Manchmal beschäftige ich mich ja mit der orangefarbenen Partei, die nicht so recht weiß, wo sie hinwill. Bei den letzten Wahlen gab es spektakuläre Pleiten, und die Gates sind so berechenbar geworden, dass niemand mehr Popcorn will. Trotzdem bin ich ziemlich sicher, dass die Piraten bei der Europawahl im Mai über die Drei-Prozent-Hürde kommen werden. Weil drei Prozent bei einer 2,x‑Prozent-Partei eine andere Dynamik auslösen als fünf Prozent als Hürde. Weil sie sich vermutlich mit TTIP profilieren werden. Und weil viele Wählerinnen und Wähler die Wahl zum Europäischen Parlament immer noch für unwichtig halten. Oder, was meint ihr?
Kurz: der EU-Profiler
Es gibt ja einige Zwei-Achsen-Politiksortierer. Die Europawahlen sind schon fast ein Jahr vorbei, trotzdem ist mir der EU-Profiler erst heute über den Weg gelaufen. Der unter anderem von der Freien Universität Amsterdam entwickelte Profiler adaptiert das System, über einige Fragen zum politischen Standpunkt eine politische Einordnung auf zwei Dimensionen hinzukriegen, für die EU. Die Achsen sind dementsprechend „sozioökonomisch links/rechts“ und „für/gegen die europäische Integration“. Mein linksgrünes Ergebnis ist links zu sehen (anklicken zum Vergrößern) – noch spannender als meine eigene Position finde ich aber die vielen Konfetti-Punkte. Die stehen nämlich für die Positionierung einzelner Parteien – z.B. für die verschiedenen grünen Parteien in Europa. Und da gibt’s zwar ein klares Cluster (eher links, stark pro-europäisch) – aber auch ziemlich starke Abweichungen. Und bei den anderen Parteien sieht’s nicht besser aus.
Liebe SPD-Wähler! – und ein P.S. für die Piraten
Ich habe ja keine Ahnung, ob hier Anhängerinnen und Anhänger einer der sozialdemokratischen Parteien mitlesen. Aber, weil’s jetzt um jede Stimme geht, sprech ich doch einfach mal euch, liebe SPD-Wähler an, und zitiere meinen großen VorsitzendenSpitzenkandidaten zur Europawahl, Reinhard Bütikofer, den Mann mit den vielen Namen:
Liebe SPD-Wähler,
gegenwärtig ist viel davon die Rede, wie viele Millionen Arbeitsplätze in der gegenwärtigen Krise noch verloren gehen. Und dass deswegen die Umwelt zurück stehen müsse. Wenig wird dagegen diskutiert, wie neue Arbeitsplätze entstehen. Und was die Ökologie der Ökonomie zu bieten hat. Wir sagen Ihnen: es ist möglich, in den nächsten 5 Jahren mehr als 5 Millionen neuer, grüner Arbeitsplätze in ganz Europa zu schaffen, davon 1 Million allein in Deutschland. Wenn die Politik dafür die richtigen Rahmenbedingungen setzt, statt vor mächtigen Lobbies zu kuschen.
Es geht um einen Grünen New Deal! Es geht um Jobs bei Solartechnik, Windenergie, Erdwärme, um Jobs aufgrund konsequenter Innovation bei der Energie-Effizienz, bei Autos mit alternativen Antrieben, Gebäudesanierung, nachhaltiger Landwirtschaft – in großen, schon bestehenden Industrieunternehmen, in neuen Start-Ups, in mittelständischen Firmen, in Landwirtschaft und im Handwerk. Diese Jobs sind nachhaltig und verflüchtigen sich nicht mit der nächsten Krise! Viele für eine solche Grüne Job-Offensive notwendige Entscheidungen werden im Europaparlament zu treffen sein. Nun bestreite ich nicht, dass manches von dem, was da zu tun ist, auch von vielen Sozialdemokraten unterstützt wird, und dass es manche Sozialdemokraten gibt, die vieles von dieser Agenda richtig finden. Aber der SPD als Partei fehlt die Entschlossenheit und Konsequenz.
Deshalb bitte ich Sie darum, auch wenn es schwer fällt, diesmal lieber grün zu wählen. Denn ohne starke Grüne fehlt der Kompass, damit auch die sozialdemokratischen Abgeordneten die richtigen Entscheidungen fällen. So war es in vielen Entscheidungen bei rot-grün. So ist es heute auch im Europäischen Parlament, wo die Sozialdemokraten schon viel zu lange große Koalition mitspielen statt klare progressive Alternativen zu Barroso & Co. zu verfechten. Also: Diesmal bitte grün!
Überzeugt? Oder gar kein SPD-Wähler? Reinhard hat sich in seinem „offenen Brief“ auch an eine ganze Reihe weiterer Zielgruppen gewendet. Ich fordere jeden und jede, der oder die noch skeptisch ist, ob er oder sie am Sonntag grün für Europa wählen möchte dazu auf, sich Reinhards Brief mal in Ruhe anzuschauen. Sehr verbindlich und sehr ehrlich findet er da ziemlich gute Argumente, warum genau jetzt nur eine Stimme für grün eine gute Stimme ist.
Warum blogge ich das? Weil Wahlkampf ist, und Reinhards Brief – neben so schönen Sachen wie „3 Tage wach“ und der Twitter-Mitmach-Seite – jetzt einfach verbreitet werden muss.
P.S.: Wer eher zur Piratenpartei als zur SPD tendiert – was ich ja prinzipiell verstehen kann -, der sei auf dieses Statement zur Netzpolitik von Jan Philipp Albrecht hingewiesen. Jan ist Kandidat der Grünen auf Platz 12 der Europaliste. Wenn Bündnis 90/Die Grünen ein gutes Ergebnis einfährt (so etwa 12 %), dann ist mit Jan ein richtig guter Netzpolitiker im europäischen Parlament. Wenn nicht, nicht. Auch hier gilt also: jede Stimme zählt!
Wen wählen? (Teil I – Europa)
Bei der Europawahl jetzt am Sonntag ist es relativ einfach. Zwar treten ungefähr dreißig Parteien zur Wahl an, aber „dank“ der bundesweiten Fünf-Prozent-Hürde reduziert sich die Auswahl der Parteien, die Chancen haben, Sitze zu erringen, beträchtlich. 2004 entsprach die Fünf-Prozent-Hürde beispielsweise etwa 1,3 Mio. Stimmen. In anderen Ländern mag es – z.B. bezüglich der Piratenpartei – anders aussehen, aber wer in Deutschland möchte, dass seine oder ihre Stimme nicht nur zur Parteienfinanzierung beiträgt, sondern mit darüber entscheidet, wie das europäische Parlament zusammengesetzt ist, muss eine der etablierten Parteien wählen.
Nebenbei bemerkt: bei der ersten Europawahl 1979 kamen die Grünen – damals noch als „Sonstige politische Vereinigung“, die Parteiengründung erfolgte erst ein Jahr später – aus dem Stand heraus auf 3,2 %. Das wird von AnhängerInnen der Piraten gerne als Indiz dafür genommen, dass der Weg ins europäische Parlament möglich ist. Aber erstens schafften es selbst die Grünen erst fünf Jahre später, zweitens stand damals wohl, soweit ich zeitgenössische Berichte und Erzählungen kenne, noch viel stärker als heute hinsichtlich der Netzpolitik eine breite öffentliche Stimmung in Richtung „Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien“, Umweltschutz und soziale Bewegungen. Bei aller Begeisterung einzelner über die dezentrale Kampagnenfähigkeit der Piratenpartei glaube ich deswegen nicht, dass Geschichte sich wiederholt (auch nicht als Farce).
Aber ich schweife ab. Zurück zur Frage „Wen wählen?“. Zur „Auswahl“ stehen bei mir jetzt also noch Bündnis 90/Die Grünen, CDU, CSU (die wohl leider über die Fünf-Prozent-Hürde kommen werden), DIE LINKE, FDP (wäre ja schön, wenn der Koch-Mehrin-Skandal ein bißchen dazu beiträgt, die FDP-Höhenflüge abzudämpfen) und SPD.
Auswahl in Anführungszeichen, weil ich als Parteimitglied der Grünen hier natürlich nicht lange überlegen muss. Ich bin mit unserem „Green New Deal für Europa“ ebenso wie mit unserer Liste sehr zufrieden (und WUMS etc. finde ich auch klasse). Diese Übereinstimmung bestätigt auch der Wahl-o-mat, der zwar bei mir für „DIE FRAUEN“ noch ein klein wenig mehr an Übereinstimmung ausspuckt, aber s.o. zum Thema Kleinstparteien. Und dass unsere Liste sich in Europa für Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit stark machen wird, steht für mich außer Frage.
Aus einer etwas unabhängigeren Perspektive kommt übrigens heute die Redaktion der Financial Times Deutschland zu der selben Wahlempfehlung für die Europawahl – unter anderem deswegen, weil wir „nicht nur das längste, sondern auch das ausgefeilteste Programm“ haben und konkrete Projekte vorschlagen, wo andere mit Merkel WIRren, auf schöne Gesichter setzen oder vor allem sagen, wen sie nicht mögen. Wer noch Fragen zum grünen Europawahl hat, kann diese übrigens ab sofort bei der Aktion „3 Tage wach“ der grünen Bundesgeschäftsstelle loswerden.
Also: alles klar für Europa, mein Kreuz bei grün (irgendwo oben auf dem angeblich einen Meter langen Stimmzettel). Ein wenig anders sieht die Situation für die Kommunawahl aus. Dazu mehr in Teil II.
Warum blogge ich das? Teils als Wahlempfehlung, teils als Einblick in das Innenleben eines Parteimitglieds.
Nachtrag: Eine Übersicht über das Europa-Wahlrecht in den einzelnen EU-Staaten findet sich bei wahlrecht.de.
Nachtrag 2: Hier noch der „Offene Brief“ – an SPDlerInnen, NichtwählerInnen, Bayern und Angela Merkel – unseres Spitzenkandidatens Reinhard Bütikofer. Absolut lesenswert!
Kurz: Premiere auf der BDK – Europawahlspot
Bis auf die Stelle, wo plötzlich Atommüllfässer herumkullern – klar, grünes Thema, aber die Story? – gut gemachter Spot zur Europawahl. Wurde gerade auf der BDK zum ersten Mal gezeigt. Jetzt auch hier ;-)