Nach einem wunderbar sonnigen Sonntagsspaziergang sehe ich mich in der Lage, der Tatsache ins Auge zu blicken: Dieses Blog verliert an Attraktivität.
Zum einen geht die Zahl der Zugriffe deutlich zurück, Flattr wirft nur noch Groschen ab, ähnliches gilt für die VG Wort; auch die Zahl der Kommentare sinkt rapide. Zum anderen habe ich das Gefühl, dass die Themen, zu denen ich wirklich interessante Dinge zu sagen hätte, oft zu nah an meinem Job dran sind. Das führt zu einer ganzen Galerie von Scheren im Kopf. Ein Beispiel: Gefühlt könnte ich zu großen hochschulpolitischen Ereignissen wie dem Hochschulfinanzierungsvertrag Perspektive 2020, der in wenigen Tagen unterzeichnet wird, zwar einen Artikel schreiben, in dem die damit verbundenen Errungenschaften gelobt werden (und da gibt es in der Tat einige), würde mich aber schwer damit tun, eine ausgewogene Analyse zu schreiben, in der auch kritische Punkte beleuchtet werden. Also sage ich tendenziell eher nichts dazu.
Gleichzeitig ist so ein Rückblick am Anfang des Jahres natürlich auch eine gute Gelegenheit, nochmal die Frage zu stellen, wer mein Blog eigentlich liest (zum Teil weiß ich das – Verwandte, Freunde, Follower, politisch Nahestehende) und was die jeweiligen Erwartungen sind, und ob das Blog diesen (noch) gerecht wird. Auch das möchte ich hiermit tun, nach wie vor besteht die Möglichkeit, Kommentare zu hinterlassen. Und wer will, darf sich auch gerne per Mail oder auf anderen Wegen an mich wenden. (Und ja, ich habe diese Frage vor einem halben Jahr schon einmal gestellt – die Diskussion dort gibt durchaus einige Hinweise).
Damit aber zu den Details des Attraktivitätsrückgangs – und aus diesem Anlass auch zu ein paar Überlegungen zum Medium Blog. (Und als Bonus für alle, die keine Lust auf Statistiken haben: ganz am Ende des Beitrags findet sich noch eine Liste mit Beiträgen aus 2014, die ich gerne zum Lesen empfehle …)
WordPress zählte für das Jahr 2014 knapp 42.000 Zugriffe* und verglich das mit dem Füllstand des Opernhauses von Sydney. Verglichen damit sind 42.000 Zugriffe ganz nett, auf den Tag runtergebrochen bleiben rund 115 Zugriffe, auch das klingt erst einmal gar nicht so schlecht. Allerdings sah das in diesem Blog auch schon ganz anders aus – so gab es im Jahr 2013 rund 58.000 Zugriffe, 2012 knapp 50.000 Zugriffe. Entsprechend lagen auch die Zugriffe pro Tag im Jahr 2013 deutlich höher als 2014. Aber die Durchnschnittswerte sagen nur die halbe Wahrheit – ohne einen massiv verbreiteten Gastbeitrag zur Rückschrittlichkeit der deutschen Hochschulkultur in Sachen Gleichstellung lägen die Durchschnittszahlen noch einmal deutlich niedriger.
Um das genauer anzuschauen, will ich jetzt einfach mal zwei Zahlenreihen zusammenwerfen: Zum einen die „daily averages“, also die durchschnittlichen Zugriffe pro Tag (pro Monat), zum anderen die Zahl der pro Monat veröffentlichen Beiträge. Dabei zeigt sich, dass es bei bei der Zahl der neuen Artikel pro Monat in den letzten Jahren gar keine so großen Veränderungen gegeben hat. Im Durchschnitt waren es seit 2010 13,3 neue Beiträge pro Monat, im Jahr 2014 lag diese Zahl mit 12,25 etwa darunter. In der Summe waren dies 2014 dann 147 neue Beiträge (darunter rund 52 Fotos der Woche). Auch die Abbildung zeigt, dass es einen leichten Rückgang der Zahl neuer Beiträge pro Monat in diesem Blog gibt.
Die Entwicklung der durchschnittlichen täglichen Zugriffe ist dagegen uneindeutiger. Auffällig sind hier die „Peaks“ im März 2011 (Fukushima und Landtagswahl in Baden-Württemberg), im Februar 2012 (ein viel gelesener Text zu Gauck plus einiges zu ACTA), im Mai 2013 (verschiedenes, v.a. aber die Steuerdebatte im Bundestagswahlkampf 2013) sowie im September 2013 (Bundestagswahl und Nachwehen). Der Peak im August 2014 ist auf den bereits erwähnten Gleichstellungstext zurückzuführen.
Wird von diesen Peaks einmal abgesehen, ergibt sich ein „Sockel“ an Zugriffen, der sich von Januar 2010 bis Januar 2012 einmal deutlich abwärts bewegt hat (von ca. 130 Zugriffen auf ca. 80 Zugriffe), um dann nach dem Februar 2012 erneut ein Niveau von durchschnittlich 130 bis 150 Zugriffen pro Tag zu erreichen. Dieses Niveau konnte bis September 2013 – Bundestagswahl! – gehalten werden, um seit Sommer 2014 von den bis dahin noch erreichten 100 bis 120 durchschnittlichen täglichen Zugriffen auf deutlich unter 100 Zugriffe zu sinken.
Zusammengefasst: Während die Zahl der neuen Beiträge sich in einem ähnlichen Maß bewegt wie in den Jahren davor, sinkt das „Sockelniveau“ an Zugriffen auf diese Beiträge. Peaks in den Zugriffszahlen werden entweder durch externe Ereignisse (v.a. Wahlen oder bundespolitische Debatten, in die mich einmische) ausgelöst oder dadurch, dass einzelne Artikel eine Leserschaft erreichen, die über die „StammkundInnen“ (wenn ich euch mal so nennen darf) dieses Blogs hinausgehen – nämlich dann, wenn entweder in großer Zahl eine Multiplikation in sozialen Medien (Twitter und Facebook) stattfindet oder wenn reichweitenstarke Blogs/Onlinemedien auf einzelne Texte eingehen.
Anders gesagt: Solange ich mich nicht aktiv um Suchmaschinenoptimierung und die „Vermarktung“ von Texten über andere Medienplattformen kümmere – und das habe ich nicht vor – bleiben die Peaks mehr oder weniger Glückssache. (Dazu kommen Änderungen bei Aggregatoren wie rivva, die ein „Aufleuchten“ von Peaks auf dem Radar anderer Online-Medienschaffender unwahrscheinlicher machen). Anders sieht es mit dem tendeziell sinkenden „Sockel“ an Zugriffen aus. Neben Menschen, die mein Blog über Feedreader (und ja, dass Ende des Google Readers hat möglicherweise auch einen Einfluss) oder darüber, dass das Blog regelmäßig aufgerufen wird, wahrnehmen, kommen hierzu Zugriffe über Twitter und Facebook.
Auch hier muss ich mich nicht auf meinen Eindruck verlassen, sondern kann die WordPress-Statistik bemühen: 2014 kamen 10763 „Views“ über Suchmaschinen, 4935 über Facebook/Networkblogs und 4908 über Twitter. Alle anderen Blogverlinkungen (inkl. Rivva) führten zu deutlich geringeren Zugriffszahlen zwischen 469 (maedchenmannschaft.net) und 211 (rivva.de) auf der einen Seite und Zugriffen im zwei- oder sogar einstelligen Bereichen bei vielen, vielen anderen Blogs und Medien. Anders gesagt: Solange es nicht wirklich große Blogs mit vielen, vielen LeserInnen sind, bringt die Verlinkung innerhalb der Blogosphäre deutlich weniger an Aufmerksamkeit und Zugriffen als die Vernetzung über die beiden kommerziellen Plattformen Twitter und Facebook. Und wenn Facebook seine Algorithmen ändert, dann ist das sichtbar. (Das klappt, nebenbei gesagt, aber auch nur deswegen, weil mir insbesondere bei Twitter halbwegs viele Menschen folgen …).
Kommentare werden in der WordPress-Statistik nicht erfasst. Gefühlt ist hier aber noch sehr viel stärker ein Exodus zu v.a. Facebook erfolgt. Nur sehr wenige Beiträge lösen tatsächlich eine Diskussion auf dem Blog aus, deutlich mehr werden – ohne dass ich da jetzt nachgezählt hätte – auf Facebook diskutiert. Da es mir mit meinen Texten darum geht, Diskussionen auszulösen und voranzutreiben, ist das zunächst mal nichts schlechtes. Trotzdem ist ein Kommentar im Blog immer noch klar als ein Kommentar (oder ein Like) auf Facebook mit der Botschaft verbunden, dass jemand interessant findet, was ich schreibe, und sich damit auseinandersetzt – das soziale Feedback, das Blogschreiben erst attraktiv macht.
Kurz noch dazu, was in diesem Blog 2014 gelesen wurde. Auch hier hilft WordPress. Interessant ist, dass einige ältere Beiträge darunter sind. Ich gebe die WordPress-Statistik einfach mal wieder:
Interessant an dieser Aufstellung ist zum einen die doch recht niedrige Zahl an Zugriffen, die notwendig ist, um in der TOP 15 zu landen – in den Jahr 2013 beispielsweise hatten die ersten fünf TOP-Beiträge jeweils über 1000 Zugriffe! Zum anderen ist auffällig, dass viele der Texte fast schon einen Service-Charakter haben – also z.B. die Visualisierung der grünen Kommunalwahlergebnisse, oder auch ein Text, der sich letztlich mit der Rentenversicherung bei egalitärer Elternschaft beschäftigt. Originär politische Debattenbeiträge kommen dagegen kaum auf diese Resonanz.
Trotzdem glaube ich nicht, dass der richtige Schluss daraus jetzt wäre, ganz viel Service zu machen. Erstens habe ich dazu nicht die Kapazitäten (auch so ein Thema übrigens). Zweitens habe ich nach wie vor nicht vor, aus dem Hobby „Bloggen“ irgendwas professionalisiertes zu machen. Ich finde die Zugriffszahlen zwar wichtig (sonst würde ich mich damit nicht aufhalten), und finde es auch erfreulich, wenn Blogtexte von mir eine Resonanz finden – bis hin dazu, dass ich darauf angesprochen werden – schreibe aber nach wie vor in erster Linie für mich selbst, und eben nicht für eine wie auch immer geartete imaginäre Zielgruppe. Das heißt auch, dass ich damit leben muss, dass die Texte, die mir am wichtigsten sind, oft fast die sind, die am wenigsten gelesen werden. Drittens glaube ich, dass das Auftauchen von Service-Texten in der TOP-15 eher ein Hinweis darauf ist, dass ich (bis auf den Gastbeitrag) zu wenig Mut und/oder Lust hatte, mich in die großen gesellschaftlichen Debatten auf Bundes- oder Landesebene einzumischen. Das könnte ein Vorsatz für 2015 sein – wobei ich mich nach wie vor nicht berufen dafür halte, fundiertes zur Ukraine, zu ISIS oder zur Eurokrise zu äußern. Und auf Landesebene die eingangs erwähnte Schere im Kopf dazukommt.
Bleibt noch die Formatfrage. Meine Stärke ist Text. Podcasts oder Youtube kann ich mir für mich nicht gut vorstellen – was auch damit zu tun hat, dass ich beide Welten kaum „konsumierend“ nutze. Ich verstehe, dass ein Format zum Nebenbeihören Vorteile hat, finde es persönlich aber eher anstrengend, Menschen beim Reden zuzuhören. In einem Text kann ich Dinge überspringen, kann ihn überfliegen, bevor ich ihn intensiver lese, kann auch Dinge daraus zitieren. Insofern sehe ich mein Blog – ganz altmodisch – nach wie vor als klassisches Hypertextmedium mit Text und Bildern.
Zum Abschluss schließlich noch einige Empfehlungen – Blogbeiträge aus dem Jahr 2014, die mir besonders wichtig sind, die es aber nicht in die TOP 15 geschafft haben:
- Aus dem Januar 2014 stammt die Jugendverbandsnostalgie
- Im Februar 2014 schrieb ich über die Politik des Abgehörtwerdens – und warum ich trotz Massenüberwachung nicht glaube, dass es zu einer massenhaften Anwendung von Kryptographie etc. kommen wird.
- Aus dem April 2014 stammt eine Reflexion zum Home, sweet office und der Entgrenzung von Arbeit.
- Im Mai 2014 habe ich aufgeschrieben, warum ich eine Flucht vom Planeten Erde für unwahrscheinlich halte.
- Ebenfalls im Mai 2014 habe ich mich anlässlich einer Konferenz mit dem Nexus aus Zivilgesellschaft, „Netzgemeinde“ und „transformativer Wissenschaft“ beschäftigt. Bitte lesen!
- Auch der Text aus dem Oktober 2014 zur Digitalisierung als Baustein einer grünen Innovationspolitik könnte noch ein paar LeserInnen vertragen.
- Schließlich noch ein Text aus dem Dezember 2014, in dem es um Aneignung, Macht und kulturellen Wandel geht, und der auch was mit einigen virulenten Debatten zu tun hat.
- Und als Bonus noch die Kategorie Mobiltelefon.
Warum blogge ich das? Zur Selbstvergewisserung, warum ich das eigentlich tue – und natürlich mit dem Wunsch, dass der eine oder andere lange Text aus 2014 so doch noch seine LeserInnen findet. Und ich ein bisschen Feedback dazu bekomme, was in diesem Blog gerne gelesen wird und was nicht. Und natürlich weil’s eine Jahreswechseltradition ist.
* Genau: 41.892 Views durch 27.362 „Visitors“.
** Angaben laut WordPress-Statistik; Pixelstat – die kleinen Zahlen über jedem Beitrag – zählt etwas anders und kommt auf tendenziell etwas höhere Zugriffszahlen als WordPress.
Zuerst einmal alles Gute für das noch junge Jahr 2015.
Warum bloggst Du das? … der eine oder andere Text war mir tatsächlich trotz Feedreader entgangen, die werde ich nachlesen … also Ziel erreicht.
Zu den anderen Punkten. Der mit Abstand am häufigsten gelesene Artikel in meinem Blog ist zugleich einer der unwichtigsten. Er war seinerzeit angesichts eines aktuellen Bezugs in eine sharing-Kaskade geraten. An den Kommentaren und Rückmeldungen konnte ich erkennen, dass die vermeitlichen Leser sich gar nicht die Zeit genommen hatten, den Text wirklich zu lesen. Da stelle ich mir schon die Frage was die hohen Zahlen wert sind.
Den Rückgang des Grundrauschens bemerken viele Blogs. Neben den Gründen, die Du nennst denke ich auch, dass die SEO Seuche immer weiter fortschreitet und die erste Seite der Google Treffer schon mit optimierten Treffern gefüllt ist. Ich unterstelle mal, dass sich nur wenige die Mühe machen überhaupt noch die zweite Seite aufzurufen, auf der immer öfter erst die interessanten Treffer erscheinen.
Ansonsten verbleibe ich als oft stiller und hoffnungsvoller Leser.
Danke für die Rückmeldung und das Dem-Blog-die-Treue-Halten!
Ich habe seit einer ganzen Weile bei mir im Blog einfach sämtliche Statistiken deaktiviert – einfach, weil dann genau das passiert, was dir gerade passiert: Man macht sich zu viele Gedanken über Traffic, Besucher, Verlinkungen und so weiter. Am Ende schreibst du dann polemische Artikel mit Clickbait-Überschriften, weil die gelesen werden.
Schalte den Kram ab, lass die ausufernde Analyse der Postingfrequenz und schreib einfach die Artikel, die du schreiben willst. Das fühlt sich deutlich besser an.
(Ansonsten schreib halt nen Artikel, warum Pegida doof ist und du kriegst Klicks ohne Ende ;) )
Im Prinzip hast du recht – ich probier es mit „die Statistik zur Kenntnis nehmen (und gerne auch ein oder zweimal im Jahr länger dran rumdeuten), aber sich nicht davon beeinflussen lassen“.