„Ihr Antrag ist zulässig, aber unbegründet“

Petrikirche interior III

Im Jahr 2010 wur­de hef­tig dar­über gestrit­ten, ob und wenn ja um wel­che Höhe die Hartz-IV-Regel­sät­ze nach dem dama­li­gen Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts erhöht wer­den soll. Das BVerfG hat­te eine nach­voll­zieh­ba­re Neu­be­rech­nung ange­mahnt, die dann erstaun­li­cher­wei­se zu einem fast iden­ti­schen Ergeb­nis für die Höhe der Regel­sät­ze kamen. Ent­spre­chend lag und liegt die Ver­mu­tung nahe, dass die Regel­satz­be­rech­nung in ihrem Ver­fah­ren an das gewünsch­te Ergeb­nis ange­passt wur­de. Und die inter­nen Unter­la­gen dazu wur­den und wer­den nicht herausgerückt.

Aber wir haben ja das Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz (IFG), dach­te ich mir letz­tes Jahr. Und schick­te eine Mail mit der Fra­ge, was den die mit einer Aus­kunft nach IFG zu den Berech­nungs­un­ter­la­gen für die­se Neu­be­rech­nung ver­bun­de­nen Kos­ten wären, an das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Arbeit und Sozia­les. Ant­wort, auch nach eini­gen wei­te­ren Mails: Stillschweigen.

Ich hat­te die Sache dann auf sich beru­hen las­sen, bis im Stream zur Ver­an­stal­tung »Infor­ma­ti­ons­frei­heit 2.0« die Sei­te fragdenstaat.de vor­ge­stellt wur­de. Die will Anfra­gen nach dem IFG erleich­tern und Ant­wor­ten zusammenstellen.

Wun­der­bar, dach­te ich, fra­ge ich mei­ne Fra­ge nach der Regel­satz­be­rech­nung doch ein­fach noch­mal. Fragdenstaat.de ist gut gemacht – die Fra­ge muss (mög­lichst prä­zi­se for­mu­liert) ein­ge­ge­ben wer­den, wird dann in recht­li­chen Klad­de­ra­datsch inte­griert und im Auf­trag des Fra­ge­stel­lers bzw. der Fra­ge­stel­le­rin an das aus­ge­wähl­te Minis­te­ri­um gesen­det. Kurz dar­auf kam eine Ein­gangs­be­stä­ti­gung – und heu­te dann der Ant­wort­brief des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Arbeit und Soziales.

Das hier war mei­ne Frage:

Ende des Jah­res 2010/Anfang des Jah­res 2011 gab es eine hef­ti­ge poli­ti­sche Debat­te um die Höhe der Hartz-IV-Regel­sät­ze, nach­dem die bis­he­ri­ge Berech­nungs­wei­se sich als ver­fas­sungs­recht­lich pro­ble­ma­tisch her­aus­ge­stellt hat. Die Neu­be­rech­nung der Hartz-IV-Regel­sät­ze kam letzt­lich zu einem fast iden­ti­schen Regel­satz. Um nach­voll­zie­hen zu kön­nen, wie die­se Neu­be­rech­nung zu Stan­de kam, bit­te ich um Infor­ma­tio­nen dar­über, wie genau die Höhe der Hartz-IV-Regel­sät­ze berech­net wur­de, wel­che sta­tis­ti­schen Ver­fah­ren und Erhe­bun­gen dazu her­an­gen­zo­gen wur­den und wel­che Arbeits­an­wei­sun­gen und Vor­schrif­ten zu Beginn des Neu­be­rech­nungs­vor­gangs gemacht wor­den sind. 

Die gesam­te Ant­wort lässt sich hier nach­le­sen (nach­dem ich den Brief des Sozi­al­mi­nis­te­ri­ums abge­tippt habe).

Zen­tra­ler Satz der (ableh­nen­den) Antwort:

„Ihr Antrag ist zuläs­sig, aber unbegründet“ 

Dann fol­gen drei Sei­ten mit (umständ­lich und behörd­lich for­mu­lier­ten) Hin­wei­sen dar­auf, war­um das, was ich wis­sen will, doch längst in Bun­des­tags­druck­sa­chen etc. nach­les­bar ist (und was das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt macht, was eine Ein­kom­mens- und Ver­brauchs­stich­pro­be ist usw.). Ver­wie­sen wird vor allem auf eini­ge im Inter­net öffent­lich ein­seh­ba­re Dokumente:

Das ist eine Men­ge Mate­ri­al, aber so rich­tig glück­lich macht mich die Ant­wort nicht. Ich erle­be das auch in mei­ner Arbeit: Minis­te­ri­en beant­wor­ten kon­kre­te Anfra­gen ger­ne ein wenig umständ­lich, viel­sa­gend und aus­wei­chend. Das, was ich – in mei­ner zuge­ge­be­ner­ma­ßen ad hoc for­mu­lier­ten und unprä­zi­sen Fra­ge – eigent­lich haben woll­te, näm­lich die tat­säch­li­chen inter­nen Akten, auf denen die Neu­be­rech­nung beruht (und nicht nur deren letz­te Inkar­na­ti­on in der Gesetz­ent­wurfs­be­grün­dung) habe ich mit Ver­weis auf die Viel­zahl an öffent­lich vor­han­de­nen Infor­ma­tio­nen nicht erhalten. 

Wenn ich jetzt z.B. ein Jour­na­list wäre, wür­de ich an die­ser Stel­le mög­li­cher­wei­se Wider­spruch ein­le­gen bzw. das gan­ze noch­mal mit einer extrem auf Prä­zi­si­on hin aus­ge­rich­te­ten Fra­ge­stel­lung ver­su­chen. Trotz­dem bleibt bei mir der Ein­druck, dass das Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz ein stump­fes Schwert bleibt, solan­ge die eigent­lich gewünsch­ten Infor­ma­tio­nen nicht schon vor­han­den sind. Wenn ich ganz genau wüss­te, dass in Abtei­lung A dann und dann inter­ne Memos erstellt wor­den wären, in denen sich Hin­wei­se dar­auf fin­den wür­den, dass das sta­tis­ti­sche Berech­nungs­ver­fah­ren aus­ge­wählt wur­de, dass das gewünsch­te Ergeb­nis erbringt, wäre es mög­li­cher­wei­se mach­bar, eine IFG-Anfra­ge genau nach die­sen Unter­la­gen zu stel­len. So aber bleibt mir nur das, was ich durch flei­ßi­ges Recher­chie­ren im Netz auch fin­den wür­de. Die Links dar­auf hat das Bun­des­mi­nis­te­ri­um ordent­lich zusam­men­ge­stellt – mehr aber auch nicht.

War­um blog­ge ich das? Als Wer­be­maß­nah­me für fragdenstaat.de, weil mir die Idee gut gefällt – und als Hin­weis dar­auf, dass auch ein Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz man­che Schreib­tisch­wand nicht durch­bre­chen kann.

2 Antworten auf „„Ihr Antrag ist zulässig, aber unbegründet““

  1. Dar­an erin­ne­re ich mich auch noch: Man­che Minis­te­ri­en ver­su­chen sehr gern sich der par­la­men­ta­ri­schen (und öffent­li­chen) Kon­trol­le durch wol­ki­ge Daten und deren noch wol­ki­ge­re Bewer­tung zu ent­zie­hen. Da nützt der Regie­rungs­frak­ti­ons­sta­tus manch­mal weni­ger als er scha­det. Ich bin gespannt wie sich das mit den neu­en grü­nen Häu­sern so entwickelt.

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