Die ersten Ergebnisse aus den US-Midterm-Elections laufen gerade ein. Wenn ich nicht morgen früh zu unmenschlichen Uhrzeiten zwei Kinder in KindertagesstättenWaldkindergärten bringen (und dafür zu einer noch unmenschlicheren Uhrzeit aufstehen) müsste, würde ich ja glatt den weiteren Abend damit verbringen, stundenlang vor dem Rechner zu sitzen und mir anzuschauen, wie nach und nach einzelne US-Wahlkreise einlaufen. Ist ja auch spannend: Verliert Obama die Mehrheit im Repräsentantenhaus? Wie viele Tea-Party-ExtremistInnen werden nachher in Amt und Würden sein? Kommt es zur Revolte? Was wird in Kalifornien mit der Prop. 19 passieren?
Das sind so die Themen an der Oberfläche, die Wahl-Watching interessant machen. Dazu kommt das latente Bedürfnis, zu wissen, was los ist, also das Gefühl parasozialer Politinteraktion durch den Blick auf Auszählungsergebnisse. Und als dritte und am Schluss fast spannendste Ebene: die ganzen Verfahrensfragen (Wer darf kandidieren? Wie viele Parteien gibt es? Wie verzerrt sind die Ergebnisse? Was machen die Wahlcomputer? Wie wurde gegerrymandert?).
Kurz: Wahl-Watching ist ein Hobby, das zwar letztlich irgendwo zwischen Website-Basteln und Modelleisenbahn-Bauen angesiedelt ist, aber im Schein der politischen Ernsthaftigkeit glänzt. (Und das betrifft ja nicht nur die Großereignisse wie USA 2010 oder vor wenigen Wochen die Brasilien-Wahl – wahnsinnig viele Parteien, seltsame Bündnisse und auch noch Wahlpflicht, sondern, wenn Zeit und Internet mitspielen, auch die kantonalen Wahlen in Basel-Stadt oder das Abschneiden der Grünen in sämtlichen EU-Staaten – oder die jährlichen u‑asta-Wahlen …).
Ich gehe jedenfalls fest davon aus, dass ich nicht der einzige bin, den der Reiz der gewagten Prognose und der hochzüngelnden Statistik manche (leider ja oftmals) nächtliche Stunde vor dem Bildschirm festhält, bis endlich, endlich klar ist, dass es mal wieder keine Mehrheit gibt. Auch wenn es in der Qualität der Wahlberichterstattungstools massive Unterschiede gibt – dass es möglich ist, auch exotische Wahle(n) einfach von zu Hause aus zu verfolgen (und möglicherweise sogar noch darüber zu twittern) – dafür liebe ich das Internet.
Warum blogge ich das? Weil diese Begeisterung für mich nicht direkt betreffende Wahlverläufe z.B. bei A. durchaus auf Unverständnis stößt. Auch wenn ich gerne zugebe, dass es natürlich noch spannender ist, wenn es um „eigene“ Wahlen geht, wenn das Wahl-Watching dann im Online-Offline-Medienmix zwischen Landratsamt, Festsaal und Mobiltelefon stattfindet. Damit herzliche – und durchaus neidvolle – Grüße an alle Politik-Nerds, die morgen früh nicht früh aufstehen müssen!