SPDler über ihre Partei

Lesens­wert, und gilt nicht nur für die SPD, son­dern ein Stück weit für das Sys­tem Poli­tik insgesamt: 

> http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,358567,00.html

((sie­he auch: unten))

Auf der Suche nach einem Sündenbock …

… das scheint den aktu­el­len Zustand der SPD gut zu beschrei­ben. Oder wird hier ver­sucht, eine bis­her nicht vor­han­de­ne Koali­ti­ons­kri­se zu erzeu­gen, um dann eine Ver­trau­ens­fra­ge tat­säch­lich zu verlieren? 

> http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,358027,00.html
> http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,358063,00.html (schön Dany Cohn-Ben­dit: die SPD sei inhalt­lich wie emo­tio­nal auf den Stand der 70er Jah­re zurück­ge­fal­len und nicht mehr koalitionsfähig)
> http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,358114,00.html (Josch­ka greift ein)

Das Ende der SPD

Okay – das letz­te rot-grün regier­te Bun­des­land ist ver­lo­ren gegan­gen. Es ist deu­lich, dass es für die aktu­el­le Regie­rungs­po­li­tik kei­ne Mehr­heit gibt. Auch wenn mir nicht klar ist, war­um Leu­te CDU wäh­len, weil ihnen die SPD zu unso­zi­al ist, aber das scheint der Fall zu sein. Was tut die SPD? Der Kanz­ler erklärt sein Pro­jekt für geschei­tert und möch­te des­we­gen im Allein­gang die Bun­des­tags­wahl vor­zie­hen und dann erneut antre­ten – mit dem sel­ben Per­so­nal und dem sel­ben Pro­gramm. Ein Jahr wäre noch Zeit gewe­sen, um zu zei­gen, dass die Bot­schaft der Wäh­le­rIn­nen ver­stan­den wur­de und die Bun­des­po­li­tik doch etwas anders aus­se­hen kann. Nicht ein­fach, mit einer CDU-Bun­des­rats­blo­cka­de. Aber auf­ge­ben? Was kann es für eine schlech­te­re Bot­schaft geben als zu sagen: wir trau­en uns das nicht zu, wir sind mit unse­rem Latein am Ende, wählt uns doch ab? Vor­ge­zo­ge­ne Bun­des­tags­wah­len sind kein Befrei­ungs­schlag, son­dern – zumin­dest, wenn Schrö­der noch ein­mal antritt – ein kla­res Signal für den Back­lash zurück ins Schwarz-gel­be, die Fort­set­zung der Regie­rung Kohl, als wäre nichts gewe­sen. Wenn die SPD jetzt frei­wil­lig alles hin­schmeißt, dann sind unter 25 Pro­zent für die SPD vor­stell­bar; aus den Irra­tio­na­li­tä­ten des bun­des­deut­schen Wäh­le­rIn­nen­ver­hal­tens her­aus wer­den die­se feh­len­den Stim­men zu einem gro­ßen Teil nicht an pro­gres­si­ve Kräf­te gehen – son­dern gleich ans Ori­gi­nal einer fata­len Poli­tik. Der Herbst wird heiß; und viel­leicht tat­säch­lich der Beginn eines Wan­dels des deut­schen Par­tei­en­sys­tems und poli­ti­schen Ver­hal­tens. Oder aber der Beginn einer fros­ti­gen Ära der Kon­ser­va­ti­ven und Neo­li­be­ra­len, ohne gro­ße Hoff­nun­gen auf ein bal­di­ges Ende. Wo bleibt die inner­par­tei­li­che Revol­te in der SPD – statt jetzt unter Anlei­tung von Schrö­der und Mün­te­fe­ring kol­lek­tiv Selbst­mord zu begehen?

> Wahl­er­geb­nis­se NRW 2005
> Schrö­ders Erklärung
> Die Wirt­schaft freut sich

Sozialwahl

Ach­tung: die­ser Arti­kel bezieht sich (sie­he Datum) auf die Sozi­al­wahl 2005. Zu 2011 schrei­be ich viel­leicht auch noch was.

Sozialwahl

… scheint ja irgend­wie extrem wich­tig zu sein. Jeden­falls will einem die Sozi­al­wahl­wer­bung das weiss machen. Anders als bei ande­ren Wah­len ist es aber extrem schwie­rig, etwas über die zur Wahl antre­ten­den Lis­ten zu erfah­ren. Z.B. gibt es auf der URL www.sozialwahl.de erst nach Dut­zen­den Klicks über­haupt eine Über­sicht über die zur Wahl antre­ten­den Lis­ten (näm­lich hier: http://www.sozialwahl.de/text_und_tonarchiv.php ). Naja, eigent­lich stimmt das auch nicht. Der größ­te Teil der dort ste­hen­den Tex­te ist ganz all­ge­mei­nes Wer­be­ma­te­ri­al. Eine ech­te Wahl­bro­schü­re gibt es – für die BfA – erst hier: http://www.sozialwahl.de/getFile.php?id=2 . An Per­so­nen sind dort, wenn über­haupt, nur die Spit­zen­kan­di­da­tIn­nen genannt. Dazu jeweils eine Sei­te all­ge­mei­ne Aus­sa­gen dar­über, was die jewei­li­ge Lis­te aus­macht. Wenn die vier­zehn auf dem BfA-Stimm­zet­tel zur Wahl ste­hen­den Lis­ten zur Ver­tre­ter­ver­samm­lung mal etwas sor­tiert wer­den (näm­lich nach den Lis­ten­ver­bin­dungs­stern­chen – lei­der steht nicht dabei, was „Lis­ten­ver­bin­dung“ eigent­lich hier genau bedeu­tet), dann gibt das grob fünf Blö­cke – als Selbst­aus­sa­ge jeweils ein mar­kan­tes Zitat aus der Bewer­ber­bro­schü­re (die Rei­hen­fol­ge der Lis­ten ist übri­gens abhän­gig vom Ergeb­nis bei der letz­ten Sozi­al­wahl vor sechs Jahren):

1. BfA-Gemeinschaft (Liste 1)

    „Unser Erfolg liegt zual­lerst in der Unab­hän­gig­keit – gewerk­schaft­lich und par­tei­po­li­tisch neu­tral.“ Außer­dem wird eine „star­ke Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung“ gefor­dert. Leis­tungs­be­zo­ge­ne, an die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung gekop­pel­te Rente. 

2. Gewerkschaftslisten

  • ver.di (Lis­te 2) – tre­ten für den Erhalt und die Akzep­tanz der gesetz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung ein 
  • Katho­li­sche und Evan­ge­li­sche Arbeit­neh­mer + Kol­ping­werk (Lis­te 8) – enga­gie­ren sich auf der Grund­la­ge der christ­li­chen Soziallehre 
  • IG Metall (Lis­te 9) – Refor­men kön­nen im bestehen­den Modell vor­ge­nom­men wer­den, das erhal­ten blei­ben soll 
  • DGB, IG BAU, IG BCE, GNGG (Lis­te 11) – das Ren­ten­sys­tem zukunfts­fä­hig machen, indem wir es auf eine brei­te­re Basis stellen 

3. Krankenkassenbezogene unabhängige Versichertengemeinschaften

  • TK-Gemein­schaft (Lis­te 3) – gegen eine Grund­ren­te, für den Abbau von Bürokratie 
  • BAR­MER-Inter­es­sen­ge­men­schaft (gewerk­schafts­un­ab­hän­gig) (Lis­te 6) – gewerk­schafts- und par­tei­un­ab­hän­gig für siche­re Renten 
  • DAK-Mit­glie­der­ge­mein­schaft (gewerk­schafts­un­ab­hän­gig) (Lis­te 7) – Ver­si­cher­te aus Wirt­schaft, Tech­nik und Ver­wal­tung, denen eine stei­gen­de Ren­te wich­tig ist 
  • KKH-Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft (gewerk­schafts­un­ab­hän­gig) (Lis­te 10) – gegen eine steu­er­fi­nan­zier­te Grund­ren­te, für leis­tungs- und bei­trags­ab­hän­gi­ge Rente 

4. Nochmal krankenkassenbezogene Versichtenvereinigungen

  • DAK-VRV (Lis­te 4) – unab­hän­gig von Gewerk­schaf­ten und Par­tei­en (auch http://www.dak-vrv.de/ziele.htm sagt lei­der nicht viel mehr aus, ohne in sozi­al­po­li­ti­schen Debat­ten drin­ne zu stecken) 
  • BAR­MER-Ver­si­cher­ten­ver­ei­ni­gung (Lis­te 5) – Ren­ten­ver­si­che­rung als moder­ne Dienst­leis­tung – Goog­le nennt noch http://www.barmer-vv.de/, sieht auf den ers­ten Blick schön aus, auf den zwei­ten ste­hen da ziem­lich vie­le Dum­my-Tex­te. Aber http://www.barmer-vv.de/ziele.html klingt zumin­dest ganz informativ 

5. Weitere Gewerkschaften

  • dbb Beam­ten­bund und Tarif­ver­bund (Lis­te 12) – siche­re, lohn- und bei­trags­ab­hän­gi­ge Ren­te, weni­ger Bürokratie 
  • Gewerk­schaft der Sozi­al­ver­si­che­run­gen (GdS) (Lis­te 13) – gegen Grundrente 
  • Christ­li­che Gewerk­schafts­bund Deutsch­lands (CGB) (Lis­te 14) – Chris­ten gegen die steu­er­fi­nan­zier­te Einheitsrente 

Wenn den Tex­ten in der Bewer­ber­bro­schü­re etwas ande­res ent­nom­men wer­den kann als die Fra­ge „Kom­pe­tenz“ (die natür­lich alle Lis­ten für sich in Anspruch neh­men), dann geht es (a) um die Gewerk­schafts­ori­en­tie­rung, (b) um die Grund­ren­te und © um Reformen.

Was ist mir wich­tig für eine Wahl­ent­schei­dung? Ich wür­de eine grund­sätz­li­che Reform des Ren­ten­sys­tems begrüs­sen, ins­be­son­de­re die Ein­füh­rung einer Grund­ren­te. Dabei kann es ruhig zu einem Modell­wech­sel kom­men (also kei­ne Reform im Sys­tem, son­dern eine Reform des Sys­tems). Denn scheint mir aber nie­mand zu wol­len. Also nicht wäh­len (vgl. http://www.taz.de/pt/2005/04/23/a0142.nf/text )? Vor­läu­fi­ges Fazit jeden­falls: so rich­tig klar ist mir auch nach der Lek­tü­re der Wahl­bro­schü­re nicht, wen ich wäh­len muss, um mei­ne Inter­es­sen ver­tre­ten zu las­sen. Immer­hin weiss ich jetzt bei eini­gen Lis­ten, dass ich sie nicht wäh­len werde.

P.S.: Nach eini­gem Suchen habe ich auch noch ein paar recht­li­che Grund­la­gen gefun­den: §33 und §§43ff. im vier­ten Sozi­al­ge­setz­buch und die Sozi­al­wahl­ord­nung. Da steht dann unter ande­rem drin­ne, dass es recht kom­pli­ziert ist, Wahl­vor­schlä­ge ein­zu­rei­chen, außer für Gewerk­schaf­ten und ähn­li­che Ver­bän­de. Und dass Lis­ten­ver­bin­dun­gen dazu die­nen, bei der Aus­zäh­lung nach d’Hondt als eine Lis­te berück­sich­tigt zu wer­den und damit Grö­ßen­vor­tei­le zu haben (§48 SGB IV). Das ist wich­tig, weil es eine Fünf-Pro­zent-Klau­sel gibt. Inner­halb der Lis­ten­ver­bin­dun­gen wird dann wie­der­um nach d’Hondt ent­schie­den, wel­che Lis­te wie­vie­le Sit­ze bekommt (§58 SVWO).

P.P.S.: Der Mai­ling­lis­te der Grü­nen Jugend ent­neh­me ich einen Hin­weis auf einen ganz inter­es­san­ten Arti­kel zum The­ma in der Ärz­te­zei­tung.

P.P.P.S.: Der Spie­gel ist sich eben­so unsi­cher, was das gan­ze soll – von pro­fes­sio­nel­len Jour­na­lis­tIn­nen und Recher­cheu­rIn­nen hät­te ich aller­dings ein biß­chen mehr an Infor­ma­ti­on erwartet.

„Visa-Affäre“

Da machen grü­ne Poli­ti­ke­rIn­nen das, wofür sie unter ande­rem gewählt wor­den sind, näm­lich als Anti­ab­schot­tungs­po­li­ti­ke­rIn­nen: sie erleich­tern die Rei­se­frei­heit (zumin­dest ein klei­nes biß­chen). Und schon gibt es eine vom CDU-Unter­su­chungs­aus­schuss ange­feu­er­te wochen­lan­ge Medi­en­de­bat­te, eine Affä­re. Kon­kre­te Zah­len lie­gen kei­ne vor, um wor­um es eigent­lich geht, ist den meis­ten auch egal. Selbst die sonst ja manch­mal recht ver­nünf­ti­ge taz hat eini­ge Wochen lang gemeint, es sei am bes­ten, sich auf die Sei­te der CDU zu stel­len (seit die Leit­ar­ti­kel zum The­ma nicht mehr von Chris­ti­an Fül­ler geschrie­ben wer­den, ist die Hal­tung wie­der etwas rea­lis­ti­scher und weni­ger skan­dal­hei­schend gewor­den). Jeden­falls scheint mir lang­sam der Mit­te-Links-Öffent­lich­keit und ihren Sprach­roh­ren deut­lich zu wer­den, dass Anga­ben der CDU viel­leicht zumin­dest über­prüft wer­den soll­ten, bevor sie als Wahr­heit abge­druckt wer­den. In der letz­ten Zeit (und ver­ein­zelt, ver­steckt auch schon zuvor) gab es dann auch ein paar emp­feh­lens­wer­te Arti­kel zum Thema:

> Spie­gel-Inter­view mit Wla­di­mir Kami­ner („Rus­sen­dis­ko“)
> Kom­men­tar von Phil­ipp Dudek aus der taz von heute
> Kom­men­tar aus der taz vom 5.3. von Ulri­ke Herrmann
> Kom­men­tar aus der taz vom 1.3. von Chris­ti­an Semler
> Ana­ly­se der Spie­gel­be­richt­erstat­tung in der taz vom 9.2. von Bet­ti­na Gaus