Es gibt ja einige Zwei-Achsen-Politiksortierer. Die Europawahlen sind schon fast ein Jahr vorbei, trotzdem ist mir der EU-Profiler erst heute über den Weg gelaufen. Der unter anderem von der Freien Universität Amsterdam entwickelte Profiler adaptiert das System, über einige Fragen zum politischen Standpunkt eine politische Einordnung auf zwei Dimensionen hinzukriegen, für die EU. Die Achsen sind dementsprechend „sozioökonomisch links/rechts“ und „für/gegen die europäische Integration“. Mein linksgrünes Ergebnis ist links zu sehen (anklicken zum Vergrößern) – noch spannender als meine eigene Position finde ich aber die vielen Konfetti-Punkte. Die stehen nämlich für die Positionierung einzelner Parteien – z.B. für die verschiedenen grünen Parteien in Europa. Und da gibt’s zwar ein klares Cluster (eher links, stark pro-europäisch) – aber auch ziemlich starke Abweichungen. Und bei den anderen Parteien sieht’s nicht besser aus.
Kurz: Wahlkampf 2.0 der Parteien
Wie der Wahlkampf 2.0 der Parteien wirklich aussieht:
CDU/CSU: Hmm, keine Ahnung. Machen Wahlkampf wie immer und wünschen sich die „heile“ Welt mit der „heilen“ Familie zurück. Ist eh nicht die Zielgruppe. Oder so. (Na gut: unbezahlte PraktikantInnen pflegen die Profile).
SPD: Fällt dadurch auf, dass die Behördenbürokratie im Willy-Brandt-Haus mit allen innovativen Ansätzen kollidiert.
FDP: Versteht darunter drei Millionen SPAM-Emails (wirklich wahr!).
LINKE: Siehe CDU/CSU.
PIRATEN: Spielen Wahlkampf als Augmented Reality Game.
GRÜNE: Kommunizieren drei Tage lange im Wahlkampfendspurt, was das Zeug hält.
Objektive Ästhetik im Freiburger Wahlkampf
Ein zentrales Wahlkampfwerkzeug ist das Plakat. Im Kommunalwahlkampf entfaltet sich hier die freie Kreativität, weitgehend ohne Bindung an zentrale Vorgaben. Umso wichtiger ist es, einen neutralen Überblick darüber zu bekommen. Deswegen hat eine unabhängige Jury – d.h. ich – alle im Freiburger Stadtbild hängenden Wahlkampfplakate gesichtet und anhand der objektiven Kriterien Ästhetik, Originalität, Generierung von Aufmerksamkeit, kommen Inhalte rüber, kommen Personen rüber, und wie oft hängt das überhaupt bewertet. Das Ergebnis erstaunt – Linke Liste und gleich danach die CDU führen an. Eine Partei oder Liste, die mir – nur anhand der Plakate beurteilt, versteht sich – wirklich gut gefällt, habe ich allerdings nicht gefunden.
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Kurz: Hessischer Landtag schafft Studiengebühren wieder ab (Update 6: Gesetz unterzeichnet)
Nicht nur das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren freut sich: der hessische Landtag hat heute mit den Stimmen von SPD, Linkspartei und Grünen – also der faktisch vorhandenen linken Mehrheit, die aber leider nicht konstitutiert werden darf – die Studiengebühren abgeschafft (und zwar sowohl die Langzeitstudiengebühren, die es bis vor einem Jahr gab, als auch die direkten Studiengebühren). Und anders als der Hamburger Kompromiss zwischen CDU und Grünen ist es auch keine Verlagerung der Gebühren nach das Studium, sondern ein echtes Ende der Gebühren. Gleichzeitig soll sichergestellt sein, dass die Hochschulen trotzdem nicht mit weniger Geld rechnen müssen (das macht einige skeptisch).
Interessant dürfte nun sein, ob das Gesetzemachen mit wechselnden Mehrheiten in Hessen funktioniert – das Gesetz umsetzen muss ja nach wie vor die CDU-Regierung. Wenn ja, wäre es nicht nur ein gutes Signal für eine solidarischere Hochschulpolitik, sondern auch ein interessanter Schritt auf dem Weg hin zu einem pragmatischeren Umgang mit Parteigrenzen und Koalitionen.
Update: (5.6.2008) Grade schreibe ich noch von der interessanten Frage, wie die geschäftsführende CDU-Regierung das Gesetz den wohl umsetzen will, da erreicht mich die Nachricht vom „Eklat im hessischen Landtag“ – der geschäftsführende Ministerpräsident Koch meutert und beruft sich auf Formfehler. Anders gesagt: Politiken der wechselnden Mehrheiten scheinen mit Ministerpräsidenten nicht so recht zu funktionieren.
Update 2: (6.6.2008) Der Grund, warum Koch das Gesetz nicht unterschreiben will, ist allerdings auch interessant und wirft kein gutes Licht auf die handwerklichen Fähigkeiten der AutorInnen des Gesetzes – die zentrale Aussage zu vergessen bzw. missverständlich zu formulieren, muss nicht sein. Hoffen wir also, dass das Gesetz nachgebessert wird und Koch dann keinen weiteren Grund hat, es nicht zu unterschreiben.
Update 3: (11.6.2008) Parallel zum politischen Prozess gab’s auch den Versuch, die Studiengebühren mit Verweis auf die in der hessischen Landesverfassung verankerte Schulgeldfreiheit juristisch zu bekämpfen – das ist, mit einem augenscheinlich politisch motivierten 6:5‑Urteil des Landesverfassungsgerichts – gerade gescheitert. Bleibt der politische Weg, der im zweiten Anlauf dann vielleicht auch mal klappt.
Update 4: (17.6.2008) Mit der erneuten Abstimmung scheinen die Studiengebühren jetzt endgültig abgeschafft (wann Koch unterschreibt, weiss ich allerdings auch nicht). Spiegel Online berichtet vom Ende der „Partnerschaft zwischen Parlament und Regierung“ – jetzt wird’s wohl um Neuwahlen oder eine knappe rot-grün-rote Mehrheit gehen.
Update 5: Die Tagesschau verknüpft die Hessenfrage nicht mit der hessischen Machtpolitik, sondern mit dem Hinweis darauf, dass CDU und Grüne im Senat in Hamburg wohl inzwischen die Grundzüge der dortigen nachgelagerten 375-Euro-Gebühren beschlossen haben. Als eines der aus grüner Sicht wichtigsten Gesetzesvorhaben aus dem Koalitionsvertrag bleibt abzuwarten, wie gut das unter schwarzer Federführung tatsächlich gelingt.
Update 6: (3.7.2008) Hessen: Gesetz unterzeichnet, Haushaltssperre verhängt.
Kurzeintrag: Hessenwahl
Hessen bleibt spannend, aber aus links-grüner Perspektive stellt sich doch vor allem die Frage, „Wie lange will sich die Sozialdemokratie noch in einer Koalition mit den Christdemokraten quälen, wenn es doch eine Mehrheit für eine progressive Politik gibt?“. Nachdem die FDP offensichtlich nicht regieren will, frage ich mich das auch, und meine: gerade im ja doch grün gesehen sehr realpolitischen Hessen wäre rot-rot-grün ein interessantes Experiment. Von mir aus auch – vgl. Geschichte der Grünen – als Lafontaine-Cohn-Benditsche Duldung.