Die Hintertür im Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg

Dark sun energy

Rei­ner Metz­ger, stell­ver­tre­ten­der Chef­re­dak­teur der taz, leit­ar­ti­kelt heu­te, dass die schwarz-gel­ben Aus­stiegs­plä­ne ein Grund zum Fei­ern sind („ein rie­si­ger Sieg der Anti­atom­be­we­gung“). Da hat er ja recht – aber eben auch damit, dass die Freu­de dar­über, dass CDU, CSU und FDP kei­nen ande­ren Weg mehr gese­hen haben, als selbst einen Aus­stiegs­be­schluss zu ver­kün­den, einen nicht blind machen soll­te. Denn der Merkel’sche Aus­stieg hat diver­se Tücken und Hintertüren. 

Des­halb fin­de ich es rich­tig, wenn Anti-Atom-Bewe­gung und eben auch wir Grü­ne jetzt nicht ein­fach in Jubel ver­fal­len, son­dern genau hin­schau­en. Dann wird klar: zwar soll die Hälf­te der AKW abge­schal­tet blei­ben – aber die ande­re Hälf­te wird noch min­des­tens zehn Jah­re lau­fen. Je nach­dem, wie „Rest­strom­men­gen“ und das Aus­stiegs­da­tum ver­rech­net wer­den, kann das im End­ef­fekt sogar eine Ver­län­ge­rung der AKW-Lauf­zei­ten sein. Zudem bleibt unklar, ob CDU, CSU und FDP nicht doch in ein paar Jah­ren, wenn Fuku­shi­ma aus dem Kurz­zeit­ge­dächt­nis ver­schwun­den ist, dem Druck der Ener­gie­kon­zer­ne nach­ge­ben, und es sich wie­der anders überlegen. 

Und dann ist da noch die SPD. Die scheint mal wie­der nach der Devi­se zu ver­fah­ren, dass es wich­ti­ger ist, der Kanz­le­rin die Hand zu rei­chen (aka „staats­män­nisch mit­wir­ken“) als der eige­nen Posi­ti­on treu zu blei­ben. Prompt sieht SpOn die Grü­nen (und die Lin­ken, die spie­len aber kei­ne Rol­le) in der Fal­le der „Dage­gen-Par­tei“.

Ich hal­te das für Quatsch – glaub­wür­di­ge Poli­tik bedeu­tet in die­sem Moment, nicht nach Stim­men zu schie­len, und nicht einem fau­len Kom­pro­miss zum Güte­sie­gel zu ver­hel­fen, son­dern wei­ter­hin auf unan­ge­neh­me Wahr­hei­ten hin­zu­wei­sen. Dazu gehö­ren nicht nur die erwähn­ten Hin­ter­tü­ren, dazu gehört auch die Tat­sa­che, dass par­al­lel zum Aus­stiegs­be­schluss wohl die För­de­rung erneu­er­ba­rer Ener­gien (hier: Solar) run­ter­ge­fah­ren wird. Das macht zwar nur aus Sicht der Groß­kon­zer­ne und der Koh­le­lob­by Sinn, scheint aber so geplant zu sein. Dabei wäre es extrem wich­tig, den geord­ne­ten Aus­stieg aus der Atom­kraft jetzt als Chan­ce dafür zu nut­zen, auf Erneu­er­ba­re umzu­stei­gen – und die­se mas­siv auszubauen. 

Gegen den Merkel’schen Aus­stieg zu sein, mag kurz­fris­tig nach „Schlecht­ma­chen“ aus­se­hen. Ist aber rich­tig. Wenn das dann dazu führt, als „Dage­gen-Par­tei“ zu bezeich­net wer­den, wäre das sach­lich falsch („für die Ener­gie­wen­de“). Aber ganz egal, ob zutref­fend oder nicht: Das Label „Dage­gen-Par­tei“ soll­te uns kei­ne Angst machen. Denn manch­mal kommt es genau dar­auf an: stand­haft gegen etwas zu sein, das der eige­nen Über­zeu­gung quer läuft. Ein Aus­stieg, der zu lang­sam und zu wacke­lig ist, gegen den zu sein ist kei­ne Schan­de – son­dern glaub­wür­di­ges poli­ti­sches Han­deln. Ent­spre­chend wün­sche ich mir von der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on, dass die­se als Alter­na­ti­ve zu Mer­kels Plan den grü­nen, durch­ge­rech­ne­ten Aus­stieg bis 2017 ein­bringt – und sich stark dafür macht, aus dem Wech­sel von Atom zurück zu Koh­le eine ech­te Ener­gie­wen­de zu machen. 

War­um blog­ge ich das? Woll­te das his­to­ri­sche Ereig­nis – ges­tern wur­de es schon mit dem Fall der Mau­er ver­gli­chen – nicht unkom­men­tiert las­sen. Statt Son­der-Zustim­mungs-BDK und der Hin­wen­dung zu neu­en kon­ser­va­ti­ven Milieus ist hier für uns Grü­ne ein kla­rer Kom­pass gefragt, wenn wir stark blei­ben wol­len. Nur dass wir den auch ver­mit­teln müssen.

13 Antworten auf „Die Hintertür im Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg“

  1. „Zudem bleibt unklar, ob CDU, CSU und FDP nicht doch in ein paar Jah­ren, wenn Fuku­shi­ma aus dem Kurz­zeit­ge­dächt­nis ver­schwun­den ist, dem Druck der Ener­gie­kon­zer­ne nach­ge­ben, und es sich wie­der anders überlegen.“

    Aus der Oppo­si­ti­on heraus? ;-)

    Ne, aber mal im Ernst. Du hast sicher recht, dass man genau hin­schau­en muss. Aber aus poli­ti­scher Sicht ist das Atom-The­ma von Mer­kel erfolg­reich abge­räumt. Es war viel­leicht die klügs­te Ent­schei­dung ihrer Kanz­ler­schaft. Die Grü­nen sehen wirk­lich nicht beson­ders gut aus, wenn sie jetzt am Klein­ge­druck­ten rum­me­ckern, zumal ja die Ener­gie­wen­de ohne erheb­lich höhe­re CO2-Emis­sio­nen auch bei einem Aus­stieg bis 2022 schwer genug wird. 

    Aber hier gebe ich Dir wie­der­um recht: Die Auf­ga­be der Oppo­si­ti­on wird es jetzt sein, die Regie­rung zu viel höhe­ren Inves­ti­ti­on in erneu­er­ba­re Ener­gien und Effi­zi­enz­pro­gram­me zu trei­ben und dafür am bes­ten eine Ver­mö­gens­steu­er o.Ä. ein­zu­füh­ren, damit der gan­ze Pro­zess eini­ger­ma­ßen sozi­al gestal­tet wird. Dar­auf soll­te vor allem die SPD achten.

    1. Ein Atom­aus­stieg muss auch „oppo­si­ti­ons­fest“ sein – soll­te also selbst dann funk­tio­nie­ren, wenn CDU/FDP an der Regie­rung blei­ben soll­ten. Der Chris­ti­an S. von der SPD hat dazu gefor­dert, das gan­ze im Grund­ge­setz zu ver­an­kern. Mög­li­cher­wei­se eine inter­es­san­te Idee, ich weiß noch nicht so recht, was ich davon hal­ten soll.

      Zum „Abräu­men“ – umso wich­ti­ger ist es, Mer­kel jetzt nicht auf den Leim zu gehen. Oder wie Stef­fi Lem­ke es heu­te vert­wit­ter­te:

      Um es mal im Klar­text zu sagen – Schwarz-Gelb geht es nicht um Aus­stieg bis 2021 son­dern um unge­hin­der­ten Wei­ter­be­trieb bis min­des­tens 2021. 

      Das jetzt kom­mu­ni­ziert zu krie­gen, scheint mir wich­tig zu sein. Weil’s halt so schön glänzt.

    2. @Jan: Vol­le Zustimmung.

      Ich füh­le mich an Bis­marck erin­nert, der mit sei­ner Sozi­al­ge­setz­ge­bung den Sozi­al­de­mo­kra­ten den Wind aus den Segeln neh­men woll­te. Das Gegen­teil war aller­dings die Fol­ge, daher fin­de ich grü­ne Ängs­te, womög­lich irrele­vant zu wer­den, unsou­ve­rän und fehl am Platze.

      Und das was Stef­fi Lem­ke twit­tert, hat Micha­el Spreng schon vor ein paar Tagen aus­führ­lich beleuchtet.

      Im Übri­gen sehe ich Mer­kels Atom-Kehrt­wen­de als ähn­lich bedeu­tungs­vol­len Schub für das Land wie Bis­marcks Sozi­al­po­li­tik. An eine erneu­te Kehrt­wen­de glau­be ich nicht. Jetzt wird mit deut­scher Effi­zi­enz der Atom-Kehr­aus gemacht.

      1. Euer Opti­mis­mus in Ehren – ich sehe das noch nicht. Und die Anti-Atom-Bewe­gung sieht das – um eini­ges radi­ka­ler posi­tio­niert als wir Grü­nen – erst recht noch nicht.

        Neben­bei bemerkt: Ich ver­ste­he Stef­fis Tweet nicht so, dass es ihr um die Lauf­zeit­ver­län­ge­rung der Regie­rung Mer­kel geht, son­dern in der Tat dar­um, dass Schwarz-Gelb an AKWs ret­ten will, was noch zu ret­ten ist – für eine klei­ne Ewig­keit, sprich, ein­ein­halb Legislaturperioden.

        1. Ich bin ja immer nur so rela­tiv lei­den­schafts­los gegen Atom­kraft, das gebe ich zu, aber selbst als ein­ge­fleisch­ter Atom­kraft­geg­ner müss­test Du doch zuge­ben, dass der Aus­stieg ohne gro­ße Erhö­hung des CO2-Aus­sto­ßes bis 2022 sicher mach­ba­rer ist als bis 2017. Oder ist dir die Kli­ma­bi­lanz unse­rer Ener­gie­wirt­schaft nicht so wichtig?

          So viel zum Inhalt­li­chen. Aber auch poli­tisch sieht das nicht gut aus: obwohl ein gro­ßer Teil der Bevöl­ke­rung tat­säch­lich ger­ne einen noch schnel­le­ren Aus­stieg hät­te als jetzt geplant, wer­det ihr die­se Posi­ti­on schwer hal­ten kön­nen. „Ganz gut, unser alter Plan, aber hier und da in den Details sind wir unzu­frie­den“? Bis 2013 müsst ihr Euch glau­be ich dann doch ein oder zwei ande­re The­men suchen. Sie­he auch die­sen ganz guten Arti­kel dazu:

          http://oeffingerfreidenker.blogspot.com/2011/05/neupositionierung-der-grunen-in-der.html

  2. Ich bin über­zeugt davon, dass der Aus­stieg auch bis 2017 ohne zusätz­li­che CO2-Emis­sio­nen mach­bar ist. Das dazu.

    Aber auch hin­sicht­lich der Posi­tio­nie­rung der Grü­nen sehe ich das anders. Ers­tens ist Atom­kraft zwar sicher­lich eines der ältes­ten grü­nen The­men, und eines, bei dem im Hand­um­dre­hen eine Von-Null-Auf-Hun­dert-Mobi­li­sie­rung der Mit­glie­der und Sym­pa­thi­san­tIn­nen mög­lich ist. Aber es war nie und ist defi­ni­tiv nicht das ein­zi­ge grü­ne The­ma. Gera­de die grün-rote Regie­rung in BaWü gibt uns eine Chan­ce, die Kom­pe­tenz, die wir in ande­ren Berei­chen haben, noch­mal sehr deut­lich sicht­bar zu machen und als Allein­stel­lungs­merk­mal aus­zu­bau­en. Also kei­ne Angst: die The­men haben wir.

    Bleibt die Fra­ge, ob es kurz‑, mit­tel- und lang­fris­tig sinn­vol­ler ist, den von Mer­kel ange­lei­er­ten hal­ben Aus­stieg als Grü­ne zu unter­stüt­zen, oder auf der Posi­ti­on „für Mer­kel ein Rie­sen­schritt, für den Aus­stieg nur ein hal­ber“ zu ste­hen und von der aus die nächs­ten zehn Jah­re immer wie­der drauf zu drän­gen, dass das gan­ze a. auch tat­säch­lich umge­setzt wird und b. nicht zu einer (und dann in der Tat kli­ma­schäd­li­chen) Koh­le­för­der­po­li­tik wird, c. die End­la­ger­fra­ge zu the­ma­ti­sie­ren und d. jede Gele­gen­heit zu nut­zen, den Aus­stieg viel­leicht doch noch zu beschleunigen.

    Unser alter Plan war ein Kom­pro­miss mit der SPD und mit der Gesell­schaft. Mer­kel hat die­sen Kom­pro­miss, den alten Atom­kon­sens, im letz­ten Herbst mut­wil­lig auf­ge­kün­digt, um jetzt mehr oder weni­ger wie­der zu die­sem Plan zurück­zu­keh­ren. War­um soll­ten wir uns in die­ser Situa­ti­on dar­an gebun­den füh­len, statt aus tiefs­ter grü­ner Über­zeu­gung mit Nach­druck einen schnel­le­ren Aus­stieg und einen kla­ren Ein­stieg in die ja auch ethisch gefor­der­te ech­te Ener­gie­wen­de auf die Tages­ord­nung zu setzen?

    1. Ich woll­te gar nicht sagen, dass ihr sonst kei­ne The­men habt, das weiß ich ja. Aber Atom­ener­gie ist tat­säch­lich das emo­tio­na­lis­te und stärks­te Mobi­li­sie­rungs­the­ma der Grü­nen. Und wie Du an Dei­ner eige­nen Argu­men­ta­ti­on sehen kannst, wird man das in Zukunft nur noch sehr viel dif­fe­ren­zier­ter im Wahl­kampf nut­zen kön­nen. Dass man nun den Aus­stieg kri­tisch beglei­tet gehört ja sage ich mal selbst­ver­ständ­lich zur Oppo­si­ti­ons­ar­beit dazu.

      Einen Mobi­li­sie­rungs­ef­fekt wie in BW wird es 2013 im Bund aber nicht mehr geben, zumal es ja in den nächs­ten Jah­ren ans Ein­ge­mach­te geht: Wie das neue Netz gebaut wer­den soll, wer was bezahlt usw. Es ist also zu erwar­ten – du kennst unser kon­ser­va­ti­ves Land – dass sich eine popu­lis­ti­sche Stim­mung dann eher rechts von Mer­kels Posi­ti­on bemerk­bar macht (die bösen Ökos, die häss­li­chen Wind­rä­der, die höhe­re Strom­rech­nung) und nicht mehr links, wie dies die letz­ten Mona­te der Fall war. 

      Es wird also schwie­ri­ger, einen ein­deu­ti­gen Lager­wahl­kampf mit die­sem The­ma zu füh­ren – und genau das hat Mer­kel gewollt und erreicht. Sie wird dann mal wie­der die Mit­te beset­zen und ver­su­chen, dem Wahl­kampf jede Ener­gie zu rau­ben – wie auch schon 2009. Ich will hier nicht zu pes­si­mis­tisch sein, aber ich erwar­te (wenn Fischer nicht als Kan­di­dat antritt) für die Grü­nen genau wegen die­ser neu­en Lage eher ein Ergeb­nis unter 20% als über.

      Edit:

      eben noch die­sen Arti­kel gefunden:

      http://www.sueddeutsche.de/politik/poker-um-atomausstieg-gruene-draengen-parteispitze-zu-verhandlungen-mit-schwarz-gelb‑1.1103701

      Also scheint mir die Debat­te ja zu sein – ent­we­der ver­han­deln und ein biss­chen bes­se­res Ergeb­nis raus­ho­len oder ableh­nen und eine biss­chen bes­se­re Posi­ti­on für den Wahl­kampf raus­ho­len. Mh. Also wie gesagt, ich sehe die Posi­ti­on (noch schnel­ler noch mehr) jetzt eher geschwächt.

      1. Klar ist: Grü­ne zei­gen sich jetzt ver­hand­lungs­be­reit – das fin­de ich auch okay. Eben­so klar ist aber, dass es wohl kei­ne ernst­haf­ten Verhandlungen/Zugeständnisse geben wird. Und dann hal­te ich Ableh­nen und den „Kon­sens“ nicht akzep­tie­ren für richtig.

  3. Na bis 2013 geht ja noch viel Was­ser den Neckar bzw. die Drei­sam runter.

    Neben­bei bemerkt: Wenn ich mir die Debat­te auf Hacker News so anschaue, da muss man ja froh sein dass Nerds nicht (allei­ne) die Welt regie­ren. Die schei­nen alle den Tho­ri­um-Sülz von Bill Gates inter­na­li­siert zu haben, furchtbar.

  4. http://gruene-bundestag.de/cms/atomausstieg/dok/382/382377.bundesregierung_steigt_noch_nicht_aus_at.html:

    „Damit ist der Aus­stieg ist auch nicht unum­kehr­bar. Wenn 2021 und 2022 bin­nen weni­ger Mona­te sämt­li­che neun AKWs auf einen Schlag still­ge­legt wer­den sol­len, dann sind neue Dis­kus­sio­nen um den Aus­stieg pro­gram­miert. Bis dahin gibt es noch zwei Bun­des­tags­wah­len. Kön­nen Betrei­ber also noch ein­mal dar­auf spe­ku­lie­ren, dass ihnen in 10 Jah­ren – Fuku­shi­ma scheint ver­ges­sen – eine Regie­rung eine Lauf­zeit­ver­län­ge­rung schenkt? – Nach den vor­lie­gen­den Pläe­nen ist das nicht ausgeschlossen.“

    Ich gebe zu, so for­mu­liert klingt das nicht ganz unrealistisch.

    Edit: ich habe mir übri­gens Dein Regen-Foto als Hin­ter­grund­bild ein­ge­rich­tet. gefällt mir sehr gut :)

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