Gestern hat das Theater Freiburg zum letzten Mal in dieser Spielzeit „Die Grünen. Eine Erfolgsgeschichte“* aufgeführt, und ich habe mir die Arbeit endlich mal angesehen (die nächste Chance dazu besteht erst wieder im Januar). Ich muss sagen: Ich bin durchaus angetan von dieser Form Theater. Die Inszenierung von Jarg Pataki und Viola Hasselberg versucht – ich würde sagen: mit Mitteln der qualitativen Sozialforschung, von der verdichtenden Diskursanalyse bis hin zum narrativen Interview** – die Frage zu beantworten, ob der Prozess der Parteiwerdung und Professionalisierung eine Zwangsläufigkeit ist. Zwischen die Szenen sind dementsprechend Zitate aus Robert Michels‘ Arbeiten zur Entstehung der Sozialdemokratie gesetzt, die ohne weiteres auch auf die grüne Institutionalisierung passen.
Die grüne Parteigeschichte seit Ende der 1970er Jahre wird in eine Abfolge von Szenen gesetzt, die es in ihrer Auswahl und Verdichtung, aber auch in den gewählten Bildern und Inszenierungsformen schaffen, den (notgedrungenen?) Anpassungsprozess auf den Punkt zu bringen. Am Anfang stehen heterogene und sich teilweise gar nicht grüne Bewegungsakteure, deren Einzug in den Bundestag umfangreiche Selbstfindungsdebatten unter massivem rhetorischen Beschuss von außen nach sich zieht. Die Partei bringt sich auf Linie und wird in der rot-grünen Regierungszeit zum eingespielten Machtapparat. Eindrucksvoll Joschka Fischers‘ Kosovorede im Zweikampf mit „Wer hat dich bloss so ruiniert“ und Megaphonen. In der Gegenwart angelangt erscheinen Sonnenkönige mit Hofstaat und selbstverliebte Marketingexperten, die über die Vorzüge der Farbe grün philosophieren, wenn sie in der Inszenierung nachzeichen, wie Parteitage inszeniert werden – der Applausreflex beim auf Showreden getrimmten Publikum ist nur schwer zu unterdrücken.
Schlussbild im eisernen Käfig – ist das die Zukunft der grünen Partei? Oder steckt zwischen, hinter und neben der kritischen Theateraußensicht auf das professionalisierte grüne Innenleben auch heute noch ein Anspruch, eine Partei zu sein, deren Mitglieder nah an den sozialen Bewegungen dran sind, deren Apparate nicht hermetisch sind und deren Themen sich nicht auf die Optimierung von Wahlerfolgen begrenzen lassen?
Warum blogge ich das? Weil mich die Frage nach den (zwangläufigen) Strukturierungen politischer Parteien und den Handlungsfreiräumen innerhalb eines parlamentarischen Systems seit langem umtreibt.
* Ich mag ja die Doppeldeutigkeit dieses Titels.
** Die Inszenierung arbeitet fast nur mit vorgefundenen Texten – Zitaten aus Protokollen, Thesenpapieren und Interviews – ergänzt durch zumeist monologisch inszenierte Auszüge aus Geprächen mit „Zeitzeugen“, die nach dem Prinzip narrativer Interviews viel innere Logik und vielleicht ungewollt Gesagtes ans Tageslicht bringen.
Mich hat das ganze nicht wirklich überzeugt. Mehr dazu nach meinem Umzug. Ob die Interviews mit den Zeitzeugen für diese Art der Verwendung autorisiert waren, ist mir nach einem Gespräch am rande des Grünen Sommerfestes in Berlin zumindest zweifelhaft.
Ich habe mich während des Stücks in der Tat auch gefragt, ob dieser Umgang mit offengelegtem Interviewmaterial einem soziologischen Ethikcodex standhalten würde. Und bezweifle es eher. Was den Reiz der unverhofften Einblicke „im Material“ nicht schmälert – ähnlich, da allerdings wohl mit Einwilligung, bei den Goettle-Reportagen/Portraits in der taz, die ja auch fast nur aus arrangiertem Interviewtext bestehen.