Kurz: Verfehlte Tofuwurstkritik

Ich muss nur mal schnell mei­nen Ärger über den Bei­trag von Till Ehr­lich aus der Wochen­ends-taz los­wer­den. Vor­geb­lich soll es sich dabei um eine klei­ne Kul­tur­ge­schich­te des Soja-Flei­scher­sat­zes han­deln. Tat­säch­lich fasst fol­gen­der Satz am Schluss das Pro­blem des Arti­kels gut zusammen:

Doch war­um kön­nen und wol­len Vege­ta­ri­er nicht auf Fleisch­ge­schmack ver­zich­ten? Und wes­halb grei­fen sie wirk­lich zu Tofu mit Wurst­aro­ma, obwohl sie Fleisch strikt ablehnen? 

Die­se Fra­gen impli­zie­ren doch zwei­er­lei: das zu einem „rich­ti­gen Essen“ eigent­lich – zumin­dest in unse­rem Kul­tur­kreis – immer auch Fleisch gehört, und alles ande­re zwei­te Wahl ist, und dass Vege­ta­rie­rIn­nen etwas gegen Fleisch­ge­schmack haben müssen. 

Hier kapiert jemand nicht, dass die Ent­schei­dung, sich vege­ta­risch zu ernäh­ren, in den meis­ten Fäl­len gesund­heit­lich oder poli­tisch-ethisch begrün­det ist – wer vege­ta­risch isst, tut das, weil es gesün­der sein soll, weil die Öko­bi­lanz von Fleisch ver­hee­rend ist, oder weil er oder sie es für falsch hält, Tie­re zu hal­ten und umzu­brin­gen, um sie zu essen. Nur die wenigs­ten wer­den wohl aus geschmack­li­chen Grün­den Vege­ta­rie­rIn­nen. Natür­lich ent­wi­ckelt, wer sich vege­ta­risch ernährt, eine ande­re Ästhe­tik des Essens als jemand, der das nicht tut. Das heißt aber noch lan­ge nicht, dass es einem Vege­ta­ri­er oder einer Vege­ta­rie­rin unmög­lich ist, mit Genuß, gebra­te­ne oder gegrill­te Pro­duk­te aus Tofu oder Seit­an zu essen, die das Aro­ma von Fleisch zitie­ren. Wer so etwas sug­ge­riert (um damit letzt­lich sei­ne kuli­na­ri­sche Abscheu vor „west­li­chem“ Tofu zu unter­mau­ern), macht was falsch – Spit­zen­koch hin oder her.

8 Antworten auf „Kurz: Verfehlte Tofuwurstkritik“

  1. Fra­ge mich außer­dem, ob Vege­ta­rie­rIn­nen wirk­lich nicht dar­auf ver­zich­ten kön­nen oder wollen. 

    Hal­te das irgend­wie nur für so eine Gewohn­heit mit der „Lust auf Fleisch­ge­schmack“ und mir wäre jetzt auch nie­mand bekannt, der zu jeder Mahl­zeit aus Ver­zweif­lung Tofuf­lei­scher­satz isst.

  2. Was ich fast noch bes­ser fand: Vegetarier_innen zwi­schen den Zei­len für die Regen­wald­ab­hol­zung wegen Soja­an­bau ver­ant­wort­lich zu machen – obwohl das so pro­du­zier­te Soja mei­nes Wis­sens vor allem in die Vieh­hal­tung geht…

    [und das schreibt ein Nichtvegetarier]

    [vom Face­book-Kom­men­tar noch rein in den „ech­ten“ Blog…da besteht ganz klar eine Ver­net­zungs-Lücke – web 2.0‑programming, anyone?]

  3. Ich leb ja mit einer Vege­ta­rie­rin zusam­men und da spielt der „Geschmack“ auch kei­ne Rol­le. Sie fin­det den Geschmack im Gegen­teil gar nicht „lecker“ und lehtn auch „Ersatz­pro­duk­te mit Geschmack“ ab. So wie oben beschrieben.

    Tofu ken­ne ich bei allen Vege­ta­ri­ern eigent­lich nicht als „Flei­scher­satz“ des Geschmacks wegen, son­dern als wei­te­res Gericht.

    Aber mir schmeckt Tofu eh nicht… ;-)

  4. Die taz die­ses Wochen­en­des nimmt das The­ma Tofu noch­mal auf – mit einer gan­zen Sei­te Lese­rIn­nen­brie­fe, einer erneu­ten Stel­lung­nah­me von Till Ehr­lich („ich habe nichts falsch gemacht – ihr müsst sehen, dass ich recht habe“) – und der däm­li­chen Ein­lei­tung „Tofu-Has­ser und Tofu-Lieb­ha­ber“. Es wun­dert mich nicht, dass das The­ma Wel­len schlägt (bis­her wohl über 400 Lese­rIn­nen­brie­fe). Das gan­ze auf Tofu-Lie­be vs. Tofu-Hass, Yup­pie-Vega­ne­rIn­nen vs. deut­sche Ess­kul­tur zu redu­zie­ren, igno­riert aber einen Aspekt, der m.E. ziem­lich wich­tig ist: es geht auch um Hoch­kul­tur (Ster­ne­koch und Fein­schme­cker, ich defi­nie­re, was legi­tim ist) und Popu­lär­kul­tur (wenn Tofu-Brat­wurst schmeckt, war­um nicht?).

  5. Hi Till! Dan­ke für das Feed­back. Kannst du mehr dar­über schrei­ben was genau da drin steht oder sogar einen Scan zur Ver­fü­gung stel­len? Würd mich sehr freuen.

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