Als das iPad herauskam, habe ich sinngemäß geschrieben, dass so ein Tablet ja durchaus reizvoll ist, dass ich aber keine Lust auf den ummauerten Obstgarten von Apple habe.
In der Zwischenzeit tauchten einige Android-Tablets auf. Die wirkten aber entweder billig oder waren teuer (oder beides). Insofern blieb ich erst einmal tabletlos, und dachte, ein Smartphone sei ja fast so etwas. Seit gestern ist nun alles anders: Google hat sein (bzw. das für Google von Asus generalunternommene) Nexus 7 auf den europäischen Markt gebracht. Für 200 Euro in der 8‑GB-Variante, für 50 Euro mehr auch mit 16 GB.
Da konnte ich dann nicht widerstehen. Montag bestellt (im Google Play Store, ehemals Android Marketplace), Dienstag geliefert. (Wenn ich meine Timeline richtig deute, ging das Nicht-Widerstehen-Können einigen so …).
Vielleicht noch ein Wort zu „Nexus“. Wenn ich das richtig verstehe, sind die Nexus-Geräte (Google in Kooperation mit verschiedenen Technologiekonzernen – HTC, Samsung, jetzt Asus) sowas wie Real-Life-Prototypen: Vorbildgeräte für den Android-Markt, mit denen Google den mustergültigen Einsatz seines Betriebssystems vorführt.
Jetzt also das Nexus 7. Mit 7″ ist es etwas kleiner als mein Moleskin-Notizbuch (und ziemlich genau dreimal so groß wie mein Snartphone), dafür wiegt es mehr. Liegt gut in der Hand. Der erste Effekt nach dem Auspacken und Starten dürfte allen Apple-Fans bekannt vorkommen – ein Wow-Effekt, und das Instant-Veraltern des bisher ganz passabel und schick wirkenden. Mein Samsung Galaxy Splus – also das Smartphone, dass ich seit einem Jahr intensiv nutze – wirkte jedenfalls mit einem Mal viel zu leicht, grobpixelig, langsam, kurz: veraltet.
200 Euro für ein Gerät, das durchdacht und hochwertig wirkt (vorne nur die spiegelglatte Glasfläche, die einzigen physischen Knöpfe sind der zum Anschalten und einer für die Lautstärke an der Seite; auf der Rückseite strukturierter Kunststoff mit angenehmer Haptik) – wo ist da der Haken?
Offensichtlich ist der Verzicht auf wohl Verzichtbares. Das Nexus 7 hat keine Kamera (es gibt eine 1,2‑Megapixel-Kamera vorne für Videochat o.ä., aber die zählt nicht). Es hat nur Wifi – wo es kein Wifi gibt, bleibt der Nutzer oder die Nutzerin von allem abgehängt, was in der Cloud liegt. Es gibt keine Möglichkeit, eine SD-Karte einzusetzen (theoretisch müssten über den Mikro-USB-Port Massenspeicher ansprechbar sein, habe ich mangels Adapter noch nicht ausprobiert). Abgespeckt oder schlank, je nach dem.
Weniger offensichtlich: das Nexus 7 ist so etwas wie ein Infektionsvektor, um Google als Content-Anbieter zu positionieren. Es sind kaum Apps beigepackt – aber dafür tragen fast alle „Play“ im Namen. Dazu gibt es eine Gutschrift von 20 Euro für den Play Store. Anders gesagt: die Vision, die Google mit diesem Flagschiff verbindet, ist das Tablet als Medienabspieler. Filme, Musik, Bücher (schönes Format) und Spiele stehen allein schon optisch im Vordergrund. Und Wifi – und damit die Nutzung zuhause.
Das Video on Demand auf dem Nexus 7 funktioniert, zeigt der beigepackte Film „Transformers 3“. Ironischerweise sind das Hauptmotiv dieses Films harmlos wirkende hochtechnische Alltagsgegenstände, die sich in gefährliche Kampfroboteraliens verwandeln. Der Android symbolisierende kleine grüne Roboter wirkt genau so harmlos wie das schicke Nexus-7-Tablet. In was es sich verwandelt, und welche Bissen es aus dem Markt für digitale Inhalte heraus beißen wird, bleibt abzuwarten. Harmlos ist es jedenfalls nicht.
Interessant ist hier Googles Doppelrolle – als Anbieter eines „offenen“ Betriebssystems einerseits und als starker Mitspieler im Handel mit Digitalia andererseits. Noch ist es problemlos möglich, Inhalte anderer Anbieter unter Android zu nutzen – seien es Apps, die im Prinzip auch aus anderen Quellen als Google Play kommen dürfen, seien es die Inhalte, die z.B. auch die Kindle-App anzeigen darf. Wer sich an Microsoft mit Betriebssystem und marktbeherrschenden Anwendungen in den 1990ern erinnert fühlt, dürfte dennoch nicht ganz falsch liegen.
Aber im System integriert und naheliegend ist es eben dann doch der Griff zu Play, das eben nicht mehr als Markt für Apps, sondern als Abspielangebot für Apps, Bücher und Filme fungiert. Und der Ring, der alles zusammenbindet, ist die Google-ID, an der das Gerät hängt, Googlemail, Youtube, Google Play, Google Drive, Google Calendar, Google+ – das ganze digitale Ökosystem eben. Und demnächst Google Now, was auch immer das sein mag.
Nebenbei: Ich machte mir ja anfangs sorgen, wie das ist, wenn Samsung-Handy und Nexus 7 an einem Account hängen. Das ist aber tatsächlich kein Problem. Alle auf dem Samsung installierten Apps werden in Play angezeigt, und können dann installiert werden, oder auch nicht.
Alle? Stimmt nicht ganz. Zum einen hat Samsung seine eigene App-Suite, die auf dem Smartphone vorinstalliert und über Play nicht zugänglich ist. Und zum anderen gibt es eine ganze Reihe von Apps, fie mit dem Nexus 7 bzw. mit Android 4.1 nicht kompatibel sind. Etwa „RetroCamera“ oder die App von Flickr. Oder das nicht mehr unterstützte Flash.
Und: nicht synchronisiert werden (Zugangs-)Daten. Die müssen alle wieder eingegeben werden. Danach läuft das Nexus 7. Bei mir: Twitter und Facebook mig den hauseigenen Apps (Facebook hat dabei eine für die hohe Auflösung sehr kleine, nicht vergrößerbare Schrift). Der Google-Reader. Die Kindle-App. Jorte für Kalender. Jota als Texteditor (mit dem ich grade schreibe). Die App von WordPress für mobiles Bloggen. DB Navigator. Google Maps (das GPS ist übrigens sehr viel besser als beim Splus). Google Chrome war als Browser dabei, Firefox läuft ebenfalls. Hacker’s Keyboard – schön an der Größe ist, nebenbei gesagt, dass sehr viel mehr Platz zum Tippen ist.
Gewöhnungsbedürftig für mich ist noch die Android‑4.1‑Oberfläche, bei der doch einiges anders organisiert ist bzw. anders aussieht. Und die in einigen Punkten – etwa bei der festgelegten Systemschriftart – zu Gunsten eines einheitlichen Erscheinungsbildes deutlich strikter ist als Android 2.3, wie ich es bisher kenne.
Im Fazit: Bisher habe ich den Impulskauf nicht bereut. Als Multimedia- und Social-Media-Tablet für zuhause gefällt mir das Nexus 7 sehr gut. Unterwegs fällt die Wifi-Abhängigkeit auf – hier bin ich noch am Ausprobieren, ob das Gerät trotz lückenhafter T‑Hotspots und weitgehend fehlendem freien W‑Lan unterwegs dabei sein soll. Unsicher bin ich auch noch, ob es bei „Play“ bleibt, oder ob „Work“ dazu kommen wird.
Warum blogge ich das? Nachdem ich gestern mehrfach intensiv getwittert habe, wollte ich es doch nochmal aufschreiben. Auch wenn der Text jetzt auf eine Netzanbindung warten muss (mal sehen, ob es funktioniert, das Samsung als Hotspot einzusetzen – scheint so, durchaus elegant sogar … nur dass WordPress den Artikel jetzt nicht speichern will?!)
Hihi, ein ziemlich schwärmender Artikel :)
Huch … dachte eher, dass ich mich recht kritisch geäußert hätte. Aber wenn du meinst.