Anlässlich des Equal Pay Day und der damit logischerweise verbundenen Forderung nach einer Quote auch in der Wirtschaft (und der Politik natürlich erst recht) taucht vermehrt das Quote?-Aber-die-Kompetenz!-Argument auf. Wer dieses Argument verwendet, geht davon aus, dass Frauen minderbemittelt sind, wie ein kleines Gedankenexperiment zeigt.
Es sollen die bezüglich ihrer Sprungwirkungskompetenz besten Flummibälle gefunden werden. Es gibt blaugrüne und orangene Flummibälle. Das testende Kind bevorzugt – unabhängig von der Sprungwirkung – orangene Flummibälle, weil die halt greller aussehen. Eine Sortierung der Flummibälle durch das Kind würde also orangene, gut springende Bälle ganz an die Spitze legen. Auch wirklich supergut hüpfende blaugrüne Flummis haben keine Chance, ganz vorne zu landen.
Jetzt ist es aber so, dass die Sprungwirkunggüte bei Flummis unabhängig von der Farbe ist. Eine Maschine, die die Sprungwirkung testet, sortiert mit gleicher Wahrscheinlichkeit orangene und blaugrüne Flummis nach vorne.
Was passiert jetzt, wenn immer abwechselnd ein blaugrüner und ein orangener Flummi an die Spitze gelegt werden müssen, also eine Farbquote eingeführt wird? Am besten kommen dann alle blaugrünen Flummis in einen Topf, alle orangenen Flummis in einen zweiten. Unter diesen wird jeweils der Flummi mit der besten Sprungwirkung als erstes in die Reihe mit den Flummis gelegt. Der beste orangene. Der beste blaugrüne. Der zweitbeste orangene. Der zweitbeste blaugrüne. Und so weiter.
Da die Sprungwirkungskompetenz bei Flummis statistisch gleich verteilt ist, und die Vorliebe für Grellorange durch das Quotenverfahren ausgeschaltet wird, sollte sich jetzt eine zur blinden, maschinellen Reihung sehr ähnliche Reihung ergeben. Vielleicht liegen da mal zwei orangene oder zwei blaugrüne Flummis nebeneinander, im Durchschnitt sind diese Unterschiede aber zu vernachlässigen.
Fazit: Sofern Kompetenz unabhängig von anderen Merkmalen gleich verteilt ist, hilft eine Quote, bei der Sortierung nach Kompetenz diese anderen Merkmale auszublenden. Also zum Beispiel die Fixierung auf das schöne, grelle Orange, die daher rührt, dass das sortierende Kind dem Irrglauben anhängt, was grell aussieht, muss besser hüpfen können.
Und wer andersherum meint, dass eine Quote negative Auswirkungen auf die Sortierung nach Kompetenz hat, wird erstens immer Einzelfälle finden, in denen das stimmt, irrt sich aber im statistischen Durchschnitt – oder er oder sie geht davon aus, dass die Merkmale Kompetenz und Geschlecht nicht unabhängig voneinander sind. Oder anders gesagt: Wer mit dem Verweis auf Kompetenz Quoten ablehnt, glaubt, dass Frauen per se weniger kompetent sind als Männer.
Warum blogge ich das? In der vagen Hoffnung, mit dem Beispiel Flummis in dieser Sache kindische Menschen überzeugen zu können.
Sofern Kompetenz unabhängig von anderen Merkmalen gleich verteilt ist
Schön, dass Du wenigstens Deine Prämisse benennst, das hat man ja nicht mehr oft, wenn’s um die heilige Kuh der Gleichstellung geht.
Wir wissen aber, dass Kompetenz eben nicht unabhängig vom Geschlecht ist. Du brauchst Dir nur anzuschauen, welche Berufe Männer und Frauen jeweils bevorzugen. Und schon geht das ganze Gedankenexperiment den Bach runter.
Oder eben nicht, wenn ich als an Gender interessierter Soziologe darauf hinweise, dass Berufswahlen kein Indikator für Kompetenz, sondern für Sozialisation, gesellschaftliche Erwartungen, … sind. Aber du darfst gerne konkreter werden und darstellen, was Frauen und was Männer naturgemäß besser können.
Es geht nicht darum, was jemand „naturgemäß“ besser kann. Diese Diskussion zu führen ist ja recht müßig. Es geht darum, dass faktisch (gegenwärtig und zu allen anderen Zeitpunkten in der dokumentierten Menschheitsgeschichte) Frauen im Durchschnitt nicht über die gleichen erlernten Fähigkeiten verfügen wie Männer.
Wenn Du Dir also nicht gerade einen Kompetenzbegriff herdefinieren kannst, der von einer Berufsausbildung völlig unabhängig ist, dann ist Dein Gedankenexperiment damit für den intendierten Zweck ungeeignet.
Natürlich kann man meinetwegen trotzdem für eine Quote sein, weil man etwa auf die Vorbildfunktion der Quotenfrauen hofft, die dann mehr Mädchen dazu bringt, z.B. einen naturwissenschaftlich-technischen Beruf zu erlernen. Aber die existierenden Unterschiede einfach auszublenden und daraus politische Forderungen abzuleiten ist einfach nur Quatsch, egal wie schön die Analogie ansonsten sein mag.
Ich bleibe dabei: Sag doch konkret, wo – z.B. in welchen Berufsfeldern – Frauen (wenn’s denn sein muss auch aufgrund erlernter Kompetenzen …) statistisch gesehen schlechter sind als Männer.
Ich denke, das liegt auf der Hand. Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Technik. Also genau die Bereiche, wo man die gut bezahlten Jobs außerhalb der Vorstände findet. Und für die Vorstände schadet es in vielen Firmen auch nichts, wenn man über einen solchen Hintergrund verfügt.
Und was soll überhaupt die Formulierung „wenn’s denn sein muss auch aufgrund erlernter Kompetenzen“…?
Selbstverständlich sind Männer und Frauen bei der Geburt vermutlich exakt gleich begabt. Das nützt ihnen aber mit 30 nichts mehr, wenn sie ihr Leben mit einem schönen Mädchenstudium verbummelt haben, das ihnen für die gut bezahlten Jobs eben keinerlei Kompetenz mitgibt…
Als Absolvent eines Mädchenstudiums könnte ich dazu zwar auch was sagen, sehe aber die Logik noch nicht. Meine Aussage: „Wer meint, eine Quote würde Kompetenz verringern, liegt falsch“ trifft doch auch dann zu, wenn die Grundgesamtheiten kleiner sind (sofern sie nicht zu klein sind), oder? Meine Aussage: Unter den 20% MINT-Frauen sind die Kompetenzen gleich verteilt wie unter den 80% MINT-Männern. Die obersten 5% beider Töpfe bestehen zwar aus unterschiedlich vielen Personen, weisen aber die gleichen Kompetenzen auf.
Das ist doch jetzt nicht Dein Ernst, oder?
Nimm Deine Flummibälle: Wenn das Kind 80 grellorange und 20 blaugrüne Bälle hat, dann mag die „Kompetenz“ noch so gleich verteilt sein, nach der Quotenmethode wird es spätestens nach dem neunundreissigsten Ball einen praktisch gar nicht mehr springenden blaugrünen Ball vor einem sogar noch überdurchschnittlich springkompetenten orangen Ball einordnen müssen.
Wenn es nur vierzig Bälle haben darf, dann sind vermulich mehr als drei Viertel der Bälle schlechter als sie sein müssten und ein oder zwei fast völlig unbrauchbar. Ohne Quotenregel könnte es vierzig Bälle haben, die besser springen als die meisten anderen Flummis. Darunter wären allerdings nur ca. 8 blaugrüne.
Selbst bei eine 20:80 Verteilung (bei z.B. 1000 Flummis, oder Personen, oder …) spielen Kompetenzunterschiede (im Sinne erworbener Kompetenzen) keine große Rolle, wenn z.B. vier Plätze oder 10 Plätze zu besetzen sind. Und sobald die Verteilung etwas ausgewogener ist, kann eine nahezu beliebig große Gruppe quotiert besetzt werden.
Auch das ist schon deshalb nicht richtig, weil Du selbstverständlich in einer größeren Gruppe eine höhere Wahrscheinlichkeit hast, absolute Spitzenkräfte zu finden.
Davon abgesehen halte ich es auch nicht für unmittelbar einsichtig, überhaupt von solchen Größenverhältnissen auszugehen. Da müsste die Vokabel „Fachkräftemangel“ ja völlig unbekannt sein. Wahrscheinlicher scheint mir, dass sich die Zahl der offenen Stellen für Fach- und Führungskräfte sich in der selben Größenordnung bewegt wie wie die Zahl der brauchbaren Kandidaten.
Und zack, ist er wieder da, der Kompetenzverlust…
(Und als kleine Vorwarnung: Das Gedankenexperiment funktioniert selbst dann, wenn entgegen meiner Annahme nicht von generell gleichverteilten Kompetenzen ausgegangen wird, sondern nur von bereichsspezifisch gleichverteilten Kompetenzen.)
Was verstehst Du denn unter „bereichsspezifisch gleichverteilt“?
Beispiel Uni: ziemlich genau 50:50 Studierenden in einigen Fächern (odr sogar 60:40, Bsp. Jura), aber trotzdem ein dezidiert männlicher Bias in den Laufbahnen. Das mit „Kompetenz“ zu erklären, halte ich für Quatsch.
Es wären für so eine Aussage natürlich nicht die Studierendenzahlen, sondern die Absolventenzahlen interessant, und am besten auch noch die Notendurchschnitte…
Aber, ja, ich würde auch vermuten, dass man da keine messbaren Kompetenzunterschiede findet. Dieser Effekt ist wohl eher durch Motiavitionsunterschiede zu erklären.
Kompetenz und Quote: Grellorange hüpft nicht besser http://t.co/f5SuzAFFRZ
@Björn: Ich versuche das jetzt doch nochmal auseinanderzusortieren – und zu schauen, wie weit meine Flummiball-Analogie trägt.
Fall 1: In der Grundgesamtheit gibt es etwa gleich viele orangene und blaugrüne Flummibälle. Kompetenz (was auch immer das ist) ist ein Merkmal, das unabhängig vom Merkmal Farbe ist. Eine Zufallsverteilung sollte etwa gleich viele orangene und blaugrüne Flummis enthalten. Wenn reale Verteilungen stark davon abweichen, ist eine Quote sinnvoll. Wer in dieser Konstellation damit argumentiert, dass eine Quote Kompetenz der Auswahl reduziert, behauptet, dass Farbe und Kompetenz nicht unabhängig voneinander sind. Beispiel: Jurastudium und Karrieren danach.
Wenn wir davon ausgehen, dass bei Geburt die Voraussetzungen für den Kompetenzerwerb unabhängig vom Geschlecht verteilt sind, sollten die erworbenen Kompetenzen in einer idealen Gesellschaft auch dreißig Jahre später unabhängig vom Geschlecht verteilt sein.
Fall 2: Komplizierter wird es, wenn die Verteilung der Farben/Geschlechter in der Grundgesamtheit stark unterschiedlich ist.
Fall 2.a: Eine Quote, die der Verteilung in der Grundgesamtheit entspricht (also nicht 50:50) als Mittel gegen eine schlechtere Verteilung als in der Grundgesamtheit, lässt sich genau wie in Fall 1 argumentieren. (Ein Beispiel dafür ist das Kaskadenmodell in der Wissenschaft)
Fall 2.b: Wie sieht es bei unterschiedlich großen Teilmengen mit einer 50%-Quote aus? Hier scheint mir eine unausgesprochene Voraussetzung der Flummi-Analogie problematisch zu werden, nämlich die, dass „Kompetenz“ etwas ist, das nicht diskret ist, und innerhalb der beiden Teilmengen linear und mit gleichen „Anfangs-“ und „Endpunkten“ verteilt ist. Wenn Kompetenz so verteilt ist, dann stimmt vermutlich der Einwand oben.
Fall 2.c: Jetzt lässt sich allerdings argumentieren, dass Kompetenz (und erst recht nicht sowas wie Talent, Begabung oder Interesse) nicht nach diesen Kriterien verteilt ist. Eventuell sind S‑Kurven realistischer als Geraden. Je nachdem, worum es geht, ist Kompetenz kein eindimensionales Merkmal. Vermutlich ist es nicht so, dass die „Startpunkte“ und „Endpunkte“ der Verteilung in beiden Teilmengen identisch sind (weil die z.B. davon abhängen, wo Qualifikationen abgeschnitten werden). Und dann bezweifle ich, dass es im Realfall sowas wie die absolut bestgeeignete Person gibt – ich vermute eher (das würde dann diskreten Kompetenzleveln statt einem Kontinuum entsprechen), dass es in den meisten Fällen Gruppen ähnlich gut geeigneter Personen gibt. Zugespitzt sogar nur die binäre Unterscheidung „geeignet“ und „ungeeignet“. Je nachdem, welche dieser Annahmen zutreffen, wie die Proportionen in der Grundgesamtheit aussehen und um welches Zahlenverhältnis zwischen Grundgesamtheit und Auswahl es geht, ist eine Quote mehr oder weniger kompetenzverzerrend.
Beispiel: 20% sind orange (z.B. 10 Flummis), 80% sind blaugrün (z.B. 40 Flummis), jeweils die Hälfte ist geeignet und nicht geeignet (5:5, 20:20). Wenn dann jeweils nur Flummis aus der geeigneten Hälfte genommen werden, ist es – bei einer Auswahlgröße bis 10 Stück – bezogen auf die Gesamtkompetenz der Auswahl völlig gleich, ob die Hälfte der maximal zehn Flummis orange oder alle blaugrün sind.
(Mal ganz unabhängig von der Frage, ob reale Selektionen tatsächlich nach Kompetenz oder doch oft nach ganz anderen Merkmalen stattfinden).
Wenn Du von Anfang an für ein Kaskadenmodell argumentiert hättest, dann gäbe es überhaupt keine Probleme mit dieser Analogie, aber wenn unsere Quoten Kaskaden wären, dann gäbe es wahrscheinlich auch überhaupt kein Problem mit der gesellschaftlichen Akzeptanz von Quoten.
Ansonsten erscheinen mir Deine Rettungsversuche für die Analogie bezüglich der 50:50-Quote langsam etwas bemüht. Warum soll es denn jetzt ausgerechnet eine S‑Kurve sein? Normalerweise würde man erstmal von einer Normalverteilung ausgehen… Und selbst wenn diese Annahmen alle richtig wären (Kompetenz ist ja ein komplexes Thema, da kann man sich’s mit ein bisschen Geschick immer herdefinieren, wie man’s grade braucht), dann kommst Du trotzdem nicht an der Tatsache vorbei, dass bei ausreichend großer Stellenzahl immer irgendwann eine inkompetente Person des einen Geschlechts eingestellt werden muss, obwohl noch genügend kompetente Personen des anderen Geschlechts verfügbar sind.
Also, für meine Begriffe ist das zwecklos. Aber wie sollte es auch anders sein; die 50:50-Quote ist ja auch Blödsinn, also sollte man sich nicht wundern, dass das Flummimodell genau das abbildet. :)
Kurze Antwort: Weil’s mir nicht um eine Quotierung für berufliche Positionen geht (da kommt minus Mathematik der große Teil deiner Gegenargumente inkl. der großen Stellenzahl her) – sondern um Quotierungen für politische und wirtschaftliche Leitungspositionen. Abgeordnete, Vorstände, Aufsichtsräte, akademische Gremien usw.
Ach, und die brauchen alle keine besonderen (und einigermaßen seltenen) Qualifikationen?
Ich würde vermuten, dass das für Abgeordnete sogar stimmt, aber das bezieht sich auch nur auf die gegenwärtigen Zustände. Idealerweise würden wir uns unsere Abgeordneten ja auch ein bisschen besser aussuchen als nach innerparteilicher Fleißbildchenvergabe und Networking-Fähigkeit. Oder, wahlweise, könnten wir sie überhaupt nicht mehr wählen, sondern per Losentscheid nach Berlin schicken, wenn sie eh nicht so hochqualifiziert sein müssen. Damit wäre eine Quote ebenfalls unnötig.
Aber Vorstände sollten Ahnung haben von dem, was sie da tun. Und, als Folgerung, auch die Aufsichtsräte, sonst haben sie ja wenig Chancen, eine wirksame Aufsicht auszuüben. Mir ist das ehrlich gesagt ein Rätsel, wie die Leute immer drauf kommen, dass ausgerechnet Führungspositionen von jedem (illustrative Übertreibung) dahergelaufenen Honk ausgeübt werden können. Von fachlichen Kenntnissen ganz abgesehen ist es ja schon schwierig genug, jemanden zu finden, der über ein Mindestmaß an Talent zum Umgang mit Untergebenen verfügt.
Dass obendrein die Stellenzahl immer noch groß genug wäre, um Probleme zu verursachen, zeigt ja das vielgepriesene norwegische Beispiel, wo alle halbwegs geeigneten Frauen gleich mehrere Pöstchen innehaben müssen.
Der Kern der Sache ist einfach, dass stures Fifty-Fifty-Denken nichts mit Gleichberechtigung zu tun hat. Und solang man die Domäne des logischen Denkens nicht ganz verlassen will, lassen sich auch keine Argumente oder Metaphern herbeizaubern, die das irgendwie ändern.