Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) hat im Juni allen soziologischen Instituten und Fakultäten empfohlen, nicht länger am CHE-Ranking teilzunehmen.
Das CHE-Ranking wird seit 1998 durchgeführt und seit einigen Jahren in der ZEIT veröffentlicht, hat also eine hohe Sichtbarkeit. Die Empfehlung der Fachgesellschaft zum Boykott hat sich durchaus in der Presse niedergeschlagen – es ist ja auch ein recht ungewöhnlicher Schritt, dass eine Wissenschaftsorganisation – langsam und schwerfällig, wie das professoral dominierte Organisationen wohl zumeist sind – sich so offensichtlich gegen das Centrum für Hochschulentwicklung und dessen lange Jahre die deutsche Hochschulpolitik dominierenden Leitideen ausspricht.
Auch und gerade das simplifizierende Ranking mithilfe der Ampelsymbolik täuscht über die Dürftigkeit der Datenbasis hinweg. Es suggeriert, sich hierbei den massenmedialen Präsentationserfordernissen beugend, eindeutige und verlässliche Urteile, die durch die verfügbaren Daten keineswegs gedeckt sind.
Die DGS begründet ihren Ausstieg zunächst einmal nicht politisch, sondern – und das ist als Fachorganisation einer in weiten Teilen empirisch arbeitenden Disziplin korrekt so – fachlich (pdf): Das Ranking suggeriert in der simplizifierten Form der Veröffentlichung eine so kaum begründete Rangliste deutscher Hochschulstandorte, und es weist in der Erhebungsform (Befragungen von WissenschaftlerInnen über ihre KollegInnen bzw. von Studierenden über die Lehrqualität) erhebliche methodische Mängel auf. Das Ranking gibt sich damit, wohl bewusst, eine – inzwischen nicht nur für Studierentscheidungen, sondern auch wissenschaftspolitisch rezipierte – Bedeutung, die es fachlich gesehen nicht einnehmen kann. Und schlimmer noch: Es wird zur Basis für Strukturentscheidungen herangezogen, dient als Maßstab für Standortschließungen und Zusatzzahlungen.
Dahinter liegt das grundlegende Problem, dass eine – dann auch noch fächerübergreifende – Bewertung von Lehr- und Forschungsqualität definitiv nicht trivial ist.
Zwölf soziologische Institute sowie die Universitäten Hamburg, Leizpig und Köln als Ganzes sind inzwischen aus dem CHE-Ranking ausgestiegen. Dabei sind die SoziologInnen nicht die ersten – bereits 2009 hatte der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands eine ähnliche Empfehlung abgegeben und diese unlängst wiederholt. (Dass die SoziologInnen mehr Aufmerksamkeit erfahren haben, mag zum einen mit der fachlichen Nähe zu Evaluationsforschung und Statistik zu tun haben, zum anderen damit, dass die DGS sich doch hin und wieder explizit politisch positioniert und dabei auch eine gewisse Nähe zum Kulturjournalismus und zur Wissenschaftsberichterstattung nicht verleugnen kann … jedenfalls lässt sich über derartiges wohl spekulieren).
Der Boykottaufruf erhält nun ein neues Momentum: Heute hat sich die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) als sehr großer naturwissenschaftlicher Fachverband ähnlich geäußert. Wichtig ist dabei auch der Hinweis, dass die GDCh explizit das CHE-Ranking ablehnt. GDCh wie DGS verweisen positiv auf das vom Wissenschaftsrat in beiden Disziplinen durchgeführte Pilotprojekt eines Ratings, das gezeigt hat, wie komplex eine fachadäquate Bewertung ist, die sich dann eben nicht in eine eindimensionale Rangreihe herunterbrechen lässt.
Die großen Wissenschaftsorganisationen sind, ich habe es bereits gesagt, eher schwerfällige Gebilde. Beispielsweise kam substanzielle Kritik am Bologna-Prozess erst, nachdem dieser bereits mitten in der Umsetzung befindlich war. Das sollte jedoch nicht daran hindern, positiv zu würdigen, dass sie sich hier bewegen – und damit vielleicht einen ersten Pflock für das Ende der CHE-Dominanz in der deutschen Hochschulpolitik einrammen. Das Mittel des Streiks oder Boykotts im Wissenschaftsbetrieb ist ja als Arbeitskampfinstrument eher wirkungslos – hier, als organisierter Ausstieg aus einem als zweifelhaft angesehenen Verfahren, erscheint es mir Wirkung zu zeigen. Im besten Fall eröffnet es das Feld für eine Debatte darüber, wie eine qualitative Bewertung und Evaluation von Hochschulen, Studiengängen und Fächern stattfinden kann, die sich nicht auf die scheinbare Objektivität weniger harter Kennzahlen verlässt.
Warum blogge ich das? Wenn sich jetzt schon die GDCh anschließt, soll diese Aktivität der DGS in meinem Blog nicht unerwähnt bleiben.