Heute im Briefkasten: Soundso

Nicht Sound-so, son­dern so-und-so. Also die neue, drit­te Album-CD Sound­so von Wir sind Hel­den. Die taz hat­te sie schon ges­tern bespro­chen.

Mein ers­ter Ein­druck: Dau­men hoch. Im Ein­zel­nen heißt das: schö­nes Cover, Tex­te sind auch mit dabei, bei den Dank­sa­gun­gen fällt die unlängst erfolg­te Fami­li­en­grün­dung auf. Die zwölf Stü­cke klin­gen nach den Hel­den, da sorgt schon der cha­rak­te­ris­ti­sche Gesang für, und diver­se immer wie­der auf­tau­chen­de Melo­die­frag­men­te und Wie­der­ho­lungs­mus­ter. Trotz­dem ist’s musi­ka­lisch noch ein biß­chen mehr Main­stream gewor­den, was vor allem bei den nun rocki­ger gewor­de­nen schnel­len Stü­cken auf­fällt (bei der taz heißt das: „Die Rhyth­men hüp­fen weni­ger hek­tisch als frü­her, son­dern rol­len viel ent­spann­ter, und so ist eine leich­te, luf­ti­ge Popp­lat­te ent­stan­den.“). Dafür sind die Tex­te größ­ten­teils wie­der beim Polit­ni­veau der Rekla­ma­ti­on ange­kom­men (wenn ich das Book­let rich­tig ver­ste­he, soll’s dem­nächst übri­gens auch das Mit­sing-Lie­der­buch der Hel­den geben) – ins­ge­samt gefällt mir die Mischung aus Poli­tik und Pri­va­tem bes­ser als bei Von hier an blind.

War­um blog­ge ich das? Trotz Neue-Neue-Deut­sche-Wel­le und ten­den­zi­el­ler Kom­merz­ver­träg­lich­keit (wenn bei den Tex­ten weg­ge­hört wird) sind Wir sind Hel­den wei­ter­hin eine mei­ner abso­lu­ten Lieblingsbands.

Update: Andre­as Bor­cholt bei Spie­gel online ist eher ent­täuscht vom neu­en Hel­den-Album. Und zwar, weil der Anspruch ganz hoch gehängt wird: „Denn eine bes­se­re Band haben wir nun mal gera­de nicht in Deutsch­land, das ist mal Fakt.“ – da rei­chen dann drei wirk­lich tol­le Num­mern nicht aus.

Hinweis zu den fehlenden Massenprotesten

Mar­kus weist auf einen ges­tern gesen­de­ten Bei­trag des Deutsch­land­funks hin, in dem der Volks­zäh­lungs­boy­kott in den 1980er Jah­ren (mit real noch gar nicht so aus­ge­reif­ten Über­wa­chungs­me­cha­nis­men, und der eigent­lich rela­tiv harm­lo­sen Volks­zäh­lung) und die der­zei­ti­ge weit­rei­chen­de Ein­füh­rung von Ele­men­ten eines Über­wa­chungs­staa­tes bei weit­ge­hend feh­len­den Mas­sen­pro­tes­ten gegen­über­ge­stellt werden.

War­um blog­ge ich das? Weil ich den Bei­trag nach­le­sens­wert finde.

Linksradikale G8-Kritik gleich Terrorismus?

So jeden­falls schei­nen es Schäub­le und Co. zu sehen: Raz­zi­en bei Sze­ne­buch­lä­den, Haus­pro­jek­ten und lin­ken Inter­net­pro­jek­ten in Ham­burg und Ber­lin – gleich­zei­tig wird im Zuge der Debat­te um Klar und Mohn­haupt lin­ker Akti­vis­mus vom baden-würt­tem­ber­gi­schen Ver­fas­sungs­schutz mit der RAF gleich­ge­setzt. Das sind so Grün­de, war­um ich das und das auch über die Ein­zel­fäl­le hin­aus wich­tig fin­de, und war­um ich mei­ne, dass es u.a. Auf­ga­be der Grü­nen ist, hier jetzt deut­lich Flag­ge zu zei­gen, und klar zu machen, dass es nicht ange­hen kann, alles, was poli­tisch unlieb­sam ist, gleich mal in die beque­me Ter­ro­ris­mus­ecke zu stecken. 

War­um blog­ge ich das? Weil ich hier Hand­lungs­be­darf im Sin­ne eines „wer Frei­heit für Sicher­heit opfert, wird bei­des ver­lie­ren“ sehe.

Update: Über­blicks­ar­ti­kel in der Tele­po­lis, Lin­ke empört (u.a. Chris­ti­an Strö­be­le) in Spie­gel-Online und Kri­tik von Clau­dia Roth in der Net­zei­tung. Mehr Links (u.a. zu Indy­me­dia) gibt es bei netzpolitik.org.

Update 2: In der Tele­po­lis jetzt auch ein Kom­men­tar von Flo­ri­an Röt­zer, Prä­ven­tiv­staat in Aktion

Update 3: Völ­lig fal­sches Kali­ber – Pres­se­mit­tei­lung der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on, in der die Raz­zi­en scharf als unan­ge­mes­sen kri­ti­siert werden.

Antiterror-Terror auch in grün?

Laut Pres­se­be­rich­ten (auch an vie­len ande­ren Stel­len) kün­dig­te die Vor­sit­zen­de der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on, Rena­te Kün­ast, in einem Inter­view mit der WELT an, dass es dem­nächst ein grü­nes Papier zur inne­ren Sicher­heit geben soll. Zumin­dest in den Kurz­zu­sam­men­fas­sun­gen klingt das ver­hee­rend danach, alte und sinn­vol­le grü­ne Posi­tio­nen in die­sem Bereich auf­zu­ge­ben: pro Anti­ter­ror­da­tei, pro Video­über­wa­chung usw. Also eine Abkehr von der grü­nen Bür­ger­rechts­li­nie, wie sie noch im Län­der­rats­be­schluss zur Com­pu­ter­aus­spä­hung sicht­bar ist? Im Detail sieht es dann doch etwas anders aus; es gibt jeweils noch ein „Aber“ oder eine Ein­schrän­kung. Wie das gan­ze letzt­lich zu bewer­ten ist, ist ohne Kennt­nis des zugrun­de­lie­gen­den Papiers nicht klar. Aber allei­ne das Medi­en­echo auf das WELT-Inter­view dürf­te für eini­ge Ver­un­si­che­rung in der sonst durch­aus grün-nahen Neue-Medi­en- und Bür­ger­rechts­sze­ne sor­gen. Fort­set­zung folgt.

War­um blog­ge ich das? Ein wich­ti­ges The­ma, bei dem mir über­haupt nicht egal ist, was für eine Posi­ti­on Bünd­nis 90/Die Grü­nen einnehmen.

Update: Das beschlos­se­ne Papier ist jetzt auch im Web zu fin­den. Und zumin­dest der Spin im Ein­lei­tungs­text ist klar: „Im Zwei­fel für die Frei­heit“. Bei etwas mehr Zeit wer­de ich noch­mal genau hinschauen.

Update 2: Das Büro von Rena­te Kün­ast hat mir auf mei­ne „Was-soll-denn-das-Mail“ geant­wor­tet – u.a. mit der Fest­stel­lung, dass es mit dem Papier eben gera­de nicht dar­um gehen soll, in die Schäub­le-und-Co-Poli­tik ein­zu­schwen­ken, son­dern Alter­na­ti­ven zum poli­zei­staat­li­chen Vor­ge­hen auf­zu­zei­gen, und dass die viel­fach zitier­te (und oben ver­link­te) dpa-Vor­ab­mel­dung aus Sicht von Kün­ast ihre im WELT-Inter­view geäu­ßer­te Posi­ti­on ver­fälscht wie­der­ge­ge­ben hat. Jetzt lässt sich natür­lich dar­über spe­ku­lie­ren, wie weit Kün­ast bewusst aus­ge­tes­tet hat, ob ein Schwenk weg von Bür­ger­rech­ten mit der Par­tei zu machen ist – ich glau­be hier im Zwei­fels­fall aber doch eher an Jour­na­lis­tIn­nen, die sich den ver­meint­lich gro­ßen „Hap­pen“ aus dem Kon­text her­aus­ge­schnit­ten haben, und damit ein media­les Echo los­ge­tre­ten haben, dass die grü­ne Par­tei für ein paar Tage ziem­lich komisch aus­se­hen ließ.

Nicht beantwortbare Fragen

Ab und zu ruft auch hier mal jemand von einem Markt­for­schungs­in­sti­tut an. Teils aus Höf­lich­keit, teils aus der Erwä­gung her­aus, dass ich ja die Ergeb­nis­se man­cher Mei­nungs­um­fra­gen durch­aus span­nend fin­de (Sonn­tags­fra­ge und so), und teils aus pro­fes­sio­nel­lem Inter­es­se her­aus mache ich da – zumin­dest, wenn’s eines der grö­ße­ren Insti­tu­te ist – tat­säch­lich auch mal mit. Zum Bei­spiel heu­te. Auf­trag­ge­ber war For­sa, gefragt wur­de nach einem bun­ten Strauss, der von der Fra­ge „Trin­ken Sie häu­fig Lei­tungs­was­ser“ bis hin zur aktu­el­len Tages­po­li­tik reich­te. Bei eini­gen Fra­gen habe ich mich gefragt, wer sowas in Auf­trag gibt. Und bei ein paar Fra­gen ist mir mal wie­der klar gewor­den, war­um quan­ti­ta­tiv ori­en­tier­te Befra­gun­gen so ihre Tücken und Pro­ble­me haben. 

Bei­spiel 1: „Jetzt geht es um die RAF-Ter­ro­ris­ten. Sehen Sie dar­in eher fehl­ge­lei­te­te Träu­mer oder schlim­me Kri­mi­nel­le?“ – Hmm, bei­des trifft es eigent­lich nicht wirk­lich. Aber in das binä­re Ras­ter passt eben nur eine der bei­den Ant­wor­ten – und am Schluss kommt dann eben raus, dass x % der Bevöl­ke­rung die Mit­glie­der der RAF für schlim­me Kri­mi­nel­le hal­ten. Aha.

Bei­spiel 2: Bei den sta­tis­ti­schen Anga­ben am Schluss ging es erst mal um Fami­li­en­stand (ledig), Zusam­men­le­ben (immer­hin) und dann dar­um, ob ich „die Per­son im Haus­halt sei, die den grö­ße­ren Anteil Haus­ar­beit mache“ bzw. „ob ich die Per­son sei, die den grö­ße­ren Anteil Ein­kom­men erwirt­schaf­te“. Das ers­te ver­su­chen wir ziem­lich gleich zu ver­tei­len, das zwei­te ist zum einen inzwi­schen auch gleich ver­teilt, und geht zum ande­ren durch­aus nicht in eine gemein­sa­me Kas­se. Letzt­lich konn­te ich bei­de Fra­gen nicht beant­wor­ten – die Vari­an­te „halbe/halbe“ war schlicht nicht vor­ge­se­hen. Ein schö­nes Bei­spiel dafür, wie Ankreuz­fra­gen blind für Rea­li­tät sind, wenn die­se signi­fi­kant davon abweicht, was sich die Fra­ge­bo­ge­n­er­stel­le­rIn­nen so gedacht haben – und die Aus­wer­tung der­ar­ti­ger Erhe­bun­gen zugleich repro­du­ziert, was die Fra­ge­bo­ge­n­er­stel­le­rIn­nen gedacht haben.

War­um blog­ge ich das? Viel­leicht liest’s ja jemand von For­sa oder so …