Die leergeräumte Halle des Stuttgarter Hauptbahnhofs wird zumindest hübsch weihnachtlich illuminiert – mal rot, mal grün, mal blau. Und über dem Rest der „Schlemmergrill“-Zeile schwebt jetzt eine Weihnachtskugel.
Photo of the week: S21
Mehrmals in der Woche laufe ich durch wellgeblechte Übergänge zwischen den Gleisen und dem Bahnhof über die Stuttgart-21-Baustelle. Durch Fenster im Übergang kann der Baufortschritt begutachtet werden. Manchmal habe ich das Gefühl, den Boden schwanken zu spüren, wie auf einem Schiff. Der Bahnhof selbst ist inzwischen auch eine halbe Baustelle, sämtliche Geschäfte sind ausgeräumt und in provisorische Gebäude verlegt worden, die ein ganzes Stück entfernt liegen. Das hier ist so eine Art Wartebereich am Anfang des Wellblechtunnels zu den Gleisen. Meist sitzt dort jemand. Inzwischen ist auf der Bank auch ein Schild angebracht, dass diese Bank insbesondere dazu da ist, dass ältere Menschen oder Menschen mit Gehbehinderung hier eine Pause einlegen können.
Kurz: Zur Gemeinnützigkeit des BUND
„Kleine Anfragen“ sind das Graubrot der Parlamente. Trotzdem oder gerade deswegen lassen sich beim Stöbern im Drucksacheneingang des Landtags manchmal spannende Dinge finden. So hatte der Ulmer SPD-MdL Martin Rivoir, ein glühender Stuttgart-21-Fan, im Juni für mediale Aufregung gesorgt, weil er öffentlich die Gemeinnützigkeit des BUND in Frage gestellt hat. Warum? Weil dieser politisch agiert und Gelder für den S21-Widerstand einsammelt. In einer kleinen Anfrage wollte Rivoir wissen, ob die Landesregierung es für vereinbar mit der Gemeinnützigkeit des BUND hält, dass im Rahmen des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 auch dazu aufgerufen wurde, Gelder an den BUND zu spenden. Jetzt liegt die Antwort des Finanzministeriums vor, und sie fällt deutlich aus:
Das Handeln des BUND innerhalb des losen Zusammenschlusses „Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21« ist aufgrund des Mitwirkens an der Bauleit- und Verkehrsplanung (ggf. auch mittels Demonstrationen) und der ökologischen Dimension des Projektes Stuttgart 21 für die Region Stuttgart noch vom Satzungszweck des BUND und dem gemeinnützigen Zweck „Förderung des Umweltschutzes“ gedeckt.
Soweit in diesem Rahmen auch eine politische Tätigkeit entfaltet wird, ist diese unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit nach den Verhältnissen des Einzelfalls zwangsläufig mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und
die staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des gemeinnützigen Zwecks in den Hintergrund tritt. Dies ist im Fall des BUND ebenfalls noch zu bejahen.
Kurz: Gemein, dass nicht jede kleine Anfrage dem vom Fragesteller erwünschten Ergebnis nutzt!
Schtreschschtescht
Wer meine Tweets über den heutigen Tag verfolgt hat, hat gesehen, dass ich immer mal wieder in die Livestreams zur öffentlichen Präsentation des Stresstests zu Stuttgart 21 reingeschaltet und das Geschehen dort kommentiert habe.
Kurz zu S21: Werft die Spinmaschinen an!
Heute tagte der Lenkungskreis Stuttgart 21. Noch vor Ende der Sitzung eilte die Schlagzeile „Grün-rot will S21 weiterbauen“ über die Ticker bzw. Twitter. Das ist allerdings ziemlich irreführend. So weit ich das aus den verschiedenen Presseberichten etc. rekonstruieren kann, hat die grün-rote Landesregierung bei dieser Sitzung darauf verzichtet, einen förmlichen Antrag auf Baustopp zu stellen (weil das bedeuten würde, dass so ungefähr 50 Mio. Euro Kosten pro Monat Baustopp auf das Land zukommen – zum Vergleich: einmal Studiengebühren abschaffen kostet jährlich so ungefähr 150 bis 200 Mio. Euro). Das war das „Kompromissangebot“ der Bahn. Begründet wurde der Verzicht auf einen förmlichen Antrag seitens der Landesregierung nicht zuletzt damit, dass die den Zahlen der Bahn zugrundeliegenden Daten unklar sind und keine Grundlage für einen Kabinettsentscheid oder gar einen Landtagsbeschluss darstellen können.
Ein Verzicht auf einen förmlichen Antrag auf Baustopp ist aber nun kein grünes Licht für den Weiterbau. Auch wenn einige Medien jetzt genau das signalisieren. Rechtlich kann die Bahn die Bauarbeiten fortführen. Das Protestrisiko und auch das Risiko, auf Kosten sitzen zu bleiben, wenn S21 doch noch gestoppt wird (wg. Stresstest, wg. Überschreitung des Kostenrahmens, wg. Volksabstimmung) liegt bei der Bahn. Entsprechend sinnvoll ist es, dass Verkehrsminister Winne Hermann nicht auf die Erpressung (Baustopp gegen Entschädigung) eingegangen ist, aber Presseberichten zufolge klar signalisiert hat, dass das Land einen Weiterbau zwar nicht stoppt, aber eben auch nicht gutheißt. Diese Position wurde auch von vielen S21-GegnerInnen begrüßt.
Ein interessanter Aspekt dabei ist, wie zwischen 10 und 12 Uhr dann aus „Grün-rot will S21 weiterbauen“ ein „S21 kann zunächst weitergebaut werden“ und schließlich ein „Bahn will weiterbauen“ wurde. Mal schauen, was die Spinmaschinen (inkl. des Netzes) da bis morgen draus gemacht haben. Dabei interessant auch zu beobachten, wie welche Parteien (hallo LINKE, hallo Piraten!) jetzt in Windeseile angebliche „Wahllügen“ aus der Tasche ziehen. Ohne den Eindruck zu erwecken, zu verstehen, was da gerade entschieden wurde. Und warum.