Jetzt habe ich dieses Androidtablett, das ziemlich genau die Maße eines Buchs hat. Die Kindle-App läuft, und zur Not gäbe es auch einen PDF-Reader (und Google Books …). Ich besitze (oder lease?) inzwischen einige Digitalausgaben.
Trotzdem stelle ich fest, dass ich Bücher nach wie vor lieber als Papierversion kaufe.
Warum ist das so? Die Preisgestaltung (sind e‑Books minderwertige Produkte, oder warum erwarten wir, dass sie eigentlich viel günstiger sein müssten?) und die DRM-Problematik mögen dazu beitragen, aber letztlich ist es das Gefühl, dass es mehr Spaß macht, ein Buch – und ich rede hier von Unterhaltung – auf gebundenem Papier als auf einem Display zu lesen.
Was mich jetzt selbst etwas verwundert, weil die Vorteile des e‑Books eigentlich klar auf der Hand liegen, gerade auf Reisen.
Wenn ich etwas darüber nachdenke, fallen mir drei Faktoren ein, die möglicherweise zum subjektiv gesenkten Spaßfaktor beitragen. Ich könnte auch sagen: Die zu kleinen, aber in der Summe relevanten Zusammenstößen zwischen meiner langjährigen Lesepraxis und den damit verknüpften Erwartungen einerseits und dem Lesen vom Display andererseits führen.
Erstens geht es dabei um Aufmerksamkeitsmanagement: Ein Buch ist ein Buch, der Bildschirm des Nexus 7 kann alles sein. Diese Universalität funktioniert wunderbar, solange es sich um kürzere Aufmerksamkeitsfenster handelt (Twitter, Facebook, Blogeinträge) oder mehr als nur Text fesselt (Videos, Spiele).
Mit dem längeren Buch konkurriert jedenfalls immer das Gefühl des „du könntest schnell noch mal nachsehen, ob“. Ich bin mir im Moment nicht sicher, möglicherweise tauchen sogar Statusnachrichten in der Kopfzeile auf, während die Kindle-App läuft. Selbst wenn nicht, bleibt das unbestimmte Unbehagen, dass das ja passieren könnte.
Auch das Buch aus Papier lässt sich zur Seite legen. Aber es bleibt auch dann das Buch. Es lenkt nicht selbst von sich ab.
Zweitens könnte es eine Rolle spielen, dass Lesen eine physische Komponente hat: Ich nehme jederzeit unterhalb der Bewusstseinsschwelle wahr, ob ich eher am Anfang des im Buch gebundenen Papierstapels bin oder fast am Ende. Das Buch wird weniger. Ich merke, dass ich mich durch eine Menge Seiten durchgefressen habe. Und ich kann abschätzen, ob ich es mir gönne, noch das nächste Kapitel anzufangen oder lieber nicht.
Diese physische Struktur aus Seiten bildet die Kindle-App nur unzureichend nach. Das hat etwas damit zu tun, dass es keine Seiten im eigentlichen Sinne gibt, aber auch damit, dass die Statusanzeige („Position 345 von 9765“) willentlich eingeblendet werden muss. Es sei denn, sie blendet sich ein, weil ich aus Versehen den unteren Bildschirmrand berührt habe. Dann stört sie.
Das heißt: das intuitive Wissen darum, ob das Buch gleich zu Ende ist, das fehlt genauso wie der belohnende Charakter des Seitenverschlingens.
Drittens bin ich zwar kein Typonerd, bin aber mit der Kindle-Formatierung nur halb glücklich. Besser als der Standardschrifttextmoloch der ersten Bücher aus dem Projekt Gutenberg, und wohl auch besser als eingescannte PDFs, aber letztlich doch weniger lesefreundlich als ein einigermaßen gut gesetztes Buch. Es grüßt der Algorithmus.
Dazu kommt: Der Zeilenabstand und die Ränder sind verstellbar, aber bleiben entweder zu groß oder zu klein. Weiß als Hintergrund ist zu grell, chamois zu dunkel. Und: jedes Buch sieht gleich aus.
Jeder dieser Punkte für sich ist nur eine kleine Unannehmlichkeit, eine Gewöhnungssache. Zusammen tragen sie dazu bei, dass ich mich über p‑Books derzeit mehr freue als über e‑Books.
Lösungsideen? Das ganze kann ein persönliches Problem sein, oder eines, das bei einer mit e‑Books aufwachsenden Generation keine Rolle mehr spielt. Für die das e‑Book dann das n‑Book, das normale Buch, wäre.
Eventuell wären dezidierte e‑Book-Reader von Vorteil. Und tatsächlich als e‑Book gesetzte Texte. Vielleicht würde es auch helfen, wenn bei jedem gekauften Buch ein QR-Code den Weg zu kostenlosen digitalen Version öffnen würde.
Aber zunächst sieht es wohl so aus, dass e‑Books für mich Bücher zweiter Wahl bleiben. Obwohl meine Regale eher überfüllt sind. Seltsam, aber es ist so.
Warum blogge ich das? Weil ich mich, nachdem ich gestern A. Reynolds neues Werk in Papierform ausgelesen hatte, fragte, warum ich das als p‑Book gekauft habe. Und warum ich diesen erst vor ein paar Tagen gelieferten Roman gelesen habe, und nicht eines der auf dem Nexus liegenden Kindle-Books.
Da kann ich völlig zustimmen. Und mir geht das nicht nur bei Büchern so. Bei digitalen Aufsätzen geht es mir auch so. Wenn es wirklich wichtig ist, drucke ich diese inzwischen wieder aus. Und sei es nur, damit ich etwas unterstreichen kann…
Ich teile deine Vorliebe für die Papierversionen. Weitere subjektive Gründe sind:
Ein Buch fühlt sich einfach besser an, fühlt sich auch verschieden an, hat buchstäblich ein individuelles Eigengewicht, riecht auch anders – ist, warum auch immer, auch ein Teil des Bucherlebnis für mich.
Zudem ist es immer noch so, dass ich ein Buch anders lese bzw. einen gedruckten Text anders lese. Das merke ich rein technisch daran, dass ich Dokumente ausgedruckt besser korrigieren kann, da ich Fehler oftmals erst in der ausgedruckten Version erkenne – geht auch vielen anderen so.
Woran liegt das?
Ich würde mir aber durchaus eine wesentlich höhere Dichte von Fachbüchern Lehrbüchern und Kommentaren als e‑book wünschen, denn dort habe ich erstens eine sehr hohe Notwendigkeit des Nachkaufs von Neuauflagen und könnte so Papierberge einsparen, zweitens wären die sehr dicken Fachbücher transportabel z.B. in Gerichtstermine o.ä. und ich könnte Zitate besser übertragen (natürlich mit Quellenangaben :-)
Hier sehe ich einen wirklichen Nutzwert und Vorteil.
Ich stelle für mich fest, dass ich auf dem Tablet nicht so gerne lese wie auf dem eBook-Reader. Aber Unterhaltungsliteratur zum „herunterlesen“ finde ich auf dem eBook-Reader nicht weniger zu fassen als auf Papier. Ich habe meinen Perry-Rhodan-Konsum umgestellt auf epub-Format und komme damit gut zurecht. Und was aktuell auf deutsch der „Game of Thrones-Reihe“ erschienen ist – ebenfalls. Nur beim Stephen King – Wind – wo ich komplett die anderen Bücher aus der Reihe besitze, da überlege ich, ob ich das nicht als Buch haben muss. (und mehr schaff ich zur Zeit nicht) Und die Perry-Rhodan-Silbberbände bekomme ich nach wie vor im Abo als Hardcover.
Wissenschafltiche und politische Literatur und Sachbücher habe ich dagegen gerne auf Papier – um auch NOtizen machen zu können – das kann mein Tablet (noch) nicht. Und ob ich die BDK-Anträge noch abhefte oder als PDF herunterlade – weiß ich noch nicht genau :-) Ich glaube, für „unsere“ Generation geht noch ein sowohl als auch.
Ich sehe das mittlerweile doch anders, was wohl auch daran liegt, dass hier ein etwas älterer Sony Reader ohne WLAN etc. im Einsatz ist. Zu den Kritiken:
- Aufmerksamkeitsmanagement: Das Problem stellt sich mir unabhängig vom Medium. Wenn das Smartphone in der Hosentasche steckt, der Rechner wenige Meter entfernt Musik abspielt und im Internet hockt, dann ist es egal, auf welchem Medium man jetzt liest. Die Mail kommt im Zweifelsfall doch mit einem mehrfachen Ping an und dem Drang, irgendwas jetzt doch schnell in der Wikipedia nachzuschlagen, muss man auch widerstehen.
- Zur Kindle-App kann ich recht wenig sagen, da ich sie nicht nutze, aber mein Gerät blendet unten die Seitenzahl ein. Das hat in ungefähr den gleichen Effekt wie bei den Büchern, dieses „ach, dieses Buch les ich jetzt durch, auch wenn es schon spät ist“ stellt sich auch so ein.
- Erstaunlicherweise ist mir das miese Handling von normalen, gedruckten Büchern erst aufgefallen, als ich die eInk-Variante hatte. So Schinken wie George R.R. Martins Wälzer sind nicht nur dick, sondern auch unglaublich schwer. A Dance with Dragons wiegt in meiner Ausgabe schlappe 1,3kg. Das hälst du nicht für 1000 Seiten einfach so in der Hand, sondern irgendwie musst du es dann doch ablegen. Normale Bücher kann man auch schlecht im Bett auf der Seite liegend lesen. Ich habe auch bemerkt, dass ich seit den eInk-Geräte erstaunlich häufig beim Lesen durch die Wohnung laufe – mit dem 1,3kg Martin in der Hand wär das dann wohl eher Gewichtstraining.
(Nebenbei verstehe ich das Argument des Geruches von Büchern nicht. Ja, Papier riecht anders als ein eInk-Gerät oder ein Tablet, hat jetzt aber normalerweise auch keinen extremen Eigengeruch wie Gewürze etc. Wenn man nicht gerade furchtbar kurzsichtig ist oder im Antiquariat Bücher alte Suhrkamp-Bücher eines passionierten Kettenrauchers gekauft hat, sollte man ein Buch beim Lesen eigentlich nicht riechen.)
Das mit dem Gewicht ist ein Grund, warum ich Paperbacks lieber mag als „ordentlich“ gebundene Bücher. 1Q84 liegt u.a. deswegen halbgelesen hier herum, weil mir die gebundene Ausgabe zu groß und schwer für meine Bahntasche ist.