Nicht alles, was sich wiederholt, muss schlecht sein. Mir jedenfalls gefällt das neue, wieder von Seyfried gezeichnete Plakat des grünen Direktkandidaten, Hans-Christian Ströbele, für den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin. „Augenzwinkernd pathetisch“ schreibt der Tagesspiegel – das trifft es gut, und das gefällt mir. Ich jedenfalls drücke Christian die Daumen für einen erneuten Direkteinzug in den Bundestag.
Ach ja, Björn Böhning. Das ist der SPDler („Sprecher der SPD-Linken“, Mitarbeiter von Wowereit, der nicht auf die Landesliste gewählt wurde und im Wahlkampf auf billige PraktikantInnen setzt), der meint, dieses Plakat mit „Überraschungslos – Spannungslos – Ideenlos“ kommentieren zu müssen. Dass ein gutes grünes Plakat dem SPD-Gegenkandidaten nicht gefällt, wird wohl niemand wundern. Dass ein derartiger Null-Kommentar auch in der wortreichen Erläuterung nicht besser wird, auch nicht.
Und warum macht er das? Wohl, weil Hans-Christian Ströbele mit der witzigen Seyfried-Adaption der französischen Revolutionsikonografie dem SPD-Plakat (die Berliner Zeitung beschreibt es als „Mini-Obama in Kreuzberg“) die Show gestohlen hat. Bilder davon finde ich im Netz noch keine, aber wenn’s tatsächlich ein unironischer Versuch sein sollte, Obamas „Hope“ zu kopieren, dann wäre neben „einfallslos“ auch „völlige Selbstüberschätzung“ eine gute Beschreibung.
Update: (10.8.2009) Ein Exemplar des Böhning-Plakats habe ich noch immer nicht gesehen, dafür das definitiv niveaulose Plakat der CDU-Kandidatin, Vera Lengsfeld (siehe auch Süddeutsche).
Update 2: Böhning sieht so aus – auf seinem eigenen Webauftritt fehlt das Plakat allerdings immer noch. Nettes Plakat, die Obama-Anleihe ist weit weniger schlimm als befürchtet – besonders gewagt finde ich’s allerdings auch nicht.
Update 3: Auch das Plakat der Kandidatin der LINKEN, Halina Wawzyniak, überrascht eher durch Körpereinsatz als durch inhaltliche Spannung.
Update 4: (11.08.2009) Alle vier Plakate im Vergleich nochmal im Tagesspiegel.
Ein wirklich tolles Plakat. Ist mir gestern auch sofort aufgefallen, da ja fast gesamt Fhain-Xberg damit zugepflastert ist. Nur schade das der Ströbele (wie viele andere Politiker auch) sich der Netzgeneration kaum verpflichtet zu fühlen scheint. Anders kann man deren Kommentare in diesem: http://www.youtube.com/watch?v=C0Q41F6m1_E Video wohl nicht deuten. Auch wenn ich mich von den Grünen im Großen und Ganzen vertreten fühle. Wenn so ein wichtiger Punkt des modernen Lebens ausgelassen wird, können auch bunte Farben nicht mehr helfen.…
Bei einem inzwischen 70-jährigen erwarte ich nicht, dass er suggeriert, zur Internetgeneration zu gehören. Was ich allerdings erwarte, ist ein Vertreten von Bürgerrechtspolitik auch im Netz. Und da ist Ströbele ganz sicher der richtige – bis hin zum bunten Plakat, das wohl – wenn der Tagesspiegel in seiner Berichterstattung nicht lügt – auch das Thema „Gegen Vorratsdatenspeicherung“ auf einem der kleinen Transparente aufgenommen hat.
Immer wieder kommt auch bei Ströbele dieses Video. Nagut, ok. Es nervt mich aber trotzdem, weil, als ich damals diversen Politikern wegen §202 Emails schrieb, Ströbele der einzige war von dem ich prompt eine kompetente und persönliche Antwort bekam worin er zwar zugab, eher wenig Ahnung von Netzwerktechnik zu haben (verlangt ja auch keiner), die aber meine Befürchtungen und Kritik ernst nahm. Mag ja sein, daß das vom Vorzimmer kam (war eine c+p Textschnipsel drin, den auch andere bekamen, der Rest war direkt an mich gerichtet) – aber von den anderen (z.B. meinen) MdBs von CDU und SPD kam nichts bzw. ein „schöne Grüße und lmaa“. In diesem Sinne…
Ich empfehle dazu einen Artikel der Taz. Hat jemand schon das Plakat der Linken Kandidatin gesehen?
http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/busen-wahlkampf-in-berlin/
Ja, siehe Update oben bzw. hier.
@Julius: Das Video ist ja nicht nur für Ströbele repräsentierend, sondern für die gesamte Meute an Politikern die meinen eine oder zwei Generationen (wenn nicht sogar mehr) trotz fehlender Antizipationen derer Lebenstile mit Hilfe von Buzzwords die sie selbst nicht verstehen, an sich (bzw. die jew. Partei) binden zu wollen.
Wie gesagt, mein Herz führt grünes Blut, aber wenn ein Bereich der meinen Beruf _und_ meine Freizeit in so großem Maße berührt (fast schon bestimmt) nicht in meinem Sinne (wenn überhaupt in auch nur kleinster Weise bzw. mit gängigen indifferenten Allgemeinplätzen) beachtet wird, kann ich nicht ohne ein Für- und Abwegen ausschließlich Grüne wählen.
Ich denke dass wird sich in der Wahl auch dadurch zeigen, dass es ein großes „Splitter-Wählen“ geben wird. Erststimme die und Zweitstimme jene.
@all, aber da es in dem Thread ja eigentlich um schöne und weniger schöne Plakate geht: da haben die Grünen natürlich schon deshalb gewonnen, weil das Plakat gar nicht grün sondern BUNT ist.
@Klara: Erststimme Ströbele, Zweitstimme Piraten?
Zur Auseinandersetzung um grüne Netzpolitik steht abgesehen davon hier einiges.
@Klara:
„[…] aber wenn ein Bereich der meinen Beruf _und_ meine Freizeit in so großem Maße berührt (fast schon bestimmt) […]“ – ist bei mir nicht anders.
Ich sag mal so: Es gibt keine Partei, deren Vostellungen sich mit meinen deckt. Wie soll das auch gehen? Ich sehe nur auch, daß das Netz in RL im Vergleich zu ‚den Stammtischen‘ mikroskopisch klein ist und Netzpolitik ebenso. Ohne in Lobhudelei verfallen zu wollen sehe ich bei den ‚alten‘ Grünen wenigstens noch ein Verständnis für das Verlangen nach Bürgerrechten und Freiheit und bei der neuen Generation eine Abkehr von Technikfeindlichkeit (und nicht nur zu Wahlkampfzwecken), also ein gewisses Potenzial und eine Überschneidung mit meinen Interessen.
Ströbele gönn ich sein Direktmandat – aber wie ich das sehe stehen uns eh min. 4Jahre schwarz/gelb bevor. So gesehen: Spielt es eine große Rolle, ob man den Grünen zur Opposition oder den Piraten zu mehr Geld in der Parteikasse verhilft? *seufz*
Der richtiger Mann in der falschen Partei.
Ströbele ist ein willkommenes Feigenblatt für die Grünen
Was Kriegseinsätze angeht fällt er bei den Grünen unter Minderheitenschutz.
Beispiel gefällig
http://www.bundestag.de/parlament/plenargeschehen/abstimmung/20090702_awacs.pdf
klaus keller hanau
Ohne jetzt das wirklich seltsame Lengsfeld-Plakat verteidigen zu wollen, aber werben die Grünen in NRW nicht neuerdings mit entblößten Hintern?
http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/news/meldungen/wirbel-um-rassistisches-plakat/
Besonders niveauvoll scheint mir das ja auch nicht zu sein… Auch beim Plakatmotiv mit Ströbele als fahnenschwenkendem Anführer der Massen gruselt es mich ob der RAF-Verstrickungen eher – aber mich soll das Plakat ja auch gar nicht ansprechen.
http://www.focus.de/politik/deutschland/80er-jahre-gericht-sah-stroebele-als-raf-aufbauhelfer-an_aid_417881.html
Ist das eigentlich Karl Marx auf der Wolke über den Demonstranten? Wenn ja, dann verstehe ich die Botschaft nicht so wirklich…
Zum Kaarster Plakat: finde ich auch nicht gut.
Zu Marx: je nach Vorliebe des Betrachters oder der Betrachterin darf das glaube ich entweder als augenzwinkernd-ironisch oder als Hinweis auf die bleibenden sozio-ökonomischen Verdienste des klugen Analytikers Marx gewertet werden.