Held | 853 | 2,4 |
6. | Werner Winkler | 466 | 1,3 |
7. | Nico Hybbeneth | 361 | 1,0 |
8. | Peter Zimmer | 353 | 1,0 |
9. | Markus Meister | 173 | 0,5 |
10. | F.W. Merck | 160 | 0,5 |
11. | Hans-Jörg Schaller | 152 | 0,4 |
12. | Alfred Mayer | 149 | 0,4 |
13. | Franz Spitzenberger | 127 | 0,4 |
14. | Roger Kuchenreuther | 122 | 0,3 |
15. | Thomas Austermann | 112 | 0,3 |
Dazu kommen 76 Enthaltungen und 147 Nein-Stimmen.
Da ich bei meinem Tippspiel als Basis nicht die WählerInnen, sondern die abgegebenen Stimmen insgesamt angenommen habe, muss als Grundlage die Summe aller gültigen abgegebenen Stimmen genommen werden. Das sind 67764 Stimmen. Es wurden also im Schnitt 1,9 Stimmen pro Stimmzettel abgegeben.
Auf die Basis 67764 umgerechnet sehen die Zahlen oben wie folgt aus:
Rang | KandidatIn | Stimmen | Anteil an den WählerInnen | Anteil Stimmen |
1. | Jürgen Trittin | 25222 | 71,8 | 37,2 |
2. | Katrin Göring-Eckardt | 16589 | 47,2 | 24,5 |
3. | Renate Künast | 13522 | 38,5 | 20,0 |
4. | Claudia Roth | 9180 | 26,1 | 13,5 |
Zum Vergleich: Im Schnitt wurden bei meinem Tippspiel 39,7% für Jürgen und 27,4% für Katrin getippt (bezogen auf Stimmen); die einzige, die deutlich schlecht als erwartet abgeschnitten hat, ist Claudia Roth.
Damit lässt sich jetzt auch die Abweichung der zehn, die auf Jürgen und Katrin gesetzt haben, vom tatsächlichen Ergebnis berechnen (gelb markiert im Spreadsheet).
Der Tipp mit der insgesamt kleinsten Abweichung – Katrin um 3% unterschätzt, Jürgen fast exakt – stammt damit vom Freiburger Grünen Timothy Simms, dem ich herzlich gratuliere!
Timothy hatte 75% für Jürgen Trittin und 42% für Katrin Görig-Eckardt getippt; nach meiner 100%-Regel habe ich das halbiert (tatsächlicher Faktor war, wie oben dargestellt, 1,9).
Warum blogge ich das? Weil jetzt das Ergebnis da ist.
P.S.: Zahlen inzwischen auch auf gruene.de. Und ich schließe mich in dem Punkt Boris Palmer an: diese Wahl jetzt flügelpolitisch totzudeuten, ist Quatsch. Jetzt breit aufgestellt in den Wahlkampf starten!
Meine Freude über das Ergebnis ist echt. Für mich vertritt KGE die glaubwürdigere Sozialpolitik, da sie immer wieder davon sprach, die Hartz-Gesetzgebung nachjustieren zu wollen und dass sie sich damals geirrt hätte, während Claudia Roth die damaligen Beschlüsse bis zuletzt vertreten hat. Auch sonst sehe ich Katrin eher nominell bei den Realos und Claudia eher nominell bei den Fundis. Zu den Realos gehört tatsächlich Renate Künast, die keine Mehrheit bekam. Über ihren Job bei der Kirche hat Katrin ein tiefes soziales Empfinden. Sie wird einen guten Wahlkampf machen. In der Pressekonferenz hat sie jedoch sorgfältig vermieden, dass sie viele als neue Generation gewählt haben. Sie ist zwölf Jahre jünger als Jürgen Trittin. Das hat ihr die meisten Stimmen gebracht (glaube ich).