Bildungsungerechtigkeit

In gut einer Woche soll ich ja beim taz.lab mit über die Fra­ge „Pri­vi­le­gi­en gra­tis: Wie (un)gerecht ist die Cam­pus-Maut?“ dis­ku­tie­ren. Mal abge­se­hen davon, dass ich ziem­lich über­zeugt davon bin, dass in den Panel-Auf­ma­cher zu vie­le ver­schie­de­ne Fra­ge­stel­lun­gen rein­ge­packt wur­den, bin ich immer noch am Nach­den­ken dar­über, was ich eigent­lich davon hal­ten soll, dass es dar­um gehen soll:

Wir wol­len in dem Panel dar­über spre­chen, wo Bil­dungs­ar­mut in der Repu­blik herrscht und wie man Bil­dungs­un­ge­rech­tig­keit bes­ser bekämp­fen kann: Indem man die Stu­di­en­ge­büh­ren abschafft? Oder indem man das Schul­sys­tem radi­kal umbaut? 

Mich stört vor allem das „oder“, das ja impli­ziert, dass es einen exklu­die­ren­den Zusam­men­hang zwi­schen der Abschaf­fung von Stu­di­en­ge­büh­ren und dem Umbau des Schul­sys­tems gibt. Ich will nach wie vor beides.

Aber dar­über wer­de ich noch ein biß­chen wei­ter nach­den­ken. Hier geht’s mir jetzt erst­mal um die Ergeb­nis­se eines klei­nen Expe­ri­ments. Ich hat­te bei Twit­ter vor­her mal ganz offen nach­ge­fragt,

Was ist das zen­tra­le Pro­blem, wenn es um Bildungs(un)gerechtigkeit in Deutsch­land geht? 

Dar­auf hagel­te es zwar nicht gera­de Ant­wor­ten, aber die, die kamen, waren sich alle ziem­lich einig:

1 x der Bildungsföderalismus,

6 x das Schul­sys­tem („Das hört sich zu ein­fach an, aber zen­tral ist m.A. das drei­glied­ri­ge Schul­sys­tem. Es soll Unter­schie­de zemen­tie­ren – und tut es.“, „gro­ße Klas­sen, zuwe­nig indi­vi­du­el­le För­de­rung der Schwä­che­ren, die nicht in ihrer Frei­zeit von Aka­de­mi­ker­el­tern geför­dert wer­den“, „frü­he Selek­ti­on“, „viel­leicht ist ein pro­blem, dass es für haupt­schü­ler und real-schü­ler immer weni­ger sinn­stif­ten­den und fair ent­lohn­te arbeit gibt, alles dem gymi-fetisch nach­rennt (jeder muss da drauf, da ist die eli­te) und die­sen bedie­nen… wir kom­men so schnell zum kern… drei­glied­rig­keit ist das pro­blem und feh­len­de mög­lich­kei­ten für kos­ten­lo­ses lebens­lan­ges ler­nen…“, „Bil­dungs­un­ge­rech­tig­keit: zu wenig bzw. kei­ne ech­ten Ganz­ta­ges­schu­len; G8 setzt inten­si­ve Mit­ar­beit der Eltern vor­aus – ‚Opfer‘ des jet­zi­gen Schul­sys­tems sind nur begrenzt poli­tisch mobi­li­sie­rungs­fä­hig; so weit auf die Schnelle“)

Hoch­schul­po­li­ti­sche The­men oder gar das Stich­wort Stu­di­en­ge­büh­ren wur­den nicht genannt. Fin­de ich erst­mal inter­es­sant und wer­de bis zum 24.4. auch wei­ter dar­über nach­den­ken, was das bedeu­tet. Na gut, ehr­lich gesagt über­rascht es mich inhalt­lich gar nicht so sehr. 

Bleibt also die Fra­ge: schließt ein Umbau des Schul­sys­tems die Abschaf­fung von Stu­di­en­ge­büh­ren und ande­ren Zugangs­hür­den aus – oder macht deren Abschaf­fung gar unnö­tig? Ich sehe das nicht so, fin­de aber, dass es sich durch­aus lohnt, da wei­ter drü­ber zu dis­ku­tie­ren. Hier im Blog und dann live in Berlin.

War­um blog­ge ich das? Als Teil mei­ner Vor­be­rei­tung auf die Podi­ums­dis­kus­si­on beim taz.lab.

3 Antworten auf „Bildungsungerechtigkeit“

  1. Hi Till,

    m.E. eine klas­si­sche Ver­wechs­lung von Zweck und Mit­tel: Die Abschaf­fung der Chan­cen­un­ge­rech­tig­keit ist der Zweck des Schul­sys­temum­baus (Mit­tel). Die Fra­ge ist dann: Falls das Ziel erreicht wird, sind dann Stu­di­en­ge­büh­ren und Zugangs­hür­den legi­ti­mer als zuvor (Nach­lau­fen­de ein­kom­mens­ab­hän­gi­ge Stu­di­en­ge­büh­ren sind m.E. kei­ne „ech­ten“ son­dern gefühl­te Hürden)?

    Bei­des sind eben­falls Mit­tel zum Zweck, die sich dar­an mes­sen las­sen müs­sen, ob sie tat­s­äh­lich die posi­ti­ven Fol­gen zei­ti­gen, die man sich von ihnen verspricht:

    a) Stu­di­en­ge­büh­ren: Hohe Stu­di­en­qua­li­tät, klei­ne­re Semi­na­re, Wahl­mög­lich­kei­ten, gute Betreu­ung, kein Stu­di­en­stau, schnel­ler fer­tig, schnel­ler im Beruf etc.

    b) Zugangs­hür­den: Sen­kung der Abbre­cher­quo­ten, bes­se­re Aus­bil­dung durch bes­ser moti­vier­te und jeweils fach­lich geeig­ne­te­re Stu­dis etc.

    zu a) Ohne das der Umkehr­schluss zwin­gend wäre: In RHEINLAND-PFALZ ohne Gebüh­ren wird im BA/­MA-Sys­tem nichts davon erreicht (was nicht am BA/MA liegt, davon gern an ande­rer Stel­le mehr)

    zu b) Sind Zugangs­test relia­bel und vali­de? Ich weiß es nicht.

    Du merkst, eine Ant­wort kann ich Dir nicht geben, aber aus Dei­ner einen Fra­ge ein paar mehr schneidern. 

    ;)

    Grü­ße!

    Flo­ri­an

  2. Anstel­le einer eige­nen Ant­wort ein Link, aus dem her­vor­geht, was her­aus­kommt, wenn ein grü­ner Dia­spo­ral­an­des­ver­band eine LDK mit dem Schwer­punkt Bil­dung durch­führt: http://www.gruene-mv.de/partei/gremien/landesdelegiertenkonferenz/ldk-wismar-2010.html.
    Erläu­te­run­gen mei­ner­seits dazu:
    B1 (Hoch­schul­an­trag): nicht unum­strit­ten, vor allem zwi­schen Ros­tock und Greifs­wald. Eine gro­ße Linie „Bil­dungs­ge­rech­tig­keit“ ist bei die­sem The­ma auch nicht ein­fach zu zie­hen, da alle mög­li­chen spe­zi­fi­schen Details zu ihrem Recht kom­men wollen.
    B2 (all­ge­mei­ner Antrag): Stellt weit­ge­hend den grü­nen Kon­sens dar, ohne dabei groß anzuecken.
    B3 (Schü­ler­be­för­de­rung): Regio­na­les Spe­zi­fi­kum dünn­be­sie­del­ter Flächenländer.
    B4 (Umwelt­bil­dung): Grü­nes Alleinstellungsmerkmal.
    Natür­lich muss man bei einer LDK auch auf die Aktua­li­tät reagie­ren. Der Ansatz, sich bevor­zugt um das Schul­sys­tem zu küm­mern, ent­springt letzt­lich auch der Ver­mu­tung, dass man hier die mög­li­che Wir­kung ein­zel­ner Maß­nah­men bes­ser beur­tei­len kann. Hoch­schu­len, so schön ihre Auto­no­mie sein könn­te, sind ger­ne mal ein wenig zu „dis­kret“.

  3. Wenn es pri­mär um Gerech­tig­keit gehen soll, und die Ände­rung des Schul­sys­tems das Mit­tel ist, ist m.M. nach der Umbau des föde­ra­len Bil­dungs­fli­cken­tep­pichs der ers­te not­wen­di­ge Schritt. 

    Kul­tur­po­li­tik Län­der­sa­che klingt ja erst­mal gut gemeint, aber in der Rea­li­tät läuft es meist auf einen ideo­lo­gi­scher Pro­fi­lie­rungs­spiel­platz diver­ser Popu­lis­ten hin­aus. Auf Kos­ten der Kin­der und der Zukunfts­fä­hig­keit des Landes.

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