Zumeist ist der grüne Länderrat ja eine nicht sonderlich spannende Angelegenheit. Am Sonntag ist das anders – da findet ein außerordentlicher grüner Länderrat statt. Auf der Tagesordnung steht ein einziges Thema: Europa; konkreter wird es um die Krise, ESM und den Fiskalpakt gehen.
Der Sonderländerrat findet statt, weil derzeit Verhandlungen zwischen den Parteien darüber laufen, ob bzw. unter welchen Bedingungen die Opposition im Bund zustimmt. Da geht es beispielsweise um ein hartes Commitment zu einer Finanztransaktionssteuer oder um einen europäischen Altschuldenfonds.
Innerhalb der Grünen ist ziemlich strittig, ob ein Ja zum Fiskalpakt überhaupt Sinn machen kann. Auch deswegen haben über 30 Kreisverbände einen „großen“ Sonderparteitag beantragt. Den sehe ich derzeit nicht. Aber zumindest der „kleine“ Parteitag, der Länderrat, wird eine Entscheidung treffen. Meine Meinungsbildung als Delegierter dafür ist noch nicht abgeschlossen – insofern bin ich an Feedback zum Fiskalpakt sehr interessiert.
P.S.: Zum Länderrat wird es einen Livestream geben.
P.P.S.: Anträge und Tagesordnung
Nehmt den Text der LDK von den NRWlern Eurer Partei (von gestern?). Das ist dafür das es von einer Partei kommt ganz in Ordnung. Ein paar Fehler enthalten – aber so what.
Ansonsten den im Nick verlinkten Blogbeitrag ansehen. Kommt von Dr, Schulmeister, die Langfassung ist verlinkt.
Grüße
ALOA
[Sorry, lag im Spam. TW]
Das Erste wäre jetzt, entschieden darauf hinzuweisen, dass von einer „Einigung“ keine Rede sein kann, wenn uns das Basisvotum am Sonntag irgendwas bedeutet.
Solange keine Anträge zum Länderrat vorliegen, ist es natürlich schwer zu sagen, was genau unter welchen Bedingungen zustimmungsfähig ist oder nicht. Da nun aber der Schuldentilgungsfonds oder ein vergleichbares Instrument nicht kommen soll, bin ich der Meinung, dass wir eine grüne Zustimmung nicht empfehlen können. Auch die genauen Inhalte des Investitionspaktes sind nicht bekannt. Alles, was am Ende zu mehr Energieverbrauch führt, ist keine sinnvolle Investition.
Das sind im Moment jedenfalls meine Kriterien, zumal diese Punkte auch der Basis, die ich vertreten soll (ich kann da natürlich nur die Leute, die sich dazu geäußert haben, heranziehen), wichtig sind.
Soweit ich die ‚Einigung‘ jetzt verstanden habe, gibts eins von diesen rot-grünen Wachstumspaketen, irgendwie was mit Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und eine vage Zusage zu einer Finanztransaktionssteuer. Das finde ich persönlich etwas dünn, um unsere grüne Glaubwürdigkeit dafür aufs Spiel zu setzen.
Ganz davon abgesehen, dass sowohl ESM, als auch der Fiskalpakt beides Instrumente sind, um einer Staatsschuldenkrise beizukommen.
Wenn wir uns aber doch mehrheitlich einig sind, dass es sich bei der gegenwärtigen Krise mitnichten um eine Staatsschuldenkrise handelt, sondern die private Verschuldung der Haushalte eine nicht unwesentliche Rolle in dieser Krise spielt, oder man sogar noch den Schritt weiter geht und deutlich macht, dass es sich um eine gravierende Verteilungskrise handelt- ja, wozu dann Instrumenten zustimmen, die überhaupt am Problem vorbei wirken. Ich persönlich halte den ESM mit seiner sehr problematischen demokratischen Legitimierung, einer Finanzistitution die keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt und auf die kein parlamentarischer Einfluß ausgeübt werden kann im Grunde für viel bedenklicher, als den Fiskalpakt, der nach Aussage von Jürgen Trittin ohne hin nur ein Regelwerk für Leute ist, die zu dem Gürtel noch den Hosenträger brauchen, weil die meisten Verabredungen aus dem Fiskalpakt ohnehin schon an anderer Stelle Recht und Gesetz sind.
Ich würde mir wünschen, dass der Länderrat sich diese ‚Einigung‘ nicht als Erfolg verkaufen läßt, gerade weil sie jetzt noch eben schnell erzielt wurde, bevor man auch die Notlösung einer Basisbeteiligung, nämlich den Länderrat zu Sondersitzung einberuft.
Lieber Till,
zur Frage, ob man ESM/Fiskalpakt zustimmen soll, sind schon so viele kluge Sachen geschrieben worden, dass eine Entscheidung möglich ist. Ich bin der Meinung, dass ein Ja ein absolut fatales Signal der Unterwerfung unter die Diktatur der Finanzmärkte und der damit einhergehenden Aushöhlung der Demokratie ist. Ich hoffe jetzt nur noch , dass das Bundesverfassungsgericht dem Treiben Einhalt gebieten wird, denn von den Grünen verspreche ich mir nichts mehr. Mehr als ein paar Placebos wird Merkel nicht rausrücken.
Was den Länderrat angeht: Ein besseres Beispiel für den blossen Anschein von Basisdemokratie gibts nicht. Man wird Euch einen Leitantrag vorlegen, sagen: Wir müssen dem zustimmen, weil wir uns nicht als Neinsager in der Öffentlichkeit abseits stellen lassen können, zumal die SPD etcetera blabla… Und die Mehrheit wird zähneknirschend zustimmen.
Die Ursache liegt auch darin, dass schon lange die Parteispitzen von SPD und Grünen sich „schwer tun“, eigene Positionen aufzubauen und mit entschiedenen Aussagen zu vertreten. So wie es lief, ist man in der Öffentlichkeit natürlich überhaupt nicht positioniert. Man sagt dazu wohl neuerdings: Man hat kein Narrativ aufgebaut.
Ich bitte Euch, der Fraktionsführung und dem Vorstand – aber nachddrücklich – deutlich zu machen, dass wer von Basisdemokratie redet, die auch ernstnehmen muss. Das fängt damit an, dass Facebook-Seiten kein Vorstandsverkündbuch sind, wo nicht auf Fragen reagiert wird (Ausnahme G. Schick). Das geht weiter damit, dass man nicht Briefe an die Mitglieder schreibt mit Versprechungen, die von den Zeitungsmeldungen schon überholt sind. Wenn man hätte die Basis einbeziehen wollen, hätte man genug Zeit gehabt, bevor die wichtigsten Entscheidungen gefallen sind.
Angesischts der Tatsache, dass der Herr Bundesvorsitzende meint, vor dem Länderrat eine Einigung mit der Koalition verkünden zu können, bleibt da nur die Ablehnung. Ich bin sicher, die Abstimmung wird auch zu einem späteen Zeitpunkt stattfinden können. Wenn die Damen und Herren vergessen haben, was Basisdemokratie ist, sollen sie sich erinnern. Ich vermute allerdings, dass auch bei einer Ablehnung durch den Länderrat zugestimmt werden wird. ich werde auf dem Landesausschuss am Samstag für eine Ablehnung plädieren.
Danke schon mal an alle für das Feedback. Ich möchte die Debatte aber nochmal zuspitzen.
Nehmen wir an, das Einigungspapier sei einigermaßen vernünftig – Transaktionssteuer, Bankenregulierung, Netzausbau und solche Dinge. Nehmen wir weiter an, dass das das Maximum an Verhandlungsergebnis ist, das kleine Grüne aushandeln können.
Der LR kann dann letztlich ja zu Papier und Fiskalpakt sagen, oder nein zu beidem. Das ist das Dilemma, in dem wir stecken.
Man weiss ja wirklich nicht, was in der sog. Einigung drinsteht. Allerdings, wenn man sich mal das zu Gemüte führt, was die FTD schreibt, und ich denke das ist seriös, dann kann man dem Kompromiss auf gar keinen Fall zustimmen. Bisher, zumindest lese ich das so, sind Punkte wie eine Transaktionssteuer als Beispiel eine reine Absichtserklärung. Euro-Bonds = Fehlanzeige.
Die Zustimmung wird die Grünen viel Glaubwürdigkeit kosten und man wird die Grünen, wenn sie denn zustimmen, in den gleichen Topf schmeißen wie die „Anderen“. Man kuscht vor den „Märkten“.
Es wird das Wort „Alternativlos“ fallen.
Das „gemeinsame Papier“ findest Du hier und es wird Deine schlimmsten Befürchtungen bestätigen: http://bit.ly/MnxkLv
Nach der Propagandaschlacht der unabhängigen Presse geht jetzt auch der Versuch der Parteien los, das Verfassungsgericht unter Druck zu setzen (Kauder und Oppermann). Man sieht hier sehr gut, wer dieses Land inzwischen wirklich regiert. Die Spitzen von SPD und Grünen ruinieren die Glaubwürdigkeit ihrer Parteien für viele Jahre.
@Hartmut
Ja, diese gemeinsame Erklärung hab ich schon gesehen, gelesen, überflogen. Aber, da steht ja nichts drin, also das übliche WischiWaschi an Absichtserklärungen.
Würde ich anders bewerten: Es stehen schon ein paar sehr konkrete Ankündigungen drinne – insgesamt ist das allerdings alles ziemlich großkoalitionär-wachstumsfixiert.
für micht steht da drin, man will einen Vertrag abschliessen von dem alle wissen, das er nicht funktioniert, nicht funktionieren kann. aus Gründen, die Allen, oder zumindest sehr Vielen bekannt sind.
Wichtig wäre mir vor allem, dass zumindest die Weichen gestellt werden, dass die EU-Ebene die notwendigen Instrumente zur Krisenbekämpfung und –prävention bekommt. Was auch grün-intern nicht unumstritten wäre. Aber andernfalls wird es immer wieder Maßnahmen geben, die die Regierungen im Hinterzimmer aushandeln. Dazu müssen wir GRÜNE Farbe bekennen. Insbesondere einige Kollegen, die erst gegen die EU-Verfassung wettern, weil sie der EU-Ebene zu viel Kompetenzen bei Wirtschafts- und Sozialfragen gibt, in der Krise nahtlos eine kaum demokratisch legitimierte „europäische Wirtschaftsregierung“ fordern und nun gegen den Fiskalpakt sind wegen mangelnder Kontrolle des deutschen Parlaments (beim EU-Parlament als Argument könnte ich es ja noch verstehen)…
Der Fiskalpakt ist mir nicht weit greifend genug. Alle fiskalen Möglichkeiten, ob Schuldenbremse oder Investitionen, machen nur Sinn, wenn sie auf fruchtbarem Boden fallen. Ich sehe das Problem vieler Länder eher in ihren Strukturen. Riesige, ineffiziente Verwaltungsapparate, Verfilzung und Korruption würden weitere Investitionen nur wie ein Schwamm aufsaugen. Natürlich brauchen diese Länder auch Geld, ebenso aber, und dringlicher ist Know how gefragt beim Aufbau und Restrukturierung eines effektiven Verwaltungssystems.
Änderungsantrag zu E01, Z. 400
Antrag:
Z. 400 ff. „Vorbehaltlich … zu zustimmen“
ersetzen durch
„Bei allem dringenden Handlungsbedarf, den auch wir sehen, erscheint es uns angesichts dieser weiterhin laufenden Verhandlungen und angesichts der grundsätzlichen Bedeutung dieser Schritte auf dem Weg zu einer weitergehenden Europäischen Union falsch, die Entscheidung für oder gegen den ESM und den Fiskalpakt übereilt zu treffen.
Wir fordern die Bundestagsfraktion und die grün mitregierten Länder daher auf, sich intensiv dafür einzusetzen, dass die Ratifizierung über ESM und Fiskalpakt in Deutschland frühestens im Oktober 2012 stattfindet. Wenn eine solche Verschiebung möglich ist, werden wir GRÜNE diese Zeit nutzen, um den Meinungsbildungsprozess in der Partei voran zu treiben. Ist eine Verschiebung der Abstimmungen nicht möglich, empfehlen wir der Bundestagsfraktion und den grün mitregierten Ländern, den Ratifizierungsgesetzen nicht zuzustimmen.“
Begründung: mündlich
Till Westermayer