„Bei der Vorratsdatenspeicherung setzen wir uns dafür ein, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts präzise einzuhalten.“
„Kurz: Fundsache Vorratsdatenspeicherung“ weiterlesen
Das Blog von Till Westermayer * 2002
„Bei der Vorratsdatenspeicherung setzen wir uns dafür ein, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts präzise einzuhalten.“
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Ich bin ja froh, dass die Koalitionsverhandlungen nicht am Thema S21 geplatzt sind – das wäre für Baden-Württemberg miserabel gewesen. Aus grüner Perspektive ist der Kompromis, der jetzt erreicht wurde – Kostendeckel, Volksabstimmung (nur über S21) – schon ein bisschen krötenartig. Aber manchmal müssen Kompromisse wohl so sein.
Interessant an der Sache finde ich einen Punkt – nämlich den unterschiedlichen Umgang mit den Abstimmungsquoren seiten der Grünen und der SPD. Natürlich war auch uns Grünen vor der Wahl bekannt, dass die Landesverfassung demokratiefeindliche Quoren festschreibt. Ich glaube aber, wir sind einfach davon ausgegangen, dass es „natürlich“ im Falle eines Falles (klare Mehrheit, aber Quorum verfehlt) darum gehen wir, dass eine Landesregierung die Meinung der Bevölkerung respektiert.*
Hier aber – und das ist nun aus meiner Sicht das interessante, wenn es nicht einfach Taktik war – spalten sich Grüne und SPD. Während es für mich, und ich glaube, da spreche ich für viele Grüne, zum guten politischen Stil gehört, dass ein deutliches Abstimmungsergebnis auch akzeptiert wird, wenn die formalen Kriterien eines Volksabstimmungserfolgs nicht erfüllt sind, wenn also kein Drittel der Stimmberechtigten zugestimmt hat, scheint das bei der SPD anders zu sein. Dort gilt – den Berichten und einigen Medienechos zufolge – es schon fast als verfassungsfeindlich, wenn eine formal nicht erfolgreicher Volksabstimmung trotzdem politisch Berücksichtigung findet. Common sense vs. Gesetzestreue, Zutrauen zu den BürgerInnen vs. Angst vor direkter Demokratie – oder was steckt dahinter?
* Was ja übrigens im umgekehrten Fall – klare Mehrheit gegen S21-Ausstieg, aber Quorum verfehlt – auch nie zur Frage stand.
P.S.: Was ich mit unterschiedlichen Demokratieverständnissen meine, illustriert sehr schön dieser Satz von Nils Schmid im Interview mit SpOn (auf die Frage nach dem Quorum, und was passieren würde, wenn ein Volksentscheid daran scheitert):
Schmid: Ich bin überzeugt, dass die Bevölkerung auch dies akzeptieren würde. Die Hürden sind hier nun einmal so hoch wie in kaum einem anderen Bundesland. Aber wir müssen uns da an unsere Verfassung halten.
Argh! Sind alle SozialdemokratInnen so drauf?
P.P.S.: Ich muss jetzt doch noch die Vierfeldertafel zur Illustration reinbasteln:
Mehrheit für S21-Ausstieg | ||
Ja | Nein | |
Quorum erreicht | S21-Ausstieg | S21-Bau |
Quorum nicht erreicht | SPD: S21-Bau Grüne: warum eigentlich? |
S21-Bau |
Ich wollte nur kurz auf drei Beiträge von mir im „Grünzeug am Mittwoch“ hinweisen, die sich alle mit der Situation nach der Wahl in Baden-Württemberg beschäftigen.
1. Verantwortungsvolle Wahl: was die grüne Regierungsbeteiligung bedeutet, und wem wir sie zu verdanken haben
2. Memo to self: beim nächsten Mal bitte rechtzeitig überlegen, wie Koalitionsverhandlungen transparent gestaltet werden können
3. Die Grenzen des Machbaren: über Koalitionsverhandlungen, Erwartungen, Zeit, Macht und Sachzwänge
Das baden-württembergische Wahlsystem macht nicht nur Wahlabende spannend, sondern trägt, da es keine Listen gibt, auch dazu bei, dass übliche (formale wie informelle) Quotierungsinstrumente nicht greifen. Das wirkt sich u.a. auch auf die Geschlechterquote aus – und reduziert auch generell die Chancen für alle, die nicht dem Typus des populistischen Direktmandatärs entsprechen, in den Landtag einzuziehen.
Schauen wir dazu mal die Abgeordneten im neuen Landtag an, getrennt nach den vier Fraktionen.
Im Landtag insgesamt kommen wir damit auf einen – auch im Vergleich zu anderen Landtagen in Deutschland – vorsintflutlichen Frauenanteil von 18%.
Ich gehe davon aus, dass das bei der Verteilung der Regierungsposten ein bisschen anders aussehen wird. Wenn mit Kretschmann und Schmid schon ein Männerduo an der Spitze steht, wird es in beiden Parteien meiner Meinung nach schwer durchsetzbar sein, beim weiteren Regierungspersonal weniger als eine Quotierung umzusetzen.
Mir geht es in diesem Artikel allerdings gar nicht nur darum, Frauen und Männer zu zählen und Quoten auszurechnen. Ich sehe den geringen Frauenanteil – der ja selbst in der grünen Fraktion deutlich hinter den üblicherweise in grünen Gremien erwarteten 50% liegt – im Landtag als einen sehr deutlichen Hinweis darauf, dass das baden-württembergische Wahlrecht, dessen Grundlage ja Wahlkreiskandidaturen sind, Struktureffekte hat und dazu beiträgt, einen bestimmten Personentyp – der honorige, örtlich verankerte Politiker (m, d.) – zu bevorzugen. Ich habe dazu jetzt keine Daten, aber ich gehe davon aus, dass das auch bei der Altersverteilung, bei Berufen und definitiv beim Anteil von Abgeordneten mit Migrationshintergrund eine Rolle spielt.
Zum Vergleich vielleicht noch – hier mal nur die Grünen – die Situation bei der Kandidatur. In den landesweit 70 Wahlkreisen sind bei uns 24 Frauen angetreten (34%), also ein etwas höherer Anteil als in der Fraktion. Anders gesagt: die kritische Schwelle scheint gar nicht so sehr die Wahl zu sein, sondern der Schritt davor – das Erringen eines (aussichtsreichen) Wahlkreises.
Die drei Spitzenergebnisse (und Direktmandate) bei den Grünen haben übrigens allesamt Frauen erzielt – Mutherem Aras mit 42,5% in Stuttgart I, Edith Sitzmann mit 39,9% in Freiburg II und Theresia Bauer mit 36,7% in Heidelberg.
Ob die Zusammensetzung des Landtags, die in den letzten Jahren ähnlich war, Auswirkungen auf die dort entstehende Politik hatte oder haben wird, darüber lässt sich streiten. Ich bin nicht der Ansicht, dass Politik sich automatisch ändert, weil sie von Menschen mit weiblichen Geschlechtsteilen gemacht wird. Mir geht es eher darum, dass der Frauenanteil ein Hinweis darauf ist, wie wenig repräsentativ der Landtag für die ganz unterschiedlichen Lebensentwürfe und Alltagssituationen der baden-württembergischen Bevölkerung ist. Und in dieser mangelhaften Abbildung der realen Vielfalt – darin sehe ich auch ein Problem für die dort entstehende Politik.
Warum blogge ich das? Als kleinen Hinweis darauf, dass das Wahlrecht in Baden-Württemberg auch in anderer Weise verzerrend wirkt.
P.S.: Jan weist im Kommentar auf eine Übersicht des Statistischen Landesamts hin, in der für alle Parteien aufgeführt ist, wie viele Bewerberinnen überhaupt angetreten sind (bei uns demnach 37% = 26 Frauen statt der von mir oben genannten 34%/24 Frauen; CDU: 15%, SPD: 20%, FDP: 25% unter den BewerberInnen).
Wie wahrscheinlich Abertausende andere bin ich extrem gespannt, ob die Wahl heute Geschichte in Baden-Württemberg schreiben wird. Ich bin grade zur Wahl gegangen und habe natürlich grün gewählt – und kann das auch nur allen anderen raten, die in Baden-Württemberg (oder Hessen oder RLP) wahlberechtigt sind. Jede Stimme zählt – und diesmal ist das mehr als ein blöder Spruch. Letztlich kann’s an wenigen Prozentpunkten hängen, ob Mappus seinen autokratischen Kurs, der selbst in der Basis der CDU umstritten ist, weiterfahren kann, oder ob wir ihn abwählen.
In den letzten Tagen und Wochen habe ich dazu hier und im „Grünzeug am Mittwoch“ einiges gebloggt. Wer dieses oder jenes nochmal nachlesen will, findet hier die wichtigsten Wahlartikel von mir gesammelt:
„Service: meine gesammelte Wahlartikel zur Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg“ weiterlesen