„Zu viel großstädtische Leere“

Am Frei­tag gab es eine Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung zum wei­te­ren Vor­ge­hen der Stadt bei der Umge­stal­tung der „erwei­ter­ten Innen­stadt“ zwi­schen Thea­ter und KG II (Platz der Alten Syn­ago­ge). Ich konn­te auf­grund fami­liä­rer Ver­pflich­tun­gen lei­der nicht hin­ge­hen, konn­te aber dafür im heu­ti­gen Sonn­tag einem umfang­rei­chen Bericht von Jens Kitz­ler – der den Titel „Zu viel groß­städ­ti­sche Lee­re“ trägt, den ich mir für die­sen Ein­trag aus­ge­lie­hen habe – ent­neh­men, dass ich mit mei­nen Beden­ken bei wei­tem nicht allei­ne da stehe.

KG II, I
Im Som­mer wird die Grün­flä­che vor dem KG II viel­fach (und viel­fäl­tig) genutzt

Im Okto­ber 2007 wur­de die Jury­ent­schei­dung für die Umge­stal­tung des Platz bekannt­ge­ben. Lei­der sind im ver­link­ten Bei­trag nur die Fotos vom Ist-Zustand ent­hal­ten (sie­he auch oben). Hier kön­nen die Wett­be­werbs­er­geb­nis­se ein­ge­se­hen wer­den. Den ers­ten Prei­sen gemein­sam ist, dass die bis­her viel­fach geglie­der­te Raum­si­tua­ti­on – erhöh­te Grün­flä­che vor dem KG II, Fahr­rad­ab­stell­plät­ze, Gedenk­plat­te für die Alte Syn­ago­ge mit Baum­be­stand, Rotteckring/Platz der Uni­ver­si­tät als mehr­spu­ri­ge Stra­ße, Thea­ter­vor­platz mit wie­der­um Rasen­flä­chen – durch eine gro­ße Stein­plat­te ersetzt wer­den soll. Das kommt nicht von unge­fähr, weil es mehr oder weni­ger der Wett­be­werbs­aus­schrei­bung entspricht.
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Länderrat 2008 aktuell

((Aktu­el­les direkt vom Län­der­rat hier.))

Mor­gen und über­mor­gen bin ich in Lüne­burg, dann geht’s wei­ter nach Ber­lin, für die letz­ten Res­te re:publica wird’s lei­der zu knapp (aber viel­leicht nächs­tes Jahr?), am Abend geben die Grü­nen ’ne Slam­re­vue zu 1968 und am Sams­tag ist dann von 10–18 Uhr der Län­der­rat aka „klei­ner Par­tei­tag“, wie ja schon ange­kün­digt. Wobei die 18 Uhr nicht so ganz kom­pa­ti­bel mit den Zug­ver­bin­dun­gen in den wil­den Süden sind, wer­de also wohl doch etwas frü­her gehen (müs­sen).

Zu den Anträgen:

D: Daten­schut­z/B­KA-Gesetz stop­pen klingt sinn­voll, Julia See­li­ger begrün­det, war­um es noch mehr Sinn macht, sich auf ein The­ma zu kon­zen­trie­ren und nicht alles mit reinzupacken.

K: Kin­der­po­li­tik – hier lie­gen drei Anträ­ge vor, die aller­dings wohl ergän­zend und nicht alter­na­tiv zu ver­ste­hen sind. Wich­tig (und soweit ich das sehe auch sinn­voll) erschei­nen mir vor allem die 11 grü­nen For­de­run­gen zur Kin­der­po­li­tik (spe­zi­ell zum Kampf gegen Kin­der­ar­mut), was ich dage­gen vom Bil­dungs-Soli hal­ten soll, weiss ich noch nicht so genau – wur­de auch auf der BAG-Sit­zung WHT eher kri­tisch diskutiert.

Ö: Öko­bo­nus – der Öko­bo­nus ist eine ins­be­son­de­re von Ger­hard Schick ins Ren­nen gebrach­te Idee, Umwelt- und Sozi­al­po­li­tik mit­ein­an­der zu ver­knüp­fen. Hier soll wohl auf dem Län­der­rat dis­ku­tiert, aber noch nicht beschlos­sen wer­den; letz­te­res wür­de mir etwas zu schnell gehen.

BTW-01: Es wird vor­ge­schla­gen, der BDK vor­zu­schla­gen, ein Spit­zen-Tan­dem für die Bun­des­tags­wahl zu benen­nen, auf Urwah­len zu ver­zich­ten und zugleich dem Bun­des­vor­stand vor­zu­schla­gen, dafür Rena­te Kün­ast und Jür­gen Trit­tin zu unter­stüt­zen. Kurz gesagt: die Selbst­in­thro­ni­sa­ti­on der bei­den wird damit abge­nickt, wenn auch mit ein paar struk­tu­rel­len Umwe­gen. Posi­tiv: die ja doch mit eini­ger Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit ver­se­he­ne grü­ne Dop­pel­spit­ze wird damit offi­zi­ell auch für die Bun­des­tags­wahl 2009 fest­ge­zurrt; beim letz­ten Mal – Josch­ka! Josch­ka! – durf­te damit nicht argu­men­tiert wer­den. Nega­tiv: dass der medi­al gestütz­te und damit dann auch legi­mier­te Selbst­be­nen­nungs­pro­zess der Spit­zen­kan­di­da­tIn­nen so unter­stützt wird und kei­nen Raum für Demo­kra­tie lässt. 

Dann gibt es noch eine gan­ze Rei­he Reso­lu­tio­nen – ins­be­son­de­re auch eine sehr umfang­rei­che zur klas­si­schen Medi­en­po­li­tik, ob ich da noch da sein kann, muss sich aber erst mal zeigen.

Und wel­cher die­ser vie­len Tages­ord­nungs­punk­te wird die meis­te Medi­en­öf­fent­lich­keit bekom­men? Ich tip­pe auf den ein­zi­gen ohne Beschluss­vor­la­ge – die Aus­spra­che zur ver­än­der­ten Par­tei­en­land­schaft.

War­um blog­ge ich das? Für mehr Trans­pa­renz im poli­ti­schen Pro­zess – und weil ich noch bis heu­te um etwa Mit­ter­nacht Anre­gun­gen und Kom­men­ta­re dazu lesen kann, wenn jemand was dazu sagen will.

Discounter und ihre Kosten (Update)

Seit ein paar Tagen wird dar­über dis­ku­tiert, dass die Dis­coun­ter-Ket­te Lidl Beschäf­tig­te übelst aus­spio­niert hat – die Debat­te schlägt wei­te Krei­se, im bür­ger­recht­lich-daten­schüt­ze­ri­schen Umfeld kur­siert schon ein Vor­schlag für ein neu­es Fir­men­lo­go. Dass der pri­vat­wirt­schaft­li­che Big-Brot­her-Trieb dem staat­li­chen in nichts nach­steht, ist so neu nun aller­dings auch wie­der nicht. Und wäh­rend die mit Pay­back-Kar­te zah­len­den Kun­dIn­nen das zumin­dest frei­wil­lig tun, geht die inti­me Über­wa­chung von rela­tiv wehr­lo­sen – Betriebs­rä­te und so’n Zeug mögen die Dis­coun­ter, wenn ich das so pau­schal sagen darf, ja auch nicht – abhän­gig Beschäf­tig­ten in ihrer Ver­werf­lich­keit noch um eini­ges über das sons­ti­ge Geba­ren hin­aus. Um es klar zu sagen: die Arbeits­be­din­gun­gen bei Dis­coun­tern sind einer der Grün­de, war­um ich ver­su­che, zu ver­mei­den, dort ein­zu­kau­fen. Und das gilt eben nicht nur für Lidl, son­dern für alle, die in die­se Preis­klas­se hinabreichen.

Julia See­li­ger weist nun dar­auf hin, dass unse­re Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te – und wirt­schafts­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Bun­des­tags­frak­ti­on – Kers­tin And­reae einen Vier-Wochen-Boy­kott von Lidl for­dert. Und Julia hat völ­lig recht damit, die­ses zurück­zu­wei­sen. Auf den ers­ten Blick mag der Vor­schlag logisch erschei­nen: ein Wirt­schafts­un­ter­neh­men hält sich nicht an den ord­nungs­po­li­ti­schen Rah­men, wird a. juris­tisch belangt und b. sym­bo­lisch auch von Ver­brau­che­rIn­nen-Sei­te mit Miss­ach­tung – sprich: Kauf­boy­kott – bestraft. Danach gelobt es Bes­se­rung und alles ist wie­der grün und sozi­al in der Markt­wirt­schaft. Wenn es denn so wäre, und wenn der­ar­ti­ges der ein­zi­ge Grund für einen Boy­kott wäre. Nur pas­sie­ren fast jede Woche bei den gro­ßen Bil­lig­händ­lern Din­ge, die hart an der Gren­ze zum Ille­ga­len lie­gen: das zei­gen die gewerk­schaft­li­chen Schwarz­bü­cher eben­so wie die ent­spre­chen­den Pres­se­mel­dun­gen. (Mal ganz abge­se­hen von den Bedin­gun­gen bei Zulie­fe­rer-Fir­men in ande­ren Län­dern oder der öko­lo­gi­schen und gesund­heit­li­chen Qua­li­tät von bil­lig her­ge­stell­ten Produkten).

Und ganz prin­zi­pi­ell stellt sich die Fra­ge, ob die grenz­wer­ti­gen Arbeit­neh­me­rin­nen-Rech­te und das ent­spre­chen­de Lohn­ni­veau bei der­ar­ti­gen Unter­neh­mun­gen nicht schon im kal­ku­la­to­ri­schen Ansatz vor­ge­se­hen sind. Wenn das so ist, dann wäre es bes­ser, wenn Kers­tin statt der Boy­kott­for­de­rung, die ja auch so ein biß­chen Kapi­tu­la­ti­on vor dem Kapi­tal ent­hält, zum Bei­spiel das The­ma Min­dest­lohn in den Vor­der­grund rücken wür­de. Das heißt dann aber auch: mehr Ord­nungs­recht. Und auch, wenn ich von Gewerk­schaf­ten nicht immer viel hal­te – in die­sem Bereich sind sie wei­ter­hin unbe­dingt notwendig.

War­um blog­ge ich das? Weil das klei­ne Bei­spiel „Lidl über­wacht Ange­stell­te“ exem­pla­risch deut­lich macht, dass zur recht­li­chen Ein­he­gung von Kapi­ta­lis­mus und Glo­ba­li­sie­rung auch eine ent­spre­chen­de Kon­trol­le und Durch­set­zung der Rechts­la­ge gehört – ohne jour­na­lis­ti­sche Recher­chen (in die­sem Fall des „Stern“) pas­siert sonst sehr sel­ten etwas.

Update: (10.04.2008) Lidl behaup­tet, auf­grund der (Berich­te über die) Video­über­wa­chung spür­ba­re Umsatz­ein­bu­ßen zu erlei­den. Inter­es­sant, wenn’s denn stimmt.

Ist Nokia jetzt böse? (Update 2)

Auch wenn es ein tief­sit­zen­der Reflex ist, der nicht zuletzt mei­ner Sozia­li­sa­ti­on in der Jugend­um­welt­be­we­gung zu ver­dan­ken ist, Kon­zer­ne anhand der Kate­go­rien „gut“ und „böse“ zu beur­tei­len (McDo­nalds: böse, Goog­le: gut, Micro­soft: böse usw.), zeigt Noki­as Werks­ver­la­ge­rung von Bochum nach Jucu ein­mal mehr, dass es ganz so ein­fach nicht ist. Ich habe inzwi­schen mein drit­tes Nokia-Han­dy, und bin von der Qua­li­tät der Nokia-Pro­duk­te nach wie vor über­zeugt. Wenn jetzt See­ho­fer und Struck ihre Han­dys weg­wer­fen wol­len, dann zeigt das ers­tens, dass Nokia brauch­ba­re Pro­duk­te her­stellt (war­um sonst haben die Tele­fo­ne die­ser Mar­ke) – und zwei­tens, dass die Auf­recht­erhal­tung eines mora­lisch hoch­wer­ti­gen Mar­ken­images so ein­fach nicht ist. 

Phone

Wer ver­sucht, nach­hal­tig zu kon­su­mie­ren, weiss das bereits – auch jen­seits der aktu­el­len Auf­re­gung. Auch Nokia-Han­dys haben rela­tiv hohe SAR-Wer­te, auch Nokia-Han­dys wer­den zu einem gro­ßen Teil aus Kom­po­nen­ten her­ge­stellt, die irgend­wo gefer­tigt wer­den (wo es halt gera­de am bil­ligs­ten ist); und auch Nokia-Han­dys lan­den nach zwei Jah­ren auf dem Müll. Ich jeden­falls wer­de mein Nokia-Han­dy behal­ten – und ver­stärkt über den Stel­len­wert von Kon­sum, Mar­ken und poli­ti­schen Sym­bol­hand­lun­gen nachdenken.

Bleibt die empi­risch offe­ne Fra­ge: kann ein Kon­zern über­haupt erfolg­reich im Sin­ne kapi­ta­lis­ti­scher Wer­te sein und trotz­dem „gut“ (sprich: irgend­wie freund­lich, sym­pa­thisch, mit guten Arbeits­be­din­gun­gen, nach­hal­tig, …) blei­ben? Und wor­an wäre das festzumachen?

War­um blog­ge ich das? Viel­leicht vor allem des­halb, weil ich es etwas schein­hei­lig fin­de, wenn Poli­ti­ke­rIn­nen jetzt gro­ßes Getö­se ver­an­stal­ten, zugleich aber „Stand­ort­wett­be­werb“ für ein sinn­vol­les und zu sub­ven­tio­nie­ren­des Kon­zept halten.

Update: Julia und Den­nis sehen das wohl auch so ähn­lich. Und Hen­ning weist dar­auf hin, dass die Sub­ven­tio­nen das Pro­blem sind. Gro­ße (jung-)grüne Einig­keit über die Rea­li­tä­ten des glo­ba­len Kapitalismus?

Update 2: (24.01.2008) Ganz ver­nünf­tig klingt die Argu­men­ta­ti­on der Attac-Kam­pa­gne zu Nokia, die den Fall zum Anlass neh­men, ganz gene­rell gegen Sub­ven­ti­ons­wett­streit, für euro­pa­wei­te Min­dest­löh­ne und ähn­li­che For­men der Kon­trol­le „des Kapi­tals“ zu strei­ten. Gefun­den wie­der­um bei Julia.

Kurzeintrag: G8-Razzien rechtswidrig (Update 2)

Wie die Tages­schau berich­tet, waren die Raz­zi­en gegen Geg­ner des G8-Gip­fels (bzw. gegen alter­na­ti­ve Leu­te und lin­ke Infra­struk­tur) (bzw. genau­er gesagt: bereits die Ermitt­lun­gen der Bun­des­an­walt­schaft wg. Bil­dung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung) im Vor­feld des G8-Gip­fels rechts­wid­rig – hat der Bun­des­ge­richts­hof ent­schie­den. Soweit, so gut. Noch bes­ser wäre es aller­dings, wenn der­ar­ti­ge Din­ge dann von vor­ne­her­ein unter­las­sen wür­den, statt sie nach­träg­lich (also mehr als ein hal­bes Jahr spä­ter) und nach müh­sa­men Ver­fah­rens­weg als rechts­wid­rig zu erklä­ren. Soviel Rechts­staat muss sein!

Update: Mar­kus war schnel­ler und ver­linkt auch gleich auf das juris­ti­sche State­ment des BGH.

Update 2: (8.1.2008): Die heu­ti­ge taz dis­ku­tiert aus­führ­lich die ver­schie­de­nen Rüf­fel und recht­li­chen Nie­der­la­gen der Gene­ral­bun­des­an­wäl­tin Harms in punc­to „links­ra­di­ka­ler Terrorismus“.