Es gibt ja einige Zwei-Achsen-Politiksortierer. Die Europawahlen sind schon fast ein Jahr vorbei, trotzdem ist mir der EU-Profiler erst heute über den Weg gelaufen. Der unter anderem von der Freien Universität Amsterdam entwickelte Profiler adaptiert das System, über einige Fragen zum politischen Standpunkt eine politische Einordnung auf zwei Dimensionen hinzukriegen, für die EU. Die Achsen sind dementsprechend „sozioökonomisch links/rechts“ und „für/gegen die europäische Integration“. Mein linksgrünes Ergebnis ist links zu sehen (anklicken zum Vergrößern) – noch spannender als meine eigene Position finde ich aber die vielen Konfetti-Punkte. Die stehen nämlich für die Positionierung einzelner Parteien – z.B. für die verschiedenen grünen Parteien in Europa. Und da gibt’s zwar ein klares Cluster (eher links, stark pro-europäisch) – aber auch ziemlich starke Abweichungen. Und bei den anderen Parteien sieht’s nicht besser aus.
Kurz: Sanktionsmoratorium – Hartz-IV-Schikanen abwählen heißt grün wählen
Die fragwürdige Sanktionspraxis gegen Erwerbslose muss sofort gestoppt werden!
Hartz-IV-Sanktionen bedeuten die Kürzung des Lebensnotwendigen. Sie sind unangemessen und entsprechen nicht unserer demokratischen Gesellschaftsform.
Um faire Lösungen zu schaffen, ist die Anwendung des § 31 SGB II auszusetzen.
Das ist die Kernforderung des Bündnisses für ein Sanktionsmoratorium.
Inzwischen haben auch viele Grüne diesen Forderung unterschrieben – was nicht weiter verwunderlich ist, weil die Aussage den Forderungen des grünen Wahlprogramms entspricht, das in Bezug auf Hartz IV eine bemerkenswert deutliche Sprache findet.
Auch wenn ich wie Jörg Rupp ein bedingungsloses Grundeinkommen und die Abschaffung – und nicht nur Aussetzung – von Sanktionen bei Hartz IV hilfreich fände, ist das Sanktionsmoratorium ein richtiger erster Schritt. Um Hartz-IV-Schikanen abzuwählen, muss niemand das Kreuz bei „DIE LINKE“ machen – das geht auch mit grün. Gut so.
Kurz: Wahlumfragen
Wenn die bei wahlrecht.de liegenden Umfrageergebnisse und Projektionen der verschiedenen Institute für die letzten paar Wochen in Excel geworfen werden, kommt das bei raus:
Sieht für „schwarz-gelb verhindern“ nicht so gut aus, sollte nicht noch ein Ereignis passieren, das die dargestellten Trends verändert. Aber dafür machen wir ja Wahlkampf!
wahlumfragen.xls – falls jemand selbst mit den Zahlen spielen will
Die wichtigsten Wahlkampfthemen (Update: das Visuelle)
Die wichtigsten Wahlkampfthemen der MLPD sind hier zu finden. Wie sieht’s bei den größeren Parteien aus? Wortwolken der Programme sagen: es geht um Deutschland, Menschen, müssen und mehr. Und die Parteinamen. Auch nicht das, was ich eigentlich suchte (einen guten Überblick über die Parteiprogramme gibt’s bei der ZEIT, nebenbei).
Was ich eigentlich suche, wäre jedoch – und ich meinte, sowas gesehen zu haben – eine Umfrage, welche Themen als wahlentscheidend angesehen werden. Da ist es ja – Forsa-Umfrage zu den wahlentscheidenden Themen für Eltern. Bildungspolitik. Ach so, für Eltern. Und allgemein? Google findet Debatten darum, dass Netzpolitik wahlentscheidend sein könnte. Oder der Atomausstieg. Oder – so die Pharmalobby – die Gesundheitspolitik. Oder ganz anderes.
Nee, das ist auch nicht das, was ich eigentlich suche. Ah, doch noch gefunden, jetzt wirklich: Folie 13 im ARD-Wahlmonitor: „Wichtigste politische Aufgaben nach der Bundestagswahl“. Das ist zugegebenermaßen nicht ganz das gleiche wie die wahlentscheidenden Themen, war aber die Liste, die ich haben wollte:
Arbeitplätze – Wirtschaftswachstum – gerechtes Steuersystem – Familien mit Kindern unterstützen
Und dann gibt es noch die offene Frage nach den wichtigsten Themen (wir erinnern uns: Umweltschutz war (ein paar) Jahre lang ganz vorne). Im Juli sah das so aus:
Arbeitslosigkeit – Finanzkrise und Wirtschaftslage – Politikverdrossenheit – Bildung – Familien
Wozu das ganze? Tatsächlich geht’s mir um die Plakatkampagnen der großen (bzw. größeren) Parteien*. Ich habe nämlich das Gefühl, dass die sich stark an diesen Themen orientieren. Aber vergleichen wir doch einfach mal:
Thema | CDU/CSU** | SPD | FDP | Grüne | DIE LINKE |
Claim | Wir haben die Kraft für … CDU | Deshalb SPD / „Und deshalb wähle ich SPD“ | FDP … Deutschland kanns besser | Aus der Krise hilft nur grün | www.fuer-gerechtigkeit.de DIE LINKE |
Arbeitsplätze | ARBEIT SICHERN (Textplakat) | „Die SPD kämpft für Arbeitsplätze. Für meinen und auch für Ihren“ (+ Foto: Mann im Blaumann) | Arbeit muss sich wieder lohnen (Textplakat) | JOBS JOBS JOBS (mit Symbolen Sonne, Bauarbeiterhelm, Windrad) | Hartz IV abwählen! (Textplakat) |
Wirtschaft, Finanzkrise | WIRTSCHAFT MIT VERNUNFT (Textplakat bzw. Foto Guttenberg) | Weil Wirtschaft Maß und klare Regeln braucht (Textplakat) | n/a | ES GEHT UMS GANZE (Bild Erdkugel) | Reichtum besteuern! (Textplakat) |
Steuern | n/a | n/a | Mehr Netto vom Brutto. (Textplakat) | n/a | Reichtum besteuern! (Textplakat) |
Bildung | GUTE BILDUNG (Foto Schavan) | „Bildung darf nicht vom Konto der Eltern abhängen“ (Foto Studentin im Hörsaal) | Bildung ist ein Bürgerrecht. (Textplakat) | WACHSTUM DURCH BILDUNG! (Symbol „Kind schaut gerade über unteren Plakatrand“) | Mehr Geld für Bildung, nicht für Banken! (Textplakat) |
Familien | STARKE FAMILIEN (Foto van der Leyen) | n/a | n/a | n/a | n/a |
Gesundheit | n/a | „Gesundheit darf kein Luxusprodukt werden“ (Foto alt und jung) | n/a | n/a | n/a |
Energiepolitik, Umwelt | n/a | „Atomkraft war gestern. Saubere Energie ist die Zukunft“ (Foto: junge Frau im Park)*** | n/a | SCHWARZ-GELB NEIN DANKE (Symbol Atommüllfässer) und diverse andere | n/a |
Netzpolitik bzw. Bürgerrechte | SICHERHEIT UND FREIHEIT (Foto Schäuble) | n/a | Freiheit stärken, Bürgerrechte schützen | DU BIST VERDÄCHTIG (Symbol Schäuble) | n/a |
Was sagt uns diese Auswahl jetzt? Erstens, dass es gar nicht unbedingt stimmt, dass alle Parteien die selben Top-5-Themen zur Wahl einsetzen. Zweitens, dass gerade Grüne und „DIE LINKE“ Schwerpunkte jenseits der allgemein für wahlentscheidend erachteten Themen setzen (Grüne: Plakate zu Bio-Lebensmitteln und Elektro-Fahrzeugen, LINKE: Plakate zu Afghanistan und zum Thema Reichtum/Umverteilung). Drittens, dass die Plakatgestaltung und die Auswahl der Slogans sehr unterschiedlich einfallsreich ist. Viertens, dass nur wenige Plakate so richtig, richtig überzeugend rüberkommen. Fünftens, dass SPD und CDU die große Koalition sehr unterschiedlich einsetzen. Sechstens (hier nicht zu sehen), dass die Parteien mit Politikerbildern ganz unterschiedlich umgehen (CDU setzt bewusst auf Bilder der wichtigsten CDU/CSU-MinisterInnen; SPD hat nur Steinmeier im Angebot; bei der FDP gibt’s jedes Plakat nochmal mit „prominentem ‚Liberalen‘ “ nebendran (von Westerwelle bis Rösler und Gerhardt; die Grünen Kopfplakate von Renate und Jürgen laufen parallel zu den Themenplakaten; die LINKE hat große Personenplakate mit entweder Lafontaine oder Gysi). Und siebtens, dass ich weniger den je glaube, dass Plakate wahlentscheidend sind – noch nicht mal die Skandalplakate aus dem Bezirk Kreuzberg etc. Und achtens: die Plakate der Parteien im Netz zu finden, ist je nach Partei ganz unterschiedlich schwer (FDP) oder einfach (CDU).
Warum blogge ich das? Aus Interesse daran, wie politische Werbung wirkt und was in den Köpfen von WahlkampfkampagnenleiterInnen so vorgeht.
* Nein, die PIRATEN sind keine größere Partei.
** Links auf die Plakate der Parteien, unten dann z.T. von mir getroffene Auswahl, falls mehrere Plakate zum Thema angeboten werden
*** Ich habe es mir ja verkniffen, inhaltlich was zu dieser Aufstellung zu sagen – aber ich find’s doch ein bißchen frech, wie die SPD das Umweltthema aufgreift – „Ausstieg aus der Atomkraft“, dabei noch ’ne junge Frau, also grüne Hauptzielgruppe – (ebenso im Deutschlandplan) und mit keinem Wort dazu sagt, dass sie weiterhin die Kohlepartei Nr. 1 bleibt.
P.S.: Ziemlich daneben finde ich übrigens die Reaktion der CDU Thüringen auf die NPD-Drohungen gegenüber Zeca Schall. Das nur nebenbei. (P.P.S.: Scheint wohl eher ein unglücklicher Zufall – schon länger geplante „Welle“ in der Plakatierung – als ein intentionales Überplakatieren zu sein. Auch wenn die NPD das so darstellt, erscheint mir die Darstellung der CDU hier doch deutlich glaubwürdiger. Insofern relativiert sich auch das P.S.).
Update: (14.08.2009) Passend zur eher inhaltlichen Auseinandersetzung hier findet sich bei „Homo Politicus“ eine visuelle Analyse der Wahlplakate (da sind auch alle im Bild zu sehen) – durch den Autor von designtagebuch.de, Achim Schaffrina (anders gesagt: die Creme de la Creme der Weboptik-Rezension). Unbedingt anklicken!