In eigener Sache: Essay über Nachhaltigkeit bei Telepolis

Irgend­wie schei­nen gera­de Essay-Tage zu sein. Jeden­falls hat Tele­po­lis heu­te mei­nen Bei­trag zur FAZ-Online-Debat­te über Nach­hal­tig­keit abge­druckt (die FAZ woll­te ihn nicht). Unter dem durch­aus pro­gram­ma­tisch gemein­ten Titel „Für eine poli­ti­sche Öko­lo­gie der Sach­zwän­ge“ geht es mir dar­um, deut­lich zu machen, wie schwer tat­säch­li­che Ver­än­de­run­gen sind – aus einer pra­xis­theo­re­ti­schen umwelt­so­zio­lo­gi­schen Per­spek­ti­ve. Das trägt mög­li­cher­wei­se nicht zur Ver­dau­lich­keit des Tex­tes bei, war aber aus mei­ner Sicht eine not­wen­di­ge Ergän­zung zu der bei der FAZ geführ­ten Debatte. 

Sebas­ti­an Nerz, Bun­des­vor­sit­zen­der der Pira­ten, hat­te die­se Debat­te damit aus­ge­löst, dass er zwar rich­ti­ger­wei­se erkann­te, dass Nach­hal­tig­keit not tut, aber dann bei der schein­ra­di­ka­len For­de­rung ste­hen­blieb, end­lich die Wahr­heit zu sagen und einen Schluss­strich zu zie­hen. Dar­auf gab es eini­ge Reak­tio­nen, u.a. von André Rei­chel, der als Nach­hal­tig­keits­for­scher auf eini­ge Nai­vi­tä­ten im Debat­ten­an­stoss hin­ge­wie­sen hat, von Chris­ti­an Soeder, der – ganz ver­kürzt gesagt – lie­ber sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Arbeits­plät­ze haben möch­te – und von Jörg Rupp, der die grü­ne Posi­ti­on (übri­gens sehr viel les­ba­rer als mein doch etwas sozio­lo­gi­scher Text) durchdeklinierte.

Dass ich trotz­dem noch etwas geschrie­ben hat, liegt vor allem dar­an, dass ich nach eini­gen Jah­ren Beschäf­ti­gung mit Umwelt­so­zio­lo­gie und mit Pra­xis­theo­rie eher pes­si­mis­tisch bin, was das Ide­al „Ver­än­de­rung durch Ein­sicht“ anbe­langt. Das aber stellt auch bei Jörg letzt­lich die zen­tra­le Aus­sa­ge des Tex­tes dar. Und, wie sich an dem von ihm gebrach­ten Bei­spiel Müll­tren­nung bei Bat­te­rien schön zei­gen lässt – sie funk­tio­niert nicht wirklich.

Des­we­gen plä­die­re ich für das, was ich eine poli­ti­sche Öko­lo­gie der Sach­zwän­ge genannt habe – also qua­si „Ein­sicht durch Ver­än­de­rung“. Und sehe dar­in eine fort­lau­fen­de Auf­ga­be für Grü­ne, bei der neue Bünd­nis­part­ner – hal­lo Pira­ten! – natür­lich ger­ne gese­hen sind. Wer das gan­ze – wie eini­ge im Forum zum Arti­kel – als Pira­ten­bas­hing oder Wahl­kampf ver­steht, liegt also falsch (um das mal loszuwerden). 

Wes­ter­may­er, Till (2012): »Für eine poli­ti­sche Öko­lo­gie der Sach­zwän­ge«, in Tele­po­lis, 28. März 2012, URL: http://www.heise.de/tp/artikel/36/36668/1.html.

Nachdenken über Nachhaltigen Konsum

Fast food III

Vor ein paar Tagen habe ich ein biss­chen was über die Mün­che­ner Tagung zu Kon­sum und Nach­hal­tig­keit geschrie­ben. Jetzt bin ich am Über­le­gen, ob ich für die Tagung Sus­tainable Con­sump­ti­on – Towards Action and Impact im Novem­ber in Ham­burg einen Abs­tract ein­rei­che (die Dead­line ist heu­te abend). Mir gefällt jeden­falls die Aus­rich­tung der Tagung, und eini­ge der Key­note-Spea­k­er klin­gen auch sehr span­nend. Das mal als Vor­be­mer­kung zu den fol­gen­den Über­le­gun­gen zum The­ma „Nach­hal­ti­ger Konsum“.

Ein Grund­pro­blem der sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Nach­hal­tig­keits­de­bat­te ist mei­ner Mei­nung nach die dop­pel­te Bedeu­tung des Begriffs „nach­hal­tig“. Und damit mei­ne ich jetzt nicht die Tat­sa­che, dass das Adjek­tiv auch als Syn­onym für „dau­er­haft“ ver­wen­det wer­den kann, son­dern die Unter­schei­dung zwi­schen einer mate­ri­el­len und einer sym­bo­li­schen Ebe­ne, wenn es um „nach­hal­ti­gen Kon­sum“ oder um „nach­hal­ti­ge Lebens­sti­le“ geht. Das sieht dann unge­fähr so aus:
„Nach­den­ken über Nach­hal­ti­gen Kon­sum“ weiterlesen

Kann Konsum nachhaltig sein?

Hype drink mix

Ich war ges­tern und vor­ges­tern auf einer klei­nen, aber fei­nen Fach­ta­gung in Mün­chen, orga­ni­siert von Claus Tul­ly vom Deut­schen Jugend­in­sti­tut e.V. und von Mat­thi­as Groß als Spre­cher der Sek­ti­on Umwelt­so­zio­lo­gie der Deut­schen Gesell­schaft für Sozio­lo­gie. In den Vor­trä­gen ging’s um das The­ma „Kon­sum und Nach­hal­tig­keit“ – in etwa der Hälf­te der Vor­trä­ge mit einem Bezug zu Schul­pro­jek­ten. Ich selbst habe was pra­xis­theo­re­ti­sches zu den Mög­lich­kei­ten und Gren­zen „grü­ne­ren Tele­fo­nie­rens“ vorgetragen.

Nicht zuletzt aus Zeit­grün­den will ich aber gar kei­nen Tagungs­be­richt schrei­ben, son­dern nur auf vier inter­es­san­te Ideen hinweisen:

1. Prak­ti­ken ändern, indem vor­ge­la­ger­te Ket­ten und Kon­text­be­din­gun­gen ver­än­dert wer­den. Pra­xis­theo­rie scheint ja zunächst ein­mal einen Fokus auf indi­vi­du­el­les Han­deln zu legen. Bei genaue­rer Betrach­tung rücken in einer pra­xis­theo­re­ti­schen Per­spek­ti­ve aber schnell die „sys­tems of pro­vi­si­on“ (Sho­ve) ins Blick­feld. Ich habe – vor allem auch nach einer schö­nen Zusam­men­fas­sung der pra­xis­theo­re­ti­schen Per­spek­ti­ve in der Umwelt­so­zio­lo­gie durch Karl-Wer­ner Brand – den Ein­druck, dass Inter­ven­tio­nen in Rich­tung „nach­hal­ti­ger Kon­sum“ erfolg­rei­cher sind, wenn sie gar nicht an den (Konsum-)Praktiken anset­zen, son­dern vor­her, also an den Ket­ten und Kon­tex­ten. Auch dazu müs­sen „win­dows of oppor­tu­ni­ty“ da sein und genutzt wer­den. Ein Bei­spiel ist die BSE-Kri­se: die hat zwar auch dazu geführt, dass ein paar Mona­te lang weni­ger Rind­fleisch ver­zehrt wur­de – sie hat aber vor allem dazu geführt, dass das „sys­tem of pro­vi­si­on“ der Land­wirt­schaft so umge­baut wur­de, dass eine über die vor­he­ri­ge klei­ne Nische hin­aus­ge­hen­de Bio­pro­duk­ti­on mög­lich wur­de (also die Kün­ast-Agrar­wen­de-Poli­tik). Kon­sum­prak­ti­ken haben sich dann an die­se neue Situa­ti­on ange­passt (weil wir das mit unse­ren Prak­ti­ken immer machen) – und das in einer sta­bi­le­ren Form.

2. Lie­ber Kon­sum als Nach­hal­tig­keit? Kai-Uwe Hell­mann war ein­ge­la­den, um eine pro­vo­kan­te Key­note zu hal­ten, und hat das im Sinn der „Ver­un­si­che­rungs­wis­sen­schaft“ auch gut hin­ge­kriegt. Sei­ne Argu­men­ta­ti­on war so etwa: „Nach­hal­ti­ger Kon­sum“ schaut ers­tens immer nur auf die dunk­le Sei­te des Kon­sums und geht zwei­tens von einem Ver­brau­cher aus, der von Infor­ma­tio­nen etc. völ­lig über­for­dert wird. Statt des­sen sei es not­wen­dig, unvor­ein­ge­nom­me­ne Kon­sum­so­zio­lo­gie zu betrei­ben und Kon­sum als akti­ve, mit Sinn­stif­tung etc. ver­bun­de­ne Leis­tung anzu­er­ken­nen – egal, ob jetzt nach­hal­tig oder nicht. Und „nach­hal­ti­ger Kon­sum“ sei letzt­lich auch nur als über Mar­ken (wie das Bio­sie­gel) kom­ple­xi­täts­re­du­zier­te Lebens­stil-Ent­schei­dung denk­bar. Da ist eini­ges wah­res dran, trotz­dem habe ich mich dar­über auch ein biss­chen geärgt – mein Ein­druck ist der, dass die deut­sche Umwelt­so­zio­lo­gie deut­lich wei­ter ist (also längst nicht mehr das Pro­gramm hat, alle Welt zu mora­li­schen Ver­brau­che­rIn­nen umzu­er­zie­hen). Trotz­dem ein anre­gen­der Außen­blick auf den Stand einer Dis­zi­plin. – Eben­falls einen Außen­blick auf „Nach­hal­ti­gen Kon­sum“ lie­fer­te Jens Häl­ter­lein von der Uni Jena, der den Weg vom Wirt­schafts­wun­der über mora­li­sche Ver­zichts­ap­pel­le (und eine anti­ka­pi­ta­lis­tisch-risi­ko­mi­ni­mie­rungs­ori­en­tier­te Umwelt­be­we­gung) bis zum Öko­ka­pi­ta­lis­mus und den LOHAS nach­zeich­ne­te. „Nach­hal­ti­ger Kon­sum“ ist dabei ein Ver­such, einen Kom­pro­miss zu fin­den zwi­schen der Markt­lo­gik und der Nach­hal­tig­keits­lo­gik. Schön dar­an der exter­ne Blick auf den Dis­kurs um Nach­hal­tig­keit, der – das kam auch bei Brand vor – noch ein­mal deut­lich macht, dass die Fra­ge, was „Nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung“ ist und was „Nach­hal­ti­ger Kon­sum“ ist, immer wie­der neu aus­ge­han­delt wird und in einem hef­tig umstrit­te­nen Dis­kurs­feld posi­tio­niert ist.

3. Die Öko­bi­lanz der Groß­kü­che: Die Wis­sen­schafts­jour­na­lis­tin Johan­na Bay­er stell­te eine gan­ze Rei­he von The­sen und wiss. Ergeb­nis­sen zum The­ma Ess­ver­hal­ten und Ernäh­rung vor. Letzt­lich ging es ihr vor allem dar­um, zu zei­gen, dass die Ernäh­rungs­emp­feh­lun­gen etwa der Deut­schen Gesell­schaft für Ernäh­rungs­wis­sen­schaft oft über­holt und unsin­nig sind. Zudem woll­te sie dar­auf hin­wei­sen, dass „gesun­de Ernäh­rung“ und „Nach­hal­tig­keit“ viel­fach gegen­läu­fig sind – so soll bei­spiels­wei­se viel Fisch geges­sen wer­den, gleich­zei­tig lei­den die Mee­re jetzt schon an Über­fi­schung. Über ein biss­chen mehr (Ernährungs-)Soziologie hät­te ich mich gefreut. Nichts­des­to­trotz span­nend fand ich einen Gedan­ken, den sie wohl von Ines Wel­ler über­nom­men hat:* Dass nach­hal­ti­ge Ernäh­rung eigent­lich idea­ler­wei­se (weil die meis­ten Berufs­tä­ti­gen aus­wärts essen, weil die Öko­bi­lanz von Sel­ber-Kochen gar nicht so ein­deu­tig ist, und vor allem, weil es sowas wie öko­lo­gi­sche Ska­len­ef­fek­te gibt) zu einem gro­ßen Teil in „Nach­hal­ti­gen Kan­ti­nen“ (oder … Volks­kü­chen?) statt­fin­den müss­te. Eine Marktlücke?

4. Alles nur eine Fra­ge des Gel­des? Roland Bogun schließ­lich hat ver­sucht, Daten dazu zu krie­gen, wie ein­kom­mens- und ver­mö­gens­ab­hän­gig die tat­säch­li­che Pro-Kopf-Umwelt­be­las­tung ist. Dazu gibt es wenig belast­ba­res Mate­ri­al, sein Ein­druck ist aber grob gesagt der, dass Ein­kom­men und auch Ver­mö­gen sehr viel mehr Ein­fluss auf den Pro-Kopf-Umwelt­ver­brauch haben als alle ande­ren Fak­to­ren – wer reich ist, ver­braucht durch grö­ße­re ohn­flä­che, mehr Kon­sum, mehr Flü­ge und auch durch Geld­an­la­gen deut­lich mehr Umwelt als jemand, der arm ist. Bogun sprach von einer Spann­brei­te von 10 bis 100 Ton­nen CO2-Äq./Jahr/Kopf. Beson­ders inter­es­sant ist dabei der Punkt Geld­an­la­gen – die letzt­lich (etwa bei Akti­en) ja mas­siv mit dem CO2-Aus­stoss der indus­tri­el­len Pro­duk­ti­on zu tun haben. Nicht völ­lig klar ist, ob es auch Invest­ment­for­men mit nega­ti­vem Umwelt­ver­brauch gibt.

War­um blog­ge ich das? Dem­nächst wird’s wohl auch noch eine Sei­te mit den Vor­trä­gen geben – aber die­se Gedan­ken woll­te ich doch auch so schon mal brei­ter zugäng­lich machen als nur der klei­nen Grup­pe, die in den letz­ten bei­den Tagen in Mün­chen war.

* Ich habe jetzt noch­mal nach­ge­fragt: Sie bezog sich dabei auf drei Quel­len: Dag­mar Vinz (2005), „Nach­hal­ti­ger Kon­sum und Ernäh­rung“. PROKLA 138; auf Ines Wel­ler (2002): Zusam­men­fas­sung BMBF-Son­die­rungs­stu­die „Geschlech­ter­ver­hält­nis­se, nach­hal­ti­ge Kon­sum­mus­ter und Umwelt­be­las­tun­gen“ (dürf­te die­se Unter­su­chung sein) sowie auf einen Vor­trag von Karl-Micha­el Brun­ner im Novem­ber 2010 an der PH Wien.

Kurz: Tagungsband zur NGU-Tagung 2010 erschienen

Entscheidungen mit Umweltfolgen zwischen Freiheit und ZwangSeit weni­gen Tagen ist der Kon­gress­band zur 7. Tagung der Nach­wuchs­grup­pe Umwelt­so­zio­lo­gie (NGU) online („Ent­schei­dun­gen mit Umwelt­fol­gen zwi­schen Frei­heit und Zwang“). Ich habe an die­sem Band in zwei ver­schie­de­nen Funk­tio­nen mit­ge­wirkt habe: zum einen als Mit­or­ga­ni­sa­tor der Tagung und damit dann auch als Mit­her­aus­ge­ber (die aller­al­ler­meis­te Arbeit mit dem Band hat­te aller­dings Fenn, der des­we­gen auch zurecht an ers­ter Stel­le steht) – und als Vor­tra­gen­der. Wer schon immer mal wis­sen woll­te, was eigent­lich mit mei­ner Diss. so vor sich geht, und in wel­che Rich­tung ich mich damit bewe­ge (naja, Rich­tung Ende …), kann im Tagungs­band mei­nen Bei­trag „Mobil­funk­nut­zung in Nach­hal­tig­keits­mi­lieus zwi­schen Frei­heit und Zwang“ fin­den, der dar­über, wie ich mei­ne, ganz gut Aus­kunft gibt.

Ganz unab­hän­gig davon gibt der Band eine gan­ze Rei­he Ein­bli­cke in die The­men und Arbeits­an­sät­ze jun­ger Umwelt­so­zi­al­wis­sen­schaft­le­rIn­nen. Im Call for Papers der Tagung hat­ten wir rela­tiv breit nach Arbei­ten gefragt, die sich in irgend­ei­ner Wei­se mit den Spiel­räu­men und Zwän­gen von Han­deln mit Umwelt­fol­gen befas­sen. Die Band­brei­te der im Tagungs­band ent­hal­te­nen Bei­trä­ge reicht nun vom Umgang mit gen­tech­nisch modif­zier­ten Orga­nis­men über deli­be­ra­ti­ve Zugän­ge zu Umwelt­pro­ble­men bis hin zur gene­rel­len Debat­te der Trag­fä­hig­keit einer Effi­zi­enz­stra­te­gie. Also ein brei­tes und anre­gen­des Feld.

Wir haben den Tagungs­band bei Frei­Dok publi­ziert (dem Online-Repo­si­to­ry der UB Frei­burg), d.h. er ist über die­sen Link online zugäng­lich. In einer klei­nen Stück­zahl wird er wohl auch gedruckt wer­den. Das Insti­tut für Forst­öko­no­mie der Uni Frei­burg hat es dan­kens­wer­ter­wei­se mög­lich gemacht, den Band in Frei­Dok in die Arbeits­be­rich­te-Rei­he des Insti­tuts zu stellen.

Faber, Fenn; Jay, Mari­on; Rei­ne­cke, Sabi­ne; Wes­ter­may­er, Till (Hrsg.) (2011): Ent­schei­dun­gen mit Umwelt­fol­gen zwi­schen Frei­heit und Zwang. Tagungs­band der 7. Tagung der Nach­wuchs­grup­pe Umwelt­so­zio­lo­gie (NGU). Arbeits­be­richt 55–2011, Frei­burg: Insti­tut für Forst­öko­no­mie. Elek­tro­ni­sches Doku­ment, URL: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/7944/.

Nochmal nachhaltige Mobiltelefonnutzung

Phone

Im Rah­men mei­ner Diss. inter­es­siert mich der „nach­hal­ti­ge“ Umgang mit Mobil­te­le­fo­nen (am Frei­tag hat­te ich dazu schon ganz kurz gebloggt). 

Auf der EASST 2010 in Tren­to habe ich dazu anhand von Inter­views, die ich vor ein paar Jah­ren durch­ge­führt habe, und in einer pra­xis­theo­re­ti­schen Rah­mung etwas über die Schwie­rig­kei­ten, ein Mobil­te­le­fon nach­hal­tig zu nut­zen. Am Don­ners­tag wer­de ich im Rah­men der Tagung „Ent­schei­dun­gen mit Umwelt­fol­gen zwi­schen Frei­heit und Zwang“ der Nach­wuchs­grup­pe eben­falls noch ein­mal etwas zu die­sem The­ma vor­tra­gen, mit etwas ande­rer Akzen­tu­ie­rung. Ein wich­ti­ger Aspekt sind für mich die sozio­tech­ni­schen „Zwän­ge“ gegen­über den Spiel­räu­men für eine nach­hal­ti­ge Nut­zung. Gra­de eben habe ich bei Twit­ter schon mal rum­ge­fragt; die Ant­wor­ten pas­sen ganz gut zu dem, was mir momen­tan so vorschwebt. 

Zum einen sind das unter­schied­li­che For­men der „nach­hal­ti­gen Nut­zung“ (in der „1. Welt“ – die Debat­te um die das Mobil­te­le­fon als Ent­wick­lungs­mo­tor in Ent­wick­lungs- und Schwel­len­län­dern ist noch­mal ein ganz ande­res The­ma). Wer die Lis­te – die kei­ne Aus­sa­ge über die tat­säch­li­che Umwelt­wir­kung der auf­ge­lis­te­ten Prak­ti­ken sein soll, son­dern ein­fach erst­mal eine Samm­lung, was Men­schen unter nach­hal­ti­ger Nut­zung ver­ste­hen – unten kom­men­tie­ren oder ergän­zen möch­te, ist herz­lich dazu eingeladen.

  • Ver­zicht auf ein Mobiltelefon
  • Nut­zung eines „geteil­ten“ Mobil­te­le­fons, Aus­bor­gen in spe­zi­fi­schen Situationen
  • Maxi­mie­rung der Lebens­zeit: Benut­zung eines alten/gebrauchten Geräts; klei­ne­re Repa­ra­tu­ren; Ersatz eines defek­ten Akkus; Ver­zicht auf Ver­trags­ver­län­ge­rungs­neu­ge­rä­te etc.
  • Wei­ter­ga­be bzw. Recy­cling nach Ende der Gebrauchsphase
  • Erreich­bar­keit auch mit einem älte­ren Modell mög­lich, Ver­zicht auf ener­gie­in­ten­si­ve Funk­tio­nen wie WLAN, kein Smartphone
  • Aus­wahl eines Geräts mit einem gerin­gen SAR-Wert, Strahlungsarmut
  • Aus­wahl eines Geräts mit „Öko-Design“ – beson­ders robust und hoch­wer­tig; recy­cel­te Kunst­stof­fe; inte­grier­te Solarzellen
  • Mini­mie­rung der Nut­zung: nur in beson­de­ren Fäl­len im Ein­satz, nicht immer ange­schal­tet, WLAN nicht immer ange­schal­tet; bewusst Ent­schei­dung für „teu­re­re“ Tarifstruktur/Prepaid
  • (Weit­ge­hen­der) Ver­zicht auf Anru­fe, Nut­zung nur für SMS
  • Ver­wen­dung von Öko-Strom zum Aufladen
  • Nut­zung als Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­um für nach­hal­ti­gen Kon­sum (vom Web­brow­ser auf dem Smart­phone zu beson­de­ren Apps wie etwa Bar­code-Rea­der mit Pro­dukt­in­for­ma­tio­nen oder orts­ba­sier­te Diens­te zur Infor­ma­ti­on über Umweltfragen)

Aus der Lite­ra­tur sind dann noch zwei wei­te­re For­men „nach­hal­ti­ger Nut­zung“ bekannt, von deren Exis­tenz ich aber noch nicht so ganz über­zeugt bin. Das eine wäre sowas wie eine Erhö­hung der Nach­hal­tig­keit des eige­nen Lebens dadurch, dass das Mobil­te­le­fon ener­gie- und res­sour­cen­in­ten­si­ve­re Dienst­leis­tun­gen und Pro­duk­te ersetzt (ein Bei­spiel wäre das Mobil­te­le­fon als eBook-Rea­der vs. eigen­stän­di­ges Gerät vs. gedruck­tes Buch) bzw. die Orts- und Zeit­fle­xi­bi­li­tät, die mit dem Gerät ver­bun­den ist, Mobi­li­tät ver­mei­den lässt (viel­leicht geht die Abfra­ge von Online­fahr­plä­nen via Han­dy in die­se Richtung). 

Das ande­re Modell, noch einen Schritt wei­ter­ge­hend, wäre das Smart­phone als öko­lo­gi­sche „Opti­mie­rungs­zen­tra­le“, sowas wie eine lau­fen­de Berech­nung der eige­nen Öko­bi­lanz als Ent­schei­dungs­grund­la­ge. Also die Nut­zung ent­spre­chen­der Infor­ma­ti­ons­ka­nä­le nicht in Aus­nah­me­fäl­len, son­dern ein­ge­baut in all­täg­li­che Routinen.

Neben die­sen nach­hal­ti­gen Nut­zungs­for­men, die mehr oder weni­ger die Spiel­räu­me umrei­ßen, ste­hen die „Zwän­ge“. Auch dafür eine (sicher­lich) unvoll­stän­di­ge und eher unsor­tier­te Liste.

  • Kaum Ein­fluss auf den Pro­duk­ti­ons­pro­zess, damit kaum Ein­fluss auf die wich­tigs­ten Nach­hal­tig­keits­fra­gen (Her­stel­lungs­be­din­gun­gen, …)
  • Abhän­gig­keit der Han­dy-Nut­zung von groß­tech­ni­scher Infra­struk­tur und deren Betrieb (ob der Netz­be­trei­ber für sei­ne Ser­ver Öko­strom ver­wen­det, weiss ich nicht und kann ich nicht beeinflussen)
  • Ver­trags- und Tarif­struk­tu­ren (auto­ma­tisch neue Gerä­te, auto­ma­ti­sche Vertragsverlängerung, …)
  • Bestimm­te Funk­tio­na­li­tä­ten nur mit neue­ren Model­len; ste­ti­ger Modellwechsel
  • Schlech­te Repa­rier­bar­keit, begrenz­te Lebensdauer
  • Not­wen­dig­keit, erreich­bar zu sein (z.B. wegen fami­liä­rer Koor­di­na­ti­on, beruf­li­chen Fra­gen, poli­ti­schem Machtgewinn)
  • Kei­ne funk­tio­na­len Äqui­va­len­te für bestimm­te Funk­tio­na­li­tä­ten, z.B. Textnachrichten
  • Ver­knüp­fung bestimm­ter Erwar­tun­gen mit dem Mobil­te­le­fon – wer eines hat, soll die­ses z.B. auch mög­lichst immer ange­schal­tet haben, weil Erreich­bar­keit zu den sozi­al durch­ge­setz­ten Eigen­schaf­ten der Mobil­te­le­fon­nut­zung gehört; macht z.B. Mini­mie­rungs­stra­te­gien oder sha­ring schwierig
  • Peer pres­su­re – z.B. Teen­ager, Mobil­te­le­fon als Objekt, an dem sich rea­le sozia­le Gemein­schaf­ten bilden
  • Mit zuneh­men­der Ver­all­täg­li­chung (inzwi­schen 80–90% der Haus­hal­te …) des Geräts wird „Mobil­te­le­fon­nut­zung“ die nicht hin­ter­frag­te gesell­schaft­li­che „Stan­dard­op­ti­on“, Ver­zicht wird mas­siv begründungsbedürftig
  • Uni­ver­sa­le Gene­ra­li­sier­bar­keit mobi­ler Kom­mu­ni­ka­ti­ons­prak­ti­ken macht Begren­zung auf bestimm­te Sphä­ren schwierig
  • In die Geräte/Verträge ein­ge­schrie­be­ne „Sach­zwän­ge“ (wel­che wären das?)

Viel­leicht hat ja jemand Lust, mit mir dar­über nach­zu­den­ken, ob die bei­den Lis­ten – die nicht der Inhalt, aber eine Grund­la­ge mei­nes Vor­trags am Don­ners­tag sein wer­den – so sinn­voll sind. 

War­um blog­ge ich das? Zur inter­sub­jek­ti­ven Ver­mei­dung blin­der Flecken.