Wie die taz berichtet (warum auch immer mit dem URL-Kürzel „Attac linkt Grüne“) will Sven Giegold (Attac) für die Grünen ins Europaparlament (die Wahl ist 2009, die Liste wird demnächst aufgestellt). Im selben Artikel wird auch erwähnt, dass die Amnesty-International-Generalsekretärin Barbara Lochbihler ebenfalls für die Grünen ins Parlament will. Reinhard Bütikofer will ebenfalls dort hin, hieß es bei der Ankündigung seines Rückzugs von der Parteispitze. Und dann gibt’s ja auch noch diejenigen, die bereits im Europaparlament sitzen – und sicherlich nicht alle 13 aufhören möchten. Gleichzeitig verliert Deutschland drei Sitze im Parlament (in Zukunft nur noch 96 statt 99). Ich bin gespannt, wer neben den „großen Namen“ noch alles in den Startlöchern sitzt – und sehe im großen Andrang auf die grüne Europaliste erstens ein gutes Zeichen, weil sich da einige aus den Bewegungen und NGOs als „grün“ outen (auch wenn ich Giegolds Ablehnung des Grundeinkommens nicht so gut finde), und stelle zweitens fest, dass das Europäische Parlament inzwischen doch einiges an Gewicht gewonnen hat, selbst wenn echte Demokratie auf EU-Ebene noch ein ganzes Stück weit weg ist.
Update: (26.08.2008) Julia ist ganz begeistert von Giegolds Kandidatur-Ankündigung.
Ja, ich habs auch begründet. Und die taz ist ja auch begeistert, immerhin widmet sie dem Tatbestand Giegold ihre heutige Titelseite.
Da ist Musik drin!
Naja, ich finde es durchaus gut, dass jemand, der sich mit Attac und Bewegungsstiftung profiliert hat, jetzt für die Grünen ins EP will. Die Fangesänge fand ich dann allerdings doch etwas übertrieben (deswegen vielleicht die unterschwellige Bissigkeit meines Updates).
Deine Begründung (etwas zusammengefasst): „modernes politisches Denken + street credibility“ fand ich allerdings etwas knapp. Kann aber auch daran liegen, dass ich keine Ahnung habe, was Sven Giegold jenseits der Globalisierungskritik für Positionen vertritt.
Ah, verstehe – nee, da hätten wir wirklich einen profilierten Wirtschafts- und Finanzpolitiker für internationale Politik. Der Mann ist Wirtschaftswissenschaftler und kann seine Positionen sowohl der Presse als auch in politischen Gruppen hervorragend rüberbringen. Überdies hat er mit seinem Kirchentags-Kram (hab ich keinen Zugang zu, deswegen die Flapsigkeit) interessante weitere Facetten jenseits des puren „Isch bin Links, Alter!“
Dachte, es ist bekannt, was Sven Giegold so tut und wofür er steht. Hoffe sehr, dass es mit der Liste klappt.
Ich habe mir schon immer gewünscht, dass er sich bei den Grünen engagiert, und dass er dies jetzt wirklich in dieser Intensität tut, das ist mir eine große Freude – deswegen die Fangesänge.
Dass Sven Giegold sich gut mit internationaler Wirtschaftspolitik auskennt, ist mir durchaus bekannt, ebenso, dass er auch was in die Richtung studiert hat. Ich kann mir (Kirchentage hin oder her, keine Ahnung, was er da macht, ist nicht meine Welt) auch gut vorstellen, dass er in eine grüne EP-Fraktion passt (und finde es aus ganz unterschiedlichen Gründen sinnvoll, dass Attac nicht allein mit der Linkspartei gleichgesetzt wird). Die interessante Frage für mich – und die hast du immer noch nicht beantwortet ;-) – ist aber, was er zu den Punkten, für die er nicht bekannt ist, so für Positionen hat. Umwelt, Bürgerrechte, Netzpolitik, Integration vs. Abschottung, EU-Erweiterungen, Trennung von Kirche und Staat, aus deiner Perspektive vielleicht noch die Drogenpolitik usw.
Er ist doch gerade wegen der Umweltpolitik zu den Grünen gekommen, und man sieht ja auch, dass attac vermehrt auch in der Klima- und Anti-Kohle-Politik aktiv ist. Gleiches gilt für Anti-Atom. Sven Giegold wird, so ist bei Facebook zu lesen, ja auch beim Castor dabei sein.
Netzpolitisch ist mir Sven noch nicht aufgefallen, was aber kein Nachteil ist, da in diesem Bereich in unserer Partei so gut wie niemand auffällt, toll ist das nicht. Aber wenn sie es nicht raffen, dann raffen sie es halt nicht.
Im Bereich Integration dürfte eine Kritik an der „Festung Europa“ da sein – aber frag ihn doch lieber selbst, ich mein, wofür gibt’s denn Facebook (und Telefone, die gibt’s natürlich auch noch).
Ich will hier nämlich nicht irgendwas verbreiten, was „blöd“ ist.
Stimmt, der Punkt Umwelt war natürlich blöd von mir. ((dass „Jugendumweltbewegung“ was mit Umwelt zu tun haben könnte, sollte mir eigentlich klar sein … siehe seine Website))
Aber vielleicht frage ich tatsächlich einfach mal direkt nach.
Wie ich bei Julia schon schrieb: Sven hat mich freundlicherweise vorhin angerufen um mit mir drüber zu sprechen. Auch wenn es meine eigenen Chancen in meiner EP-Kandidatur nicht unbedingt erhöht (bin ich doch ‘nur’ in der EU-AG von Attac und weniger medienpräsent) begrüsse ich Svens Absicht zu kandidieren ausdrücklich.
Es kann nicht genug gute KandidatInnen geben – da wir viele haben sollten wir das meiner Überzeugung nach auch zeigen und die Länge der Liste entsprechend erweitern, je mehr absehbar wird dass wir viel mehr KandidatInnen haben. Dem Europawahlkampf vor Ort kann das nur nutzen.
Die Meinung des Tübinger Europaabgeordneten Tobis Pflueger (GUE/NGL), Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Attac, zu Svens Kandidatur teile ich an dieser Stelle nicht: Ob Sven einen “sehr schweren Stand in der Fraktion haben wird” zeigt sich erst wenn wir die Liste gemacht haben und abschätzen können wie die nächste Fraktion aussieht – und wie anders als die bisherige.
In der EU-AG von Attac gibt es jetzt heftige Kritik an neueren Aussagen, mit denen sich manche Kriegseinsätze rechtfertigen lassen (Sven geht der Göttinger Beschluss weit genug) und Frust dass es nicht die Linkspartei geworden ist (und wie er das begründet) – aber IMHO wird das auch Attac-Intern als gut für Attac gesehen, wenn es Attacis gelingt das an Positionen was Schnittmenge ist, ins EP zu tragen.
Zwei kurzer Updates (hier, weil’s sonst ja niemand mitkriegt, und es so zumindest in den letzten Kommentaren auftaucht):
1. Sven Giegold hat mir inzwischen auf meine Mail geantwortet und u.a. geschrieben, dass er „die Grünen gerade spannend finde[t], weil sie eben keine autoritäre Partei sind und weil sie die guten Traditionen des Liberalismus verteidigt“. Finde ich auch; gefällt mir, die Einstellung. (Und ebenso seine Aussage, dass er sich nicht als Experte für Bürgerechte und Medienpolitik sieht und auch nichts davon hält, dass PolitikerInnen als ExpertInnen für alles auftreten, wenn sie es nicht sind).
2. Vor einer Woche gab es die erste Aussendung zur baden-württembergischen Landesdelegiertenkonferenz im Oktober. Dort lagen auch die ersten zwei Bewerbungen um Voten für die Europawahlliste dabei, und zwar vom ehemaligen Landesvorsitzenden Andreas Braun (den hatte ich oben noch gar nicht aufgeführt) und von Heide Rühle, schon seit einiger Zeit für die baden-württembergischen Grünen im EP. Ich denke, dass da bis zum Parteitag noch mehr auftauchen werden (z.B. Wolfgang Wettach, oder?), und neben den Voten der Landesverbände für „ihre“ KandidatInnen gibt es dann ja noch den Bundesparteitag (im Januar, IIRC), der die Liste tatsächlich aufstellt.