Kurz: Umgangsformen

Am Wochen­en­de hat­ten wir Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz in Donau­eschin­gen. Unter ande­rem hielt dort unse­re Bun­des­vor­sit­zen­de Ricar­da Lang eine sehr star­ke Rede zu Putin und der Ukrai­ne, zu stei­gen­den Ener­gie­prei­sen und dem Anspruch, statt eines „Win­ters der Wut“ einen „Win­ter der Soli­da­ri­tät“ erle­ben zu wollen.

Ich habe ein biss­chen dazu get­wit­tert, Ricar­da hat einen der Tweets ret­weetet – und mir damit einen Ein­blick in das Schlamm­loch gege­ben, dass Twit­ter auch sein kann. Mei­ne Time­line zeigt das, was ich sehen will – die Tweets und Ret­weets der Leu­te, denen ich fol­ge, kei­ne Emp­feh­lun­gen, kei­ne algo­rith­misch rein­ge­schleu­der­ten Tweets. Das ist meist niveau­voll und bei allen Dif­fe­ren­zen durch einen freund­li­chen Umgang mit­ein­an­der gekenn­zeich­net. Und mei­ne eige­nen Tweets erlan­gen sel­ten eine Sicht­bar­keit, die Trol­le anlockt.

Hier war das nun anders – gegen Ricar­da gerich­te­te Belei­di­gun­gen im Dut­zend, und natür­lich Vor­wür­fe aller Art gegen grü­ne Poli­tik. Letz­te­res gehört dazu, ers­te­res fin­de ich uner­träg­lich. Und ich kann mir vor­stel­len, wie übel das bei Accounts wie dem von Ricar­da Tag für Tag aussieht. 

Twit­ter ermög­licht es inzwi­schen, ein­zu­schrän­ken, wer ant­wor­ten darf. Das habe ich dann auch gemacht – und groß­zü­gig alle geblockt, denen sicht­bar nicht an Debat­te, son­dern nur an Beschimp­fung und Hass gele­gen ist. Und das ist völ­lig legitim.

Kurz: 14 Jahre auf Twitter

Twit­ter erin­nert einen inzwi­schen dar­an, wie lan­ge eines die­sen Dienst schon nutzt – bei mir waren es dem­nach heu­te 14 Jah­re. Das ist ers­tens ganz schön lan­ge, wenn ich mei­ne Lebens­um­stän­de damals und heu­te ver­glei­che (ein Klein­kind, Job an der Uni vs. zwei Teen­ager, Par­la­ments­rat usw.), und stimmt zwei­tens ver­mut­lich nicht. Wenn ich mich rich­tig erin­ne­re, habe ich zuerst einen Account reser­viert, und dann dau­er­te es noch eine Wei­le, bis ich Twit­ter tat­säch­lich genutzt habe. Oder doch nicht? Dem jetzt nach­zu­ge­hen, bin ich gera­de zu faul, tut auch nichts zur Sache. Der ältes­te Ein­trag zu Twit­ter in mei­nem Blog stammt tat­säch­lich aus dem Juli 2008 und weist dar­auf hin, dass ich Twit­ter jetzt auch im Blog ein­blen­de, und dass der Dienst zwar für tot erklärt wird, aber wohl doch von eini­gen Leu­ten mehr als, hm, identi.ca, genutzt wird.

Twit­ter – und mei­ne Nut­zungs­prak­ti­ken – sind dann immer wie­der The­ma im Blog, und ver­än­dert hat sich die­ser Kurz­nach­rich­ten­dienst über die Jah­re auch ziem­lich. Damals: Text, kür­zer als eine SMS, heu­te: Apps, Inter­faces, alles voll mit Fotos, mit lan­gen Bei­trä­gen (Threads, dem­nächst Notes), mit direk­tem Kanal in die media­le Ver­wer­tung. Geblie­ben sind Empö­rungs­wel­len und Empö­rung dar­über, dass sozia­le Medi­en Empö­rung so ein­fach machen.

Auf 14 Jah­re auf Twit­ter schaue ich mit einem lachen­den und einem wei­nen­den Auge. Ja, das ist ein extrem wich­ti­ger Reso­nanz­raum für mich, ein „Ort“ des Aus­tauschs, in mei­ner umfang­rei­chen, aber wohl­sor­tier­ten Time­line auch sowas wie Hei­mat und „Bla­se“. Ein­zel­nen neh­me ich es tat­säch­lich per­sön­lich übel, wenn sie mich geblockt haben (bei ande­ren wie­der­um ist’s mir egal). Hier ist immer irgend­was los. Neu­ig­kei­ten tau­chen schnel­ler auf als auf den Nach­rich­ten­web­sites, und erst recht schnel­ler als in TV, Radio und Fern­se­hen. Poli­tik fin­det statt, wird durch­ge­kaut und manch­mal auch gemacht. Mit man­chen Men­schen dort macht’s auch Spaß, sich hef­tig im Mehr­recht­ha­ben zu strei­ten. Es gibt Men­schen, die ich nur via Twit­ter ken­ne, und es gibt Men­schen, bei denen Twit­ter dazu bei­trägt, lose in Kon­takt zu blei­ben. Das alles gehört zur posi­ti­ven Sei­te, und ist der Grund, war­um ich über all die Jah­re Twit­ter treu geblie­ben bin (und inzwi­schen zwar ein Mast­o­don-Kon­to habe, aber das nur als Zweit­ding ansehe).

Auf der ande­ren Sei­te fra­ge ich mich aller­dings schon, was ich mit der Zeit, die Twit­ter­kom­mu­ni­ka­ti­on bei mir ein­nimmt, ange­stellt hät­te, wenn ich da nie einen Account ange­legt hät­te. Wäre ich kon­zen­trier­ter gewe­sen, hät­te ich mich ohne Twit­ter auf das eine oder ande­re Pro­jekt stär­ker fokus­siert? Oder wäre dann halt irgend­was ande­res an die Stel­le gerückt, ein oder meh­re­re funk­tio­na­le Äqui­va­len­te, um Aus­tausch, Unter­hal­tung, Kon­takt, etc. zu befrie­di­gen? Wäre ich heu­te ein anderer?

Auf Monsterjagd

Die meis­ten wer­den es ken­nen, von Par­tys oder vom Ver­such, Kin­der auf Bahn­fahr­ten zu beschäf­ti­gen: Ein Papier wird mehr­fach gefal­tet, reih­um wird ein Teil einer Per­son gemalt, ohne den Rest zu ken­nen, und das Ergeb­nis sieht dann meist ganz lus­tig aus.

Das gibt es auch in digi­tal, unter monsterland.net fin­det sich bei­spiels­wei­se ein sol­ches Online­spiel. Damit lässt sich sehr viel Zeit ver­brin­gen, ins­be­son­de­re dann, wenn eine Ein­ga­be per Stift und damit ein ech­tes Zeich­nen mög­lich ist. Die ent­ste­hen­den Mons­ter sind teil­wei­se kunst­voll, teil­wei­se über­ra­schend – und teil­wei­se gro­ßer Mist. Wie bei der Papier­va­ri­an­te kommt es dar­auf an, dass die Über­gän­ge zwi­schen Kopf, Bauch und Füßen hin­rei­chend klar sind, so dass die nächs­te Per­son weiß, was sie zu tun hat. Und je nach­dem kann die Freu­de oder die Ent­täu­schung groß sein, wenn das „eige­ne“ Mons­ter sich als Schön­heit ent­puppt oder völ­lig ver­hunzt ist, weil die drit­te Zeichner*in par­tout nicht kapiert hat, was die Idee war. Und manch­mal ent­ste­hen aus uner­war­te­ten Kom­bi­na­tio­nen über­ra­schen­de Dinge.

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Schock im öffentlichen Wohnzimmer

Lightning II

Jetzt also doch: Elon Musk kauft – für 44 Mrd. Dol­lar – Twit­ter, der Wider­stand dage­gen wur­de, wohl nicht ganz frei­wil­lig, aufgegeben.

Ges­tern Abend, als sich die­se Nach­richt ver­brei­te­te, explo­dier­te Twit­ter gera­de­zu – von Spaces zum Aus­den­ken der bes­ten Belei­di­gun­gen, um Musks Ein­la­dung auf die Pro­be zu stel­len, dass auch sei­ne här­tes­ten Kritiker*innen doch bit­te blei­ben sol­len, schließ­lich gehe es ihm um „free speech“ bis hin zu Debat­ten dar­über, ob es Zeit ist, das Medi­um zu wech­seln, oder ob mehr Regu­lie­rung im Sin­ne des „Digi­tal Ser­vices Act“ der Euro­päi­schen Uni­on hel­fen könn­te. Dazwi­schen immer wie­der Hin­wei­se dar­auf, wer unter wel­cher Adres­se nun – zunächst ein­mal, zusätz­lich oder tem­po­rär – bei Mast­o­don zu fin­den ist. „Schock im öffent­li­chen Wohn­zim­mer“ weiterlesen

Kurz: „Grünzeug am Mittwoch“ – Internetarchäologie

Bei mei­nen Archiv­wühl­ar­bei­ten ist mir anhand toter Links auf­ge­fal­len, dass der baden-würt­tem­ber­gi­sche Lan­des­ver­band der Grü­nen von 2009 bis etwa 2013/14 ein Blog betrie­ben hat, das zumin­dest zeit­wei­se auch rege genutzt und als Debat­ten­fo­rum ver­wen­det wur­de. Das hat­te ich schon fast vergessen. 

Ich selbst habe von 2009 bis 2012 dort mehr oder weni­ger jeden Mitt­woch ein „Grün­zeug am Mitt­woch“ geschrie­ben. Zu allen mög­li­chen The­men, die Grü­ne – in Baden-Würt­tem­berg, und dar­über hin­aus – bewe­gen. Heu­te ist das Blog nur noch über das Inter­net Archi­ve zu fin­den, zumin­dest grö­ße­re Tei­le davon. Unten ein Link zu einem Goog­le Doc, in dem ich „mei­ne“ Ein­trä­ge, so weit sie noch im Inter­net Archi­ve zu fin­den waren, ein­mal zusam­men­ge­stellt habe. Nicht voll­stän­dig, und auch nicht hübsch for­ma­tiert, aber viel­leicht doch ganz praktisch.

> Grün­zeug am Mitt­woch 001 bis 148

Gene­rell: wenn ich mir die unglaub­lich gro­ße Men­ge nicht mehr funk­tio­nie­ren­der Links schon nach zehn oder fünf­zehn Jah­ren anschaue, glau­be ich, dass zukünf­ti­ge Historiker*innen mal ihren Spaß haben wer­den, zu rekon­stru­ie­ren, was in den 2010er Jah­ren so los war.