In der Hardware verborgene Ratlosigkeit

Shimmering lights II

Es ist ver­mut­lich uncool*, Sascha Lobo auf SPON zu zitie­ren, aber heu­te schreibt er was ziem­lich Intel­li­gen­tes zum Gefühl der Rat­lo­sig­keit, das die (schein­ba­re) sozia­le Nähe des Net­zes gene­riert – und die sich in der blu­ti­gen und lie­ber unsicht­bar gehal­te­nen Hard­ware-Ebe­ne der Infra­struk­tur unse­rer medi­al ver­mit­tel­ten sozia­len Bezie­hun­gen noch ein­mal in ganz beson­de­rer Wei­se ver­birgt – und nur durch bewuss­tes Igno­rie­ren aus­halt­bar scheint: 

„Die digi­ta­le Rat­lo­sig­keit hat dazu noch eine Meta­ebe­ne, die in der Hard­ware ver­bor­gen liegt: Die Metal­le in der Elek­tro­nik mei­nes Han­dys befeu­ern einen Krieg im Kon­go, der seit 1998 sechs Mil­lio­nen Men­schen ihr Leben gekos­tet hat. Ich emp­feh­le an die­ser Stel­le drin­gend, nicht selbst wei­ter­zu­re­cher­chie­ren und schon gar nicht nach unzen­sier­ten Fotos die­ses Krie­ges zu suchen, die sich dank sozia­ler Medi­en fin­den las­sen. Es wird sonst deut­lich kom­pli­zier­ter, sich sei­ne Unbe­schwert­heit im Umgang mit den schöns­ten neu­en Smart­phones zu bewah­ren. Weder wei­ner­li­che Betrof­fen­heit noch akzep­tie­ren­de Cool­ness kommt mir hier wie eine rich­ti­ge Reak­ti­on vor. Ich habe auch nicht vor, des­halb kei­ne Han­dys mehr zu benut­zen. Viel­leicht gibt es so etwas wie einen auto­ma­ti­schen Zynis­mus des digi­ta­len Zeit­al­ters, fast alle Fak­ten zu allen Miss­stän­den her­aus­fin­den zu kön­nen und sie anschlie­ßend igno­rie­ren zu müssen.“

Und es ist ja nicht nur Col­tan, son­dern es sind genau­so die Arbeits­be­din­gun­gen in den iPho­ne-Fac­to­ries in Chi­na usw. Aber die­se in der Hard­ware ver­bor­ge­ne Grau­sam­keit ans Licht zu zer­ren, erscheint fast undenk­bar. Was Sascha Lobo hier für sich selbst beschreibt – die Rat­lo­sig­keit, eine brauch­ba­re Hal­tung und Umgangs­wei­se zu die­ser Fra­ge zu fin­den, den das „Fair-Trade-Han­dy“ gibt es bis heu­te nicht, taucht auch in den von mir geführ­ten Inter­views immer wie­der auf: ein dif­fu­ses Wis­sen dar­über, dass unter der Ober­flä­che und am Ende der lan­gen Pro­duk­ti­ons­ket­ten Blut am Han­dy, am Net­book, am Smart­phone klebt, das aber nicht hand­lungs­re­le­vant wird und dem auch kaum Hand­lungs­op­tio­nen offen stehen.

War­um blog­ge ich das? Weil’s wich­tig ist.

* Uncool z.B. des­we­gen, weil der sel­be Sascha Lobo auch schon mal Wer­bung für den Mobil­te­le­fon­dienst­leis­ter Voda­fon gemacht hat …

4 Antworten auf „In der Hardware verborgene Ratlosigkeit“

  1. Ist wirk­lich wich­tig. Es ist erstaun­lich, wie per­fekt die Ver­drän­gungs­lo­gik der Wer­bung, der Medi­en aber auch der Kon­su­men­ten funk­tio­niert, die sich nur zu ger­ne dar­an betei­li­gen. Nao­mi Kleins „No Logo“ Buch von vor zehn Jah­ren ist des­halb immer noch relevant. 

    Aber die Pro­duk­ti­on und spä­te­re Ent­sor­gung von Elek­tro­ni­ka (und ande­ren Kon­sum­gü­tern) ist ja nicht nur ein sozia­les, son­dern auch öko­lo­gi­sches Pro­blem. Sie­he Elek­tro­schrott, sie­he Roh­stoff­ab­bau, sie­he Müll und Che­mie bei der Pro­duk­ti­on usw.

    Ganz toll fand ich zu die­sem The­ma Edward Bur­tyn­skys „on manu­fac­tu­red land­scapes“- TED-Video:

    http://www.ted.com/talks/lang/eng/edward_burtynsky_on_manufactured_landscapes.html

  2. Stimmt – wobei das öko­lo­gi­sche hier eng mit dem sozia­len Pro­blem ver­knüpft ist (und der Ver­drän­gungs­me­cha­nis­mus schein­bar genau­so funktioniert).

  3. Wo ist denn da das Neue an der Rat­lo­sig­keit in Bezug auf die ande­ren, z.B. Essen, Klei­dung..? Da wis­sen wir doch auch alle seit Jahr­zehn­ten mit oder ohne „die sozia­le Nähe des Net­zes“, wie böse wir kon­sum­mie­ren, und bewuss­tes Igno­rie­ren bleibt das hand­lungs­lei­ten­de Prin­zip der meisten.
    Der Unter­schied zur Tech­nik ist viel­leicht der Kreis der Ignorant_innen. Öko­bio­f­air­lo­ka­le Mode und Nah­rung ist oft uner­schwing­lich (oder wird so wahr­ge­nom­men), da bleibt vie­len nur Augen zu und durch. Immer das neu­es­te Smart­phone zu haben ist dage­gen ein Luxus­sym­p­ton und kann durch Unter­las­sen gemin­dert werden.

    Also bestimmt ein wich­ti­ges The­ma, aber die Schaf­fung von Hand­lungs­op­tio­nen wird doch ähn­lich funk­tio­nie­ren wie in ande­ren Berei­chen auch. Pro­blem­be­wusst­sein schaf­fen, Grup­pen bil­den, Alter­na­ti­ven über­le­gen, Agen­da set­ten, Framen, Shamen, Druck aus­üben wha­te­ver.. Und in 20, 30 Jah­ren ist es dann der Trend unter den coo­len Techniknutzer_innen öko­bio­f­air­lo­ka­le Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik zu besitzen.

    Sor­ry, offen­sicht­lich ver­ste­he ich den Punkt nicht, um den es in den Arti­keln im Spe­zi­el­len geht. :) Für mich ist das eher ein wei­te­rer Hin­weis, dass das Inter­net ein­fach nur ein wei­te­res Medi­um ist; Schre­ckens­bil­der, die durch „die sozia­le Nähe des Net­zes“ ver­mit­telt wer­den, auch kei­nen völ­lig ande­ren und unmit­tel­ba­re­ren Ein­fluss auf unser Ver­hal­ten haben als Fern­seh­bil­der. Rat­lo­sig­keit öffent­lich zu machen ist ein Schritt, und viel­leicht ein biss­chen uncool(?). Ich befürch­te halt, es muss noch deut­lich uncoo­ler gehen und lei­den­schaft­li­che Ände­rungs­ideen publi­ziert werden.

  4. „Und in 20, 30 Jah­ren ist es dann der Trend unter den coo­len Techniknutzer_innen öko­bio­f­air­lo­ka­le Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik zu besitzen.“

    Als wenn das im glo­ba­len Maß­stab irgend­et­was ändern wür­de, wenn in West­eu­ro­pa eine Hand­voll Hips­ter öko­lo­gisch kor­rek­te Mobil­te­le­fo­ne kau­fen wol­len. Viel effek­ti­ver wäre es z.B., statt alle zwei Jah­re nur noch alle vier Jah­re ein neu­es Han­dy zu kau­fen. Die Rol­le von „nach­hal­ti­gen“ Pro­duk­ten wird imo im all­ge­mei­nen über­schätzt. Nicht nur bedeu­ten die­se nur eine gra­du­el­le Ver­bes­se­rung gegen­über nor­ma­len Pro­duk­ten, son­dern sie trans­por­tie­ren auch die sub­ti­le Mes­sa­ge, dass im Prin­zip alles so wei­ter­lau­fen kann wie bis­her, wenn nur irgend ein Öko-Label auf dem Pro­dukt klebt.

    Und sicher­leich hast Du recht zur Fra­ge der Wahr­neh­mung wenn Du sagst weiß man doch, nix neu­es, will man nicht hören usw… Aber ich glau­be für vie­le wäre es doch etwas neu­es, wenn sie die Orte des Roh­stoff­ab­baus, der Pro­duk­ti­on und der Ent­sor­gung ihrer schö­nen Han­dys, Com­pu­ter und Fern­se­her sehen könn­ten. Die zeigt einem näm­lich im Media Markt niemand.

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