„Bei der Vorratsdatenspeicherung setzen wir uns dafür ein, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts präzise einzuhalten.“
Dieser eher ärgerliche, weil vielfältig falsch interpretierbare Satz steht im grün-roten Koalitionsvertrag. Kein Wunder, dass sich z.B. netzpolitik.org gleich darauf gestürzt hat und die vielen aus meiner Sicht deutlich wichtigeren netzpolitischen Vorhaben dabei etwas untergegangen sind. Aber auch aus grüner Perspektive gab es deutliche Kritik.
Heute nun haben die beiden Parteitage von SPD und Grünen den Koalitionsvertrag jeweils einstimmig angenommen. Bei uns wurde dabei auch über den oben zitierten Satz gesprochen. Klar ist: aus unserem Wahlprogramm kommt er nicht. Bisher bin ich deswegen davon ausgegangen, dass die SPD hier die „Schuldige“ ist. Die aber hat – wenn Twitter Glauben geschenkt werden kann – heute auf ihrem Parteitag beschlossen:
Antrag angenommen: „Nach wie vor lehnt die SPD BW die Vorratsdatenspeicherung ab.“
Das ist erstens schön und ruft zweitens bei mir eine gewisse Verwunderung hervor, wie dann der Satz in den Koalitionsvertrag gekommen ist (in den netzpolitischen Verhandlungen wurde er nicht besprochen). Einzige mir bisher logische Erklärung: der Satz ist extrem missverständlich formuliert – und soll eigentlich heißen: „Wir wollen keine Vorratsdatenspeicherung, aber wenn sie denn aus irgendwelchen Gründen doch kommt, muss das BVerfG-Urteil dazu haargenau eingehalten werden.“
Ich jedenfalls bin erstmal zuversichtlich, dass der aktuell wieder lauter werdende Ruf nach der Vorratsdatenspeicherung in Baden-Württemberg kein Echo findet.
Disclaimer: Ich war an der Arbeitsgruppe zum Thema Netzpolitik für den Koalitionsvertrag beteiligt. Und bin bekanntermaßen aktives grünes Mitglied.
Mir stellt sich ja eh die Frage worin der Sinn bestehen soll, wenn man festschreibt, dass man sich an die Verfassung halten will. Man sollte doch meinen, das wäre eh selbstverständlich?!
Das ist ja extrem vertauenserweckend, wenn Dinge in einem Koalitionsvertrag auftauchen, bei denen die zuständigen Personen nicht wissen, wie die sie rein kommen, und dann ungeachtet dessen das Papier am Ende einstimmig durchgewunken wird. Ich bin begeistert…
„Bisher bin ich deswegen davon ausgegangen, dass die SPD hier die ‚Schuldige‘ ist.“
Immer die anderen. ;) Obwohl ich darauf hingewiesen habe (irgendwo), dass es einen klaren Beschluss gegen die VDS gibt, siehe hier: http://beschluss.spd-bw.de/index.php?title=Leitantrag:_Gesellschaft_2.0
Jedenfalls ist es jetzt ja noch einmal bestätigt. Das ist ja auch was wert.
Ich freue mich auf unsere grün-rote Koalition. :)
Spaßig: Die Grünen denken, die SPD hätte es reingeschrieben, die SPD denkt, die Grünen hätten es reingeschrieben? Und wie kommt es nun rein? Bei so einem nicht ganz unwichtigen Dokument sollte doch irgendwer wissen, wie die Formulierungen darin zustande kommen…? Also ich bin ja mit den CDU-Koalitionsverträgen auch nicht immer glücklich, zumindest könnte ich bei den missglückten Stellen aber die jeweils verursachende Partei benennen…
@Christian R.: Die VDS wurde im Zusammenhang mit Datenschutz etc. im Bereich Innenpolitik verhandelt. Ich war nicht dabei, weiss aber, wer diesen Teil für uns und für die SPD ausgehandelt hat – und bin mir ziemlich sicher, dass wir es nicht waren. Insofern habe ich eben den oben beschriebenen Verdacht gehegt, dass der Satz aus der SPD gekommen sein muss – auch in Parteien gibt es ja manchmal unterschiedliche Prioritäten, was die eigene Beschlusslage anbelangt. Aber das wird sich jetzt nicht im Detail aufklären lassen – hoffen wir einfach, dass die zuständigen SPD-Minister sich an die Beschlusslage erinnern (und den Satz im Sinne von Christian S. interpretieren), und dass, wenn sie es nicht tun, grüne MinisterInnen etc. ggf. ein Veto einlegen.
P.S.: Einen ausführlicheren Text zur SPD-Position hat Christian S. im SPD-Blog geschrieben.