You can’t have the pie and eat it, too

Introduction I
Timo­thy Simms
Reinhold Pix
Rein­hold Pix

Ges­tern war ja die Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung für den Wahl­kreis Frei­burg-Ost für die Land­tags­wahl. Als Ko-Ver­samm­lungs­lei­ter muss­te ich ges­tern abend ja neu­tral sein (und den­ke, dass mir das auch eini­ger­ma­ßen gelun­gen ist). Als Kreis­vor­stands­mit­glied des KV Breis­gau-Hoch­schwarz­wald freue ich mich sehr, dass unser Abge­ord­ne­ter Rein­hold Pix wie­der nomi­niert wur­de. Trotz – oder viel­leicht auch wegen – all sei­ner Ecken und Kan­ten ist er genau der rich­ti­ge für den oft zitier­ten „länd­li­chen Raum“. Er hat uns im Schwarz­wald in der Tat Türen geöff­net, die vor­her ver­na­gelt und bar­ri­ka­diert waren. Er steht für ein boden­stän­di­ges, manch­mal etwas rup­pi­ges Grün jen­seits der Groß­städ­te. Und genau das brau­chen wir auch in der Landtagsfraktion.

Inso­fern bin froh, dass Rein­hold mit 42 Stim­men der 53 Wahl­be­rech­tig­ten wie­der nomi­niert wur­de. Wenn ich mich im Saal umge­schaut habe, habe ich vie­le Leu­te aus Gun­del­fin­gen, vor allem aber aus dem Dreis­amt­al und aus dem Hoch­schwarz­wald gese­hen. Ich den­ke, dass (fast) alle davon Rein­hold gewählt haben.

Eigent­lich also aller Grund, zufrie­den zu sein. Ganz zufrie­den bin ich nicht, und das hat damit zu tun, dass der Frei­bur­ger Gemein­de­rat Timo­thy Simms nur 11 Stim­men erhal­ten hat. Tim, den ich seit Jah­ren – u.a. aus dem Sozio­lo­gie­stu­di­um und der Hoch­schul­ar­beit – ken­ne und per­sön­lich sehr schät­ze, hat­te sich rela­tiv kurz­fris­tig für die Kan­di­da­tur bewor­ben. Er hat das mit einer sehr urba­nen Bewer­bung getan, mit einem Schwer­punkt auf weit ver­stan­de­ne Kul­tur­po­li­tik und – als Deutsch-Ame­ri­ka­ner – auf Migra­ti­on und Inte­gra­ti­on. Auch das sind The­men, die ich ger­ne in der Frak­ti­on ver­tre­ten gese­hen hät­te. Eben­so wie Rein­hold ist Tim ein unab­hän­gi­ger Geist; eben­falls ein Vorteil. 

Mein liebs­tes Ergeb­nis des Abends wäre also gewe­sen, dass bei­de nomi­niert wor­den wären. Das ist nun aber tat­säch­lich unmög­lich. Ich hät­te also mit bei­den mög­li­chen Ent­schei­dun­gen leben kön­nen – als Kreis­vor­stands­mit­glied des „länd­li­chen“ KVs dann doch mit einer Prä­fe­renz für Rein­hold. Inso­fern bin ich, wie gesagt, froh über das Ergebnis. 

Vor der Ver­samm­lung bin ich davon aus­ge­gan­gen, dass es knap­per wer­den wür­de. Ich bin auch des­we­gen davon aus­ge­gan­gen, weil die Nomie­rungs­ver­samm­lung vor fünf Jah­ren heiß umkämpft war. So unschön das klingt: eine Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung ist nur zu gewin­nen, wenn der Kan­di­dat oder die Kan­di­da­tin vor­her par­tei­in­ter­nen „Wahl­kampf“ macht, wenn für die Per­son gewor­ben wird, wenn, kurz gesagt, Leu­te mobi­li­siert wer­den. Ich weiss, dass Rein­hold hier in den Tagen vor der Wahl­ver­samm­lung noch ein­mal gro­ße Anstren­gun­gen unter­nom­men hat, was sich letzt­lich auch aus­ge­zahlt hat. Um nicht falsch ver­stan­den zu wer­den: es geht hier nicht dar­um, Leu­te zu über­re­den, für den einen oder den ande­ren zu stim­men, sich Stim­men in irgend­ei­ner Form zu erkau­fen. Viel­mehr mei­ne ich damit, dass der Kan­di­dat bei den­je­ni­gen Wahl­be­rech­tig­ten, die von ihm und sei­ner Poli­tik über­zeugt sind, dafür wirbt, die Ver­samm­lung zu besu­chen und so die poten­zi­el­le in eine tat­säch­li­che Stim­me umzuwandeln.

Ich bin davon aus­ge­gan­gen, dass auch Tim in die­sem Sin­ne mobi­li­sie­ren wür­de. Er hat das – wohl bewusst – nicht gemacht, son­dern sich mit sei­ner Bewer­bung der Ver­samm­lung gestellt. Demo­kra­tie­theo­re­tisch ist das vor­bild­haft – fak­tisch hat Poli­tik doch zu viel mit Macht zu tun, als dass die Annah­me, dass die Mehr­zahl der Teil­neh­me­rIn­nen einer Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung dort hin­fährt, ohne nicht vor­her schon zum einen oder zum ande­ren zu ten­die­ren. In einem rela­tiv wei­ten Rah­men ist es dann auch egal, wie die Reden aus­fal­len, wel­che Fra­gen gestellt und wel­che Unter­stüt­zungs­state­ments geäu­ßert wer­den. Viel­leicht las­sen sich damit die Mit­glie­der, die ein­fach als Wahl­be­rech­tig­te gekom­men sind, ohne sich vor­her fest­ge­legt zu haben, in die eine oder in die ande­re Rich­tung bewe­gen. Wah­len und Abstim­mun­gen auf Par­tei­ta­gen schei­nen mir aber nur dann zu gewin­nen zu sein, wenn im Vor­feld, schon vor der eigent­li­chen Ver­hand­lung, vie­le von einer Sache oder einer Per­son über­zeugt wor­den sind, sich ihre Mei­nung also schon gebil­det haben – und dann auch teilnehmen. 

In die­ser Per­spek­ti­ve wird eine Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung dann zu einem Ort, an dem es weni­ger dar­um geht, wer am Abend bes­ser auf­tritt, span­nen­der spricht, die wich­ti­ge­ren The­men ver­tritt – son­dern zu einem Ort, an dem sich ent­schei­det, wem es vor­her bes­ser gelun­gen ist, in der Par­tei für sich zu wer­ben. Und natür­lich – das hat­te Tim in sei­ner Bewer­bungs­re­de ange­spro­chen – sind die Vor­aus­set­zun­gen dafür nicht gleich. Gera­de in der Situa­ti­on, dass ein neu­er Kan­di­dat oder eine neue Kan­di­dat gegen den oder die amtierende(n) Abgeordnete(n) antritt, scheint es ohne mas­si­ve Wer­bung im Vor­feld nicht klap­pen zu können.

Es lie­ße sich jetzt noch viel dazu sagen, wie unde­mo­kra­tisch es ist, das letzt­lich die – mehr oder weni­ger zufäl­li­ge – Zusam­men­set­zung der Wahl­ver­samm­lun­gen in den aus­sichts­rei­chen Krei­sen dar­über ent­schei­det, wer mit einer hohen Wahr­schein­lich­keit in den Land­tag gewählt wird; dass Macht zu einer geo­ma­the­ma­ti­schen Ange­le­gen­heit wird. Solan­ge wir in Baden-Würt­tem­berg kein Lis­ten­wahl­recht haben, ist die Situa­ti­on aber so. Und natür­lich ist es eine Illu­si­on, zu glau­ben, dass ein Lan­des­par­tei­tag, der eine Lis­te auf­stellt, nach kom­plett ande­ren Regeln abläuft. Auch dort sind es – neben allen ande­ren Fak­to­ren – eben auch die vor­her mobi­li­sier­ten Netz­wer­ke und Grup­pen, die mit dar­über ent­schei­den, wie aus­sichts­reich eine Kan­di­da­tur ist.

Trotz­dem hät­te die Lis­ten­wahl den Vor­teil, dass die räum­li­che Begren­zung weni­ger strikt aus­fällt. Natür­lich könn­te Tim – als über­zeug­ter Frei­bur­ger ist das aber sehr unwahr­schein­lich – es noch in einem ande­ren Wahl­kreis ver­su­chen, etwa in Tübin­gen oder in Stutt­gart. Aber dass dort jemand „von außer­halb“ nomi­niert wird, ohne dass es dafür sehr gute Grün­de gibt, kommt kaum vor – schon allei­ne des­halb, weil die Fra­ge, wie groß das poten­zi­ell mobi­li­sier­ba­re Netz­werk inner­halb der loka­len Par­tei ist, eben eine ent­schei­den­de Bedeu­tung hat. Die­se loka­le Begren­zung wür­de also bei einer Lis­ten­wahl auf­ge­weicht (durch das Dele­gier­ten­prin­zip und den Wunsch, die eige­ne Regi­on auch im Par­la­ment ver­tre­ten zu sehen, gibt es de fac­to auch bei der Auf­stel­lung von Lis­ten gewis­se „Pro­por­ze“). Dann könn­te ich mei­nen Kuchen haben und ihn essen. 

So muss ich dabei blei­ben, gleich­zei­tig zufrie­den und unzu­frie­den mit dem Wahl­er­geb­nis zu sein. 

Was mir der Abend aber auch noch­mal gezeigt hat: es ist sehr leicht, und der Zuschnitt des Wahl­krei­ses ver­lei­tet gera­de­zu dazu, Stadt und Land als Bina­ri­tät zu kon­stru­ie­ren; fest­ge­macht an der Zuge­hö­ri­ge­kit zum einen oder zum ande­ren Kreis­ver­band, und dann schnell – ich habe es am Anfang die­ses Tex­tes ja auch getan – pola­ri­sier­bar auf „Land­the­men“ und „Stadt­the­men“. Es ist sehr leicht mög­lich, so zu tun, als wären das sich aus­schlie­ßen­de Gegen­sät­ze; mei­ner Beob­ach­tung nach haben bei­de Kan­di­da­ten sich auch genau so posi­tio­niert. Rein­hold als Agrar- und Tou­ris­mus­po­li­ti­ker, für den selbst Ver­brau­cher­schutz im Boden ver­an­kert ist – und Tim als Groß­stadt­kul­tur­po­li­ti­ker, für den der länd­li­che Raum nur Aus­flugs­ku­lis­se ist. 

Auch des­we­gen bin ich mit dem Ver­lauf der Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung nicht ganz zufrie­den: den ich bin fest davon über­zeugt, dass es gera­de wir Grü­ne sind, denen es gelin­gen kann, die­sen schein­ba­ren Gegen­satz zu über­win­den. Kul­tur fin­det auch außer­halb der Stadt­gren­zen statt, und Agrar- und Ver­brau­cher­po­li­tik spielt sich auch im städ­ti­schen Super­markt ab. Dazu kommt die rea­le Unschär­fe der schö­nen Pola­ri­tät. Wer mit der Höl­len­tal­bahn vom Frei­bur­ger Haupt­bahn­hof bis in den Schwarz­wald hoch­fährt, fährt durch ein Kon­ti­nu­um aus Innen­stadt, Grün­der­zeit­stadt­vier­tel, sub­ur­ba­ner Vor­stadt, sub­ur­ba­ner Gemein­de, länd­li­cher Gemein­de. Die Gren­zen sind längst nicht so fest gezurrt, wie man­che das ger­ne hätten.*

Da liegt viel­leicht auch ein The­ma, mit dem ich mich in Zukunft stär­ker beschäf­ti­gen könn­te – nicht nur mit dem poli­ti­schen Hin­ter­grund als Vor­stands­mit­glied des „länd­li­chen“ Kreis­ver­ban­des Breis­gau-Hoch­schwarz­wald, der „urban“ geprägt und in der Stadt Frei­burg wohnt, son­dern auch mit dem, was mir in mei­ner beruf­li­chen Beschäf­ti­gung mit Agrar­so­zio­lo­gie und Forst­po­li­tik so unter die Fin­ger gekom­men ist. Ich wer­de dar­über nachdenken!

War­um blog­ge ich das? Ich bin mir gar nicht so sicher, ob es legi­tim ist, der­ar­ti­ge Gedan­ken – die ja auch ein biß­chen dem Hei­le-Welt-Bild inner­par­tei­li­cher Mit­be­stim­mung wider­spre­chen – öffent­lich zu machen. Trotz­dem sehe ich es als Auf­ga­be an, über die Gren­zen hin­aus zu den­ken, statt sie zu ver­fes­ti­gen. Und das Nach­den­ken über die gest­ri­ge Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung mit ihrem für mich nicht ganz ein­fa­chen Ergeb­nis ist dazu ein Anlass.

* Neben­bei gesagt: auch unter dem Aspekt inter­es­sant, dass die Abgren­zung Stadt/Landkreis ein kla­res sozia­les Kon­strukt mit vie­len Kon­tin­gen­zen ist – zum Bei­spiel gehö­ren zur Stadt Frei­burg auch eini­ge rich­tig länd­li­che Gemein­den am Tuni­berg – die viel damit zu tun hat, wel­cher Gemein­de in den 1960er und 1970er Jah­ren ein Hal­len­bad ver­spro­chen wer­den konn­te und wo ein Bür­ger­haus gebaut wur­de. Die natu­ra­le „Bio­re­gi­on“ zieht dage­gen ganz ande­re Gren­zen, die ihre eige­ne Wirk­mäch­tig­keit haben.

11 Antworten auf „You can’t have the pie and eat it, too“

  1. Och, sag doch lie­ber mal was zum Inhalt. 

    Zum Titel: Goog­le mein­te, dass pie nicht so unge­wöhn­lich ist, hat­te wegen dem „too“ am Schluss extra noch­mal nach­ge­schaut. Jeden­falls für eher klei­ne Fall­zah­len von „nicht so ungewöhnlich“.

  2. inhalt­lich kann ich dazu wenig sagen, da ich mich weder für die grü­ne par­tei noch den wahl­kreis so beson­ders inter­es­sie­re. kann auch nicht abschät­zen, ob ein fünf­tel der stim­men für einen neu­ling, der gegen den amts­in­ha­ber antritt, nun so beson­ders wenig ist. und was für eine bedeu­tung die kan­di­da­tur noch hat – denn von einem sieg wird timo­thy simms ja nicht aus­ge­gan­gen sein.
    was du zur struk­tur inner­par­tei­li­chen wahl­kampfs und zur über­zeich­nung des stadt-land-gegen­sat­zes schreibst, klingt plausibel.
    jeden­falls gut, dass sol­che din­ge öffent­lich bespro­chen wer­den – mehr rück­mel­dun­gen ande­rer invol­vier­ter wären natür­lich noch besser.

  3. Till hat die Stadt – Land – Wahl­kreis – Thematik
    bereits sehr dif­fe­ren­ziert und deut­lich dargestellt.
    Viel­leicht noch einen klei­nen Kom­men­tar aus mei­ner Sicht zum The­ma „Mobi­li­sie­ren und Wer­bung für sei­ne Per­son machen“.
    Wenn ein Kan­di­dat davon aus­geht, dass er am Wahl­abend durch sei­ne Rede über­zeugt, auch die die eigent­lich schon fest­ge­legt sind dadurch gewinnt,dann ist dass ent­we­der sehr naiv oder es han­delt sich um eine Spass­kan­di­da­tur, um den Namen für ande­re Posi­tio­nen zu erwärmen.
    Als Mit­ent­schei­der des Abends (neu­es Grü­nes Mit­glied) war ich doch sehr über­rascht über den Inhalt der Rede von Herrn Simms. Wes­halb soll­te ich einen Land­tags­kan­di­da­ten auf­stel­len für den absolut
    länd­li­chen Wahl­kreis, wel­cher die politischen
    Schwer­punk­te in der Inte­gra­ti­on und der Kunst/Kultur sieht? Die­se Zwei­fel konn­te er ein­fach nicht ausräumen.Zudem ließ er es offen, ob er das Stadt­rats­man­dat auf­gie­bt – oder nicht. Das hat mich sehr ver­un­si­chert, hier brauchts eine Festlegung.
    Nach mei­ner Ein­schät­zung war die Bewer­bung nicht aus­ge­reift und ein Schnell­schuss ohne Konzept.
    Herr Simms hat sei­ne Qua­li­tä­ten, wel­che in einem urba­nen Wahl­kreis zum Tra­gen kom­men könnten.

  4. So länd­lich ist der Wahl­kreis 46 auch wie­der nicht. Gemes­sen am Bevöl­ke­rungs­schwer­punkt ist er über­wie­gend städ­tisch und suburban.
    In der grü­nen Sicht­wei­se sind sol­che Wahl­krei­se ger­ne mal „länd­lich“. Das liegt his­to­risch bedingt dar­an, dass ganz zu Beginn nahe­zu alle Land­tags­man­da­te in städ­ti­schen Wahl­krei­sen errun­gen wur­den, spä­ter dann auch in sub­ur­ba­nen. In wirk­lich länd­li­chen Wahl­krei­sen hat­ten und haben grü­ne Kan­di­da­tIn­nen bedingt durch das Wahl­sys­tem kaum Chan­cen. Das hat man natür­lich schon bald als Pro­blem erkannt und bemüh­te sich so, kon­ti­nu­ier­lich vor allem in aus­sichts­rei­chen sub­ur­ba­nen Wahl­krei­sen Per­so­nen zu nomi­nie­ren, die die The­men des länd­li­chen Rau­mes bedie­nen konn­ten. Neben Frei­burg I betrifft das aktu­ell auch den WK Leonberg.
    Bei der hier beschrie­be­nen Kon­stel­la­ti­on kam noch hin­zu, dass ein „Neu­er“ gegen einen amtie­ren­den Abge­ord­ne­ten antrat. Sowas geht erfah­rungs­ge­mäß nur dann gut, wenn sich zuvor in der Mit­glied­schaft eine gewis­se Unzu­frie­den­heit mit der bis­he­ri­gen Arbeit des Abge­od­ne­ten breit­ge­macht hat. Das war hier aber offen­sicht­lich nicht der Fall. Man gesteht Abge­ord­ne­ten ger­ne zwei oder drei Legis­la­tur­pe­ri­oden zu, da all­ge­mein bekannt ist, wie lan­ge es dau­ert, sich in bestimm­te Fel­der detail­liert ein­zu­ar­bei­ten und inner­halb einer Frak­ti­on ein Stan­ding zu erar­bei­ten. Eini­ge schaf­fen es dann sogar, nach zehn oder 15 Jah­ren aus frei­en Stü­cken abzutreten.
    Eine ins­ge­samt aus­ge­wo­ge­ne Zusam­men­set­zung der Frak­ti­on kann man in Baden-Würt­tem­berg über Kan­di­da­tIn­nen­auf­stel­lun­gen kaum her­bei­füh­ren. Zwar kön­nen wir Grü­nen mehr als etwa SPD oder FDP ganz gut ein­schät­zen, wel­che Wahl­krei­se sicher, aus­sichts­reich, wacke­lig oder aus­sichts­los sind. Die Bereit­schaft, den Wahl­kreis für Aus­wärts­kan­di­da­tu­ren frei­zu­räu­men, ist aller­dings gering, da alle Erfah­rung zeigt, dass loka­le Per­sön­lich­kei­ten bes­ser Stim­men zie­hen kön­nen – die vor­aus­sicht­li­che Unter­stel­ler-Kan­di­da­tur in Stutt­gart IV darf da auch mit Inter­es­se beob­ach­tet werden.
    Die Gefahr ist da, dass wie 2006 in man­chem aus­sichts­lo­sen Wahl­kreis durch einen etwas zu laschen Wahl­kampf Stim­men ver­schenkt werden.

  5. Kay, die feh­len­de Länd­lich­keit des WK 46 aus dei­ner Sicht scheint mir ein Effekt der Durch­schnitts­bil­dung zu sein – sehr hohe Bevöl­ke­rungs­dich­te in der Stadt Frei­burg, dann eini­ge sub­ur­ba­ne Gemein­den und – je höher es in den Schwarz­wald hin­auf­geht – neben der Stadt Titi­see-Neu­stadt dann eini­ge für bad.-württ. Ver­hält­nis­se rich­tig länd­li­che Gemein­den. Also anders als bei den eher homo­ge­nen sub­ur­ba­nen Wahl­krei­sen im mitt­le­ren Neckar­raum, durch die Hete­ro­ge­ni­tät zwi­schen Stadt und Schwarz­wald­dör­fern aber auch noch­mal anders als im All­gäu oder in der Hohen­lo­he (und natür­lich nicht zu vgl. mit Bran­den­burg oder Mecklenburg-Vorpommern).

    Mal sehen, wenn die aktu­ell progn. 20% tat­säch­lich zu Stan­de kom­men, wie dann die Frak­ti­on aussieht …

  6. @Kay Kar­pin­sky & Till:

    Wie ist denn in die­ser Hin­sicht der WK Tübin­gen einzustufen?

    Bei der CDU unter­lag inter­es­san­ter­wei­se am Wochen­en­de die über­aus popu­lä­re „städ­ti­sche“ Kan­di­da­tin Lisa Feder­le, Stim­men­kö­ni­gin der letzt­jäh­ri­gen Gemein­de­rats­wahl, knapp einem Beam­ten­typ mit Schnauz­bart und bis­he­ri­gem Orts­vor­ste­her des 1280 See­len Dor­fes Bai­sin­gen. „Die Ver­samm­lung sang zum Abschluss das Lied der Deut­schen.“ Lapi­da­rer Kom­men­tar der Neckar­praw­da Schwä­bi­sches Tag­blatt: „Kehrt in Rich­tung Map­pus-CDU“.

    Die fünf grü­nen Kandidat_innen sind wohl alle eher städtisch.

  7. Nicht unin­ter­es­sant sind hier die inter­ak­ti­ven Kar­ten des sta­tis­ti­schen Lan­des­am­tes. Ich habe hier mal drei Screen­shots gemacht. Die ers­te Kar­te zeigt die grü­nen Stim­men bei der Land­tags­wahl 2006, die zwei­te das sel­be für die Wahl­krei­se (2006 nicht iden­tisch mit 2011, dort sind noch ein paar Schwarz­wald­ge­mein­den zu Frei­burg I dazu­ge­kom­men). Die drit­te Kar­te ist die Bevöl­ke­rungs­dich­te nach Gemein­den. Orange/rot ein­ge­zeich­net sind die Kreis­gren­zen – Breis­gau-Hoch­schwarz­wald ist das „Spie­gelei“ im Südwesten.


    Grü­ne Stimm­an­tei­le bei der Land­tags­wahl 2006 nach Gemein­den: weiß < 7%, dun­kel­grün > 11%


    Grü­ne Stimm­an­tei­le bei der Land­tags­wahl 2006 nach Wahlkreisen


    Bevöl­ke­rungs­dich­te nach Gemein­den: hell­blau < 110 Ew/km²; baby­blau < 260 Ew/km²; blau < 410 Ew/km²; dun­kel­blau > 410 Ew/km²

    Jetzt kön­nen wir das gan­ze auch noch über­ein­an­der­le­gen (quick & dir­ty … – die Wahl­kreis-Gren­zen 2006 sind hier schwarz eingezeichnet):

    Sicht­bar wird hier, dass der WK 46 tat­säch­lich sowohl bei den Stim­men als auch bei der Bevöl­ke­rungs­dich­te einen Gra­di­en­ten von West nach Ost auf­weist. Beim WK Tübin­gen (genau in der Mit­te der Kar­te) ist das nicht so ausgeprägt.

  8. Im WK Tübin­gen gibt es durch­aus ein Ost-Süd­west-Gefäl­le, nur ist das nicht erkenn­bar, da ers­tens der Schwel­len­wert von 11% zu nied­rig ist, um die Unter­schie­de noch zu erken­nen. Zwei­tens ist Rot­ten­burg am Neckar eine sehr groß­flä­chi­ge Gemein­de und die Ergeb­nis­se der Dör­fer am west­li­chen Ende sind so auch nicht ersichtlich.
    Tübin­gen ist nun aus grü­ner Sicht ein weit­ge­hend urba­ner Wahl­kreis mit Umland und ein paar Dör­fern am west­li­chen Rand. Aus CDU-Sicht ist es ein teils länd­li­cher, teils sub­ur­ba­ner Wahl­kreis mit einer komi­schen Stadt am öst­li­chen Rand. Die Zusam­men­set­zung der Mit­glied­schaft ergibt bei der CDU ger­ne mal eine anti­ur­ba­ne Grund­stim­mung, deren Nutz­nie­ßer im vor­lie­gen­den Fall der Orts­vor­ste­her des tübin­gen­ferns­ten Dor­fes war. Als Gegen­kan­di­dat ist der jetzt natür­lich sehr dankbar.
    Durch den Wahl­kreis­neu­zu­schnitt ver­liert der WK Tübin­gen drei Tübin­ger Vor­or­te an den WK Reut­lin­gen. Aus grü­ner Sicht nutzt das vor allem den Reut­lin­gern, ohne dass Tübin­gen einen Scha­den dar­aus hät­te. Für 2006 ist noch ein sich auf den gesam­ten Wahl­kreis erstre­cken­der Palm­erbo­nus (ca. drei Pro­zent­punk­te) zu berück­sich­ti­gen. Auch der WK Biber­ach riss nur durch den Metz­ger­bo­nus (ca. sie­ben Pro­zent­punk­te) aus dem Grund­mus­ter aus, auch wenn Ober­schwa­ben für eine länd­li­che Regi­on tat­säch­lich sehr grün ist.

    Zur Zusam­men­set­zung der Frak­ti­on nach dem jüngs­ten Umfra­ge­er­geb­nis (37/25/20/7/5):
    Die von mir unter Berück­sich­ti­gung eini­ger schwie­rig zu erklä­ren­der Annah­men ermit­tel­te Sitz­ver­tei­lung wäre 65 – 43 – 33 – 11 – 9. Der Ein­zug der PDL ist für die Man­da­te der ande­ren ohne Belang, da alle Regie­rungs­be­zir­ke in den Aus­gleichs­mo­dus über­ge­hen. Die SPD gewän­ne einen Wahl­kreis (Mann­heim-Nord), vier Wahl­krei­se wären grün: Stutt­gart-Mit­te (mit deut­li­chem Vor­sprung), Hei­del­berg (knap­per Drei­kampf), Frei­burg-West (knapp vor SPD) und Tübin­gen (knapp vor CDU, Palm­erbo­nus schon raus­ge­rech­net). Die grü­ne Ver­tei­lung auf die Regie­rungs­be­zir­ke wäre 13 – 8 – 7 – 5. Damit kämen beim gegen­wär­ti­gen Trend auch Wahl­krei­se wie Schorn­dorf, Schwä­bisch Hall, Sins­heim oder Offen­burg in Reich­wei­te eines Man­dats. Auf die Zusam­men­set­zung der Frak­ti­on dürf­te man also tat­säch­lich gespannt sein.

  9. Kay, das macht mich jetzt aber doch neu­gie­rig. In zwei­er­lei Hin­sicht. Zum einen die Klei­nig­keit, wie du unten die Regie­rungs­be­zir­ke sor­tierst (7–5 Südwürttemberg/Südbaden oder anders­her­um?). Und zum ande­ren natür­lich, wie du zu die­ser Pro­gno­se kommst … (Auch die schwie­rig zu erklä­ren­den Annah­men müss­ten sich ja letzt­lich erklä­ren las­sen, sonst ist’s Homöo­pa­thie, oder?).

  10. Die Rei­hen­fol­ge der Bezir­ke ist S – KA – FR – TÜ.

    Zu mei­nen Annah­men: Aus dem Ver­gleich zwi­schen Ergeb­nis­sen Bund (Zweit­stim­me) und Land kann man eini­ge Effek­te des Land­tags­wahl­rech­tes erkennen.
    1. Lager­in­ter­ne Stütz­stim­men zur Stär­kung der Regi­on: Wo SPD-Kan­di­da­tIn­nen wackeln, grü­ne aber chan­cen­los waren (bis 2006 auch durch gerin­ge Wahl­kreis­grö­ßen), war die Ten­denz zu beob­ach­ten, dass rot­grü­ne Wech­sel­wäh­le­rIn­nen stär­ker zur SPD neig­ten als im Lan­des­schnitt, dadurch war das grü­ne Resul­tat auf­fal­lend schlecht. Zu beob­ach­ten in der Ver­gan­gen­heit zum Bei­spiel in Stutt­gart III und IV, Göp­pin­gen, Geis­lin­gen, Heil­bronn, Hei­den­heim, Pforz­heim und beson­ders im WK Balin­gen. In umge­kehr­ter Rich­tung wirkt der Effekt in Baden-Baden und Kon­stanz. Durch Ände­rung der Zweit­man­dats­re­ge­lung sind in eini­gen Wahl­krei­sen Ver­schie­bun­gen zu erwarten.
    2. Gerin­ge Mobi­li­sie­rung durch Chan­cen­lo­sig­keit des eige­nen loka­len Kan­di­da­ten: Auf­fal­lend ist die nide­ri­ge Wahl­be­tei­li­gung in Wahl­krei­sen, die nur den direkt gewähl­ten CDU-Abge­ord­ne­ten durch­brach­ten. Auch hier kann es gera­de in klei­ne­ren Wahl­krei­sen dies­mal ein Aha­er­leb­nis geben.
    3. Per­so­na­li­sie­rung: Bei Aus­tausch popu­lä­rer Kan­di­da­tIn­nen im All­ge­mei­nen Weg­fall ihrer Boni, bei Wie­der­kan­di­da­tur oft Ver­stär­kung des Effek­tes, Ein­fluss auf lager­in­ter­ne Wech­sel­wäh­le­rIn­nen, Aus­wärts­kan­di­da­tu­ren haben es oft schwer.

    Im Ein­zel­nen für Grüns: Weg­fal­len­der Bonus 2011 in Tübin­gen (Pal­mer), Biber­ach (Metz­ger – Man­dat wird kaum zu hal­ten sein), Ulm (Oel­may­er). Gerin­ge Aus­wir­kun­gen für Bie­tig­heim (Unter­stel­ler, war Aus­wärts­kan­di­da­tur) und Karls­ru­he (Rastät­ter, aber Kon­ti­nui­tät durch Splett).
    Ver­stär­kung des Effek­tes oder Hal­ten des hohen Niveaus zu erwar­ten in Stutt­gart II (Wölf­le), Leon­berg (Mur­schel), Nür­tin­gen (Kret­sch­mann), Wein­heim (Sckerl), Frei­burg I (Pix), Kehl (Korn­mei­er), Boden­see (Hahn).
    Ver­bes­se­run­gen durch Wahl­rechts­än­de­rung für Stutt­gart III und IV, die Göp­pin­g­er und Rems-Murr-Wahl­krei­se, Schwä­bisch Hall, Mann­heim II, die Orten­au-Wahl­krei­se, Ravens­burg, Wangen.

    Fer­ner hat die NRW-Wahl gezeigt, dass die Zuwäch­se der­zeit im mitt­le­ren Bereich am stärks­ten sind (in den Hoch­bur­gen sind man­cher­orts Gren­zen erreicht, in der Dia­spo­ra hängt es noch).

    Für die Sitz­ver­tei­lung kommt es letzt­lich nur dar­auf an, wel­che Wahl­krei­se die CDU nicht gewinnt. Da wären nach der jüngs­ten Umfra­ge Stutt­gart-Mit­te, Mann­heim-Nord und Frei­burg-West (ob grün oder SPD, ist egal) ein­deu­tig, knapp wären vor allem Hei­del­berg und Tübin­gen. Der etwas para­do­xe Effekt ist da nun, dass Wahl­krei­se, die man der CDU abnimmt, ande­ren­orts Aus­gleichs­sit­ze kos­ten können.

    Von den sie­ben grü­nen Man­da­ten für den RB Frei­burg gin­gen sechs ziem­lich sicher nach Frei­burg-West, Frei­burg-Ost, Kon­stanz, Breis­gau, Emmen­din­gen und Lör­rach. Den sieb­ten Sitz wür­den ver­mut­lich Offen­burg und Kehl unter­ein­an­der aus­ma­chen. Auch in den Bezir­ken Karls­ru­he (HD, KA I und II, MA-Süd, Wein­heim, Baden-Baden, und zwei aus dem Trio Sinsheim/Enz/Ettlingen) und Tübin­gen (TÜ, RT, UL, FN, RV) wäre die Situa­ti­on ziem­lich bere­chen­bar. Nur im RB Stutt­gart ist nach den fünf Siche­ren (S I, II und IV, NT, LB) ziem­lich viel möglich.

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