Naja, keine Ahnung, ich bin mir noch nicht mal sicher, ob ich da schon mal war. Morgen früh geht’s jedenfalls nach Dortmund, zur 29. Ordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen, oder schlichter, zu unserem Bundesparteitag zum Thema Europawahl, zur BDK. Ich bin einer der drei Delegierten des Kreisverbandes Breisgau-Hochschwarzwald, insgesamt sind es ca. 840 Delegierte. Mit etwas mehr als 0,1 % trage ich also zur innerparteilichen politischen Meinungsbildung bei.
Symbolbild
Der Parteitag fängt am Freitag um 16.00 Uhr an; ich werde allerdings schon vorher da sein. Um meinen Hotelschlüssel abzuholen, vor allem aber, um am AntragstellerInnen-Treffen teilzunehmen. Das sind Treffen, bei denen die Antragskommission vorstellt, wie sie plant, mit den einzelnen Änderungsanträgen zu den Leitanträgen umzugehen. Der Entwurf für das Europawahlprogramm, um den es hier vor allem geht, hat ungefähr sechzig Seiten, dazu gibt es ungefähr 600 Änderungsanträge. Üblicherweise werden sehr viele davon „modifiziert übernommen“ (d.h. oft, dass aus einem neuen Absatz ein Halbsatz rausgepickt und eingefügt wird) oder es wird versucht, die AntragsstellerInnen dazu zu bewegen, ihre Anträge zurückzuziehen. Je Themenfeld bleibt dann eine Handvoll an Anträgen, die tatsächlich – manchmal auch mit längeren Debatten, oft aber nur mit knapper Vorstellung/Gegenrede – zur Abstimmung gestellt werden.
Anträge können grüne Orts‑, Kreis- und Landesverbände, der Bundesvorstand, die Grüne Jugend sowie die Bundesarbeitsgemeinschaften stellen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass 20 Mitglieder zusammen einen Antrag stellen. Ich selbst bin Mitunterzeichner einer ganzen Reihe an Änderungsanträgen – teilweise, weil ich sie inhaltlich sehr überzeugend fand, teilweise, aber auch weil mir die Diskussion darüber wichtig ist. „Federführend“ bin ich Antragsteller bei den Anträgen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaft, Hochschule und Technologiepolitik (BAG WHT), die sich – von zwei Ausnahmen abgesehen – auf den Programmteil „6. Kultur und Bildung“ beziehen. In der Antragsübersicht fangen die Änderungsanträge zu diesem Teil bei „EP-01–2074“ an, das heißt übersetzt: „Änderungsantrag zum Europawahlprogramm (Antrag EP-01), Änderungswunsch ab Zeile 2074“. wie auch die anderen Änderungsanträge werden diese morgen vor Sitzungsbeginn verhandelt. Ich habe es schon häufig erlebt, dass ein Teil der politischen Erfolge hier stattfindet: wenn die Antragskommission bereit ist, etwas zu übernehmen, dann steht es meist nachher auch im Programm. Abstimmungen sind dagegen – so ist das mit der Demokratie – immer riskant.
Inhaltlich geht es der BAG WHT vor allem um Präzisierungen in fachlicher Hinsicht und um die eine oder andere Zuspitzung hinsichtlich der Rolle, die Wissensgesellschaft, Forschungsförderung und selbstständiges Lernen im vereinten Europa einnehmen sollen. Ich bin gespannt, wie das morgen läuft.
Konkret geht es auf der BDK in zweifacher Hinsicht um die Europawahl. Zum einen soll – wie bereits erwähnt – das Europawahlprogramm beschlossen werden. Zum anderen wird die bundesweite Liste von Bündnis 90/Die Grünen für die Europawahl am 7. Juni 2009 aufgestellt werden. Anders als die meisten anderen Parteien stellen wir für die Wahl zum Europäischen Parlament keine Landeslisten auf, sondern eine einheitliche Bundesliste. Das heißt, in Dortmund treten jede Menge Menschen an, die einen der zehn bis zwölf aussrichtsreichen Listenplätze ergattern wollen. Neben politischer Fachkompetenz und Strömungszugehörigkeiten spielt dabei auch der Regionalproporz eine Rolle: einige treten mit Voten ihrer jeweiligen Landesverbände an (für Baden-Württemberg sind das Andreas Braun und Heide Rühle), andere treten „votenlos“ und quasi auf eigene Faust an. Dazu kommt – bei Grüns selbstverständlich – die Frauenquote, d.h. die ungeraden Plätze (1, 3, 5, …) sind für Frauen reserviert.
Insgesamt sind bisher 44 Bewerbungen eingegangen. Gewählt werden 30 Listenplätze, von denen zehn bis bei extrem gutem Abschneiden vielleicht fünfzehn einigermaßen chancenreich sind. Deutschland stellt 99 Abgeordnete im Europäischen Parlament.
Wieso trotzdem 30 wählen? Da es nur eine bundesweite Liste gibt, ist nicht sichergestellt, dass die EP-KandidatInnen gleichmäßig übers Land verteilt sind. Je mehr Leute da im Wahlkampf als EP-KandidatInnen auftauchen, umso besser. Der baden-württembergische Landesparteitag hat deswegen beschlossen, den Bundesverband aufzufordern, die Liste auf 40 Plätze zu erweitern. Soweit ich das sehe, ist aus dieser Aufforderung allerdings kein konkreter Antrag, der dann ja ein Änderungsantrag zum Wahlverfahren sein müsste, erwachsen.
Ob 30 oder 40: spannend sind vor allem die ersten 16 Plätze. Und da gibt es einige, die auf die Liste wollen. Ich selbst bin mir noch nicht in jedem Punkt sicher, wenn ich wähle – und halte es für wenig aussichtsreich, jetzt schon Prognosen abzugeben, was nachher bei rauskommt. Ich gehe davon aus, dass Reinhard Bütikofer und Sven Giegold sowie einige der jetzigen Europaabgeordneten unter den ersten 12 zu finden sein werden. Aber fest ist da noch nichts.
Neben der Europadebatte wird es auch eine Resolution zum Nahostkonflikt und diverse V‑Anträge geben.
Berichterstattung im Netz findet sich sicherlich bei Twitter (mit dem „Hashtag“ #bdk09), auf gruene.de, vor allem aber bei den fünf „Blogticket-Bloggern“ (via):
- TagesschauM von Marcel Emmerich
- Korbis Blog von Korbinian Deuchler
- Hobby-Garten-Blog von Heiner Otterstedt
- Die Welt Ist Scheisse von Achim Meißner
- Politikmaschine von Bastian Dietz
Ob ich selbst dazu kommen werde, mich online zu melden, weiss ich noch nicht. WLAN soll es in der Messehalle leider nicht geben, und vom Handy aus zu twittern und zu bloggen, ist mir eher zu teuer. Außerdem bin ich mit Antragsverhandlungen und politischer Meinungsbildung vermutlich gut ausgelastet – schließlich bin ich ja als Delegierter da, und nicht zum Vergnügen ;-) We will see.
Warum blogge ich das? Um in die Geheimnisse der Parteitage, der weitgehend unerforschten Machtmaschine unserer Republik, einzuführen.