Bei Antje Schrupp und bei der Mädchenmannschaft werden die aktuellen Entwicklungen rund um das Sorgerecht analysiert und heftig diskutiert. Mein erster Eindruck: die Aufhebung des Vetorechts für nicht-eheliche Mütter beim Sorgerecht ist ebenso sinnvoll wie der Vorschlag von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberg, künftig das gemeinsame Sorgerecht auch bei nicht miteinander verheirateten Eltern als Standard einzuführen. Diese Sicht der Dinge mag auch mit meiner persönlichen Situation zu tun haben. Ich bin froh, dass meine Partnerin und ich das gemeinsame Sorgerecht für unsere beiden Kinder haben (diese Möglichkeit gibt es erst seit 1998) – das passt zu unserer Vorstellung egalitärer Elternschaft. Und ich kann bestätigen, was wohl auch andere erfahren haben, dass es nämlich als nicht verheiratetes Paar ein ziemlicher Aufwand ist, das gemeinsame Sorgerecht zu beantragen. Dazu müssen Vater und Mutter gemeinsam beim Jugendamt erscheinen – wir haben das aus praktischen Gründen und nach Beratung durch unsere Hebamme vor der Geburt gemacht -, sich einen Vortrag darüber anhören, dass die Entscheidung nur durch Gerichtsurteil wieder aufhebbar ist, und die Partnerin wird ganz unvolljährig nochmal ganz besonders auf die Tragweite ihres Entschlusses hingewiesen. Dass es unter diesen Umständen häufig dazu kommt, dass unverheiratete Paare das gemeinsame Sorgerecht nicht beantragen, erscheint mir plausibel – und die Karlsruher Entscheidung ein Schritt hin zu einer Gleichstellung von verheirateten und nicht verheirateten Paaren.
Allerdings gibt es auch Argumente, die gegen die Regelung einer gemeinsamen Sorge als Standardfall sprechen, und die mich jetzt auch ein bißchen ins Grübeln gebracht haben. Das eine ist der in diesem taz-Kommentar schön zum Ausdruck gebrachte Punkt, dass „Vaterschaft“ ganz unterschiedliches bedeuten kann, von der egalitären Familienarbeit oder der Alleinverantwortung bis hin zu einem „Will-damit-nichts-zu-tun-haben“: da stellt sich schon die Frage, ob eine solche Festlegung für alle Fälle passt, bzw. wie das geregelt werden kann. Noch schwerwiegender erscheint mir das von beiden oben verlinkten Blogs angesprochene Argument, dass mit der gemeinsamen Sorge von leiblicher Mutter und leiblichem Vater letztlich ein ganz bestimmtes soziales – heteronormatives – Modell von Familie und Elternschaft gefeatured wird, und dass hier die biologische Elternschaft gegenüber einer wie auch immer zustande gekommenen sozialen Elternschaft klar präferiert wird. Jedes Kind braucht Eltern – aber müssen das genau zwei sein, genau ein Mann und genau eine Frau (die zusammen das Kind gezeugt haben)?
P.S.: Wahrscheinlich ist das rechtlich-politische Konzept Familienvertrag hier der letztlich sinnvollste Weg.
Wäre es nicht einfach eine Möglichkeit, statt das gemeinsame Sorgerecht unverheirateter Eltern pauschal als default festzulegen, die Verfahrensweisen beim Jugendamt zu erleichtern? Also Mitarbeitende dort entsprechend zu schulen usw.? Ich meine, es geht hier ja um einen kulturellen Wandel von Elternbildern, und die gehen nie von jetzt auf gleich. Da müssen sich auch die Mentalitäten und die Gewohnheiten ändern, und das braucht einfach Zeit. Je „normaler“ es wird, dass Väter sich im Alltag konkret als Väter betätigen, auch wenn sie nicht mit der Mutter verheiratet sind, desto mehr gewöhnen sich die Leute auch dran. Ich denke, die Schwierigkeiten, die wir jetzt noch haben, liegen nicht an Gesetzeslücken, sondern daran, dass dieser Wandel vom patriarchalen Familienbild zu einem neuen sich relativ rasch vollzogen hat (dreißig Jahre oder so), und wir es deshalb mit Ungleichzeitigkeiten zu tun haben, d.h. man trifft leicht noch Leute, die das noch nicht mitbekommen haben und was für die einen „normal“ ist ist es für die anderen noch längst nicht. Oder längst nicht mehr. Aber jede soziale Veränderung funktioniert so, man kann das auch nicht „per ordine mufti“ abkürzen.
Hmm, weiss nicht. Natürlich hast du recht, was die Ungleichzeitigen unterschiedlicher gesellschaftlicher Normalitätsvorstellungen anbelangt. Was mich aber doch stutzig macht, ist die Tatsache, dass relativ viele Leute (als Kommentare in deinem Blog, ja nicht nur von mir, oder auch Jörg Rupp hier) die Erfahrung gemacht haben, dass das Jugendamt nach dem Muster „gemeinsames Sorgerecht als Ausnahmefall, vor dem die unverheiratete Mutter gewarnt werden muss“ verfährt. Das könnte jetzt natürlich an eingefleischten Vorstellungen darüber liegen, was richtig ist (oder daran, dass Jugendämter natürlich in einem sehr hohen Maß mit den Fällen konfrontiert sind, in dem gemeinsame Sorge nicht klappt) – ich würde aber auch die These nicht ganz unplausibel finden, dass es entsprechende Dienstanweisungen und Ausführungsverordnungen gibt. Wenn es so ist: würde es reichen, die zu ändern, Schulungen zu veranstalten? Wo läge da der Widerstand?
Wäre spannend, dem mal nachzugehen – sowohl, was den status quo auf den Ämtern betrifft wie auch hinsichtlich der Ebene, auf der Veränderung möglich ist.
Ja, das wäre mal eine interessante Fragestellung. Auch das mit der Praxis in den Jugendämtern. Gibt es Dienstanweisungen? Inoffizielle Übereinkünfte? Eingefahrene Gewohnheiten? Und wenn: Warum? Ich meine, es KÖNNTE ja auch sein, dass die in den Jugendämtern schlechte Erfahrungen machen mit entsprechenden Fällen, also dass es durch das gemeinsame Sorgerecht tatsächlich oft zu Konflikten kommt, die dann NICHT im Sinne der Erfinder sind. Vielleicht könnten das die bezahlten Journalist_innen ja mal recherchieren. Mir fällt grad ein, dass eine Bekannte von mir beim Jugendamt arbeitet. Ich werde sie bei Gelegenheit mal fragen.
Bzw. wenn es diese Koinzidenz mit den negativen Fällen gibt, dann wäre die Frage, ob das der richtige symbolische Ort für so eine Erklärung wäre. Oder andersherum: Eigentlich müsste man solche WArnungen AUCH mit Leuten durchsprechen, die heiraten wollen. Ich habe schon mehrfach geheiratet und bin beim Standesamt NIE über die rechtlichen Folgen und Gefahren aufgeklärt worden. Wäre eine solche „Rechtsfolgenberatung und ‑warnung“ auch bei Eheschließungen normal, dann wäre sie bei Sorgerechtserklärungen auch nicht so schlimm. Schließlich ist es nicht falsch, den Leuten genau zu erklären, was genau es bedeutet, das sie da unterschreiben. Gerade in sentimental rosaroten Situationen wie es das Heiraten und Kinderkriegen eben oft ist.
Wir haben unser erstes Kind unverheiratet bekommen und die beschriebene Jugendamtsprozedur über uns ergehen lassen. Hätte ich nicht Einblick gehabt in die Denkweise und Vorgehensweise von Jugendamtsmitarbeitern, hätte ich gedacht, man traut weder mir noch dem Vater des Kindes irgendwie zu, ein Kind zu bekommen und für es sorgen zu können. Ich hatte das ganze Gespräch pber das Gefühl, ein falsches Wort und noch nichtmal ich bekomme das Sorgerecht. Warum wir denn nicht heiraten wollten, wenn schon gemeinsame Sorge? fragte man und immer wieder die eindringlichen Hinweise an mich, ob ich mir im Klaren wäre, dass ich das Sorgerecht nicht wieder für mich alleine haben könnte ohne Gerichtsverfahren. Insofern – klare Absage von mir an die Idee, das im Jugendamt regeln zu wollen. Die sehen den ganzen Tag nur problematische Konstellationen, schwierige Familien…
Ich bin sehr für das gemeinsame Sorgerecht als Normalfall, das kann ein Formular auf dem Standesamt sein, da muss man sowieso hin um das Kind „anzumelden“.
Als wir dann heiraten wollten, haben wir (unverhofft!) übrigens eine sehr umfassende Beratung bekommen vom Standesbeamten, was Ehe bedeutet – nicht spirituell, sondern ganz profan. Steuerlich, rechtlich, die gegenseitige Verantwortung etc. Geheiratet haben wir trotzdem.
Eine sehr umfassende Beratung kriegt man auch bei einem Familienrechtsanwalt – was wir auch mit meinem Mann gemacht haben, als wir geheiratet haben. Die Fachleute aus dem Gebiet kennen sich nun zu gut mit solchen Sachen bzw. mit speziellen Fällen aus. Die Partnerschaftsrechtsanwälte, die sich mit dem Familienrecht täglich beschäftigen müssen, würden sicherlich einen ausführlich aufklären. Mit so einer Beratung http://www.templer.de/familienrecht/sorgerecht.html erspart man sich viel Ärger und Stress später.