Kontraproduktive Liebhaber

Stork dance I

Es mag ja sein, dass es Kon­stel­la­tio­nen gibt, in denen schwarz-grün gut funk­tio­niert. In einem Bun­des­land, in dem die CDU seit Jahr­zehn­ten an der Macht ist, wäre ich mir da nicht so sicher, ob die drin­gend not­wen­di­ge Erneue­rung – ich rede von Baden-Würt­tem­berg – aus­ge­rech­net durch den Wech­sel des Juni­or­part­ners zustan­de kommt. Mei­ne per­sön­li­che real­po­li­ti­sche Prä­fe­renz für das Land wäre eine Ampel – das müss­te pro­zen­tu­ell sogar fast hin­zu­krie­gen sein. Aber noch wird der Land­tag in Baden-Würt­tem­berg nicht gewählt (son­dern erst 2011), und die Bun­des­tags­wahl ist noch ein­mal ein ganz ande­rer Fall. Und grün antün­chen – das zählt nicht. Wer mit Grün regie­ren will, muss den green new deal zum zen­tra­len Regie­rungs­pro­jekt machen, muss eine öko­lo­gi­sche (und mei­ner Mei­nung nach auch wei­te­re bür­ger­recht­li­che) Moder­ni­sie­rung der Gesell­schaft aktiv mittragen.

Es gibt nun einen (na gut, wenn ich Boris Pal­mer dazu neh­me, sind’s zwei) laut­star­ken Lieb­ha­ber eines Zusam­men­ge­hens von grü­nem Wert- und schwar­zem Struk­tur­kon­ser­va­ti­vis­mus. Ich rede hier von Win­fried Kret­sch­mann, Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der der Grü­nen im Stutt­gar­ter Land­tag. Die neus­te Bekun­dung sei­ner Lie­be zu schwarz-grün. Wie gesagt: bis zu den nächs­ten Land­tags­wah­len ist es noch etwas hin. Inso­fern ist es eigent­lich irrele­vant, wie oft der Land­tags­frak­ti­ons­chef noch sagt, was sei­ne Traum­ver­bin­dung wäre. (Und ja: natür­lich fra­gen Jour­na­lis­tIn­nen danach!).

Was Kret­sch­mann aller­dings nicht so ganz wahr­zu­neh­men scheint, ist die Gefahr, die mit sei­ner wie­der­hol­ten – fast wür­de ich sagen: andau­ern­den – Wer­bung um die trau­te CDU ver­bun­den ist. Mal ganz unab­hän­gig davon, dass ich nicht glau­be, dass die Mehr­zahl der grü­nen Wäh­le­rIn­nen sei­ne Prä­fe­ren­zen teilt, wird aus dem fri­sches­ten Quer­den­ker-Zwi­schen­ruf eine läs­ti­ge Bemer­kung, wenn er tau­send­fach wie­der­holt wird. Die Reak­ti­on: reflex­haft. Ich schrei­be Arti­kel wie die­sen, die­je­ni­gen in der Par­tei, die vor­sich­tig dar­über nach­den­ken, ob schwarz-grün stra­te­gisch in irgend­ei­ner Wei­se sinn­voll sein könn­te – und wenn ja, wann, wo und unter wel­chen Vor­be­din­gun­gen -, schre­cken zurück, weil da wie­der jemand laut­stark vor sich hin trö­tet, und die CDU freut sich, dass ihre Stra­te­gie: „grü­ne Avan­cen, um a. urba­nen Wäh­le­rIn­nen den Schein einer moder­nen Par­tei vor­zu­gau­ckeln und b. die FDP bil­li­ger zu machen“ so präch­tig aufgeht.

Wer sei­ne der­zeit uner­reich­ba­re Lie­be öffent­lich so hin­aus­tönt, trägt damit dazu bei, sie mit­tel­fris­tig uner­reich­bar zu las­sen, scha­det also sei­ner Sache (und letzt­lich auch der Par­tei, aber das ist eine ande­re Frage). 

Per­sön­lich hal­te ich schwarz-grün immer noch für eine Kon­stel­la­ti­on, die nur in ganz bestimm­ten Aus­nah­me­si­tua­tio­nen und nur dann, wenn die Inhal­te stim­men, sinn­voll ist. Inso­fern bin ich z.B. gespannt, wie Ham­burg gegen Ende der Legis­la­tur dort zu bewer­ten ist. Wer aber schwarz-grün möch­te, macht einen stra­te­gi­schen Feh­ler, wenn er sich so ver­hält wie Win­fried Kret­sch­mann, der es schafft, noch in jedem Inter­view nach schwarz-grün gefragt zu wer­den, dar­über zu ver­ges­sen, dass es uns in ers­ter Linie um Inhal­te geht – und jedes­mal eine neue Schicht rosa Lack auf die Bril­le auf­zu­tra­gen, mit der auf sei­ne Aus­er­wähl­te schaut, um dann wie­der und wie­der und noch ein­mal deren Vor­zü­ge zu prei­sen. Kurz gesagt: Kret­sch­mann ist ein kon­tra­pro­duk­ti­ver Lieb­ha­ber in eige­ner Sache.

War­um blog­ge ich das? Rei­ne Reflexreaktion.

6 Antworten auf „Kontraproduktive Liebhaber“

  1. Dass die Inhal­te stim­men müs­sen, gilt für jede Kon­stel­la­ti­on, oder? Und wenn die Inhal­te stim­men, war­um dann nur in Ausnahmesituationen?

    Inter­es­sant ist die Fra­ge, wie man es hin­be­kommt, dass die Inhal­te stim­men. Und da sehe ich mehr Chan­cen, wenn man auch Optio­nen jeseits der Sozi­al­de­mo­kra­tie hat und nicht auf die­se ange­wie­sen ist.

  2. @Tim: du hast prin­zi­pi­ell recht – woll­te damit andeu­ten, dass ich wei­ter­hin davon aus­ge­he, dass grü­ne Inhal­te eher mit For­de­run­gen der SPD (wenn’s nicht gra­de um Koh­le geht) in Deckung zu brin­gen sind als mit der CDU. 

    Dass es inhalt­lich sinn­voll sein kann, sich nicht zu eng an eine poli­ti­sche Kon­stel­la­ti­on zu bin­den, sehe ich inzwi­schen auch ein (die rot-grü­ne Regie­rungs­zeit war da sehr hilf­reich). Nur: wer den Hand­lungs­spiel­raum aus­wei­ten will, muss das mei­ne ich anders ange­hen als Kret­sch­mann – und das ist die rai­son d’et­re des Blogbeitrags.

  3. Die Inhal­te stim­men nicht.
    Das ist viel­leicht etwas schlicht, aller­dings ist sich, außer den zwei oben genann­ten Her­ren, jeder die­ses Fak­tums bewusst.
    Ich kann die per­sön­li­che Frus­tra­ti­on nach­voll­zie­hen, wenn man, fast ohne Unter­bre­chung, 29 Jah­re in einem Par­la­ment sitzt und Tag um Tag die eige­nen Anträ­ge abge­lehnt sieht, Papie­re dem Schred­der zufüh­ren kann. Das unbe­ding­te Stre­ben nach einer Macht­po­si­ti­on, um end­lich die eige­nen Zie­le durch­set­zen zu kön­nen, ist ver­ständ­lich. Solch per­sön­li­che Frus­tra­ti­on ist aller­dings kei­ne soli­de Basis für Par­tei­ar­beit und schon gar nicht deren Führung.
    Genau des­halb wer­den künst­lich Über­ein­stim­mun­gen gesucht, wie bei Kret­sch­man etwa, ein christ­li­ches Men­schen­bild. Dass die CDU-Poli­tik in BW christ­lich-ethisch ist, muss aller­dings auch noch bewie­sen werden

  4. Ich stim­me dir in wei­ten Tei­len zu, Till. Ins­be­son­de­re hal­te ich es nicht für gut, wenn jetzt lau­fend Schwarz-Grün-Inter­views gege­ben werden.

    Eine Ampel wäre natür­lich schön – aller­dings ist das für die FDP wohl abso­lut undenk­bar, solan­ge es auch eine schwarz-gel­be Mehr­heit gibt.

    Wenn Rot-Grün die Alter­na­ti­ve wäre, wär die Sache rela­tiv ein­fach, da die inhalt­li­chen Über­ein­stim­mun­gen mit der SPD nach wie vor grö­ßer sein dürf­ten. Aber solan­ge wir so eine Mehr­heit nicht haben, hal­te ich schwarz-grün durch­aus für eine Opti­on in Baden-Württemberg.

    Teden­zi­ell ist ja jede Regie­rung mit grü­ner Betei­li­gung bes­ser als eine ohne grü­ne Betei­li­gung – auch wenn es natür­lich auf den Ein­zel­fall ankommt.

    Den­noch: die­se dau­ern­den Dis­kus­sio­nen hal­te auch ich aus­drück­lich für nicht hilfreich.

  5. @Felix
    „Das unbe­ding­te Stre­ben nach einer Macht­po­si­ti­on, um end­lich die eige­nen Zie­le durch­set­zen zu kön­nen, ist verständlich.“

    Unse­re inhalt­li­chen Zie­le durch­set­zen wol­len wir doch hof­fent­lich alle – und solan­ge wir allei­ne nicht die abso­lu­te Mehr­heit haben, brau­chen wir dafür Part­ner mit denen wir sie hätten.

  6. @till
    voll­kom­men d’ac­cord, dass kret­sch­mann das nicht stra­te­gisch klug angeht
    aber: die ein­schät­zung, ob man mit der spd glück­li­cher wird, tei­le ich nicht. mir ist durch­aus bewusst, dass gleich­stel­lungs­po­li­ti­tik für die poli­ti­sche lin­ke nie ein gros­ses the­ma war, aber die spd ist nun mal­die par­tei, die die cdu was patri­ar­cha­li­sches geha­be lei­der fast noch über­trifft. über wei­te­re punk­te muss man – wenn man grün­sein ernst­nimmt – gar­nicht mehr disk­tu­tie­ren, auch wenns ähn­lich trau­rig aussieht…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert